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Ernährungsaufklärung in Deutschland 1 Ausgewiesene ...

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<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 1<br />

<strong>Ausgewiesene</strong> Nichtexperten bestimmen das Ernährungsverhalten und die Ernährungsberatung <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> ‐ gibt es überhaupt noch e<strong>in</strong>e qualifizierte <strong>Ernährungsaufklärung</strong>?<br />

Sie dränge(l)n von allen Seiten: Food Coaches, Ernährungstra<strong>in</strong>er, Ernährungsberater, Diätberater,<br />

Fernsehköche, Gesundheitsexperten, Ernährungsexperten und so weiter. Alle halten ihre zertifizierten<br />

Fortbildungsurkunden <strong>in</strong> der Hand und erwarten, dass sie nun Krankenkassen‐abrechnungsfähig s<strong>in</strong>d. In<br />

<strong>Deutschland</strong> nennt man das kompetente Ernährungsberatung. Dabei s<strong>in</strong>d Sportlehrer, Fitnesstra<strong>in</strong>er oder<br />

Fernsehköche ohne Zusatzausbildung ausgewiesene Nichtexperten, wenn es um qualifizierte Diät‐ und<br />

Ernährungsberatung geht. Die Gesellschaft für Ernährungsmediz<strong>in</strong> und Diätetik fordert die staatlichen<br />

Stellen auf, im S<strong>in</strong>ne der Volksgesundheit und zur Abwendung von Gefahren durch die Ernährung endlich<br />

e<strong>in</strong> Machtwort zu sprechen. Es kann nicht se<strong>in</strong>, dass Menschen, die weder e<strong>in</strong>e Ausbildung noch e<strong>in</strong><br />

Studium im Bereich der Ernährungswissenschaft oder Diätetik vorweisen können, Verbrauchern etwas über<br />

Ernährung <strong>in</strong> der Prävention und Therapie zum Teil hochkomplexer Krankheitsbilder beibr<strong>in</strong>gen sollen.<br />

Das ist so, als würde der Fernmeldetechniker die Rechtsberatung oder der Gas‐Wasser‐Installateur die<br />

Steuerberatung übernehmen. Wer sorgt für kompetente Ernährungs<strong>in</strong>formationen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>? Welche<br />

Fortbildungen s<strong>in</strong>d notwendig und verdienen die Bezeichnung zertifiziert? Welche Abschlüsse werden von<br />

den Krankenkassen aus welchen Gründen anerkannt? So wie sich die Ernährungs<strong>in</strong>formationen <strong>in</strong> den<br />

Medien durch e<strong>in</strong>en Irrgarten schlängeln, so weit ause<strong>in</strong>ander gehen auch die Ansichten im<br />

Qualitätsmanagement der <strong>Ernährungsaufklärung</strong>. Selbst das Studium der Ernährungswissenschaft ist<br />

weder e<strong>in</strong>heitlich noch adäquat strukturiert – bei den Berufsbezeichnungen Diplom‐Trophologe,<br />

Diplom‐Oecotrophologe, Diplom‐Ernährungswissenschaftler, Ernährungstechniker, Master of Science<br />

Oecotrophologie oder Bachelor of Science Oecotrophologie angefangen. Aber wer<br />

Ernährungswissenschaften studiert, ist nach se<strong>in</strong>em Studium noch lange nicht berechtigt,<br />

Ernährungsberatung auch qualifiziert durchzuführen. Da muss man schon e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es zusätzliches<br />

Vermögen für e<strong>in</strong>e anerkannte Fortbildung verschiedener Verbände und Institutionen ausgeben, zusätzlich<br />

muss diese Fortbildung dann jährlich aufgefrischt werden – nicht kostenlos, versteht sich. Zudem ist es eher<br />

verwunderlich, dass Ernährungsberater und ‐berater<strong>in</strong>nen ihr Wissen jährlich ergänzen und neu unter<br />

Beweis stellen müssen, während die Lehrkörper an den Schulen und Universitäten ihren Schülern und<br />

Studenten ʺdas Gleicheʺ lehren können. Und die Vorstellung, dass arbeitslose Ernährungswissenschaftler<br />

etwa 3.000,‐ Euro auf der hohen Kante haben, um die Empfehlungskriterien der Verbände zu erfüllen, ist


<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 2<br />

schon e<strong>in</strong> hartes Stück Brot. Pe<strong>in</strong>lich ist es, wenn mehr als die Hälfte der Ernährungswissenschaftler nach<br />

ihrem Studium ke<strong>in</strong>e Stelle f<strong>in</strong>den. Ke<strong>in</strong> Job ohne Berufserfahrung – ohne Berufserfahrung ke<strong>in</strong> Job.<br />

Absolventen müssen sich darauf e<strong>in</strong>stellen, erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> halbes Jahr auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />

zu se<strong>in</strong> und e<strong>in</strong> halbes Jahr e<strong>in</strong> unentgeltliches Praktikum zu absolvieren. Mit viel Glück f<strong>in</strong>det sich<br />

anschließend e<strong>in</strong> befristeter Arbeitsplatz. Andererseits verursachen ernährungs(mit)bed<strong>in</strong>gte Krankheiten<br />

jährlich m<strong>in</strong>destens 75 Milliarden Euro Kosten und 64,4 Prozent der Todesfälle s<strong>in</strong>d (<strong>in</strong>)direkt auf<br />

Fehlernährung zurückzuführen. Dabei tummelt sich e<strong>in</strong>e Vielzahl angeblicher Ernährungsfachleute auf<br />

dem Markt. Und die wirklichen Experten s<strong>in</strong>d nicht erwerbstätig oder arbeiten <strong>in</strong> völlig anderen Bereichen.<br />

Trotzdem bezeichnen viele die Ernährungswissenschaft als Modeberuf mit unglaublich großem Potential.<br />

Dies wird wiederum schon seit Jahrzehnten prophezeit und dabei ist es bislang auch geblieben.<br />

Nichtexperten s<strong>in</strong>d auf diesem Gebiet erfolgreicher. Sie s<strong>in</strong>d täglich im Fernsehen zu sehen, wöchentlich im<br />

Radio zu hören und <strong>in</strong> nahezu jedem Journal vertreten. Sei es am Rathaus um die Ecke, im Krankenhaus, im<br />

Hotel oder im Fitness‐Studio – jede Menge qualifizierte Ernährungsexperten. Mit Kontakten geht es unter<br />

Umständen auch ohne teure Ausbildung. Gerade im Gesundheitswesen spielen Verkaufstalente e<strong>in</strong>e<br />

weitaus größere Rolle als Wissen. Wer auf der Strecke bleibt ist wie immer der Konsument– aber diese<br />

Strategie ist schon aus der Gesundheitspolitik bekannt. Durchleuchtet man die qualitativ hochwertigen<br />

Ernährungsfachleute, wird schnell deutlich: nur wenige Fortbildungen halten den Qualitätsansprüchen<br />

stand, selbst das Studium weist klare Defizite auf.<br />

Das Studium der Ernährungswissenschaften<br />

ʺDie Ernährungswissenschaften s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e komplexe Fachdiszipl<strong>in</strong>, denn das Studium vermittelt<br />

grundlegende Kenntnisse über die im Zusammenhang mit der Ernährung des<br />

Menschen ablaufenden Prozesse unter besonderer Berücksichtigung der zur Förderung der menschlichen<br />

Gesundheit und Leistungsfähigkeit richtigen Ernährung, sowie über Lebensmittel und Ernährung. Ziel des<br />

Studiums ist die Vorbereitung der Studierenden auf e<strong>in</strong>e Berufstätigkeit als hoch qualifizierte<br />

Ernährungswissenschaftler.ʺ <strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 3 Das Studium der<br />

Ernährungswissenschaften unterscheidet sich an den 16 universitären E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Gesichtspunkten (Tabelle 1). Grob kann die Ernährungswissenschaft, die <strong>in</strong> Anlehnung an die<br />

Naturwissenschaft aus den Fächern Biologie, Chemie und Humanmediz<strong>in</strong> aufgebaut ist, von der<br />

Oecotrophologie unterschieden werden, die sich meist <strong>in</strong> die Bereiche Ernährung und


<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 3<br />

Haushaltswissenschaft gliedert. E<strong>in</strong>ige Universitäten suchen die Anb<strong>in</strong>dung an die Agrarwissenschaften<br />

(Gießen, Kiel, Osnabrück) oder an die Sozialwissenschaften (Fulda). Grundsätzlich s<strong>in</strong>d Absolventen der<br />

Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft (Bonn, Hamburg, Münster, Mönchengladbach) im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

Durchführung e<strong>in</strong>er Ernährungsberatung besser geschult als die Ernährungswissenschaftler (Jena, Potsdam,<br />

Halle, München). Dafür erhielten diese tiefere E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die molekularen Mechanismen der Biochemie<br />

und Ernährungsphysiologie sowie die Zusammenhänge <strong>in</strong> der Ernährungspharmakologie und –<br />

toxikologie. Nach Studienabschluss stehen alle vor dem gleichen Dilemma.<br />

Doch was s<strong>in</strong>d die Tätigkeitsfelder?<br />

Im Studium ist die Rede von Arbeitsplätzen im Gesundheitswesen, im Staatsdienst, <strong>in</strong> der biomediz<strong>in</strong>ischen<br />

Forschung oder der Lehre an Hochschulen und Forschungszentren, <strong>in</strong> der Entwicklungshilfe und <strong>in</strong><br />

verschiedenen Bereichen der Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie. Im gleichen Atemzug s<strong>in</strong>d Sätze wie ʺDas Studium<br />

bietet die besten Voraussetzungen für e<strong>in</strong> erfolgreiches Arbeiten <strong>in</strong> diesem neuen, sich dynamisch<br />

entwickelnden Fachgebiet.ʺ, zu vernehmen. Soweit zur Theorie. Die Praxis sieht anders aus. E<strong>in</strong>em Bericht<br />

der Agentur für Arbeit aus dem Jahre 2003 zufolge liegen für Oecotrophologen nur wenige Stellenangebote<br />

vor. ʺDer Arbeitsmarkt ist somit als problematisch anzusehenʺ, heißt es. Nur wer zahlreiche Berufspraktika<br />

aufweist, geduldig und flexibel ist, hat e<strong>in</strong>e reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt. Ernährungsberatung ist –<br />

wenn überhaupt – nur mit Zusatzqualifikation, mehreren Standbe<strong>in</strong>en und Kontakten e<strong>in</strong> gesichertes<br />

E<strong>in</strong>kommen. In Kl<strong>in</strong>iken und Praxen üben <strong>in</strong> der Regel Diätassistenten diese Tätigkeit aus. Wer im Studium<br />

<strong>in</strong>teressiert ist und e<strong>in</strong>e experimentelle Diplomarbeit verfasst, hat gute Chancen <strong>in</strong> der Forschung tätig zu<br />

werden, vorausgesetzt es besteht Bedarf und Gelder s<strong>in</strong>d vorhanden. Aber Ernährungsforschung f<strong>in</strong>det <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> praktisch nicht statt und Ernährungsmediz<strong>in</strong> ist ke<strong>in</strong> Studienfach. Des Weiteren f<strong>in</strong>det sich<br />

e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Anzahl von Arbeitsstellen <strong>in</strong> der Industrie, wie <strong>in</strong> der Produktentwicklung, der<br />

Qualitätskontrolle oder im Produktmarket<strong>in</strong>g. Ohne Kontakte kommt man <strong>in</strong> der Regel<br />

<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 4 jedoch nur über e<strong>in</strong> Praxissemester während des Studiums oder<br />

über das Verfassen der Diplomarbeit <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit diesen Firmen an e<strong>in</strong>e Stelle. Auch gibt es<br />

e<strong>in</strong>ige Positionen als Pharmaberater, diese s<strong>in</strong>d unter den Bewerbern jedoch äußerst unbeliebt. Weitere<br />

wenige Möglichkeiten bieten sich im Fachjournalismus, <strong>in</strong> der Pädagogik an Berufsschulen oder <strong>in</strong> der<br />

Erwachsenenbildung. Fazit: Ernährungswissenschaftler suchen den Job wie die Nadel im Heuhaufen.<br />

Immer mit e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Arbeitslosigkeit kämpft die Ernährungsliga um ihre Posten.


<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 4<br />

Tabelle 1: Überblick über die universitären E<strong>in</strong>richtungen mit Studiengängen der Haushalts‐ und<br />

Ernährungswissenschaften<br />

Fachhochschule Albstadt‐Sigmar<strong>in</strong>gen Lebensmittel, Ernährung und Hygiene<br />

Universität Anhalt (Bernburg) Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Universität Bonn Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Fachhochschule Fulda Public Health Nutrition<br />

Justus‐Liebig‐Universität Gießen Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Mart<strong>in</strong>‐Luther‐Universität Halle Wittenberg Ernährungswissenschaft<br />

Hamburg Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Universität Hohenheim Ernährungswissenschaft<br />

Friedrich‐Schiller‐Universität Jena Ernährungswissenschaft<br />

Christian‐Albrechts‐Universität zu Kiel Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

TU Weihenstephan Ernährungswissenschaft<br />

Fachhochschule Münster Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Hochschule Niederrhe<strong>in</strong> Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Osnabrück Ernährungs‐ und Haushaltswissenschaft<br />

Universität Potsdam Ernährungswissenschaft<br />

Troisdorf Ernährung und Versorgungsmanagement<br />

Ausbildung zum Diätassistenten/ zur Diätassistent<strong>in</strong><br />

Die Ausbildung zum Diätassistenten beziehungsweise zur Diätassistent<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e staatliche 3‐jährige<br />

Ausbildung mit Abschlussprüfung. Das Gesetz regelt die Ausbildung zum Diätassistenten. Die<br />

Auszubildenden sollen anschließend <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, ernährungsmediz<strong>in</strong>ische ärztliche Anweisungen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>wandfreie Diätkost zu übertragen. Außerdem gehören zu ihren Tätigkeiten Diäten exakt zu<br />

berechnen, Wochenspeisepläne zu erstellen und deren Organisation sowie Zubereitung zu überwachen. Sie<br />

müssen <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, diätbedürftige Patienten richtig zu schulen und zu beraten. Diätassistenten f<strong>in</strong>den<br />

Anstellungen <strong>in</strong> Diätküchen von Kl<strong>in</strong>iken, Rehabilitationszentren und Altenpflegeheimen sowie <strong>in</strong><br />

Beratungse<strong>in</strong>richtungen von niedergelassenen Ärzten, Apotheken, Kl<strong>in</strong>iken oder Fitness‐Studios.<br />

Diätassistenten lernen im Gegensatz zu vielen Ernährungswissenschaftlern Gesprächstechniken und<br />

E<strong>in</strong>fühlungsvermögen für potentielle Patienten, so dass sie E<strong>in</strong>zel‐ und Gruppenschulungen vornehmen


<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 5<br />

können. Im Gegensatz zu den Ernährungswissenschaftlern haben Diätassistenten relativ gute Arbeitsplatz‐<br />

aber ger<strong>in</strong>ge Aufstiegschancen.<br />

Was ist unter e<strong>in</strong>er qualifizierten Ernährungsberatung zu verstehen?<br />

Nach Auffassung der zuständigen Verbände dient e<strong>in</strong>e qualifizierte Ernährungsberatung der nachhaltigen<br />

Änderung und Verbesserung des Ernährungsverhaltens sowie der Prävention ernährungs(mit)bed<strong>in</strong>gter<br />

Erkrankungen ohne ärztliche Weisung. Ernährungstherapie ist die therapeutische Beratung und Betreuung<br />

bei Erkrankungen auf ärztlicher Verordnung. Es werden hohe Anforderungen an deren Inhalte sowie den<br />

Beratungsprozess selbst gestellt. Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, den aktuellen Ergebnissen aus<br />

Wirtschaft und Politik angepasste Informationen sowie methodische und didaktische Fähigkeiten s<strong>in</strong>d<br />

Voraussetzung e<strong>in</strong>er jeden Ernährungsbratung – sei es im Dialog, im Fernsehen oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeitschrift.<br />

Ebenfalls werden Kenntnisse über die Evaluation sowie maßgebliche Qualitätsstandards vorausgesetzt.<br />

E<strong>in</strong>e qualifizierte Ernährungsberatung ist demnach ausschließlich der Erhaltung oder/ und<br />

Wiederherstellung der Gesundheit der Bürger verpflichtet. Sie gilt als produktneutral und ist nicht an die<br />

Werbung oder den Verkauf von Produkten gekoppelt.<br />

Wer sorgt nun für die <strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>?<br />

Abgesehen von den Ausbildungsmöglichkeiten (Diätassistenz und Ernährungswissenschaft bzw.<br />

Oecotrophologie) tummelt sich e<strong>in</strong>e ganze Reihe von angeblichen Experten – ausgewiesene Nichtexperten –<br />

auf diesem Gebiet auf dem Markt. <strong>Ernährungsaufklärung</strong> wird heute <strong>in</strong> vielfältiger Weise <strong>in</strong>terpretiert und<br />

angeboten. Beratungsleistungen bekommt man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beratungspraxis, der Krankenkasse, dem<br />

Verbraucherzentrum, der Arztpraxis, an der Haustür, der Fachapotheke, dem Fitness‐Center, der<br />

Volkshochschule und dem Wellnesshotel. Informationen überhäufen sich im Internet, im Radio, im<br />

Fernsehen und <strong>in</strong> Zeitschriften. Häufig werden derartige Beratungsleistungen von ungeschultem Personal<br />

durchgeführt. Sie nennen sich Gesundheitsexperten, Ernährungsberater, Food Coaches ...<br />

Wie kann sich der Patient oder der Informationsbedürftige sicher se<strong>in</strong>, dass die ihm dargebotenen<br />

Informationen wissenschaftlich fundiert s<strong>in</strong>d und den aktuellen Erkenntnissen gerecht werden? Häufig<br />

verknüpfen Berater ihre Dienstleistungen mit Produktangeboten und der Verbraucher läuft Gefahr, dass die<br />

Beratung zur Durchsetzung eigener f<strong>in</strong>anzieller Interessen missbraucht wird. Um dies zu vermeiden wurde<br />

im letzten Jahr e<strong>in</strong> Koord<strong>in</strong>ierungskreis auf Bundesebene gebildet, der sich aus Vertretern verschiedener


<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 6<br />

Fachverbände und Institutionen zusammensetzt (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Berufsverband<br />

der Diätassistenten e.V., Verband der Diplom‐Oecotrophologen e.V., Verband für Unabhängige<br />

Gesundheitsberatung e.V., Institut für Qualitätssicherung <strong>in</strong> der Ernährungstherapie und Beratung e.V., aid<br />

Infodienst Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung e.V., Deutsche Akademie für<br />

Ernährungsmediz<strong>in</strong>, ...). Auf Grund der Vorlage des Koord<strong>in</strong>ationskreises des Bayerischen<br />

Staatsm<strong>in</strong>isteriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz wurde die ʺRahmenvere<strong>in</strong>barung zur<br />

Qualitätssicherung der Ernährungsberatung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>ʺ verfasst und unterzeichnet. Diese be<strong>in</strong>haltet<br />

im Wesentlichen die Kriterien, welche Fortbildungsmaßnahmen als qualifizierte<br />

krankenkassenabrechnungsfähige Zusatzqualifikationen für die Ernährungsberatung gelten (Tabelle 2)<br />

Tabelle 2: Anerkannte Fortbildungsveranstaltungen gemäß der ʺRahmenvere<strong>in</strong>barung zur<br />

Qualitätssicherung der Ernährungsberatung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>ʺ<br />

Berufsgruppen, die gemäß Studien‐ und Ausbildungsordnungen grundlegende Voraussetzungen für die<br />

qualifizierte Ernährungsberatung mitbr<strong>in</strong>gen<br />

Diplom‐Oecotrophologen, Ernährungswissenschaftler, (Diplom, Bachelor oder Master)<br />

Diplom<strong>in</strong>genieure Ernährungs‐ und Hygienetechnik<br />

Diätassistenten<br />

Gültige Zusatzqualifikationen zur Durchführung e<strong>in</strong>er qualifizierten Ernährungsberatung<br />

Curriculum Ernährungsberatung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zum<br />

Ernährungsberater/DGE oder Ernährungsmediz<strong>in</strong>ischen Berater/DGE<br />

Registrierung beim Institut für Qualitätssicherung <strong>in</strong> der Ernährungstherapie und ‐beratung (QUETHEB)<br />

e.V.<br />

Zertifizierung durch Berufsorganisationen Verband der Diätassistenten (VDD) e.V. und Verband der<br />

Diplom Oecotrophologen (VDOE) e.V.<br />

Weitere Berufsgruppen<br />

Ärzte mit gültigem Fortbildungsnachweis gemäß Curriulum Ernährungsmediz<strong>in</strong> der Bundesärztekammer<br />

und/oder dem Nachweis der Registrierung bei QUETHEB Apotheker mit Zusatzqualifikation zum<br />

Fachapotheker für Ernährungsberatung laut Bundesapothekerkammer (nicht<br />

krankenkassenabrechnungsfähig)


<strong>Ernährungsaufklärung</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 7<br />

Die Vere<strong>in</strong>barung regelt grundlegende Fragestellungen, beispielsweise welche Qualifikationen notwendig<br />

s<strong>in</strong>d, welche Kriterien der Fort‐ und Weiterbildungsmaßnahmen erfüllt werden müssen oder welche Rolle<br />

die <strong>Ernährungsaufklärung</strong>, ‐<strong>in</strong>formation, ‐bildung und ‐praxis spielen. Hier stellt sich manchem die Frage,<br />

ob damit nicht auch die E<strong>in</strong>nahmen der jeweiligen Verbände gesichert werden sollen, stehen doch <strong>in</strong> der<br />

Vere<strong>in</strong>barung nur die Fortbildungen der beteiligten Institutionen <strong>in</strong> der Rahmenvere<strong>in</strong>barung. Tatsache ist<br />

allerd<strong>in</strong>gs, dass e<strong>in</strong> Großteil der angebotenen Fort‐ und Weiterbildungsmöglichkeiten auf dem deutschen<br />

Markt irgende<strong>in</strong>e Zertifizierung vorweisen dürfen. Häufig fehlen jedoch bestimmte<br />

Voraussetzungskriterien und ausreichendes Basiswissen, um im Anschluss an die entsprechende<br />

Fortbildung auch e<strong>in</strong>e qualifizierte Ernährungsberatung durchführen zu können. Als Voraussetzung für die<br />

unterzeichnete Vere<strong>in</strong>barung muss die Kompetenz von e<strong>in</strong>er durch die Rahmenvere<strong>in</strong>barung zugelassenen<br />

Institution und e<strong>in</strong>em entsprechend zugelassenen Curriculum e<strong>in</strong>schließlich Prüfung nachgewiesen<br />

werden. Zudem muss <strong>in</strong> der Fortbildung mit anerkannten fachlichen, methodischen und pädagogischen<br />

Standards gearbeitet werden. Auch hier ist e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Fortbildung notwendige Voraussetzung für<br />

e<strong>in</strong> qualitätsgesichertes Handeln.<br />

Fazit<br />

Die Gesellschaft für Ernährungsmediz<strong>in</strong> und Diätetik fordert die Medien auf, ihr Augenmerk <strong>in</strong> der<br />

Gesundheits‐ und Ernährungsberatung auf ausgebildete, qualifizierte Fachleute zu richten. Das s<strong>in</strong>d vor<br />

allem Diätassistenten und Ernährungswissenschaftler sowie Ärzte, Mediz<strong>in</strong>er mit e<strong>in</strong>er anerkannten,<br />

qualifizierten und zertifizierten Zusatzausbildung. Die staatlichen Stellen sollten darauf achten, dass die<br />

Fortbildungs‐ und Weiterbildungsmöglichkeiten im Ernährungsbereich den Qualitätsstandards entsprechen<br />

und nicht nur der E<strong>in</strong>kommenssicherung dienen. Gerade im Gesundheitswesen ist es erforderlich, das<br />

Vertrauen der Verbraucher aufzubauen. Bei der momentanen Flut an zum Teil unqualifizierten<br />

Informationen und e<strong>in</strong>er fraglichen Qualität der Ernährungsberatungen ist es nicht verwunderlich, dass<br />

wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und darauf basierende Projekte und Kampagnen bei den<br />

Verbrauchern untergehen/ verpuffen.<br />

Redaktion: Die Gesellschaft für Ernährungsmediz<strong>in</strong> und Diätetik e.V.<br />

Dipl. troph. Ir<strong>in</strong>a Baumbach

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