Berliner Debatte Initial - soeb.de
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Erwerbsverläufe und sekundärer Integrationsmodus<br />
und zu geringen Löhnen. Die Kombination von<br />
Leistungsbezug und Maßnahmen erweiterte<br />
sich so bei einem Teil <strong>de</strong>r Erwerbspersonen um<br />
kurzfristige Beschäftigungen. Solche Kombinationen<br />
in verschie<strong>de</strong>nen Proportionen sind<br />
nach unseren Beobachtungen seit Mitte <strong>de</strong>r<br />
1990er Jahre zu häufigen Erwerbsverläufen<br />
im sekundären Integrationsmodus gewor<strong>de</strong>n,<br />
Langzeitarbeitslosigkeit ist dagegen <strong>de</strong>r<br />
Extremfall.<br />
Primäre bzw. sekundäre arbeitsgesellschaftliche<br />
Integrationen fin<strong>de</strong>n Ausdruck in differenten<br />
Erwerbsverläufen. Erwerbsverläufe<br />
im primären Integrationsmodus sind durch<br />
lange Beschäftigungsverhältnisse und kurze<br />
Brücken zwischen Beschäftigungsverhältnissen<br />
gekennzeichnet. Auch nach längeren<br />
Unterbrechungen (Kin<strong>de</strong>rerziehung, Hausarbeitszeiten)<br />
kann in diesen Verlaufsformen<br />
<strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinstieg ins Erwerbsleben bewältigt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Sekundäre Integration führt zu Erwerbsverläufen,<br />
bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Wechsel zwischen<br />
Leistungsbezug, Maßnahmen und kurzfristiger<br />
Beschäftigung zur systematischen Voraussetzung<br />
<strong>de</strong>s Verlaufs selbst gewor<strong>de</strong>n ist und sich<br />
wie<strong>de</strong>rholt. Leistungsbezug und Maßnahmen<br />
sind keine Brücken zwischen Beschäftigungen,<br />
son<strong>de</strong>rn umgekehrt: Beschäftigung wird zur<br />
Brücke und zum Mittel, <strong>de</strong>n Leistungsbezug<br />
und das Anrecht auf neue Maßnahmen zu<br />
reproduzieren. Leistungsbezugszeiten und<br />
Maßnahmen sind systematische, regelmäßige<br />
und sich wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong> Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />
Erwerbsverlaufs.<br />
Was im primären Modus eine Brücke<br />
war, bestimmt hier <strong>de</strong>n Verlauf, so daß – in<br />
Umkehrung <strong>de</strong>s ursprünglichen arbeitsmarktpolitischen<br />
Sinns – kurze Beschäftigungen<br />
zu Brücken zwischen Transferzustän<strong>de</strong>n gewor<strong>de</strong>n<br />
sind. Das Feld sekundärer Integration<br />
reicht von instabil Beschäftigten, die zwischen<br />
Arbeitslosigkeit, Beschäftigung und Arbeitsmarktmaßnahmen<br />
wechseln, über Personen,<br />
die zwischen Arbeitslosigkeit und Maßnahmen<br />
pen<strong>de</strong>ln („Maßnahmekarrieren“) und kaum<br />
noch gelegentliche Beschäftigungen im ersten<br />
Arbeitsmarkt fin<strong>de</strong>n, bis zu Personen, <strong>de</strong>ren<br />
Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen ist<br />
und die daher ausschließlich über sozialstaat-<br />
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liche Transfers wie Arbeitslosenhilfe o<strong>de</strong>r<br />
Sozialhilfe versorgt wer<strong>de</strong>n müssen. Der Anteil<br />
<strong>de</strong>s Leistungsbezugs und <strong>de</strong>r Arbeitsmarktmaßnahmen<br />
überschreitet das für die fordistische<br />
Erwerbsarbeit typischeMaß, wird unter<br />
Umstän<strong>de</strong>n sogar größer als <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />
Beschäftigung in einem Erwerbszeitraum.<br />
Unsere Hypothese ist, daß diese differenten<br />
Funktionsweisen zu einer Segmentierung <strong>de</strong>r<br />
Erwerbsbevölkerung führen. Auf <strong>de</strong>r einen<br />
Seite steht ein nach wie vor beträchtlicher<br />
Teil von Erwerbspersonen im primären Integrationsmodus.<br />
Wir schätzen, daß dieser<br />
Anteil je nach Alters- und Geschlechtsgruppe<br />
in Ost<strong>de</strong>utschland zwischen 30% und 60%<br />
<strong>de</strong>r abhängigen Erwerbstätigen ausmacht.<br />
Dem steht ein Reservoir von Personen mit<br />
sekundärer Arbeitsmarktintegration gegenüber,<br />
das – diesen ersten Schätzungen zufolge<br />
– im ost<strong>de</strong>utschen Durchschnitt bei mehr<br />
als 30% <strong>de</strong>r Erwerbsbevölkerung liegt, wobei<br />
einzelne Altersgruppen und Regionen bis zu<br />
60% erreichen.<br />
Der neue „sekundäre“ Integrationsmodus<br />
kann als Produkt und Verfahren sozialen Lernens<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Verwaltungen und<br />
Politik lern(t)en, bestimmte arbeitsmarktpolitische<br />
Instrumente zur Bearbeitung einer<br />
langfristigen und anhalten<strong>de</strong>n Beschäftigungskrise,<br />
zur Sicherung von politischer Stabilität<br />
und zur Bindung von Wählerschichten einzusetzen,<br />
während die Betroffenen lern(t)en,<br />
dieselben Instrumente zum „Flicken“ ihrer<br />
Erwerbsbiographie zu nutzen.<br />
Zumin<strong>de</strong>st mittelfristig wird die Krise<br />
<strong>de</strong>r Arbeitsgesellschaft, die Tatsache, daß ein<br />
relevanter Teil <strong>de</strong>r Erwerbsbevölkerung nicht<br />
in normale Beschäftigung integriert wer<strong>de</strong>n<br />
kann, mittels eines arbeitsgesellschaftlichen<br />
Integrations-Instrumentariums bearbeitet.<br />
Die Bewegungsform <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchs – Arbeitsgesellschaft<br />
ohne Arbeit – scheint we<strong>de</strong>r<br />
die Neuverteilung <strong>de</strong>r Erwerbsarbeit innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Erwerbsbevölkerung zu sein, noch<br />
die dauerhafte Ausson<strong>de</strong>rung großer Teile<br />
<strong>de</strong>r Erwerbsbevölkerung aus einer arbeitsgesellschaftlichen<br />
Integration. Der größte Teil<br />
<strong>de</strong>r überzähligen Erwerbsbevölkerung wird<br />
vielmehr über <strong>de</strong>n sekundären Integrationsmodus<br />
weiter an das Erwerbssystem gebun<strong>de</strong>n