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Bringfried Naumann „Dennoch bleibe ich stets an dir.“

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Epochen, von Israel <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen bis in diese Stunde, es aufzuspüren als die erfahrene,<br />

erlittene und <strong>an</strong>genommene Gle<strong>ich</strong>zeitigkeit Gottes; er mit im Leiden, mit im Sterben, mit im<br />

Tode, aber auch mit im Leben – wären wir d<strong>an</strong>n schon im Dennoch des Glaubens? Wir<br />

haben doch mehr einzubringen als die so oder so gearteten Erkenntnisse über den Lauf der<br />

Gesch<strong>ich</strong>te. Kommt n<strong>ich</strong>t hinzu ein Traditionsbruch sondergle<strong>ich</strong>en, ein Widerwille gegen<br />

alles, was uns in eine Weltsituation gebracht hat, in der Lebens<strong>an</strong>gst und brutale Gewalt<br />

ein<strong>an</strong>der bedingen? Und das quer durch die Systeme? Müssen wir n<strong>ich</strong>t einbringen all<br />

unsere wahnsinnigen Selbstbehauptungsversuche auf Kosten <strong>an</strong>derer, all unsere<br />

individuellen Depressionen und kollektiven Neurosen, all das, was dem Glauben seine<br />

Gestaltwerdung streitig macht? Bringt dieser Zweifel uns n<strong>ich</strong>t in die Nähe eines Glaubens,<br />

dem g<strong>an</strong>z neue Horizonte aufgehen: wenn uns diese Welt stirbt, Schöpfung verwest, stirbt<br />

uns auch Gott? Oder wo ist sie Widerst<strong>an</strong>d? Und unsere Ergebung?<br />

III.<br />

Dennoch <strong>bleibe</strong>n – unsere Welt hat ihre Gesch<strong>ich</strong>te gehabt. Auch wir haben die unsere.<br />

Dass wir jeder für s<strong>ich</strong> beteiligt und betroffen – eine Generation d<strong>an</strong>ach im allgemeinen<br />

Institutionsverlust nach dem Weiterg<strong>an</strong>g fragen, nach dem Weiterg<strong>an</strong>g n<strong>ich</strong>t bloß dessen,<br />

was vor einem Menschenalter noch selbstverständl<strong>ich</strong> Ehre, Pfl<strong>ich</strong>t und Auftrag hieß,<br />

sondern nach dem Weiterg<strong>an</strong>g und damit der Zukunft dieser unserer Welt schlechthin, gehört<br />

das dazu oder n<strong>ich</strong>t? Die Welt der technischen Zwänge, die Welt der Ideologien, die Welt der<br />

Hungerkatastrophen, die Welt der Bevölkerungslawine, die verpl<strong>an</strong>te und verwaltete Welt, die<br />

Welt des Mülls und der Abwässer – das ist doch dieselbe Welt, die uns als Schöpfung<br />

<strong>an</strong>vertraut ist, oder n<strong>ich</strong>t? Es übersteigt unser Vorstellungsvermögen, was da auf uns<br />

zukommt, obwohl wir sehenden Auges auf den Kollaps dieser Erde zugehen. Und was für<br />

unnötige und oft lächerl<strong>ich</strong>e Selbstbestätigung in den Festreden und Partys dieser Zeit, wo<br />

es doch darauf <strong>an</strong>käme, die unzulängl<strong>ich</strong>en historischen, politischen, soziologischen,<br />

psychologischen, ja moralischen und dogmatischen Kategorien fahren zu lassen und der<br />

Versöhnung Raum zu schaffen: der Versöhnung mit der Natur, mit uns selbst, mit Gott. Wo<br />

es darauf <strong>an</strong>käme, asketisch zu leben und auf den Geist zu trauen.<br />

Dennoch <strong>bleibe</strong> <strong>ich</strong> <strong>stets</strong> <strong>an</strong> <strong>dir</strong> – kein Trotz, keine Verzweiflungstat und letztes Aufbäumen ist<br />

gemeint, auch n<strong>ich</strong>t Torschlussp<strong>an</strong>ik vor dem Weltunterg<strong>an</strong>g. Aber sie <strong>an</strong>sehen, diese Welt<br />

und diese Menschen, und mit Luther heute noch den Apfelbaum pfl<strong>an</strong>zen; in fressender Zeit,<br />

mitten im Abbruch der Dinge, die gestern noch w<strong>ich</strong>tig und gültig waren, der wie einer Pest<br />

grassierenden Welt<strong>an</strong>gst widerstehen; Widerst<strong>an</strong>d neu entdecken als Mögl<strong>ich</strong>keit zum Leben<br />

und Überleben und n<strong>ich</strong>t als museales Hobby; das Gebet wiederfinden inmitten einer<br />

geschwätzigen und zugle<strong>ich</strong> sprachlosen Gesellschaft; die Gottesfurcht auch dort suchen,<br />

wo öffentl<strong>ich</strong>e Meinung und private Überzeugung sie vergessen haben; und sie erfahren als<br />

die barmherzige Zuwendung des auferst<strong>an</strong>denen Jesus Christus, der uns <strong>an</strong> seinen Tisch<br />

ruft: Das ist mein Leib. Das ist mein Blut. Das bin <strong>ich</strong> für Euch. Das stärke und bewahre euch<br />

im Glauben zum ewigen Leben. – So wollen wir uns in die göttl<strong>ich</strong>e Gemeinschaft rufen<br />

lassen, in die communio s<strong>an</strong>ctorum, d<strong>an</strong>n aber auch hingehen und das Schuldige tun.<br />

Amen.<br />

© 2004 Gedenkstätte Deutscher Widerst<strong>an</strong>d<br />

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