2010_Deuten_in_psychoanalytisch_begruendeten_Psychotherapien
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stets den Widerstand vor dem Inhalt zu deuten. Diese Haltung lässt den Therapeuten allerd<strong>in</strong>gs<br />
überaus e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gend und kontrollierend ersche<strong>in</strong>en. Sie wird heute daher nicht mehr als<br />
verb<strong>in</strong>dlich betrachtet.<br />
Das Konzept des Widerstandes basiert auf der Vorstellung, dass unbewusste Motive,<br />
<strong>in</strong>sbesondere unbewusste Triebwünsche, abgewehrt werden. Damit ist die Gültigkeit dieses<br />
Konzeptes eng auf die Konflikt-Pathologie und ggf. noch auf die Selbstwert-Pathologie der<br />
narzisstischen Störungen begrenzt. Bei der Struktur-Pathologie beruhen die H<strong>in</strong>dernisse, die<br />
sich <strong>in</strong> der Behandlung darstellen, im Allgeme<strong>in</strong>en auf Unfähigkeiten. Diese erfordern e<strong>in</strong>en<br />
andersartigen Umgang. Man würde dem Patienten eher helfen, konstruktiver mit se<strong>in</strong>en<br />
Defiziten umzugehen und diese nicht als Widerstand deuten. Wir könnten ihn z.B. ermutigen,<br />
über se<strong>in</strong>e aktuellen Probleme zu sprechen als sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren.<br />
<strong>Deuten</strong> und Nicht-<strong>Deuten</strong><br />
Dass Psychoanalyse ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Deutungskunst ist, hat Freud schon im Zusammenhang mit<br />
dem Durcharbeiten erkannt. Aber er hat dem notwendigen förderlichen Umgang mit der<br />
therapeutischen Beziehung und der nicht-deutenden Aktivität des Analytikers <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
technischen Schriften ke<strong>in</strong>e besondere Bedeutung beigemessen. Diese Dimension der<br />
<strong>psychoanalytisch</strong>en Technik ist daher über lange Zeit nicht systematisch weiterentwickelt<br />
worden ist. Es sche<strong>in</strong>t, dass der aktive Beitrag des Analytikers zum Gel<strong>in</strong>gen der Analyse mit<br />
dem Ideal e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong> rezeptiven, unsichtbaren Analytikers sogar über lange Zeit e<strong>in</strong><br />
Tabuthema der Diskussion über die <strong>psychoanalytisch</strong>e Technik gewesen ist. E<strong>in</strong>zelne Ansätze<br />
wurden nicht aufgegriffen und weitergeführt.<br />
Ferenciz hat um 1930 mit se<strong>in</strong>en „technischen Experimenten“ die Notwendigkeit aufgezeigt,<br />
Retraumatisierungen durch e<strong>in</strong>e allzu zurückhaltende Technik zu vermeiden und den<br />
Patienten mit Takt und Offenheit zu begegnen. Seiter - und verstärkt seit der Mitte des<br />
vorigen Jahrhunderts - ist der Stellenwert der klassischen Deutung mit der Konzeption der<br />
nicht-deutenden Strategien <strong>in</strong> der Psychoanalyse und den abgeleiteten Verfahren relativiert<br />
worden.<br />
Die bedeutendsten anfänglichen Vertreter dieser Richtung waren Bal<strong>in</strong>t, W<strong>in</strong>nicott und Bion.<br />
Sie betonten die Wichtigkeit des nicht-deutenden Umgangs mit der psychotherapeutischen<br />
Beziehung. Mit e<strong>in</strong>er entwicklungsfördernden therapeutischen Haltung verfolgten sie das Ziel<br />
der Nachreifung der Persönlichkeit.<br />
- W<strong>in</strong>nicott: Das Halten (Hold<strong>in</strong>g) und die Bereitstellung e<strong>in</strong>er ermöglichenden Umgebung<br />
(facilitat<strong>in</strong>g environment), verbunden mit der Bereitschaft, sich als Objekt verwenden zu<br />
lassen<br />
- Bion: die Funktion als Behälter für die unverarbeiteten mentalen Elemente (Conta<strong>in</strong>er)<br />
und die stellvertretende Verarbeitung und Transformation (Conta<strong>in</strong><strong>in</strong>g)<br />
- Bal<strong>in</strong>t: das ausdrückliche Zurückhalten von Deutungen im Stadium der Grundstörung,<br />
d.h. tiefen Regression<br />
Diese Konzepte gehen weit über die klassische Deutungstechnik h<strong>in</strong>aus. Sie fußen auf der<br />
Erweiterung des Behandlungsspektrums <strong>in</strong> Richtung der strukturellen<br />
Entwicklungsstörungen, die im wesentlichen auf nicht-symbolisierten Erfahrungen beruhen.<br />
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