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Das Atom als Planetensystem - Deutsches Museum

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32<br />

Kultur & Technik 3/2013<br />

nachweisbar. Der Schritt zum <strong>Atom</strong> des Chemikers, der die<br />

Kügelchen mit Stäbchen zu Molekülen zusammenbaut, ist<br />

dann gar nicht mehr so weit.<br />

Freilich ist es ein Unterschied, ob man eine Abbildung<br />

oder Zeichnung findet, die dazu verwendet wird, den einen<br />

oder anderen Aspekt der Materie zu illustrieren, oder ob<br />

man das Bild von der Natur entdeckt zu haben glaubt. Aus<br />

Brunos Spekulation musste erst naturphilosophische Gewissheit<br />

werden, wie sie dann etwa bei René Descartes in<br />

seinen Prinzipien der Philosophie erscheint.Wir verstehen<br />

nun, warum Bohr oder Rutherford nicht die Erfinder des<br />

Bildes vom <strong>Atom</strong> <strong>als</strong> kleines <strong>Planetensystem</strong> waren, sondern<br />

dass sie dieses schon vorhandene, aber bisher mehr<br />

oder weniger spekulative Bild wissenschaftlich durch Experiment<br />

und Theorie etabliert haben. Trotzdem bleibt die<br />

Frage, wie es zu diesen Spekulationen kam. Wissenschaftstheoretisch<br />

gefragt: Wie durch Kombination von spekulativen<br />

Bildern, Modellen, Theorien und der Deutung von<br />

experimentellen Messwerten neues Wissen wie jenes über<br />

das <strong>Atom</strong> langfristig entsteht und sich verfestigt. Hierbei<br />

spielen Bilder zweifellos eine große Rolle.<br />

Kosmische Leere und Planetenträume<br />

Auch Jean Perrin hatte die Analogie zu den Körpern im Himmelskosmos<br />

wohl nicht gänzlich neu erfunden, ebenso wenig<br />

war er der Einzige, der am Anfang des 20. Jahrhunderts darüber<br />

sprach. Verbreiteter war die Idee der kleinen <strong>Planetensystem</strong>e<br />

im fast leeren Mikrokosmos bei – wen sollte das<br />

In der populärwissenschaftlichen<br />

Zeitschrift Revue<br />

scientifique veröffentlichte<br />

der Chemiker Jean Perrin<br />

1901 »Les hypothèses<br />

moleculaires«. Darin entwarf<br />

er – noch vor Rutherford und<br />

Bohr – eine Theorie planetar<br />

aufgebauter <strong>Atom</strong>e.<br />

wundern – den Astronomen. Durch das große Interesse an<br />

den Volkssternwarten waren sie am ehesten mit breiteren Publikumsschichten<br />

in Kontakt gekommen. In einem der ersten<br />

Beiträge für die seit 1904 erscheinende populäre Zeitschrift<br />

Kosmos thematisierte Max Wilhelm Meyer »<strong>Das</strong> Radium und<br />

die neueren Ansichten über die Welt der <strong>Atom</strong>e« und berichtete,<br />

dass »auch die chemischen <strong>Atom</strong>e noch ganze Weltsysteme<br />

bilden, aus vielen noch kleineren Teilen zusammengesetzt,<br />

die das Schwerezentrum des <strong>Atom</strong>s umkreisen,<br />

wie die Planeten unsere Sonne«. Zugleich teilte er seinen Lesern<br />

auch die neueren physikalischen Ergebnisse mit, nach<br />

denen kleinste Materieteilchen wie die Elektronen, die von<br />

radioaktivem Radium ausgesendet werden, das »molekulare<br />

Gefüge aller anderen Materie mehr oder weniger ungehindert«<br />

durchdringen.<br />

<strong>Das</strong> war das Ergebnis des Physikers Philipp Lenard, der<br />

dam<strong>als</strong> einer der bedeutendsten Experimentalphysiker war<br />

und 1905 den Nobelpreis erhielt. (Seine spätere unrühmliche<br />

Rolle <strong>als</strong> Nazi-Wissenschaftler wurde unlängst im Deutschen<br />

<strong>Museum</strong> kritisch beleuchtet.) Auch Lenard hatte die Möglichkeit<br />

kleiner <strong>Planetensystem</strong>e schon in Erwägung gezogen<br />

und bemerkt, dass – anders <strong>als</strong> bei der Gravitation bei elektrischen<br />

Kräften – auch Abstoßung auftritt, was die Sache<br />

komplizierter machen könnte. Er entschied sich aber letztlich<br />

für eine andere These: <strong>Das</strong>s jeweils Paare aus positiven und<br />

negativen Ladungen sich schnell wie ein Tanzpaar drehten<br />

und nur ihre Anziehung sie zusammenhielten oder auch<br />

nicht. In letzterem Fall entstünden Strahlungen.<br />

Während Lenard das planetare <strong>Atom</strong> nur durch einen<br />

scientifique<br />

Schüler kurz in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift<br />

erwähnen ließ, wurde es für Wilhelm Meyer zum stetenRevue<br />

immer weiter ausgeschmückten Thema. 1909 schilderte er<br />

(S.30);<br />

in der Zeitschrift Natur seinen Lesern, wie er im Angesicht<br />

eines Sonnenuntergangs auf Capri, wo Meyer wirklich einige<br />

Zeit wohnte, über die »aufflimmernden Lichtpünktchen auf<br />

dem Zinkblendenschirm« nachsann, die das Radium her-<br />

University/UCLA<br />

vorruft. Diese seien wie »neue Sterne«, »die, unter dem An- Clatech<br />

prall der hinausgeschleuderten Weltkörper von <strong>Atom</strong>größe<br />

erglühend, in schöpferischem Akte zu neuer lebendiger Be-<br />

NASA/JPL<br />

wegung aufgerüttelt wurden«. Nichts würde dagegen sprechen,<br />

so Meyer, »dass die ganze Milchstraße mit ihren<br />

Millionen Sonnen auch nur ein <strong>Atom</strong> ist in einer Welt, die Abbildungen:

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