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Clara Baesecke Dorian Keilhack - Musikakademie Uri

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Werke Werke<br />

Cosima Wagner<br />

Richard Wagner<br />

Siegfried - Idyll in E-dur, WWV 103<br />

Cosima Wagner (1837 – 1930) notierte sich unter dem 25. Dezember 1870 in ihrem<br />

1869 in Tribschen bei Luzern begonnenen Tagebuch:<br />

„Von diesem Tag, meine Kinder, kann ich euch nichts sagen, nichts von meinen<br />

Empfindungen, nichts von meiner Stimmung, nichts, nichts. Dürr und trocken will ich<br />

euch nur sagen, was geschah: Wie ich aufwachte, vernahm mein Ohr einen Klang,<br />

immer voller schwoll er an, nicht mehr im Traum durfte ich mich wähnen, Musik<br />

erschallte, und welche Musik! Als sie verklungen, trat R.[ichard] mit den fünf Kindern<br />

zu mir ein und überreichte mir die Partitur des » Symphonischen Geburtstagsgrußes<br />

« –, in Tränen war ich, aber auch das ganze Haus; auf der Treppe hatte R. sein<br />

Orchester gestellt und so unser Tribschen auf ewig geweiht! Die » Tribscher Idylle «<br />

so heißt das Werk.“<br />

Die Cosima von Richard Wagner (1813 – 1883) überreichte Partitur-Zweitschrift ist<br />

überschrieben: Tribschener Idyll mit Fidi-Vogelgesang und Orange-Sonnenaufgang,<br />

als Symphonischer Geburtstagsgruss Seiner Cosima dargebracht von Ihrem Richard,<br />

1870. Während der Partiturniederschrift des dritten Aufzuges seines Siegfried, die<br />

sich vom März 1869 bis zum Februar 1871 hinzog, entstand in aller Heimlichkeit<br />

die Geburtstagsmusik für Cosima, die durch die Übernahme mehrerer Themen<br />

aus dem dritten Aufzug zwar in engem Zusammenhang zum Zweiten Tag der<br />

Tetralogie Der Ring des Nibelungen steht, aber als eigenständige Komposition für<br />

den engsten Familienkreis gedacht war. Cosima Wagner war aus diesem Grund auch<br />

gegen öffentliche Aufführungen und eine Publikation, sodass weitere Aufführungen<br />

1871 in Mannheim, 1874 in Wahnfried in Bayreuth und 1877 in Meiningen nur vor<br />

ausgewähltem Publikum in geschlossener Gesellschaft stattfanden. Die letztgenannte<br />

Aufführung besprach jedoch der Musikschriftsteller Richard Pohl (1826 – 1896)<br />

im Meininger Wochenblatt am 20. April unter der Überschrift Richard Wagner’s<br />

„Siegfried-Idyll“. Cosima gab ihren Widerstand gegen eine Veröffentlichung erst<br />

auf Drängen des Verlagsleiters Ludwig Strecker (1853 – 1943) vom Musikverlag<br />

B. Schott’s Söhne in Mainz auf, der um die Tilgung von Schulden bat, die durch hohe<br />

Vorschüsse an ihren Mann in früheren Jahrzehnten entstanden waren. Die Partitur<br />

erschien im Februar 1872, und Wagner stellte dem Siegfried-Idyll eine Huldigung an<br />

Cosima in Gedichtform voran:<br />

„Es war Dein opfermutig hehrer Wille,<br />

Der meinem Werk die Werdestätte fand,<br />

Von Dir geweiht zu weltenrückter Stille,<br />

Wo nun es wuchs und kräftig uns erstand,<br />

Die Heldenwelt uns zaubernd zum Idylle,<br />

Uraltes Fern zu trautem Heimatland.<br />

Erscholl ein Ruf da froh in meine Weisen:<br />

‚Ein Sohn ist da!’ – der musste Siegfried heißen.<br />

Für ihn und Dich durft’ ich in Tönen danken, –<br />

Wie gäb’ es Liebestaten hold’ren Lohn?<br />

Sie hegten wir in uns’res Heimes Schranken,<br />

Die stille Freude, die hier ward zum Ton.<br />

Die sich uns treu erwiesen ohne Wanken,<br />

So Siegfried hold, wie freundliche uns’rem Sohn,<br />

Mit Deiner Huld sei ihnen jetzt erschlossen,<br />

Was sonst als tönend Glück wir still genossen.“<br />

Das Siegfried-Idyl ist für Richard Wagner in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Der<br />

Held Siegfried ist seinen Vorstellungen nach im Gegensatz zur tragischen Laufbahn<br />

Wotans „der von uns gewünschte, gewollte Mensch der Zukunft (...), der aber nicht<br />

durch uns gemacht werden kann, und der sich selbst schaffen muss durch unsre<br />

Vernichtung.“ Will sagen die Vernichtung der bestehenden politischen Strukturen. In<br />

diesem Sinne schreibt Wagner im Januar 1854 an den Komponisten, Musikdirektor<br />

und Mitrevolutionär August Röckel (1814 – 1876), der wegen seiner Beteiligung am<br />

Dresdner Aufstand 1849 eine Festungshaft in Waldheim verbüßte, der sich Wagner<br />

durch seine Flucht in die Schweiz entziehen konnte. Mit Fidi ist der am 6. Juni 1869<br />

geborene Sohn Siegfried Wagner († 1930) gemeint.<br />

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