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Besonderheiten der Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide ...

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448<br />

V. Auswirkungen des BGG auf das<br />

Verfahren <strong>der</strong> betreibungsrechtlichen<br />

<strong>Beschwerde</strong> vor den kantonalen<br />

Aufsichtsbehörden (Art. 17 f. SchKG)<br />

Das BGG regelt primär das Verfahren vor Bundesgericht.<br />

Es zeitigt jedoch auch Auswirkungen auf das kantonale<br />

Rechtsmittelverfahren und die kantonale Behördenorganisation.<br />

Dies gilt auch <strong>in</strong> Bezug auf die SchKG-<strong>Beschwerde</strong><br />

vor den kantonalen Aufsichtsbehörden (Art. 17 f. SchKG).<br />

A. Double Instance<br />

Das BGG führt das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> double <strong>in</strong>stance e<strong>in</strong>, d.h. es<br />

müssen auf kantonaler Ebene zwei Vor<strong>in</strong>stanzen gegeben<br />

se<strong>in</strong>: Die letzte kantonale Instanz muss als Rechtsmittel<strong>in</strong>stanz<br />

agieren (Art. 75 BGG) 215 . Gemäss Art. 13 Abs. 2<br />

SchKG s<strong>in</strong>d die Kantone frei, ob sie nur e<strong>in</strong>e kantonale<br />

Aufsichtsbehörde o<strong>der</strong> ob sie e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> mehrere untere<br />

und e<strong>in</strong>e obere Aufsichtsbehörde bestellen wollen 216 . Die<br />

grosse Mehrheit <strong>der</strong> Kantone hat die Aufsichtsbehörden nur<br />

e<strong>in</strong>stufig geregelt 217 . Gleichsam ist das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> double<br />

<strong>in</strong>stance auch bei e<strong>in</strong>er nur e<strong>in</strong>stufigen kantonalen Behördenorganisation<br />

erfüllt: Die erste Instanz ist die verfügende<br />

(verfahrensleitende) SchKG-Behörde (Betreibungsamt,<br />

Konkursamt, Konkursverwaltung, Liquidatoren) 218 . Die<br />

(e<strong>in</strong>zige) Aufsichtsbehörde ist die zweite Vor<strong>in</strong>stanz 219 .<br />

B. Gerichte als (obere o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige)<br />

kantonale Aufsichtsbehörden<br />

Gemäss SchKG s<strong>in</strong>d die Kantone nicht verpflichtet, Gerichte<br />

als Aufsichtsbehörden e<strong>in</strong>zusetzen 220 . Fast alle Kantone<br />

haben jedoch Gerichte e<strong>in</strong>gesetzt 221 .<br />

Die <strong>Beschwerde</strong> <strong>in</strong> <strong>Zivilsachen</strong> ist nur zulässig <strong>gegen</strong><br />

<strong>Entscheide</strong> letzter kantonaler Instanzen (Art. 75 Abs. 1<br />

BGG). Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanz obere<br />

Gerichte e<strong>in</strong> (vgl. auch Art. 110 BGG). Diese entscheiden<br />

als Rechtsmittel<strong>in</strong>stanzen (Art. 75 Abs. 2 BGG). Aufgrund<br />

des BGG werden die Kantone für SchKG-<strong>Beschwerde</strong>n somit<br />

Gerichte als (obere bzw. e<strong>in</strong>zige) kantonale Aufsichtsbehörden<br />

<strong>in</strong> SchKG-Sachen bestellen müssen 222 . Sofern die<br />

Kantone e<strong>in</strong>e zweistufige kantonale Behördenorganisation<br />

vorsehen, können die unteren kantonalen Aufsichtsbehörden<br />

nach wie vor auch Verwaltungsbehörden se<strong>in</strong> 223 .<br />

C. Freie Prüfung des Sachverhalts/<br />

Anwendung des Rechts von Amtes wegen<br />

Die kantonale gerichtliche Instanz prüft den Sachverhalt<br />

frei und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 110<br />

BGG). Diese Vorschrift betrifft nur die richterlichen Instanzen<br />

224 . Soweit die Kantone e<strong>in</strong>e zweistufige kantonale<br />

Behördenorganisation für die Aufsichtsbehörden vorsehen,<br />

können sie für die erste Instanz auch Verwaltungsbehörden<br />

vorsehen 225 . Für diese gilt Art. 110 BGG nicht direkt. Es<br />

entspricht jedoch e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en prozessualen Grund-<br />

F r a n c o L o r a n d i<br />

AJP/PJA 4/2007<br />

satz, dass die Kognition unterer Behörden nicht enger se<strong>in</strong><br />

kann als jene oberer Instanzen 226 . Damit gelten die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

von Art. 110 BBG auch für die unteren kantonalen<br />

Aufsichtsbehörden. Das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> freien Prüfung des<br />

Sachverhalts durch m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e kantonale Behörde<br />

ist für die betreibungsrechtliche <strong>Beschwerde</strong> jedoch ohne<br />

grosse Bedeutung: Es gilt schon von Bundesrechts wegen,<br />

dass die kantonalen Aufsichtsbehörden den Sachverhalt<br />

von Amtes wegen feststellen und die Beweise frei würdigen<br />

(revArt. 20a Abs. 2 Ziff. 2 und Ziff. 3 SchKG).<br />

D. E<strong>in</strong>heit des Verfahrens<br />

Es gilt <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>e prozessuale Grundsatz <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit<br />

des Verfahrens. Dieser besagt, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ordentlichen<br />

Instanzenzug die wesentlichen Rechtsmittelvoraussetzungen<br />

vor unteren Instanzen nicht enger se<strong>in</strong> dürfen als im Verfahren<br />

vor <strong>der</strong> obersten Instanz 227 . In <strong>der</strong> Literatur ist strittig, ob<br />

es sich bei <strong>der</strong> <strong>Beschwerde</strong> <strong>in</strong> <strong>Zivilsachen</strong> um e<strong>in</strong> ordentliches<br />

o<strong>der</strong> ausserordentliches Rechtsmittel handelt 228 . Diese<br />

215 BBl 2001 4311; SHK-Güngerich (FN 7), Art. 75 BGG N 5;<br />

Spühler/Dolge/Vock (FN 9), Art. 75 BGG N 4 ff.<br />

216 Lorandi (FN 6), Art. 13 SchKG N 3 ff. m.w.H.<br />

217 Vgl. das Verzeichnis <strong>der</strong> schweizerischen Betreibungs- und<br />

Konkurskreise, herausgegeben von <strong>der</strong> EDMZ.<br />

218 BBl 2001 4311; Escher (FN 17), 1249; Walter (FN 7), 128.<br />

219 Spühler/Dolge/Vock (FN 9), Art. 75 BGG N 10; SHK-<br />

Güngerich (FN 7), Art. 75 BGG N 5.<br />

220 Jaeger (FN 70), Art. 13 SchKG N 4; Blumenste<strong>in</strong> (FN 191),<br />

62 f.; Amonn/Walther (FN 74), § 4 Rz. 36; BasK-Emmel<br />

(FN 8), Art. 13 SchKG N 15; Gilliéron (FN 64), Art. 13<br />

SchKG N 21 und N 24; Lorandi (FN 6), Art. 13 SchKG N 8.<br />

221 Vgl. das Verzeichnis <strong>der</strong> schweizerischen Betreibungs- und<br />

Konkurskreise, herausgegeben von <strong>der</strong> EDMZ.<br />

222 BBl 2001 4348; Spühler (FN 7), 5; Spühler/Dolge/Vock<br />

(FN 9), Art. 110 BGG N 7; SHK-Güngerich (FN 7), Art. 75<br />

BGG N 5.<br />

223 Jaeger (FN 70), Art. 13 SchKG N 4; Blumenste<strong>in</strong> (FN 191),<br />

62 f.; Sorg, 16; Amonn/Walther (FN 74), § 4 Rz. 36; BasK-<br />

Emmel (FN 8), Art. 13 SchKG N 15; Gilliéron (FN 64)<br />

(FN 64), Art. 13 SchKG N 21 und N 24; Lorandi (FN 6),<br />

Art. 13 SchKG N 8.<br />

224 SHK-Seiler (FN 7), Art. 110 BGG N 3.<br />

225 IV.B.<br />

226 SHK-Seiler (FN 7), Art. 110 BGG N 3.<br />

227 Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und<br />

Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. A., Zürich 1998,<br />

Rz. 58, Rz. 190; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege,<br />

2. A., Bern 1983, 237; Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Mart<strong>in</strong><br />

Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des<br />

Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, § 4 N 12, § 41 N 1 und<br />

N 19; BGE 120 V 349, 102 V 151 f.<br />

228 Für e<strong>in</strong> ordentliches Rechtsmittel: Ph. Ziegler (FN 7), 352;<br />

Auer, Rechtsweg (FN 18), 75 ff.; Ulrich Häfel<strong>in</strong>/Walter<br />

Haller/Helen Keller, Bundesgericht und Verfassungsgerichtsbarkeit<br />

nach <strong>der</strong> Justizreform, Zürich 2006, Rz. 1933;<br />

Isaak Meier, Rechtsmittel an das Bundesgericht <strong>in</strong> <strong>Zivilsachen</strong><br />

nach dem BGG, Unterlagen zum Sem<strong>in</strong>ar "Wege zum Bundesgericht<br />

<strong>in</strong> <strong>Zivilsachen</strong> nach dem neuen BGG", <strong>in</strong> Zürich am

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