ausWege - Theater Görlitz
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Vorwort<br />
Roland May | Intendant<br />
Liebe <strong>Theater</strong>- und Konzertfreunde, verehrte<br />
Zuschauerinnen und Zuschauer,<br />
vor einem Jahr hatte ich Ihnen eine Heim-<br />
Suchung für die Zeit unserer Sanierungsmaßnahmen<br />
angekündigt. Nun erst ist es<br />
soweit, dass wir <strong>ausWege</strong> gefunden haben,<br />
die wir mit Ihnen gemeinsam ab dem Herbst<br />
diesen Jahres betreten wollen. Es ist uns<br />
dabei gelungen, eine ganze Reihe von spannenden<br />
Spielorten zu finden, die ein jeweils<br />
ganz spezielles Angebot für Sie bereithalten.<br />
Unser Spielzeitmotto wird Ihnen in gewohnt<br />
ambivalenter Weise Themen wie die Suche<br />
nach Neuorientierung, Ortsveränderungen,<br />
aber auch Fluchten vor Augen führen. Die<br />
voraussichtlich dreizehn Monate ohne unser<br />
Stammhaus am <strong>Theater</strong>ring sind für die<br />
gesamte Belegschaft einerseits eine große<br />
logistische Herausforderung, aber auch eine<br />
spannende Reise zu neuen künstlerischen<br />
Erfahrungen in ungewohnter Umgebung. Sie,<br />
verehrte <strong>Theater</strong>freunde, möchte ich hiermit<br />
einladen, uns zu folgen, um diese Erfahrungen<br />
mit uns zu teilen. Neue Orte setzen<br />
Phantasien frei, die Ihnen in heiterer und<br />
ernster Form ein Abbild unserer Welt geben<br />
sollen, wie sie ist, wie sie nicht sein soll und<br />
wie wir sie uns wünschen. Wir alle sind Zeugen<br />
der absurdesten Entwicklungen auf unserem<br />
Erdball. Die Machtlosigkeit der Staaten<br />
in der wirtschaftlichen Globalisierung tritt<br />
unverschleiert zu Tage. Die Kluft zwischen<br />
Arm und Reich wird größer. Katastrophenszenarien<br />
überschwemmen den öffentlichen<br />
Raum, die tägliche Informationsflut absorbiert<br />
ständig unsere Aufmerksamkeit und<br />
treibt uns in eine Rast- und Ratlosigkeit, die<br />
nebenher das soziale Miteinander zur Marginalie<br />
verkommen lässt. Die letzten Orte der<br />
Konzentration und Besinnung werden im<br />
Raster der Effizienz misstrauisch beäugt und<br />
verdienen daher unser aller Einsatz und Kraft<br />
zu ihrer Verteidigung.<br />
Im Dreiländereck Polen – Tschechien –<br />
Deutschland gibt es seit Jahrzehnten eine<br />
starke Bindung des Publikums an ihren Ort<br />
der <strong>Theater</strong>kunst. Sie, verehrte Zuschauerinnen<br />
und Zuschauer, haben in den vergangenen<br />
Monaten ein großartiges Bekenntnis<br />
abgelegt, wie wichtig Ihnen Kunst und Kultur<br />
und dabei speziell das Gerhart-Hauptmann-<br />
<strong>Theater</strong> ist. Mit Ihren zahlreichen Besuchen<br />
und Spenden trugen Sie zum Erhalt der größten<br />
kulturellen Einrichtung in der Region bei.<br />
Und auch weiterhin wird das Engagement<br />
vieler <strong>Theater</strong>freunde nötig sein, um alle<br />
geplanten Bauvorhaben realisieren zu können.<br />
Eine weitere Baustelle in der vor uns liegenden<br />
Spielzeit wird die neue strukturelle<br />
Verortung des <strong>Theater</strong>s im neuen Landkreis<br />
sein. Die Weichen für eine gemeinsame<br />
Zukunft mit dem Musiktheater <strong>Görlitz</strong> auf<br />
gleicher Augenhöhe sind gestellt. Wichtig<br />
wird es sein, auf lange Sicht verlässliche<br />
Finanzierungsrahmen für die <strong>Theater</strong>kunst<br />
im entstehenden Landkreis <strong>Görlitz</strong> zu finden.<br />
Die Vorhaben für das Zusammengehen sich<br />
ergänzender Sparten versprechen eine von<br />
Synergien erfüllte Kooperation, die im<br />
Kulturraum Oberlausitz/Niederschlesien beispielhaft<br />
ist. Gute Voraussetzungen also, in<br />
einer Zeit der Improvisation nach neuen<br />
Formen zu suchen, die nicht den Makel der<br />
Lästigkeit tragen sollen.<br />
In der vergangenen Spielzeit haben unsere<br />
Inszenierungen und dabei ganz speziell die<br />
grenzüberschreitende Arbeit wieder viel überregionale<br />
Aufmerksamkeit erfahren. Dabei<br />
hat uns besonders gefreut, mit welcher<br />
Neugier dem Denken, Fühlen und Handeln<br />
unserer Nachbarn vom heimischen Publikum<br />
begegnet wurde. Auch im kommenden Jahr<br />
werden wir uns um ausländische Partner<br />
bemühen, die mit uns zusammen <strong>ausWege</strong><br />
finden wollen aus einer Welt der Ungleichheit<br />
und der Herzlosigkeit.<br />
Die vor uns liegende Spielzeit wird vor meinem<br />
Wechsel an das <strong>Theater</strong> Plauen-Zwickau<br />
die letzte für mich am Gerhart-Hauptmann-<br />
<strong>Theater</strong> sein. Im August 2009 liegen dann<br />
acht Jahre als Intendant an diesem traditionsreichen<br />
Hause hinter mir. Bis dahin jedoch<br />
verspreche ich Ihnen noch eine tolle Spielzeit<br />
und anregende und angenehme Stunden mit<br />
den alten und neuen Kollegen Ihres Gerhart-<br />
Hauptmann-<strong>Theater</strong>s.<br />
Ihr Roland May