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Soziales Kapital, soziale Integration und Selbstorganisation

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die Qualität des <strong>soziale</strong>n Zusammenlebens <strong>und</strong> das <strong>soziale</strong> Vertrauen in einer Gesellschaft <strong>und</strong> damit –<br />

als indirekte Folge – für die Leistungsfähigkeit des staatlichen <strong>und</strong> ökonomischen Sektors. 18<br />

Zwar sind all diese Annahmen theoretisch bislang nur unzureichend ausgearbeitet <strong>und</strong> auch empirisch<br />

nicht überprüft. Im politischen Diskurs haben sie aber zu einer massiven Aufwertung all jener Vereine<br />

geführt, in denen prinzipiell jeder auf freiwilliger Basis Mitglied werden kann <strong>und</strong> in denen unmittelbare<br />

Gestaltungs- <strong>und</strong> Partizipationsmöglichkeiten existieren. 19 Die Sportvereine gelten dabei als einer der<br />

großen Hoffnungsträger, integrieren sie doch insbesondere die nachwachsenden Generationen, an die<br />

sich die Kritik eines vermeintlich ungezügelten Individualismus <strong>und</strong> Hedonismus besonders richtet.<br />

(2) Mit dem Stichwort der Partizipation ist bereits der wichtigste Aspekt im neuen Gemeinwohl-Diskurs<br />

angesprochen: das freiwillige Engagement, das in der öffentlichen Diskussion als Paradebeispiel für<br />

den gesellschaftlichen Zusammenhalt, als Ressource gelebter Solidarität <strong>und</strong> Prüfstein der inneren<br />

Konsistenz des Gemeinwesens gilt. 20 Wie eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von 1999 zeigt,<br />

wird der weitaus größte Anteil des freiwilligen Engagements in Deutschland in Vereinen erbracht. 21 Dies<br />

gilt insbesondere für den Sport: Entgegen aller sorgenvollen Rhetorik von der „Krise des Ehrenamts“<br />

findet man im vereinsorganisierten Sport den vergleichsweise höchsten Anteil aller freiwillig engagierten<br />

B<strong>und</strong>esbürger. 1999 übernahmen knapp 10 % der über 14-jährigen B<strong>und</strong>esbürger regelmäßig Aufgaben<br />

in den r<strong>und</strong> 85.000 Sportvereinen. Und auch die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen scheinen weniger ihren<br />

hedonistisch-individualistischen Egotripp auszuleben als gemeinhin angenommen wird. Auch sie binden<br />

sich nach wie vor längerfristig an die Sportvereine <strong>und</strong> engagieren sich vielfach „im Vorhof des Ehrenamts“<br />

– z.B. als Mannschaftsführer, Gruppensprecher, Schieds- oder Kampfrichter. Wie die „Jugendsport-Studie<br />

1992“ in Nordrhein-Westfalen zeigt, gilt dies für drei Viertel aller vereinsorganisierten Jugendlichen.<br />

22 Nicht ganz so hohe Mitwirkungsquoten werden von jugendlichen Vereinsmitgliedern in<br />

Ostdeutschland berichtet. Aber auch hier engagierten sich Ende der 90er-Jahre zwei Drittel freiwillig in<br />

ihrem Sportverein. 23<br />

Offenk<strong>und</strong>ig – so lassen sich die Bef<strong>und</strong>e zusammenfassen – können die Sportjugendorganisationen<br />

nicht nur damit werben, dass sie in Deutschland die attraktivste freiwillige Vereinigung für Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche darstellen. Sie können auch damit werben, dass sich viele Heranwachsende freiwillig an<br />

der <strong>Selbstorganisation</strong> der Sportvereine beteiligen. Und wenn in den kleinräumig-überschaubaren<br />

Strukturen der assoziativen Lebenswelt der Nährboden bürgerschaftlicher Kompetenz in ihrer kognitiven<br />

18 Vgl. z.B. Kistler, E., H.-H. Noll <strong>und</strong> E. Priller (Hrsg.), 1999, Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Empirische<br />

Bef<strong>und</strong>e, Praxiserfahrungen, Meßkonzepte, Berlin.<br />

19 Vgl. z.B. Offe, C. <strong>und</strong> S. Fuchs, 2001: Schw<strong>und</strong> des Sozialkapitals? Der Fall Deutschland, a.a.O.<br />

20 Zu einer differenzierten Kritik dieser gängigen Sichtweise vgl. Friedrichs, J. <strong>und</strong> W. Jagodzinski, 1999: Theorien <strong>soziale</strong>r<br />

<strong>Integration</strong>, in: dies. (Hrsg.), Soziale <strong>Integration</strong>, Sonderband 39 der Kölner Zeitschrift für Soziologie <strong>und</strong> Sozialpsychologie,<br />

Wiesbaden, S. 9-43.<br />

21 Vgl. dazu die Ergebnisse der bislang umfangreichsten, vom B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />

(BMFSFJ) in Auftrag gegebenen Untersuchung über das freiwillige Engagement in Deutschland, z.B. Rosenbladt, B. von<br />

(Hg.), 2000: Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergebnisse der Repräsentativerhebung 1999 zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit<br />

<strong>und</strong> bürgerschaftlichem Engagement (Band 1: Gesamtbericht), Stuttgart u.a.; speziell zum freiwilligen Engagement<br />

in den ostdeutschen Sportvereinen: Baur, J. <strong>und</strong> S. Braun 2000: Freiwilliges Engagement <strong>und</strong> Partizipation in<br />

ostdeutschen Sportvereinen. Eine empirische Analyse zum Institutionentransfer, Köln.<br />

22 Vgl. Kurz, D., H.-G. Sack <strong>und</strong> K.-P. Brinkhoff, 1996: Kindheit, Jugend <strong>und</strong> Sport in Nordrhein-Westfalen. Der Sportverein<br />

<strong>und</strong> seine Leistungen (Materialien zum Sport in Nordrhein-Westfalen, Heft 44), Düsseldorf.<br />

23 Vgl. Baur, J. <strong>und</strong> U. Burrmann, 2000: Unerforschtes Land, a.a.O.<br />

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