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Qualitative Ansätze als Chance für die ... - SSOAR

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Frommer, Hempfling & Tress<br />

spiel" (ebd.) der beteiligten Erkenntnis-<br />

Subjekte mit dem Ziel einer möglichst kon-<br />

sistenten Explikation des Problematisierten,<br />

jedoch ohne den Anspruch wahrheitsge-<br />

treuer Abbildung der Wirklichkeit. Die no-<br />

mologische Psychologie kann sich so in<br />

Herrmanns eigener Sicht nicht <strong>als</strong> einzige<br />

wirklichkeitsangemessene Methodik verste-<br />

hen, sondern <strong>als</strong> das, was auch Kritiker in<br />

ihr sehen, nämlich <strong>als</strong> herrschendes Regel-<br />

spiel im akademischen Wissenschaftsbe-<br />

trieb, dessen Aiieinvertretungsanspruch<br />

Herrmann in seiner Replik auf Legewie re-<br />

klamiert. Ebenfalls im Widerspruch zu sei-<br />

ner in der Kontroverse mit Legewie vertre-<br />

tenen Auffassung unterscheidet Theo Herr-<br />

mami in einer anderen 1987 erschienen Ar-<br />

beit zwischen intentionalen Handlungs- und<br />

Erlebnisbegründungen des Alltags hier und<br />

nicht-intentionalen Widerfahrnis-Argumen-<br />

tationen dort. Nach dem Vorbild der letzte-<br />

ren seien zwar <strong>die</strong> gängigen systematisierten<br />

Erkemtnisresultate der Psychologie erfolg-<br />

reich modelliert, doch <strong>die</strong> zahlreichen no-<br />

mologischen psychologischen Teilbereichs-<br />

theorien, in denen der Mensch nicht <strong>als</strong> in-<br />

tentionaler Akteur vorkommt, sondern <strong>die</strong><br />

das Psychische auf das uns Widerfahrende<br />

beschränken, seien nicht geeignet, das ubi-<br />

quitäre menschliche Wien von der Inten-<br />

tionalität zu rekonstruieren. So kam <strong>die</strong> Psy-<br />

chologie, in den Worten Herrmams, den<br />

Kuchen nicht zugleich essen und behalten.<br />

Angesichts der Doppelnatur des Men-<br />

schen und seiner ihr entsprechenden ubiqui-<br />

tären doppelten Selbstinterpretation könne<br />

der psychologische Forscher den Menschen<br />

nicht in einem Forschungsprogramm auf<br />

einmal erfassen (Herrmann 1987b).<br />

Anders <strong>als</strong> <strong>die</strong> moderne akademische<br />

Psychologie hat <strong>die</strong> Nachbarwissenschaft<br />

Soziologie nicht nur kausalanalytisch-nomo-<br />

logisch erklärbares Verhalten, sondern auch<br />

teleologisch-sinnorientiertes, durch Motive<br />

bedingtes ,,Handeln" in ihren Kategorien-<br />

kanon aufgenommen (Graumann 1979), <strong>für</strong><br />

den Teilbereich der ,,verstehenden Soziolo-<br />

gie" (Weber 1913) gar zum Grundbegriff<br />

erklärt. Dies hat ihr zwar <strong>als</strong> junge, noch am<br />

Beginn ihrer Etablierung stehende Wissen-<br />

schaft einen heftigen Methodenstreit (Ador-<br />

no et al. 1%9) eingebracht, sie aber ande-<br />

rerseits vor einer völligen Skotomisierung<br />

ganzer Gegenstandsbereiche bewahrt.<br />

Daß auch innerhalb der Psychologie nur<br />

über <strong>die</strong> Beschäftigung mit der subjektiven<br />

Perspektive der Betroffenen erfahrbare<br />

,,Annahmen über Handlungsgründe kei-<br />

neswegs ... in irgendeine ,hermeneutischec<br />

Exklave abgeschoben werden können"<br />

(Holzkamp 1986, 217), darauf hat immer<br />

wieder Klaus Holzkamp hingewiesen. Sei-<br />

ner Argumentation zufolge verbergen sich<br />

hinter vielen scheinbar empirischen Zusam-<br />

menhangsamahmen innerhalb sozialpsy-<br />

chologischer Konzeptionen in Wirklichkeit<br />

Annahmen über Begründungsmuster von<br />

Handlungen, d.h. Annahmen über ,,gute<br />

Gründe" von Personen, <strong>die</strong> sich unter den<br />

angegebenen Bedingungen in bestimmter<br />

Weise verhalten. Solche Muster stellen aber<br />

Definitionen ,,vernünftigenu Verhaltens<br />

unter den angegebenen Pra.missen dar, wo-<br />

durch eine experimentelle Uberprüfung un-<br />

angemessen erscheint; bestätigende experi-<br />

mentelle Befunde haben hier lediglich <strong>die</strong><br />

Funktion von Beispielen oder Anwen-<br />

dungsfällen (Holzkamp 1986).<br />

<strong>Qualitative</strong> Methoden und<br />

Handlungstheorie <strong>als</strong> Alternative<br />

Diese hier nur angedeuteten Grenzen des<br />

nomologischen Ansatzes zwingen zur Suche<br />

nach gegenstandsangemessenen Methoden,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> subjektive Erlebnisperspektive und<br />

<strong>die</strong> Handlungsmotive des einzelnen in nicht-<br />

reduktionistischer Weise erfassen. Ihre Le-<br />

gitimation <strong>als</strong> wissenschaftliche Methodik<br />

können <strong>die</strong> hier<strong>für</strong> vorgeschlagenen Verfah-<br />

ren allerdings nicht allein aus den ange-<br />

deuteten Selbstmißverständnissen und Leer-<br />

stellen der nomologischen Forschungsrich-<br />

tungen beziehen; vielmehr bedürfen sie ei-<br />

gener Gültigkeitskriterien.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang steht der<br />

Vorschlag, <strong>die</strong> handlungs- und verstehens-<br />

theoretische Konzeption Max Webers in <strong>die</strong><br />

Diskussion um ein angemessenes metho-<br />

dologisches Selbstverständnis qualitativer<br />

Forschungsmethoden einfließen zu lassen<br />

(Frommer 1991). Als Argumente hier<strong>für</strong><br />

können genannt werden: Es handelt sich bei<br />

Webers Ansatz nicht um eine geschlossene<br />

abstrakte Theorie, <strong>die</strong>, in sich stimmig, nir<br />

kontingenten Welt der empirischen Tatbe-<br />

stände nur in losem Zusammenhang steht.<br />

Vielmehr <strong>die</strong>nen Webers methodologische<br />

Uberlegungen in erster Linie der Fun<strong>die</strong>-<br />

rung konkreter empirischer Forschung. Er<br />

überwindet dabei den Gegensatz von no-<br />

44 Journal <strong>für</strong> Psychologie

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