Nachhaltige Entwicklung - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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Effizienz, Suffizienz, Konsistenz<br />
ist natürlich eine schwierige Frage. Jedenfalls enthält<br />
die Definition zwei Elemente, die die traditionelle<br />
ökonomische <strong>Entwicklung</strong>sdefinition nicht im Blick hat:<br />
die Gerechtigkeit innerhalb einer Generation und die<br />
zwischen den Generationen. Wir müssen den anderen<br />
etwas übrig lassen, damit sie auch gut leben können,<br />
und wir müssen unter uns so verteilen, dass alle gut leben<br />
können. Wichtig war, dass damit Verteilungselemente<br />
in den Blick kamen. Traditionelle Ökonomen beruhigen<br />
sich meist dabei, dass die Verteilungsfrage Werturteile<br />
beinhalte, mit denen sich Wirtschaftswissenschaftler nicht<br />
abgeben sollten. „Wir lösen ökonomisch das Verteilungsproblem<br />
durch Wachstum, dann ist <strong>für</strong> alle da“, so der<br />
Gedanke. Das kann man aber nur so sagen, solange<br />
man an der Fiktion eines unendlichen Wachstums in einer<br />
endlichen Welt festhält. Lässt man diese Fiktion fallen,<br />
dann heißt das beispielsweise, dass man die Probleme<br />
der <strong>Entwicklung</strong>sländer nicht ohne Umverteilung lösen<br />
kann, dass wir mehr einsparen müssen, als diese Länder.<br />
Auch in unserer Gesellschaft haben wir Gegensätze von<br />
arm und reich, die uns zu der Frage zwingen, welches<br />
Mindesteinkommen ein Menschen haben muss beziehungsweise<br />
haben soll.<br />
Drei Kernpunkte der Nachhaltigkeit<br />
Wenn Wachstum kein generelles Lösungsmuster <strong>für</strong><br />
das intergenerative und intragenerative Gerechtigkeitsproblem<br />
ist, wenn Wachstum uns im Gegenteil sogar<br />
ökologische und <strong>soziale</strong> Probleme beschert, was ist dann<br />
der Handlungsansatz? Hier kommen die drei Begriffe<br />
Effizienz, Suffizienz und Konsistenz zum Tragen.<br />
1. Effizienz:<br />
Das ist die einfachste und deshalb beliebteste Strategie:<br />
Wir können ein Auto mit 0 % weniger Stahl bauen und<br />
da<strong>für</strong> sorgen, dass es 5 Liter statt 7 Liter Sprit verbraucht.<br />
Wenn wir ein Lebensmittel produzieren, verwenden wir<br />
weniger Arbeit und Kunstdünger und machen es damit<br />
preisgünstiger und gesünder. Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />
hat das mit der Formel vom „Faktor vier“ auf den Begriff<br />
gebracht: Wir versuchen das Gleiche mit weniger Ressourcen-<br />
und Energieeinsatz zu produzieren. Das macht bei<br />
Waren ja auch generell Sinn - bei personenbezogenen Beziehungsdienstleistungen<br />
wird es allerdings problematisch,<br />
weil wir hier gerade mehr Aufwand (an Zuwendung usw.)<br />
brauchten. Bei Autos funktioniert das Ganze aber auch nur<br />
dann, wenn eine Halbierung des Spritverbrauchs nicht mit<br />
einer Verdreifachung der Zahl der Autos einhergeht. Sonst<br />
hätten wir nicht weniger, sondern mehr Sprit verbraucht<br />
und mehr CO in die Atmosphäre geblasen.<br />
Den spezifischen Einsatz zu senken ist wichtig, aber<br />
letztlich geht es um die absoluten Größen. Es gibt<br />
unter vielen Initiativen sogar einen „Faktor 10 Club“,<br />
der sich den Fragen der Effizienzrevolution widmet. Die<br />
renommierten Wissenschaftler, die sich dort versammelt<br />
haben, fordern, bis 050 mit 10 Prozent dessen zu<br />
produzieren, was wir heute an Energie und Ressourcen<br />
verbrauchen. Dennoch: Wenn wir bis dahin 9<br />
Milliarden Menschen sind, die alle unseren heutigen<br />
Lebensstandard haben, ergibt sich auch bei Faktor 10<br />
vermutlich noch keine Lösung, so wichtig die Effizienzrevolution<br />
auch ist.<br />
10 Sozialimpulse 4/08<br />
2. Suffizienz<br />
Suffizienz ist die schöne Umschreibung des Prinzips<br />
„Glücklicher sein mit weniger haben“. Ein großes<br />
Hilfswerk ließ kürzlich Plakate kleben, auf denen eine<br />
Reisschale abgebildet war, mit der Unterschrift: „Weniger<br />
geht nicht.“ Hungernden Suffizienz zu predigen<br />
ist in der Tat zynisch. Die Frage indes ist berechtigt, ob<br />
wir das, was wir in den entwickelten Ländern haben,<br />
dauerhaft fortführen können und ob unser heutiger<br />
Lebensstil nicht eher ein Auslaufmodell ist als ein Vorbild<br />
<strong>für</strong> den Rest der Menschheit. Die Lage erinnert in<br />
gewisser Hinsicht an die Situation des Adels vor der<br />
Französischen Revolution: der fand seine Privilegien<br />
ganz natürlich, was aber nicht verhinderte, dass sie<br />
ihm alsbald und rabiat weggenommen wurden. Wir<br />
müssen <strong>für</strong> uns die Frage beantworten: Wieviel materielle<br />
Güter brauchen wir, um glücklich zu sein? Was wir<br />
selbst nicht glaubhaft vorleben, können wir schwerlich<br />
anderen abverlangen.<br />
3. Konsistenz<br />
Unsere Erde als unsere Lebensgrundlage hat bestimmte<br />
Rhythmen und Eigenarten, gegen die wir im Rahmen<br />
unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen <strong>Entwicklung</strong><br />
immer wieder verstoßen. Unsere Vorfahren, denen<br />
kein Strom zur Verfügung stand, mussten sich nach den<br />
natürlichen Tagesrhythmen richten. Wenn ein Raupenschlepper<br />
über den leicht angetauten Boden der Tundra<br />
fährt, verursacht er eine Spur, die 70 Jahre sichtbar<br />
ist. Wenn man dort immer entlang fährt, ruiniert man<br />
das ökologische System. Die Regenerationszeiten von<br />
Wasser, Luft und nachwachsenden Ressourcen sind im<br />
ökonomischem System nicht abgebildet. Im Gegenteil:<br />
die Rhythmen unserer Wirtschaftswelt werden immer<br />
kürzer: von der Jahresbilanz zu Quartalsbilanz. Ja sogar<br />
Tagesbilanzen werden erstellt. Das heißt, wir haben in<br />
der Gesellschaft und in uns selbst Beschleunigungen<br />
und Kurzfristigkeiten eingebaut, die dem natürlichen<br />
System völlig zuwider laufen. Wir können auf Dauer<br />
keine nachhaltige <strong>Entwicklung</strong> erreichen, wenn wir uns<br />
nicht um diese Konsistenzbedingungen kümmern.<br />
Das führt uns zu dem 3- Säulen-Konzept der Nachhaltigkeit,<br />
wie es auch in Rio 199 festgeschrieben wurde:<br />
Die ökonomische <strong>Entwicklung</strong> muss eingebettet werden<br />
in die ökologische und die <strong>soziale</strong> <strong>Entwicklung</strong>. Unser<br />
Bild muss alle drei Bereiche wiedergeben. Die Ökonomie<br />
muss so umgewandelt werden, dass sie sozial- und<br />
öko-verträglich wird. Es gibt eine Riesendebatte, an<br />
welchen Indikatoren man das misst. Wir könnten zum<br />
Beispiel sagen, der CO -Ausstoß ist ein Indikator <strong>für</strong><br />
eine ökologisch gute oder schlechte Situation. Was<br />
ist aber, wenn der CO -Ausstoß zunimmt und das BIP<br />
nimmt auch zu? Was ist, wenn wir <strong>soziale</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
an der Scheidungsrate messen und diese steigt, während<br />
das BIP abnimmt? Ist dann die nachhaltige <strong>Entwicklung</strong><br />
positiv oder negativ? Wenn der eine Bereich<br />
abnimmt und der andere zunimmt, wie bewertet man<br />
dann die Gesamtentwicklung? Das zwingt uns genauer<br />
zu fragen: in welcher Situation ist ein einzelner Mensch,<br />
eine Gruppe, ein Land oder die Weltgemeinschaft? Wir<br />
kennen die Frage, wer das CO letztlich einsparen<br />
soll und in welcher Menge. Wie kommt man in einer<br />
solchen Frage zu einem vernünftigen Ergebnis?