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10 romane • cornel diederichs<br />

leseprobe<br />

cornel Diederichs<br />

Treibgut oder Vom Traum,<br />

ein Held zu werden<br />

Roman<br />

288 S., Pb, EURO [D] 13, 50/sFr 23.20<br />

ISBN 978-3-89514-572-8<br />

Anna<br />

224 S., Pb, EUR 11,50/sFr 19.70<br />

ISBN 978-3-89514-159-1<br />

Der Gelbe Helmut<br />

152 S., Pb, EUR 9,50/sFr 16.30<br />

ISBN 978-3-89514-206-2<br />

Die Talbrücke<br />

208 S., Pb, EUR 12,– /sFr 20.60<br />

ISBN 978-3-89514-262-8<br />

Der Schwätzer<br />

160 S., Pb, EUR 11,70/sFr 20.10<br />

ISBN 978-3-89514-319-9<br />

Cornel Diederichs, Jahrgang 1930,<br />

stammt aus Kleve am Niederrhein und war<br />

vierzig Jahre lang als Lokalredakteur tätig.<br />

In den sechziger Jahren erschienen von ihm<br />

Prosatexte in der Kulturzeitschrift »Merkur.<br />

Deutsche Zeitschrift für Europäisches<br />

Denken«. Aber erst nach dem Ende der<br />

be ruflichen Inanspruchnahme durch die<br />

tägliche Zeitungsarbeit veröffentlichte er<br />

Erzählungen und Romane. Der Autor lebt<br />

heute in Mittelfranken.<br />

cornel diederichs<br />

treibgut<br />

ODER VOM TRAUM, EIN HELD ZU WERDEN<br />

Zu Beginn der Erzählung im Sommer 1940 ist der »Pimpf« Sieghard Sielensucher zehn Jahre alt und träumt wie<br />

seine Klassenkameraden davon, »ein Held zu werden«. Unter dem Einfluss der Nazi-Ideologie entsteht in der Familie<br />

eine Schwelle, jenseits der die Erwachsenen ihr Wissen vor dem Kind verbergen, das keine Schwierigkeiten<br />

in der Schule oder beim Jungvolk haben soll – »man weiß ja nicht, wie lange die Nazis an der Macht bleiben«.<br />

Kleve, die bisher vom Krieg verschonte Heimatstadt Sieghards an der niederländischen Grenze, wird 1944 von<br />

der Operation »Market Garden« erreicht und zerstört, die Familie in die Erbärmlichkeit des Flüchtlingslebens<br />

gestoßen. Sieghard ist jetzt als Flüchtling unwillkommen, »asozial« in einer ihm fremden, fast noch »heilen«<br />

Welt Oberbayerns, in Burghausen an der Salzach. Nach dem Zusammenbruch des Nazireichs fühlt er sich betrogen<br />

und steht misstrauisch gegenüber einem Frieden, in dem von Dekade zu Dekade die Kalorienzuteilung<br />

auf der Lebensmittelkarte zusammenschrumpft und der Hunger größer wird. Die Erzählung reicht in die Nachkriegszeit<br />

hinein, bis zum großen Aufbruch nach der Währungsreform. Aus dem »Pimpfen« Sieghard wird in der<br />

jungen Bundesrepublik Deutschland ein Schiffsbauingenieur. Sein Beruf bringt ihm Wohlstand und Freunde aus<br />

allen Teilen der Erde. Im Ruhestand endlich führt ihn eine Urlaubsreise nach Bayern, an die Salzach, und zu einer<br />

Begegnung und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.<br />

Er sah sich als Kind auf der »Hohen Luft«. Er spielte in der<br />

Heide, und es war ein sehr ruhiger warmer Herbsttag mit<br />

einem etwas verschleierten Himmel und einer am Horizont<br />

wartenden Dunstschicht. Er riss Heidekraut aus dem<br />

Boden und schaufelte Erde in seinen roten Boller wagen.<br />

Im warmen Sand fand er Eidechseneier, sie waren weiß<br />

und fühlten sich an wie Pergamentpapier. Er schleppte den<br />

Wagen über das Heidekraut, er wollte<br />

einen Pfad aufschütten, seine »Reichsautobahn«,<br />

und wenn sie fertig war,<br />

konnte man durch die Heide rennen,<br />

ohne dass das holzige Kraut an den<br />

nackten Beinen kratzte. Er wollte<br />

seine Autobahn bis zum Zaun im<br />

Norden des Grundstückes mit dem<br />

Wochenend häuschen bauen, aber<br />

das gab er auf, jenseits der Einfriedung,<br />

fern, irgendwo da unten am<br />

dunklen Rücken des Reichswaldes<br />

lag die Grenze, und eine deutsche<br />

Autobahn konnte nicht nach Holland<br />

führen. Von dem Hügel in der<br />

Heide konnte er diese Fremde sehen, Holland, das fand<br />

er auch an jenem Tag, war blassblau, bläulich dehnte<br />

sich die Ebene weit zum Licht des Hori zontes aus. Ein<br />

blassblaues Land, in das kleine dunkle Waldstreifen eingesprenkelt<br />

waren und aus dem es an wenigen Stellen<br />

spiegelte, weil die Sonne auf Wasser oder Fenster schien,<br />

das musste fremd sein, nicht unbedingt feindlich, und<br />

weil es so ruhig war, gab es vielleicht nur wenige Holländer,<br />

aber das konnte nicht sein, denn da unten rechts<br />

lösten sich immer die Umrisse der Brücke von Nymwegen<br />

aus dem Dunst, der Rundbogen, der zu einer großen<br />

Stadt gehörte, wie die Mutter gesagt hatte, und die<br />

war früher oft in Holland gewesen, sie kannte sich aus,<br />

cornel Diederichs<br />

»treibgut oder Vom traum,<br />

ein held zu werden«<br />

»cornel Diederichs ist ein angenehmer<br />

Geschichtenerzähler, seine Sicht aus der<br />

Perspektive des wissenden Älteren ist nie<br />

besserwisserisch. Die Erinnerungen des<br />

alten Mannes während seines Sommerspaziergangs<br />

lassen elegante Sprünge zu<br />

wesentlichen Erinnerungen zu.«<br />

sie war zusammen mit dem Vater durch das flache<br />

Land geradelt, und dort war man reich, alles war reich,<br />

bunt und sehr sauber. Doch jetzt gab es die Grenze und<br />

Zöllner, die fast aussahen wie Soldaten, und das musste<br />

auch so sein. Sieghard schüttete den Sand aus dem<br />

Boller wagen, die Autobahn konnte warten. Er hörte<br />

das Motorengeräusch, es zerriss die warme Schläfrigkeit<br />

des Herbsttages, das Flugzeug<br />

Christoph Plass,<br />

Süddeutsche Zeitung<br />

erschien im Osten, es schien sich aus<br />

den hohen Wipfeln der Kiefern und<br />

Fichten des Reichswaldes zu lösen,<br />

es flog hoch über der »Hohen Luft«<br />

nach Westen. Aber er konnte es deutlich<br />

erkennen, es war einmotorig und<br />

es zog unbeirrbar dahin, und Sieghard<br />

fühlte sich bestätigt, er wusste,<br />

als er dem Flugzeug hinterhersah,<br />

bis es im gleißenden Licht des Mittags<br />

verschwand, dass Krieg war. Die<br />

Mutter, die Nachbarn, die Großeltern<br />

sahen so ernst aus, wenn sie davon<br />

sprachen. Holland war friedlich<br />

blassblau, der Bogen bei Nymwegen wie immer unverändert<br />

fein und halbrund, aber das Flugzeug, meinte Sieghard,<br />

gehörte zum Krieg, er stellte sich vor, es zöge einen<br />

grauen Vorhang hinter sich her, und zu diesem gehörten<br />

die Bilder, die er in den Filmstunden in der Schule und in<br />

Büchern gesehen hatte, der Krieg, das waren Helme und<br />

darunter Gasmasken, große runde Scheiben an Stelle von<br />

Augen, und darunter ein runder klobiger Filter, der zu<br />

keuchendem Atem gehörte. Das Flugzeug verkündete für<br />

Sieghard den Krieg. Er stellte sich das Donnern der Geschütze<br />

des Linienschiffes »Schleswig-Holstein« vor, als<br />

es die Westerplatte beschoss, und die Staubwolken über<br />

den Straßen, als die Soldaten in Polen marschierten.

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