Da ist ein Kraut gewachsen - Ritterhaus Bubikon
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28 Kräutergarten Haus & Garten<br />
Kräutergärten der verschiedenen Epochen<br />
Antike<br />
Orte des Wohlbefindens<br />
Ausgrabungen und schriftliche Zeugnisse<br />
lassen erahnen, was unter antiken Gärten<br />
zu verstehen <strong>ist</strong>, nämlich <strong>ein</strong>e Symbiose<br />
von Natur und Kultur. So galt der Innenhof<br />
<strong>ein</strong>er römischen Villa mit duftendem Grün<br />
und sprudelndem Wasser als «locus<br />
amoenus», als Hort des Wohlbefindens,<br />
bereichert durch Wandmalereien und<br />
Skulpturen, Backst<strong>ein</strong>mauern, Säulen und<br />
Laubengänge. In dieser Gartenarchitektur<br />
kam auch – <strong>ein</strong>e römische Erfindung –<br />
Zement zur Anwendung, <strong>ein</strong>e Mischung<br />
von gebranntem Kalk, Wasser und Sand.<br />
Die Kenntnis über die Wirkungsweise<br />
von Kräutern war in der Antike gross und<br />
basierte auf griechischen, asiatischen<br />
und persischen Praktiken. Im Zentrum<br />
standen aber mediterrane Kräuter.<br />
Ent weder gelangten sie in der Küche zur<br />
Anwendung, beispielsweise Majoran,<br />
oder sie dienten als Heilmittel. So wurde die<br />
Wurzel von Affodill als Wurmmittel verwendet,<br />
der Saft s<strong>ein</strong>er Blätter dagegen bei<br />
Zahn- und Ohrenschmerzen <strong>ein</strong>gesetzt.<br />
Kräuter dienten aber auch schon damals<br />
dem Wohlbefinden. Oder sie erfüllten<br />
narzisstische Schönheitsträume wie die<br />
Tollkirsche mit ihrem Wirkstoff Atropin;<br />
sie verhalf dem holden Geschlecht durch<br />
Vergrösserung der Pupillen zu männer -<br />
be törenden Augensignalen.<br />
Antike<br />
Schafgarbe. Zur Verdauungsförderung,<br />
Wundheilung, Blutstillung.<br />
Echte Kamille. Gegen <strong>Da</strong>rmblähungen<br />
und bei Blasenbeschwerden.<br />
Kl<strong>ein</strong>er Baldrian. Duftwasser und<br />
Duftöle für die Körperpflege.<br />
Mittelalter<br />
Vom Lust- zum Nutzgarten<br />
Im Mittelalter, das heisst etwa vom 8. bis<br />
zum 16. Jahrhundert, wurden die Gärten<br />
stets in unmittelbarer Nähe von Burgen<br />
und Klöstern angelegt und durch Mauern,<br />
Hecken oder Zäune geschützt. Im Gegensatz<br />
zum antiken Lustgarten war der<br />
mittelalterliche <strong>ein</strong> eigentlicher Nutzgarten.<br />
In dessen Mitte befand sich me<strong>ist</strong><br />
<strong>ein</strong> stattlicher Brunnen, und die Gartenfläche<br />
war unterteilt in rechteckige Beete,<br />
manchmal aufgelockert durch Pergolen.<br />
Allerdings ging im Mittelalter viel Wissen<br />
aus der Antike verloren. Doch die<br />
Klostermedizin nahm sich der Heilkunde<br />
wieder an. Durch die Kreuzzüge kam<br />
das Abendland zudem in Kontakt mit<br />
orientalischer Medizin, und Kaiser Friedrich<br />
II. erliess im 13. Jahrhundert die erste<br />
Medizinalordnung. Pioniere der Pflanzenheilkunde<br />
wie etwa Jahrhundertarzt<br />
Paracelsus dagegen hatten <strong>ein</strong>en schweren<br />
Stand, und Kräuterkundigen wurde<br />
des Öftern der Hexen prozess gemacht.<br />
Im Mittelalter ging viel Wissen<br />
aus der Antike verloren.<br />
Mittelalter<br />
Kolonialzeit<br />
Globalisierung schon damals<br />
Etwa vom 17. bis 19. Jahrhundert,<br />
gelangten exotische Pflanzen nach<br />
Europa, vorerst als Trophäen. <strong>Da</strong>s Errichten<br />
von Gewächshäusern auf Schiffen<br />
ermöglichte den Import lebender Pflanzen<br />
über weite D<strong>ist</strong>anzen, beispielsweise<br />
der heute weitbekannte Sonnenhut<br />
(Echinacea) aus Amerika gegen Infekte<br />
der Atem- und Harnwege. Aus Ostasien<br />
kam Basilikum nach Europa, Koriander<br />
aus dem Vorderen Orient und der Malagettapfeffer<br />
von der «Pfefferküste» Afrikas<br />
als Ersatz für den echten Pfeffer aus<br />
dem Orient. Mit dieser Erschliessung der<br />
Handelswege über die Weltmeere war<br />
die Globalisierung der Kräutergärten<br />
<strong>ein</strong>geläutet. Gleichzeitig wurden durch<br />
all diese exotischen Kräuter und Gewürze<br />
sowie Heilpflanzen sowohl die Küche als<br />
auch die Medizin nachhaltig be<strong>ein</strong>flusst.<br />
Zudem machte sich der grosse Aufbruch<br />
in Architektur und Technik nun auch in den<br />
Kräutergärten bemerkbar – mit neuer<br />
Gliederung der Flächen und kunst vollen<br />
Akzenten in Form schmiedeiserner Lauben<br />
und Sitzbänke.<br />
natürlich 6 | 2013