Rind 3-2012.pdf
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Ausgabe RIND<br />
03 2012<br />
Fütterung:<br />
Vitamine für die<br />
Eutergesundheit<br />
0<br />
Mastitis:<br />
Berufskrankheit<br />
der Milchkühe<br />
0<br />
Kurz notiert<br />
Tierärzte – DIE Experten<br />
in Sachen Tiergesundheit<br />
0<br />
Buchtipp:<br />
MemoVet Praxis-<br />
Leitfaden Tiermedizin<br />
0<br />
Grippe-Impfung im<br />
Sommer zahlt sich aus<br />
0<br />
Euterpflege<br />
leicht gemacht:<br />
Dippen, Tauchen, Sprühen<br />
Erscheint quartalsweise<br />
ISSN 1867-4003
2 | 3<br />
Foto: Brammert-Schröder<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Euterentzündungen zählen zu den Hauptabgangsgründen von Milchkühen. Sie verursachen hohe wirtschaftliche<br />
Schäden. Ungefähr jede zweite Kuh erkrankt einmal in der Laktation an einer Mastitis. Dadurch<br />
entstehen Kosten zwischen 250 und 500 Euro. Mit einer gezielten Fütterung lässt sich die Anfälligkeit der<br />
Kuh gegenüber den Erregern der Euterentzündung deutlich verringern.<br />
Kühe brauchen ausreichend Strukturfutter, damit ihr Pansen gut arbeitet. Heu hat einen hohen Strukturanteil und wird von den Kühen gern<br />
gefressen.
Vitamine zufüttern (je Tier und Tag)*<br />
Vitamin Trockenstehende<br />
3)<br />
A (IE)<br />
D3 (IE)<br />
E (mg)<br />
*Ergänzung ohne Berücksichtigung der in den Futtermitteln enthaltenen Mengen<br />
1) bis etwa 60. Tag nach dem Kalben<br />
2) bei hohen Zellzahlen<br />
3) IE: Internationale Einheiten<br />
Quelle: Prof. Dr. Manfred Hoffmann<br />
2)<br />
500-(1.000)<br />
75.000<br />
25.000<br />
Die Eutergesundheit einer Milchviehherde<br />
hängt von vielen Faktoren ab. Das<br />
Stallklima sollte stimmen, und die Liegeboxen<br />
sollten nicht nur bequem, sondern auch sauber<br />
sein, damit keine Infektion von Tier zu<br />
Tier stattfinden kann. Natürlich spielt auch<br />
die Melktechnik und die Melkarbeit eine<br />
große Rolle, wenn es um Eutergesundheit und<br />
Zellzahlen geht. Aber mit der Fütterung hat<br />
der Landwirt den Schlüssel in der Hand, die<br />
Kühe fit zu machen für die Laktation, damit<br />
sie widerstandsfähig sind gegenüber den Mastitis-auslösenden<br />
Erregern. Nur im Zusammenspiel<br />
mit begünstigenden Faktoren ist ein<br />
Mastitiserreger in der Lage, ein Euter zu infizieren.<br />
Denn durch Mängel in der Fütterung<br />
geschwächte Kühe sind nachweislich empfänglicher<br />
für Infektionen des Euters. Das belegen<br />
zahlreiche Versuche. Besonders die Verfettung<br />
der altmelkenden und trockenstehenden<br />
Kühe spielt bei der Anfälligkeit für Euterentzündungen<br />
eine Rolle, aber auch ein starker<br />
Energiemangel in der Hochlaktation sowie<br />
eine unzureichende Versorgung mit Vitaminen,<br />
Mineralstoffen und Spurenelementen<br />
wirken sich negativ aus.<br />
Im geburtsnahen Zeitraum<br />
richtig füttern<br />
Besonderes Augenmerk sollte deshalb auf<br />
die Fütterung im geburtsnahen Zeitraum<br />
gelegt werden. Die meisten Mastitis-Infektionen<br />
erfolgen zu Beginn der Laktation.<br />
Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Organismus<br />
der Kuh besonderen Belastungen ausgesetzt<br />
und das Immunsystem ist geschwächt.<br />
Kommen Fütterungsfehler, eine ungenügende<br />
Grundfutteraufnahme oder ein schlechter<br />
Strukturwert der Ration hinzu, sind Stoffwechselerkrankungen<br />
vorprogrammiert und<br />
häufig kommt noch eine Mastitis dazu.<br />
Warum erkranken einige Kühe zu Laktationsbeginn<br />
an Mastitis, andere aber nicht –<br />
obwohl alle mit der gleichen Ration versorgt<br />
werden? Das wollten Wissenschaftler der Universität<br />
Illinois (USA) in einem Versuch wissen<br />
und beobachteten 15 HF- und 15 Jersey-<br />
Kühe ab der Trockenstehzeit bis zur achten<br />
Laktationswoche. Sie untersuchten die Plasma-Konzentrationen<br />
der Vitamine und Proteine<br />
im Blut.<br />
1)<br />
Frischabkalbende Restlaktation<br />
130.000<br />
40.000<br />
1.000<br />
100.000<br />
40.000<br />
500<br />
Zudem erfassten sie regelmäßig den BCS<br />
(Body Condition Score) der Kühe, das Gewicht<br />
bzw. auftretende Gewichtsverluste.<br />
Die Wissenschaftler konnten in ihrem<br />
Versuch belegen, dass Kühe, die vor der<br />
Abkalbung einen höheren BCS und ein höheres<br />
Körpergewicht aufwiesen und die nach<br />
der Kalbung mehr Gewicht verloren, häufiger<br />
an einer subklinischen Mastitis erkrankten.<br />
Überkonditionierte Kühe, die vor und nach<br />
der Abkalbung eine hohe Fettgewebemobilisierung<br />
aufweisen, sind also anfälliger für<br />
Mastitis-Infektionen. Zudem waren der Protein-<br />
und Laktosegehalt, sowie der Harnstoffgehalt<br />
der Milch bei Kühen, die an einer<br />
Mastitis erkrankten, geringer. Das deutet auf<br />
einen Nährstoffmangel hin, speziell auf ein<br />
Proteindefizit. Dieser Mangel kann auf einer<br />
geringen Futteraufnahme (Fettlebersyndrom)<br />
beruhen.<br />
Außerdem haben die Wissenschaftler im<br />
Blutplasma eutergesunder Kühe kurz vor und<br />
kurz nach der Kalbung höhere Blutplasma-<br />
Konzentrationen von á-Tocopherol (Vitamin<br />
E), Albumin und Retinol-Bindungsproteinen<br />
nachgewiesen. Auch die Haptoglobin-Konzentration<br />
im Blutplasma war eine Woche<br />
nach der Abkalbung bei gesunden Kühen<br />
höher als bei euterkranken Kühen.<br />
Vitamine stärken das<br />
Immunsystem<br />
Der Versuch belegt, dass eine ausreichende<br />
Vitaminversorgung das Immunsystem<br />
stärkt. Proteine wie Albumin und Globulin<br />
(Retinolbindende Proteine) sorgen dafür,<br />
dass die Vitamine in den Blutstrom und damit<br />
überall dorthin gelangen, wo sie benötigt werden.<br />
Deshalb ist es wichtig, dass frischlaktierende<br />
Kühe mit ausreichend Eiweiß versorgt<br />
werden.<br />
Was bedeuten diese Untersuchungen nun<br />
für die Praxis? Sie belegen, dass der bedarfsgerechten<br />
Fütterung der Kuh eine Schlüsselrolle<br />
nicht nur für die Eutergesundheit, sondern<br />
auch für den Stoffwechsel zukommt. Denn<br />
beides hängt eng miteinander zusammen.<br />
Nimmt die Kuh nicht genug Grobfutter auf,<br />
führt dies zu einem Energiedefizit. Enthält die<br />
Ration zudem zu wenig Strukturanteile und<br />
einen Überschuss an Stärke und Zucker, sind<br />
Pansenfermentationsstörungen die unausweichliche<br />
Folge. Diese wirken sich negativ<br />
auf die Abwehrkräfte der Kuh aus und es kann<br />
leichter zu Infektionen durch Bakterien kommen.<br />
Fütterungsberater empfehlen den<br />
Milchviehhaltern deshalb, besonders auf eine<br />
hohe Grobfutteraufnahme der Kühe zu achten.<br />
Trockensteher sollten rund 10 kg<br />
Trockensubstanz je Tier und Tag aufnehmen,<br />
laktierende Kühe mindestens 12 kg TS.<br />
Wichtig ist, dass nur einwandfreie Silage,<br />
Stroh und Heu verwendet wird. Denn Mykotoxine<br />
und Endotoxine im Futter führen zu<br />
einem Anstieg der Zellzahlen.<br />
Futter muss Struktur haben<br />
Grundsätzlich sollte die Futterration der<br />
Kühe zu jedem Zeitpunkt über eine ausreichende<br />
Strukturwirksamkeit verfügen, damit<br />
der Pansen gut arbeiten kann.<br />
Die Haltungsbedingungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Tiergesundheit. Vor<br />
allem eine regelmäßige Boxenpflege ist für eine Mastitis-Vorbeugung wichtig.<br />
<br />
Foto: Brammert-Schröder
4 | 5<br />
Foto: Brammert-Schröder<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Eine gute Pansenfermentation ist im geburtsnahen<br />
Zeitraum besonders wichtig. Benötigt<br />
werden mindestens 2,6 kg strukturwirksame<br />
Rohfaser oder 2,8 kg saure Detergentienfaser<br />
(Cellulose und Lignin) je Tier<br />
und Tag. Wird Stroh in die Ration gemischt,<br />
sollte es kurz gehäckselt und frei von Schimmelpilzen<br />
sein.<br />
Auch zu viel Stärke und Zucker schadet<br />
dem Organismus. Die Empfehlung lautet deshalb,<br />
dass der Gehalt an Stärke und Zucker in<br />
der Gesamtration nicht mehr als 280 g/kg TS<br />
betragen darf. Davon dürfen höchstens 60 g<br />
Zucker sein. Die Gesamtmenge an Stärke, die<br />
ein Tier am Tag zu sich nimmt, soll 6.000 g<br />
nicht überschreiten. Das bedeutet für die<br />
Rationsgestaltung mit Getreide, dass bestimmte<br />
Höchstgrenzen eingehalten werden:<br />
Wird nur eine Getreideart eingemischt, sollte<br />
nicht mehr als 4 kg je Tier und Tag verfüttert<br />
werden. Bei zwei Getreidearten, etwa Gerste<br />
und Weizen, liegt die Höchstmenge bei 6 kg je<br />
Tier und Tag. Die Ration der Trockensteher<br />
sollte noch weniger Stärke und Zucker enthalten:<br />
In der ersten Phase sollte nur maximal 150<br />
g/kg TS gefüttert werden, die letzten 3 Wochen<br />
vor dem Kalben kann der Gehalt an Zucker<br />
und Stärke auf 150 bis 180 g/kg TS gesteigert<br />
werden.<br />
Das richtige Mineralfutter<br />
füttern<br />
Besonders wichtig ist die Versorgung der<br />
trockenstehenden Kuh mit Mineralstoffen,<br />
1)<br />
Versorgungsempfehlungen Mangen- und Spurenelemente<br />
Nährstoff Laktierende Kühe Trocken stehende Kühe<br />
Kalzium (g)<br />
Phosphor (g)<br />
Magnesium (g)<br />
Natrium (g)<br />
Schwefel (g)<br />
Kalium (g)<br />
Mangan (mg)<br />
Zink (mg)<br />
Kupfer (mg)<br />
Selen (mg)<br />
Jod (mg)<br />
Kobalt (mg)<br />
1) je kg Trockensubstanz<br />
2) abhängig von der Anionen (S, CI): Kationen (Na, K). Bilanz (DCAB)<br />
Quelle: Prof. Dr. Manfred Hoffmann<br />
5,8-6,2<br />
3,6-4,2<br />
1,5-2,0<br />
1,5-2,0<br />
1,8-2,0<br />
Foto: Brammert-Schröder<br />
Mängel in der Haltung wie Überbelegung und schlechte Luft im Stall führen bei den Kühen<br />
zu oxidativem Stress, der sich negativ auf den Immunstatus der Kühe auswirkt. Täglicher<br />
Weidegang wirkt dagegen wie Urlaub!<br />
sind in der Tabelle „Versorgungsempfehlungen<br />
Mengen- und Spurenelemente“ zusammengefasst.<br />
Neben den Spurenelementen<br />
sind auch Vitamine wichtig für den Stoffwechsel<br />
und die Immunabwehr der Kuh. Bei<br />
der Kuh kann sich ein Mangel an Vitamin D3<br />
indirekt über den Calcium/Phosphor-Stoffwechsel<br />
auf die Fruchtbarkeit auswirken.<br />
Eine direkte Verbindung zum Reproduktionsgeschehen<br />
hat bekanntlich ß-Carotin<br />
(Vorstufe von Vitamin A), da es die Steroidsynthese<br />
fördert und die Entwicklung von<br />
Follikeln und Gelbkörper beeinflusst. Eine<br />
Blutuntersuchung bei Tieren am Ende der<br />
Laktation und nach dem 60. Laktationstag<br />
gibt Aufschluss darüber, ob ß-Carotin zuge-<br />
füttert werden muss. Eine Ergänzung der<br />
Ration mit 300 bis 500 mg ß-Carotin sollte<br />
erfolgen, wenn an beiden Terminen ein Mangel<br />
im Blut festgestellt wird. Vitamin E ist für<br />
die hochtragende Kuh von mehrfacher Bedeutung<br />
– sowohl für die Fruchtbarkeit als<br />
auch für den Zellschutz und das Abwehrsystem.<br />
Wie viel Vitamin A, D und E zugefüttert<br />
werden sollte, ist in der Tabelle „Vitamine<br />
zufüttern“ aufgeführt.<br />
Managementfehler<br />
abstellen<br />
Fütterungsfehler, aber auch Mängel in der<br />
Haltung wie Überbelegung, Lärm, schlechte<br />
Luft und Schmerzen führen bei den Kühen zu<br />
oxidativem Stress. Es entstehen dadurch freie<br />
Radikale, die sich negativ auf den Immunstatus<br />
und den Stoffwechsel der Kühe auswirken<br />
und die zudem die Zellzahlen erhöhen.<br />
Optimale Haltungsbedingungen und eine bedarfsgerechte<br />
Fütterung verringern zum einen<br />
die Neuinfektionen mit Mastitis. Verschiedene<br />
Forschungsarbeiten zeigen, dass<br />
nur Tiere in einem stressarmen Umfeld und<br />
mit einer guten körpereigenen Abwehr optimale<br />
Heilungsraten nach Anwendung einer<br />
antibiotischen Behandlung aufweisen.<br />
Die antibiotische Behandlung darf und<br />
kann nicht als Kompensationsmaßnahme<br />
von Managementfehlern dienen. Das bedeutet<br />
im Umkehrschluss aber auch, dass möglichst<br />
vor einer Therapie alle Managementfehler<br />
minimiert oder abgestellt werden sollten.<br />
<br />
Imke Brammert-Schröder
6 | 7<br />
Foto: Engels<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Mastitis ist eine Euterentzündung, also eine Reaktion der Milchdrüse auf eine bakterielle Infektion.<br />
Betroffen sind in der Milch stehende Kühe, doch zunehmend tritt sie auch bei Erstkalbinnen auf: Es trifft<br />
etwa fünf bis zehn Prozent der Färsen, in Problembeständen können sogar bis zu 30 Prozent betroffen<br />
sein. Dr. Heike Engels gibt einen Überblick über die wichtigsten Erreger und deren Bekämpfung.<br />
Auch Färsen erkranken immer häufiger an einer Mastitis.
5 % aller Mastitiden sind klinisch, das<br />
bedeutet, die Kühe zeigen typische Entzündungssymptome<br />
am Euter (Röte, Wärme,<br />
Schwellung, Schmerz, Funktionsstörung)<br />
und haben je nach Schweregrad ein mehr oder<br />
weniger gestörtes Allgemeinbefinden. Die<br />
Milch verändert ihr Aussehen, die Milchmenge<br />
ist reduziert und die Kuh zeigt eine<br />
mehr oder weniger starke Störung des<br />
Allgemeinbefindens mit Fieber, Appetitlosigkeit<br />
etc. bis hin zum Festliegen. Diese<br />
Verlaufsform ist aber nur die Spitze des<br />
Eisberges, denn 95 % aller Mastitiden äußern<br />
sich nicht mit deutlichen Symptomen. Sie verlaufen<br />
subklinisch und gehen „nur“ mit<br />
erhöhten Zellzahlen und reduzierter Milchleistung<br />
einher, was aber ebenfalls zu wirtschaftlichen<br />
Verlusten führt.<br />
Kostspielige Mastitis<br />
Mastitis gilt als weltweit häufigste und<br />
kostspieligste Erkrankung in der Milchwirtschaft.<br />
In Europa sind bis zu 50 % der<br />
Milchkühe mindestens einmal pro Laktation<br />
infiziert. Eine Mastitis wirkt sich negativ auf<br />
die Milchqualität aus, da sie erhöhte Keimzahlen<br />
und erhöhte somatische Zellzahlen<br />
(SCC) bewirkt. Bei Überschreitung des<br />
Grenzwertes von 400.000 Zellen/ml Milch im<br />
Tank sind finanzielle Einbußen oder bei längerer<br />
Dauer sogar ein Ablieferungsverbot für<br />
die Milch die Folge.<br />
Bakterien als Auslöser<br />
Da viele verschiedene Einflussfaktoren für<br />
die Entstehung einer Euterentzündung verantwortlich<br />
sind, wird Mastitis auch als<br />
Faktorenerkrankung bezeichnet. Während<br />
des Melkens, aber auch im Stall, z. B. beim<br />
Liegen, kommen die Zitzen der Kühe intensiv<br />
in Kontakt mit möglichen Infektionsquellen.<br />
Die Bakterien – vorrangige Auslöser der<br />
Mastitis – können beim Melken übertragen<br />
werden oder von den Liegeflächen stammen,<br />
Mit einem Schalmtest lässt sich eine Euterentzündung in den vier Zitzen des Euters feststellen.<br />
denn direkt nach dem Melken ist der<br />
Strichkanal der Zitzen noch geöffnet und<br />
Bakterien können so leicht eindringen. Das<br />
Euter hat jedoch normalerweise ein gut funktionierendes<br />
Abwehrsystem, was das Eindringen<br />
und Haften von Bakterien in den<br />
Strichkanal verhindern soll. Sind Zitzenhaut<br />
und Strichkanal bzw. die Keratinschicht im<br />
Strichkanal unverletzt und intakt, haben Erreger<br />
aus der Umwelt kein leichtes Spiel. Falls<br />
dennoch Bakterien diese Barriere überwinden,<br />
etwa weil die Zitzenhaut durch Melkarbeit,<br />
die Melktechnik, die Umwelt im Stall<br />
sowie kuheigene Faktoren wie z.B. ein ge-<br />
schwächtes Immunsystem verletzt ist, entsteht<br />
je nach Art und Menge der Erreger und<br />
des Abwehrverhaltens der Kuh eine milde<br />
oder schwere Mastitis. Färsenmastidien treten<br />
verstärkt auf bei steigender Herdenmilchleistung,<br />
hohem Erstkalbealter sowie generell<br />
häufigem Vorkommen von Mastitiden im<br />
Bestand. Gerade für Erstkalbinnen bedeuten<br />
Geburt, Umstallung, Futterumstellung,<br />
Melkstand und die neuen Herdenmitglieder<br />
kennen zu lernen, eine große Umstellung. Die<br />
Tiere hier nicht zu überfordern, sondern entspannt<br />
mit ihnen zu arbeiten, trägt zur Tiergesundheit<br />
bei.<br />
Foto: Engels
8 | 9<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Das Einbringen von Antibiotika in die Zitzen gehört zur gängigen Mastitistherapie. (Foto: Engels)<br />
Auch Trockensteher gefährdet<br />
Die Ursache einer Mastitis ist für gewöhnlich<br />
eine bakterielle Infektion. Es gibt verschiedene<br />
Erreger, die zu einer Mastitis führen können.<br />
Bei den so genannten Umwelterregern<br />
der Mastitis leben und vermehren sich die verursachenden<br />
Bakterien außerhalb des Körpers<br />
der Kuh in frischem Kot, Gülle, Einstreu,<br />
Boden, Futter und Wasser. Die Kuh infiziert<br />
sich zwischen den Melkzeiten und die<br />
Bakterien werden durch Verschmutzung der<br />
Zitzen weiterverbreitet. Auch noch nicht abgekalbte<br />
Färsen sowie trockenstehende Kühe<br />
sind stark infektionsgefährdet. Tatsächlich<br />
entstehen viele Infektionen mit diesen Erregern<br />
in der Trockenstehphase, denn durch<br />
den Melkstopp beim Trockenstellen kommt es<br />
zu einem Milchstau im Euter, der die Verringerung<br />
der Milchproduktion erzwingt. Das<br />
führt zu einer Konzentration der Milchinhaltsstoffe<br />
und deren Rückresorption in den<br />
Blutkreislauf. Dabei laufen Vorgänge im Euter<br />
ab, die einer Entzündung entsprechen, das<br />
Euter schwillt an und wird warm.<br />
Die Gefahr einer Neuinfektion ist durch<br />
diese besondere Situation während der<br />
Trockenstehphase um bis zu 50 % höher als<br />
während der Laktation. Diese Neuinfektionen<br />
brechen dann in den ersten 100 Tagen der<br />
Laktation als klinische Mastitis aus.<br />
Tabelle: Durchschnittliche Kosten einer<br />
klinischen Mastitis im 1. Laktationsdrittel<br />
(Quelle: Mastitis Sprechstunde, Verlag AgroConcept 2007)<br />
Parameter Kosten<br />
Untersuchung 15 €<br />
Medikamente 80 €<br />
Mehrarbeit (2,3 AK) 28 €<br />
8 Tage Kannenmilch (266 kg) 93 €<br />
Laktationsdelle (5 %, 373 kg) 131 €<br />
+ Bestandsergänzung 125 €<br />
Gesamt 472 €<br />
Milchviehhalter sollten daher regelmäßig<br />
bei den Trockenstehern eine Euterkontrolle<br />
durchführen, um rechtzeitig Veränderungen<br />
bemerken zu können.<br />
Umwelterreger treten in den letzten<br />
Jahren häufiger auf. Die wichtigsten Infektionserreger<br />
sind Streptococcus uberis und<br />
Escherichia coli. Escherichia coli und andere<br />
coliforme Keime lösen eine hochakute, klinische<br />
Mastitis aus und produzieren dabei<br />
Giftstoffe, die für die Kuh lebensgefährlich<br />
sind.<br />
Die kontagiösen oder auch Kuh-assoziierten<br />
Erreger dagegen kommen im Euter<br />
und auf Wunden an den Zitzen vor und können<br />
nur selten lange außerhalb des Körpers<br />
überleben. Die Infektion wird normalerweise<br />
beim Melken von Kuh zu Kuh übertragen. Sie<br />
sind hoch ansteckend und produzieren hohe<br />
Zellzahlen. Die häufigsten dieser kontagiösen<br />
Keime sind Bakterien der Spezies Staphylococcus<br />
aureus, Streptococcus dysgalactiae<br />
und Streptococcus agalactiae.<br />
Schnelle Behandlung wichtig<br />
Die Mastitis muss schnell behandelt werden,<br />
denn mit zunehmender Dauer der<br />
Infektion verringert sich die Chance auf eine<br />
erfolgreiche Therapie. Insgesamt verschlechtern<br />
sich die Heilungsaussichten bei mehr als<br />
zwei Vorbehandlungen in derselben Laktation,<br />
wenn die Zellzahl im Einzelgemelk<br />
mehr als eine Million beträgt und auch je<br />
mehr Euterviertel betroffen sind. Doch welcher<br />
Keim ist jeweils verantwortlich für<br />
Mastitis? Für eine effektive Therapie ist das<br />
Wissen um den verursachenden Erreger das A<br />
und O. Zur Erregerermittlung ist eine Milchprobe<br />
zu ziehen, das Ergebnis in Form eines<br />
Antibiogramms liegt nach etwa drei Tagen<br />
vor. Ist der Erreger bekannt, wird als Standardtherapie<br />
ein auf den Erreger abgestimmtes<br />
Antibiotikum mittels Euterinjektor direkt<br />
in das erkrankte Euterviertel gegeben. Eventuell<br />
ist als sogenannte kombinierte Therapie<br />
zusätzlich eine Injektion in den Muskel nötig.<br />
Euterentzündungen sind damit der häufigste<br />
Grund für eine Antibiotika-Behandlung bei<br />
Milchkühen.<br />
Bei klinischen Mastitiden ist die zusätzliche<br />
Gabe von Entzündungshemmern (NS-<br />
AIDs) ratsam, die die Entzündung bekämpfen<br />
und Endotoxine neutralisieren. Mit diesen<br />
Maßnahmen geht das Fieber zurück, die<br />
Schmerzen werden gelindert und die Kuh<br />
fühlt sich wieder besser. Dabei kommt es auf<br />
eine konsequent durchgeführte ausreichend<br />
lange Behandlungsdauer an. Zusätzlich zu der<br />
Einzeltierbehandlung sind alle kranken Tiere<br />
von der Herde zu separieren. Häufiges Ausmelken<br />
hilft, das erkrankte Euterviertel zu<br />
reinigen.<br />
Begleitende und vorbeugende<br />
Maßnahmen<br />
Begleitende Maßnahmen dienen zum<br />
einen dazu, das Infektionsrisiko für weitere<br />
Kühe zu senken und zum anderen der<br />
Vorbeugung wiederkehrender Infektionen.<br />
Mastitis ist die weltweit häufigste und teuerste Erk
Tabelle: Kriterien für den Heilungserfolg einer Mastitistherapie<br />
(Quelle: Praktischer Leitfaden Mastitis, Petra Winter, Paul Parey Verlag 2009)<br />
Ebene Kriterien<br />
Einzeltier<br />
Herde<br />
Klinische<br />
Heilung (keine klinischen Symptome mehr zu beobachten)<br />
Zytologische<br />
Heilung<br />
Bakteriologische<br />
Heilung<br />
Entwicklung<br />
der Tankmilchzellzahl<br />
Klinische<br />
Heilungsrate<br />
Rückfallraten<br />
Sie sollten auf den vorherrschenden<br />
Erreger abgestimmt sein und betreffen z.B.<br />
Verbesserung des Trockenstehermanagements,<br />
Stallhygiene, Kuhkomfort, Melktechnik<br />
(Blindmelken verhindern, Kühen ausreichend<br />
Zeit zwischen den Melkzeiten<br />
geben) und Melkhygiene (Zitzenreinigung,<br />
Dippen, Zwischendesinfektion). In Betrieben,<br />
in denen die Hygiene im Trockensteherbereich<br />
nicht optimiert werden kann,<br />
ist auch der kombinierte Einsatz eines<br />
Trockenstellers mit einem Zitzenversiegler<br />
möglich. Denn das Infektionsrisiko vor allem<br />
für Umwelterreger ist besonders hoch in<br />
Zitzen, in denen der Aufbau des internen<br />
Keratinpfropfes nur verzögert oder gar nicht<br />
abläuft.<br />
Begleitende Maßnahmen sind auch sinnvoll,<br />
z.B. die Boxenhygiene. Saubere Kühe mit<br />
sauberen Eutern haben ein geringeres Risiko,<br />
sich mit Umwelterregern zu infizieren. Gut<br />
gepflegte und richtig dimensionierte Liege-<br />
rankung der Milchkuh. (Foto: Engels)<br />
boxen müssen regelmäßig mit ausreichend<br />
trockener Einstreu versehen werden. Beimengungen<br />
von Kalk (pH > 9) führen zu<br />
einer Reduktion des Keimdruckes. Saubere<br />
Laufgänge vermindern deutlich den<br />
Schmutzeintrag in die Liegeboxen. Auch das<br />
Entfernen der Haare am Euter, z.B. durch<br />
Scheren oder Abflammen, vereinfacht das<br />
Sauberhalten. Ein gutes Stallklima verringert<br />
die Vermehrungschancen für die Umwelterreger<br />
und fördert die Futteraufnahme und<br />
damit die Stoffwechselstabilität bei den<br />
Kühen.<br />
Für alle zu ergreifenden Schritte ist der<br />
Tierarzt der ideale Ansprechpartner, denn er<br />
weiß um die richtige Therapie erkrankter<br />
Kühe sowie um die Sinnhaltigkeit der jeweiligen<br />
Maßnahmen.<br />
<br />
Dr. Heike Engels
10 | 11<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Tierärzte<br />
Kurz notiert<br />
- DIE Experten in Sachen<br />
Tiergesundheit<br />
Tierärzte sind wie keine andere Berufsgruppe bestens ausgebildet, wenn es um die Verbesserung der Tiergesundheit geht, und sind deshalb<br />
bei Erkrankungen oder Haltungs- und Leistungsoptimierungen erste Ansprechpartner für den Tierhalter. (Foto: Monkey Business - Fotolia.com)
Die Tierärzte sind laut ihrer Berufsordnung<br />
„... dazu berufen, Leiden und<br />
Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern<br />
und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung<br />
eines leistungsfähigen Tierbestandes<br />
beizutragen, den Menschen vor Gefahren<br />
und Schädigungen durch Tierkrankheiten<br />
sowie Lebensmittel und Erzeugnisse<br />
tierischer Herkunft zu schützen und auf eine<br />
Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer<br />
Herkunft hinzuwirken.“ Um diese Ziele<br />
zu erreichen, sind die Tierärzte wie keine andere<br />
Berufsgruppe bestens ausgebildet und sind<br />
deshalb erste Ansprechpartner, wenn es um<br />
die Verbesserung der Tiergesundheit geht.<br />
Über die Standardversorgung hinaus bieten<br />
mittlerweile viele Tierärzte verschiedene Leistungen<br />
an, um ihren Kunden, den Tierhaltern,<br />
einen noch besseren Service bieten zu können.<br />
Im <strong>Rind</strong>erbereich sind dies unter anderem:<br />
Fruchtbarkeitsmanagement<br />
inkl. regel<br />
mäßiger Trächtigkeitsuntersuchungen<br />
mit Ultraschall sowie Puerpuralkontrollen<br />
und Sterilitätsuntersuchungen<br />
Geburts-<br />
und Brunstbeobachtung<br />
Bestandssanierung<br />
IBR/MD, BVD,<br />
BHV1<br />
Beratung<br />
zur Eutergesundheit inkl.<br />
Sanierungskonzepten<br />
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Themen gewohnt klar strukturiert<br />
und leicht verständlich.<br />
Von Antibiotika und Tierseuchen bis hin<br />
zu Anästhesie und Röntgen – der handliche<br />
Leitfaden MemoVet hilft mit Fakten und<br />
praktischen Tipps im Studium sowie im<br />
Praxisalltag, den Durchblick zu behalten. Die<br />
Tierarten Hund, Katze, Pferd, <strong>Rind</strong> und<br />
Schwein werden behandelt. Speziell beim<br />
Pferd sind die Themenkomplexe Anatomie,<br />
Laborwerte, Impfschemata, Parasitenbekämpfung,<br />
Gynäkologie, Anästhesie sowie<br />
Notfalltherapie z.B. bei Schockzuständen,<br />
Kreuzverschlag, akuter Hufrehe, Brüchen und<br />
Strategische<br />
Parasitenbekämpfung<br />
Beratung<br />
zur Stoffwechselsituation der<br />
Milchkuh<br />
alle<br />
gängigen Operationen von <strong>Rind</strong>ern<br />
und Kälbern<br />
Endoskopische<br />
Labmagenoperationen<br />
Milchprobenentnahme<br />
inkl. Antibiogramme/Resistenztests<br />
Exportuntersuchungen<br />
Tag<br />
und Nacht durchgehender Bereitschaftsdienst<br />
Vorträge<br />
und Fortbildungen für Tierärzte<br />
und Landwirte<br />
Integrierte<br />
Tierärztliche Bestandsbetreuung<br />
(ITB)<br />
Bestandsbetreuung –<br />
gemeinsam zum Erfolg<br />
Vor allem im Rahmen der Integrierten<br />
Tierärztlichen Bestandsbetreuung (ITB) ist<br />
ein umfangreicher Leistungskatalog möglich<br />
wie z.B. umfassende Beratungen zu Fragen<br />
der Fütterung, Haltung, Melk- und Milchhygiene,<br />
Klauen- und Eutergesundheit, Jungtieraufzucht<br />
u.a. Da der wirtschaftliche Erfolg<br />
ganz wesentlich von der Gesundheit und<br />
Fruchtbarkeit der Tiere abhängt, sind die<br />
Landwirte immer mehr an der ITB interessiert.<br />
Da die Tierärzte DIE Experten in Sachen<br />
Tiergesundheit sind, sind sie auch die idealen<br />
Ansprechpartner, um die betrieblichen Ab-<br />
Sehnen- und Gelenksverletzungen, Vergiftungen,<br />
Kolik und vieles mehr kurz und<br />
eindeutig beschrieben.<br />
Die Autorin Dr. med. vet. Christa Wilczek<br />
ist Veterinäroberrätin und Abteilungsleiterin<br />
der Fachbereiche Tierschutz und Tierseuchen<br />
im Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz,<br />
Darmstadt-Dieburg. Die Autorin<br />
Dr. med. vet. Kristin Merl ist ebenfalls Veterinäroberrätin<br />
und arbeitet im Dezernat für<br />
Veterinärwesen und Verbraucherschutz im<br />
Regierungspräsidium Darmstadt.<br />
Die 7., überarbeitete und aktualisierte<br />
Auflage erscheint im Verlag Schattauer, hat<br />
576 Seiten, 119 Abbildungen, 131 Tabellen<br />
und kostet 34,95 Euro. ISBN: 978-3-7945-<br />
2865-3 (Print)<br />
läufe hinsichtlich einer bestmöglichen Tiergesundheit<br />
zu optimieren. Bei der ITB werden<br />
alle für Gesundheit und Leistung der Tiere<br />
wichtigen Abläufe im Stall unter Berücksichtigung<br />
wirtschaftlicher Gesichtspunkte<br />
optimiert und routinemäßig überwacht.<br />
Tierärzte und Tierärztinnen, welche die<br />
ITB anbieten, arbeiten mit den Landwirten,<br />
die diese Leistung anfordern, sehr eng und<br />
partnerschaftlich zusammen. Mit ihnen<br />
gemeinsam verfolgen sie bestimmte betriebliche<br />
Ziele, so zum Beispiel in den Bereichen<br />
Herdenfruchtbarkeit oder Milchleistung/<br />
Milchinhaltsstoffe. Durch die Einrichtung<br />
von Planungs- und Kontrollsystemen wird<br />
das Geschehen im Betrieb besser steuerbar<br />
und an entscheidenden Stellen messbar, so<br />
dass es fortlaufend beurteilt werden kann.<br />
In aller Regel beginnt man mit einer<br />
Beschreibung des Ist-Zustands einer Herde in<br />
den verschiedenen Bereichen, wie Fruchtbarkeit,<br />
Eutergesundheit, Fütterung/Leistung,<br />
Jungviehaufzucht. Dabei stellen sich<br />
schnell die Punkte heraus, an denen es hakt,<br />
und es kann ein individuelles Betreuungspaket<br />
zusammengestellt werden. Für alle<br />
Bereiche wie z.B. Euter- oder Klauengesundheit<br />
werden Ziele gesteckt und die Entwicklung<br />
im Hinblick auf diese Ziele überwacht.<br />
Weitere Informationen zu den Zusatzleistungen<br />
der Tierarztpraxen sowie zur<br />
Tierärztlichen Bestandsbetreuung gibt Ihnen<br />
gerne Ihr Tierarzt.<br />
<br />
Quelle: TGA/bpt
12 | 13<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Grippe-Impfung<br />
im Sommer zahlt<br />
sich aus<br />
Um die Kälber im Herbst und Winter vor Atemwegserkrankungen<br />
zu schützen, empfiehlt es sich, bereits im Sommer gegen die Erreger der<br />
<strong>Rind</strong>ergrippe zu impfen. Die gezielte saisonale Vorsorge durch<br />
Schutzimpfungen senkt nicht nur das Risiko von Atemwegserkrankungen,<br />
sondern kann auch finanzielle Einbußen durch Totalverluste,<br />
Behandlungskosten, zusätzliche Aufzuchttage, schlechtere Zuwachsraten<br />
usw. minimieren.<br />
Jungtiere und neugeborene Kälber sind besonders anfällig für<br />
Atemwegserkrankungen, da ihre Lungen noch nicht voll entwickelt sind.<br />
Damit sie die kalte Jahreszeit gut überstehen, ist es ratsam, rechtzeitig zu<br />
impfen. Die Kälberimpfung ist bereits ab dem 8. Lebenstag möglich. Eine<br />
aktive Immunität baut sich nach der zweimaligen Grundimmunisierung<br />
allmählich auf, so dass die Tiere dann ab 7./8. Lebenswoche einen belastbaren<br />
Schutz erlangen. Mit einem inaktivierten Kombinationsimpfstoff<br />
kann hierbei die virale und die bakterielle Komponente abgedeckt werden.<br />
[1]<br />
Da jedoch in einigen Betrieben Kälber schon ab der 2. Lebenswoche<br />
erkranken, ist es in diesen Fällen sinnvoll, auch die Kühe und Färsen mit<br />
einem dafür zugelassenen Präparat zu impfen. Über ausreichend<br />
Kolostrum erlangen die Neugeborenen sofort einen passiven Schutz, der<br />
die Zeit überbrückt, bis sie ihren eigenen Schutz aufbauen. [2]<br />
Eine Bestandsimpfung schützt die Tiere und führt dazu, dass weniger<br />
Erreger ausgeschieden werden. Dadurch sinkt der Infektionsdruck und<br />
die Ansteckungsgefahr für die Kälber reduziert sich.<br />
Quellen:<br />
Kurz notiert<br />
<br />
[1] Pillet F et al.: Efficacy of inactivated and live combination vaccines against respiratory pathogens<br />
in calves under field conditions. EBF Marseille Poster 2009.<br />
[2] Makoschey B et al.: Effect of cow vaccination against BRSV and P13 on immune status ante<br />
partum and the transfer of colostral antibodies to calves. WBC Budapest Poster 2008.
Euterpflege leicht gemacht:<br />
Dippen, Tauchen, Sprühen<br />
Euterentzündungen sind nach wie vor eine der Hauptabgangsursachen der Milchkühe. Damit es nicht<br />
soweit kommt, muss das Euter konsequent gepflegt werden. Es gibt Produkte zum Dippen, Balsam oder<br />
auch Pflaster, die die Striche bei Wunden schützen. Angelika Sontheimer gibt einen Überblick über den<br />
Einsatz von Pflegemitteln für Euter und Striche.<br />
Dippmittel haben oft grelle Farben. Diese haben keinen modischen Charakter sondern dienen der Kontrolle, ob die Striche ausreichend benetzt<br />
sind.<br />
Foto: Sontheimer
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Foto: Sontheimer<br />
aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
So wichtig, wie das Reinigen des Euters vor<br />
dem Melken ist, so wichtig ist das Pflegen und<br />
Dippen nach dem Melken. Denn viele<br />
Euterentzündungserreger sind hartnäckige<br />
Mitbewohner im Kuheuter. Sie ziehen sich ins<br />
Eutergewebe zurück, manche werden bei<br />
jedem Melken mit ausgespült und kontaminieren<br />
Melkerhände, Euterlappen und die<br />
Melkzeuge.<br />
Umgekehrt bringt der Mensch mit seinen<br />
Händen durch den Kontakt beim Vormelken<br />
oder Euterreinigen von Kuh zu Kuh ebenfalls<br />
Keime ans Euter. Ein Kreislauf, den es zu<br />
durchbrechen gilt.<br />
Zur Euterhygiene gehören auch Einwegtücher und Handschuhe.<br />
Das Euter, ein hoch beanspruchtesHochleistungsorgan<br />
Das Eutergewebe wird beim Melken um<br />
ein Drittel gedehnt. Das gesunde Euter hat<br />
einige Abwehrmechanismen gegen das<br />
Eindringen von Erregern in den Strichkanal<br />
entwickelt. Doch heutige Kühe geben mehr<br />
Milch als vor 20 Jahren. Viele Milchkühe<br />
haben von Haus aus keinen ausgeprägten<br />
Schließmuskel mehr, sie können den<br />
Strichkanal nicht mehr verschließen und las-<br />
sen die Milch laufen. Undichte Strichkanäle<br />
sind Eintrittspforten für Streptokokken,<br />
Staphylokokken und andere unliebsame<br />
Erreger.<br />
Viele Kühe brauchen nach dem Melken<br />
ein bis zwei Stunden, bis die Zitzenkuppe wieder<br />
gut verschlossen ist. Falsch eingestellte<br />
Melkmaschinen beanspruchen die Striche<br />
über Gebühr. Es kann zu Verhärtungen und<br />
Verdickungen, Einschnürungen oder Verhornungen<br />
kommen. Tritte oder Ausrutscher führen<br />
zu Abschrammungen, Quetschungen und<br />
Kuppenverletzungen. Zitzenverletzungen<br />
sind schmerzhaft und brauchen lange bis zur
Foto: Sontheimer<br />
Abheilung, wird doch das Gewebe bei der laktierenden<br />
Kuh zweimal am Tag mechanisch<br />
und pneumatisch beansprucht. Dreimaliges<br />
Melken „spült“ zwar die Euterzellen aus, aber<br />
die äußere Haut wird noch mehr beeinträchtigt<br />
als bei zweimaligem Melken. Umso mehr<br />
muss die Haut nach dem Melken gepflegt werden.<br />
Denn ein gesundes Euter lässt sich besser<br />
reinigen, die Tiere stehen ruhig beim Melken,<br />
der Melkvorgang wird deutlich entspannter.<br />
Die Vielzahl der<br />
Pflegemittel und Verbände<br />
Es gibt verschiedene Mittel zur Euterpflege<br />
wie Zitzenpflegemittel, Zitzendesinfektionsmittel<br />
und Barrieredippmittel. Daneben<br />
gibt es eine Fülle von Euterlotionen und -gelen,<br />
das altbekannte Melkfett auf Vaselinebasis<br />
und Zitzenzäpfchen, die dem Talg des<br />
Strichkanals nachempfunden sind oder Wollzitzenstifte.<br />
Die beiden letztgenannten müssen<br />
jeweils vor dem Melken entfernt werden.<br />
Bei oberflächlichen Verletzungen hilft ein<br />
Wundspray. Relativ neu ist der Melkverband.<br />
Das durchsichtige, wirkstoff- und hemmstofffreie<br />
Pflaster aus Polyurethan verspricht<br />
normales mehrfaches Melken trotz einer<br />
Verletzung. Das Pflaster ermöglicht eine feuchte<br />
Wundheilung ohne den harten Wundschorf,<br />
verklebt aber nicht mit der Wunde.<br />
Sprühen, dippen oder<br />
schäumen<br />
Das Dippen erfolgt meist im Tauch- oder<br />
Sprühverfahren.<br />
Beim Vormelken auf den Boden können die Keime leichter von Kuh zu Kuh wandern, deshalb<br />
empfiehlt sich das Vormelken in einen Becher.<br />
Dippen erzeugt einen pflegenden und meist auch desinfizierenden Schutzfilm auf den<br />
Strichen und schützt vor Eindringen der Keime zwischen den Melkzeiten.<br />
Beim Tauchen empfehlen sich Dippbecher,<br />
bei denen das überschüssige Dippmittel<br />
nicht mehr in den Vorratsbecher<br />
zurücklaufen kann, damit dieser nicht mit<br />
euterassoziierten Erregern kontaminiert<br />
wird. Beim Einsprühen kann dies naturgemäß<br />
nicht vorkommen, dafür wird aber eine<br />
höhere Aufwandmenge benötigt, weil nicht<br />
alle Aerosole die Zitze treffen. Der Sprühnebel<br />
sollte im Übrigen nicht eingeatmet werden.<br />
Die Verabreichungsform hängt auch von der<br />
Melktechnik ab. Während im Melkstand in<br />
der Praxis mehr getaucht wird, arbeiten automatische<br />
Melksysteme wie Melkroboter meist<br />
mit einem Mittel zum Sprühen. Ein Schaumdipp<br />
enthält einen höheren Anteil an Tensiden<br />
und wird als Schaum auf die Zitze aufgebracht.<br />
Die Hersteller nennen vor allem den<br />
geringeren Verbrauch als Begründung für<br />
diese Darreichungsform. Besonders im Winter<br />
muss sichergestellt sein, dass das Mittel<br />
schnell trocknet, damit es nicht zu Erfrierungen<br />
an der empfindlichen Zitzenhaut<br />
kommt. Eine Eutercreme kann hierbei helfen,<br />
wird aber meist in der Praxis aus Arbeitszeitgründen<br />
nicht über den ganzen Bestand, sondern<br />
nur bei einzelnen Kühen nach Bedarf<br />
angewendet.<br />
Von pflegenden<br />
Wirkstoffen…<br />
Viele Euterlotionen und Dippmittel enthalten<br />
ätherische Öle wie Campher, Menthol,<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
VetM GmbH & Co. KG<br />
Am Stadion 2 - 4<br />
26871 Papenburg<br />
Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17<br />
Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26<br />
E-Mail : info@vetm.de<br />
Redaktion<br />
VetM GmbH & Co. KG<br />
Am Stadion 2 - 4<br />
26871 Papenburg<br />
Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17<br />
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Realisation<br />
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Am Stadion 2 - 4<br />
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Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26<br />
E-Mail : info@vetm.de<br />
ISSN 1867-4003<br />
Foto: Sontheimer<br />
<br />
Titelfoto: © Harald Lange – fotolia.com
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aktuell<br />
TIERGESUNDHEIT RIND<br />
Pfefferminzöl oder Eukalyptus. Diese regen<br />
die Durchblutung an. Auch Johanniskraut<br />
oder Arnika werden im Euterbalsam eingesetzt.<br />
Unterschieden werden muss zwischen<br />
Kühlgelen bei akuten Euterentzündungen<br />
und Salben für chronische Euterkrankheiten.<br />
Als pflegende und rückfettende Inhaltsstoffe<br />
von Euterpflegemitteln gelten Allantoin,<br />
Glyzerin oder Lanolin. Aloe Vera werden<br />
wundheilende Eigenschaften zugesprochen.<br />
Propylenglykol spendet Feuchtigkeit und<br />
wirkt in Kombination mit Fettsäuren antimikrobiell.<br />
Sorbitol ist ebenfalls pflegend und<br />
wirkt auch im sauren Bereich.<br />
… über desinfizierende<br />
Wirkstoffe<br />
Jod wirkt desinfizierend. Weitere Inhaltsstoffe<br />
mit bakterizider Wirkung sind z. B.<br />
Chloramin (Tosylchloramid-Natrium),<br />
Chlorhexidin, Chlordioxid, Milchsäure oder<br />
Peressigsäure. Diese haben unterschiedliche<br />
Wirkspektren und Auswirkungen auf die<br />
Euterhaut. So wirkt das altbewährte Jod in der<br />
Nonylphenol-Form zum Beispiel in hohen<br />
Konzentrationen stark austrocknend, was im<br />
Sinne des körpereigenen Regulationsvermögens<br />
kontraproduktiv ist.<br />
Auch Peroxide oder Peressigsäure können<br />
in zu hoher Dosierung zu Hautirritationen<br />
führen. Deswegen muss von „Eigenkompositionen“<br />
oder der Zugabe von Jod zu einem handelsüblichen<br />
Pflegemittel dringend abgeraten<br />
werden. Dabei können chemische Reaktionen<br />
stattfinden, die der Laie nicht abschätzen<br />
kann. Filmbildende Substanzen und Netzmittel<br />
oder Tenside runden das Dippmittel ab<br />
und zu guter Letzt enthalten die meisten<br />
Dippmittel noch Konservierungsstoffe, die die<br />
Keimübertragung durch das Mittel verhin-<br />
Checkliste Euterhygiene:<br />
Hände<br />
waschen, beim Melken Einweghandschuhe tragen<br />
Euterreinigung<br />
nur mit Einweg-Materialien<br />
Blindmelken<br />
vermeiden<br />
Euterkranke<br />
Tiere zuletzt melken, Krankheitserreger nicht verschleppen<br />
Scheren<br />
oder abflammen der Euterbehaarung, vor allem bei Automatischen<br />
Melksystemen<br />
Zwischendesinfektion<br />
der Melkzeuge mit Peressigsäure<br />
Laufwege<br />
trocken und rutschsicher halten, Boxenhygiene (trockene Gummimatten<br />
oder saubere Einstreu) nicht vergessen<br />
Nur<br />
Kühe mit guter Euteraufhängung in die Zucht nehmen<br />
dern. Trotz-dem sollten Dippmittelreste nach<br />
dem Melken immer weggeschüttet werden,<br />
damit sich keine Keime vermehren können.<br />
…bis hin zu Keimbarrieren<br />
Sogenannte Barrieredippmittel bilden,<br />
wie der Name schon nahe legt, eine Barriere<br />
für eindringende Bakterien. Sie wirken bakterizid<br />
und bilden zwischen den Melkzeiten<br />
einen noch kräftigeren gummiartigen<br />
Schutzfilm an den Zitzen und über der<br />
Strichkanalöffnung. Sie sind vor allem dann<br />
angezeigt, wenn Mastitisprobleme im Bestand<br />
vor allem durch umweltassoziiierte<br />
Erreger wie Enterokokken und Streptococcus<br />
uberis hervorgerufen werden können. Doch<br />
wo Vorteile sind, sind meist auch Nachteile:<br />
Wenn hier nicht äußerste Hygiene vorherrscht<br />
und die Zitze nicht absolut sauber ist,<br />
werden die Keime eher ein- als ausgeschlossen.<br />
Ein Teil der Praktiker berichtet auch von<br />
der nicht ganz idealen Handhabung, wenn<br />
der Gummiüberzug vor dem nächsten Melken<br />
schwer abzurubbeln ist.<br />
Fazit<br />
Aus der Vielzahl von rund 100 in<br />
Deutschland als Dippmittel beworbenen<br />
Produkten das Richtige für seine Kühe zu finden,<br />
ist nicht einfach, doch in Zusammenarbeit<br />
mit dem bestandsbetreuenden Tierarzt<br />
und Berater kann die bestmögliche Lösung<br />
gefunden werden. Die Wahl des Dippmittels<br />
hängt von der Art der Melktechnik, der Keimdrucksituation<br />
und den Vorlieben des Melkpersonals<br />
ab. Es gibt rein pflegende Dippmittel,<br />
über Mittel mit bakterizider Wirkung<br />
bis hin zu Barrieredippmitteln für Problembestände<br />
mit chronischen Mastitiden. Produktdatenblätter<br />
geben wichtige Hinweise<br />
zur Wirksamkeit, zum Einsatz und zu den<br />
Vorsichtsmaßnahmen des jeweiligen Produktes.<br />
Wenn gedippt wird, muss sichergestellt<br />
sein, dass ausreichend Mittel an die Zitze<br />
kommt, ansonsten ist die Wirkung nicht gegeben.<br />
Das fachgerechte Dippen hilft die Euter<br />
zu pflegen und die Eutergesundheit im Bestand<br />
zu erhalten.<br />
<br />
Angelika Sontheimer