Download - Bund Deutscher PfadfinderInnen
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eInsatZ aM Wörthersee<br />
oder<br />
dIe WIederKehr der tretBootfahrer<br />
Man hatte das Gefühl, dass es ständig hinab<br />
ging, ein leichtes, nicht aufhörendes Gefälle<br />
den Erdball hinunter, südwärts, unterwegs zum<br />
See der Filmträume, nach Kärnten. Die Mützen<br />
mit dem Segelboot und dem Schriftzug „Wörthersee“<br />
hatten sich Jan und Jörg im Urlaub<br />
vor drei Jahren zugelegt. Und nun trugen sie<br />
ihre Kopfbedeckungen mit etwas Stolz, auch<br />
im Bus, schließlich sollten die Leute gleich<br />
sehen, dass hier erfahrene Hasen unterwegs<br />
waren. Der Bus war gut besetzt.<br />
Etwas älteres Publikum, murmelte Jan.<br />
Macht gar nichts, gab Jörg zurück, unsere<br />
Leute warten am See.<br />
Das letzte Mal waren Jans Eltern noch dabei.<br />
Die Jungs hatten damals so lange genervt,<br />
bis letztendlich Jörgs Mutter der Mitreise<br />
ihres Sohnes zustimmte. Nun also allein nach<br />
Österreich. Die Kopfhörer wurden nur selten<br />
abgelegt. Rasthäuser, München rechts, der<br />
Chiemsee links, das Bilderbuch der Berge,<br />
Würstchen mit Bier, Pinkelpause, Streckeninfos,<br />
Tunnel, die einstige Grenzstation.<br />
Eigentlich nicht übel, man wird wie ein Baby<br />
umsorgt.<br />
Und auf einmal dann, die blaue Leuchtröhre<br />
im Mittelgang und die Notleuchten über den<br />
Köpfen und die in akkuraten Abständen anfliegenden<br />
Lichter der Betonröhre, monoton, nicht<br />
38 aufhören wollend, der Tauerntunnel.<br />
Jemand hatte eine Decke ausgebreitet. Vorsichtig<br />
wurde das reglose Mädchen abgelegt.<br />
Jan hatte ihr Gesicht auf die Seite gedreht<br />
und durchnässtes Haar von Wange und Stirn<br />
gestrichen. Sie regte sich nicht. Dann breitete<br />
Jan ihre Arme aus und führte sie immer wieder<br />
zur Mitte, wo er jedes Mal einen Druck auf die<br />
Brust ausübte, wieder und wieder. Wasser drang<br />
aus ihren Mund.<br />
Jörg rief nach einem Arzt! Er kauerte gegenüber<br />
und bettete den Kopf des Mädchens in<br />
seine Hände, behutsam und ängstlich, als<br />
würde er ihr Leben festhalten. Die Schaulustigen<br />
nahmen zu. Rettungsleute und der<br />
Strandwart baten um Platz und übernahmen<br />
die Behandlung der Verunglückten.<br />
Puls normal, sagte man. Nach weiterem<br />
Wasserausstoß hustete die Kleine und schlug<br />
die Augen auf. Glänzende kleine Kastanien.<br />
Das schwarze Haar lag in Strähnen auf ihrer<br />
Sommerhaut. Die jungen Deutschen lächelten<br />
einander zu, es war ein befreiendes Lächeln.<br />
Dann der Hubschrauber und ein richtiger<br />
Notarzt.<br />
Endlich, das Licht am Ende des Tunnels! Und<br />
dann, plötzlich, der Film wieder; der Tag mit<br />
der Sonne und den Bergen und den Fichten an<br />
den Hängen und den Spielzeughäusern.<br />
Wird sie uns wieder erkennen? Vielleicht hat sie<br />
uns gar nicht richtig wahrgenommen, damals,<br />
als hundert Strandleute sie mit bangen Blicken<br />
überschütteten?<br />
Man hätte wenigstens einen von uns im Hubschrauber<br />
mitnehmen können. Blöd aber auch,<br />
dass am nächsten Tag die Heimreise anstand,<br />
sonst hätten wir sie in der Klinik in Klagenfurt<br />
noch einmal besuchen können.<br />
Im Brief schreibt sie, dass sie jetzt in die<br />
vierte Klasse kommt und dass sie sich freut,<br />
uns kennen zu lernen.<br />
Na ja, das hat ihr Mami so gesagt.<br />
Glaube ich nicht, das hat sie allein geschrieben,<br />
schließlich ist sie bald Zehn, da schreiben<br />
andere schon Liebesgedichte.<br />
Beim nächsten Halt ließen sich die Jungen vom<br />
Steward ihre Kiste zeigen, unten im Stauraum,<br />
in der sie ein Geschenk für Jessica verpackt<br />
hatten. Sie sah aus wie eine Obstkiste, nur dass<br />
sie mit Stoff ausgeschlagen war und einen Deckel<br />
hatte. Steward und Fahrer wunderten sich,<br />
dass man so besorgt um das Behältnis war.<br />
Keine Bange Meister, beschwichtigte Jörg, wer<br />
Tiere liebt, sperrt sie nicht ein!<br />
Kaffee oder Eis, auch Joghurt wurde angeboten.<br />
Nach einer weiteren Kopfhörerstunde, der<br />
Katschbergtunnel. Gleiches Dröhnen, gleiche<br />
Monotonie, Reihe um Reihe das Tunnellicht.<br />
Manchmal überholte jemand.<br />
Eine Stunde Tretboot hatten sie in den<br />
Beinen, als sie sich der Anlegestelle neben<br />
dem Holzsteg für die Badelustigen näherten.<br />
Elegante Kopfsprünge, gewollte Plumpheit,<br />
Spaßspringer, Bauchklatscher, Schwimmer,<br />
Taucher, Schreihälse.<br />
Zunächst hielten die Jungen das ständige<br />
Auftauchen und Planschen für das übermütige<br />
Verhalten eines der Schulkinder, die heute den<br />
letzten Tag des Schuljahres hier verbrachten.<br />
Jan, sieh doch, da ist jemand in Not!<br />
Ein Blickwechsel noch, und beide schossen<br />
kopfüber in den See. Das steil abfallende Ufer<br />
verursachte an dieser Stelle überraschend die<br />
Zunahme der Wassertiefe. Schon der nächste<br />
Schritt führte ins Leere und man verlor den<br />
Halt unter den Füssen. Schnell war das Kind