28.02.2013 Aufrufe

Festliche Abende - Kulturkreis Kloster Wennigsen

Festliche Abende - Kulturkreis Kloster Wennigsen

Festliche Abende - Kulturkreis Kloster Wennigsen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

422. Konzert X 11. November 2012 X Quartett<br />

X Einführung<br />

Camesina Quartett<br />

auf Originalinstrumenten<br />

Johannes Gebauer, Violine I<br />

Katja Grüttner, Violine II<br />

Irina Alexandrowna, Viola<br />

Martin Burkhardt, Violoncel<br />

Johann Baptist Vanhal (1739 – 1813)<br />

Streichquartett in Es-dur Nr. 2 (1786)<br />

aus den sechs „Hoffmeister-Quartetten“<br />

Allegro con fuoco<br />

Adagio<br />

Allegro<br />

Joseph Haydn (1732 – 1809)<br />

Streichquartett in F-dur op. 77 Nr. 2 (1799)<br />

Allegro moderato<br />

Menuet: Presto<br />

Andante<br />

Finale: Vivace assai<br />

X Pause<br />

Jan Ladislav Dussek (1760-1812)<br />

Streichquartett in Es-dur, op. 60 Nr. 3 (1806)<br />

Allegro espressivo<br />

Adagio non tanto<br />

Menuetto: Scherzo, con moto assai<br />

Allegro moderato<br />

Haydns böhmische Freunde<br />

Wir sehen heute Haydn oft als den zurückgezogenen Komponisten, der irgendwo in der<br />

österreichischen Provinz in Abgeschiedenheit einem reichen Fürsten diente und diesem die<br />

Nachmittagsunterhaltung lieferte. Dass Haydn regelmäßig in der Hauptstadt Wien geweilt,<br />

und zahlreiche Freundschaften gepflegt hat, wird dabei oft übersehen. So war er gern<br />

gesehener Gast in Mozarts Wohnung im Camesina Haus, und Streichquartett-<strong>Abende</strong><br />

gehörten zu den regelmäßigen Veranstaltungen, denen er beiwohnte, entweder als Zuhörer<br />

oder aber auch als Primarius, wie wir vom irische Sänger Michael Kelly erfahren, der zu<br />

dieser Zeit zu Mozarts engeren Freunden zählte:<br />

„Storace gab einen Quartett-Abend für seine Freunde. Die Spieler waren akzeptabel; nicht<br />

einer von ihnen war überragend, aber es war ein wenig Wissenschaft unter ihnen, welche,<br />

wage ich zu sagen, offensichtlich sein wird, wenn ich ihre Namen nenne:<br />

Die erste Violine: Haydn<br />

die zweite Violine: Baron Dittersdorf<br />

das Violoncello: Vanhal<br />

die Viola: Mozart<br />

Ich war dort, und ein größeres Vergnügen, oder ein bemerkenswerteres, kann man sich<br />

nicht vorstellen.“<br />

Cello spielte also in dieser illustren Veranstaltung Johann Baptist Vanhal, dessen Streichquartett<br />

in Es-dur auch ungefähr zu dieser Zeit geschrieben wurde. Altersmäßig zwischen<br />

Haydn und Mozart, war Vanhal eigentlich Geiger und Organist, und gilt heute gemeinhin<br />

als der erste Musiker, der seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch den Verkauf seiner<br />

Kompositionen und das Unterrichten verdiente. Das Quartett in Es-dur entstammt einer<br />

Sammlung von sechs Quartetten, die 1786 beim Verleger Hoffmeister als Subscription verlegt<br />

waren. Das Camesina Quartett hat dieses Werk gerade zusammen mit zwei weiteren<br />

Quartetten aus Vanhals op. 33 auf CD eingespielt.<br />

Joseph Haydns späte Quartette, geschrieben für ein mehr oder weniger öffentliches<br />

Publikum, und nicht mehr für die alleinige Unterhaltung der Musiker, haben alle Elemente<br />

von unterhaltsamen aber intellektuell faszinierenden Paradestücken, mit jenem Humor, der<br />

Haydns Spätwerk zu so einem Vergnügen für jedes Publikum macht. Die zwei Quartette<br />

op. 77 waren zunächst als Teil einer Sammlung von sechs Quartetten geplant, aber durch<br />

die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und eine Vielzahl von anderen Kompositionsaufträgen<br />

konnte Haydn den Zyklus nicht mehr vollenden. Das F-dur Quartett op.<br />

77 Nr. 2 wurde Haydn‘s letztes vollendetes Kammermusikwerk, und obwohl Haydn noch<br />

Pläne für weitere Kammermusik machte, ist es doch ein perfektes Credo für den Spätstil<br />

des Komponisten. Besonders die Mittelsätze, ein schnelles Scherzo-Menuett mit einem<br />

hämmernden Rhythmus, der sich ständig im Metrum verschiebt, sowie einem wunderschönen<br />

Choral-ähnlichen Andante, schauen bereits weit ins 19. Jahrhundert und scheinen den<br />

Weg für Beethovens späten Klassizismus zu ebnen. (Beethoven „zitiert“ im übrigen<br />

dieses Quartett mehrfach in seinem ersten Quartett op. 18.)<br />

In einem Brief an dessen Vater lobt Haydn Jan Ladislav Dussek als Aufrechtesten<br />

Mann des Anstands, der Kultur und, im Bereich der Musik, als exzellentesten von<br />

allen - kommt uns das nicht bekannt vor? Einige Jahre früher erzählte Leopold Mozart<br />

von einem ganz ähnlichen Kompliment, welches Haydn über dessen Sohn Wolfgang<br />

Amadeus gemacht hatte, nachdem dieser ihm seine sechs Quartette vorgespielt hatte.<br />

Warf Haydn mit solchen Komplimenten um sich? Sicher nicht, es sind auch nur diese<br />

zwei derartigen Äußerungen überliefert. Aber Haydn muss Dussek sehr geschätzt<br />

haben, nachdem er ihn in London im Rahmen der Salomon Konzerte kennen gelernt<br />

hatte. Dussek war zu dieser Zeit in London als virtuoser Pianist und Klavierkomponist<br />

berühmt. Später musste er aus finanziellen Gründen aus London fliehen, und bekam<br />

später eine Anstellung beim preußischen Prinzen Louis Ferdinand, mit dem ihn eine<br />

enge Freundschaft verband.<br />

Am 4. Oktober 1806 schreibt J. L. Dussek (oder Dusík) an den Verleger Birchall in London:<br />

„Dear Sir, ich habe jüngst drei Quartette für zwei Violinen, Viola und Violoncello<br />

geschrieben, und ich gestehe Ihnen, dass ich dieses Werk für das Beste halte, was ich<br />

komponiert habe; sie sind weder im Stile Mozarts, Haydns oder Pleyels, sie sind ganz<br />

im Stile Dusseks. Ich hoffe, sie werden in der Musikwelt von sich hören machen…“<br />

Nur wenige Tage später, am 10. Oktober, begleitete Dussek den Prinzen nach Saalfeld,<br />

wo der Prinz in der Schlacht gegen Napoleon seinen plötzlichen Tod fand.<br />

Dusseks drei Streichquartette sind in der Tat in einem Stil geschrieben, der in keiner<br />

Weise vorhandene Werke imitiert, sondern im Gegenteil weit in die Zukunft weist.<br />

Man entdeckt hier eine Tonsprache, die in vielem dem jungen Mendelssohn vorgreift.<br />

Dass diese Juwelen der Quartettliteratur so lange unbekannt geblieben sind, liegt<br />

wohl vor allem daran, dass Dussek sonst ausschließlich Klaviermusik und Lieder geschrieben<br />

hat, man jedoch Kammermusik ohne Klavier bei Dussek nicht erwartet.<br />

Das Camesina Quartett hat Dusseks drei einzige Streichquartette op. 60 wiederentdeckt<br />

und eine vielbeachtete Weltersteinspielung auf CD vorgelegt.<br />

Johannes Gebauer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!