Madame Bovary und Fontanes Effi Briest - werkstatt
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Geschlechterverhältnisse in Flauberts “<strong>Madame</strong> <strong>Bovary</strong>” <strong>und</strong> <strong>Fontanes</strong> “<strong>Effi</strong> <strong>Briest</strong>” 97<br />
werden “weich, feige, mittelmäßig <strong>und</strong> sklavisch, sobald sie eine<br />
‚männliche’ Haltung einnimmt[…]. Deshalb gibt es keine Lösung.” 71<br />
Auch in ihrer Ehe wird Emma die beherrschende Persönlichkeit, die<br />
Charles beherrschte. Sie führt nicht nur den Haushalt, sondern<br />
übernimmt einige Aufgaben von Charles: Sie schreibt z.B. die Rechnungen<br />
für die Patienten, oder trifft mit seiner Vollmacht Entscheidungen.<br />
Sie braucht nur ein bisschen List <strong>und</strong> Zärtlichkeit, um Charles noch<br />
schwächer zu machen.<br />
“Emmas Einfluss auf Charles erreicht, statt mit ihrem Tod zu enden,<br />
gleich nach dem Selbstmord seinen Höhepunkt. Als erstes ordnet<br />
Charles nach ihrem Tod ein prächtiges romantisches Begräbnis an, das<br />
dem Geschmack Emmas entspricht. Dann übernimmt er die verschwenderischen<br />
Gewohnheiten, die raffinierten Kapricen seiner Frau <strong>und</strong><br />
stürzt sich damit in den Ruin, genau wie sie.” 72 Der Erzähler fasst diese<br />
Situation in einem ergreifenden Bild zusammen: “Sie korrumpierte ihn<br />
über das Grab hinaus.” 73<br />
Flauberts Heldin ist keine eigentliche Feministin, in ihrem Rollentausch<br />
liegt nicht die Rebellion, sondern die Resignation. Bei ihr ist<br />
Männlichkeit “ein Streben nach Freiheit, eine Form des Kampfes gegen<br />
das Elend der weiblichen Lebensbedingungen.” 74<br />
3.3 Weibliche Sexualität<br />
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wird nicht allein Geschlecht<br />
thematisiert, sondern in diesem Zusammenhang auch Sexualität. Mit<br />
Foucault könnte man argumentieren, dass es in diesem Zeitraum zu<br />
einer Explosion kommt: Die medizinische Disziplin der Sexologie <strong>und</strong><br />
Psychoanalyse entwickelt sich, <strong>und</strong> Fragen wie Ehebruch <strong>und</strong> Ehescheidung<br />
werden Themen im juridischen Diskurs. Bei der Sexualität handelt<br />
es sich ebenso wie beim Geschlecht um ein soziokulturelles Konstrukt,<br />
wie Foucault ausgeführt hat. Er stellt in seiner These auf, dass Sexualität<br />
nicht eine natürliche Triebkraft ist, die mit dem historischen Prozess <strong>und</strong><br />
den damit verb<strong>und</strong>enen Machtverhältnissen nicht verb<strong>und</strong>en ist, sondern<br />
dass sie ein historisches Phänomen darstellt. In seiner Analyse ver-<br />
71 Vargas Llosa, 1980. S. 142.<br />
72 Vargas Llosa, 1980. S. 143.<br />
73 Flaubert, 1972. S. 397.<br />
74 Vargas Llosa, 1980. S. 143.