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Die Kinderstube der Demokratie - Institut für Partizipation und Bildung

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<strong>Die</strong> zentralen Erkenntnisse des Projekts waren:<br />

▶ <strong>Partizipation</strong> beginnt in den Köpfen <strong>der</strong><br />

Erwachsenen.<br />

▶ <strong>Partizipation</strong> ist ein Schlüssel zu <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Demokratie</strong>.<br />

▶ <strong>Partizipation</strong> braucht methodische<br />

Kompetenzen.<br />

▶ <strong>Partizipation</strong> entsteht durch Erfahrung <strong>und</strong><br />

Reflexion.<br />

▶ <strong>Partizipation</strong> führt zu Teamentwicklungsprozessen.<br />

▶ <strong>Partizipation</strong> ist machbar.<br />

<strong>Partizipation</strong> beginnt in den Köpfen<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen<br />

Damit Kin<strong>der</strong> sich beteiligen können, müssen sich<br />

zunächst die Erwachsenen damit auseinan<strong>der</strong> setzen,<br />

was sie Kin<strong>der</strong>n zutrauen <strong>und</strong> wobei sie bereit sind,<br />

Kin<strong>der</strong> zu beteiligen. Kin<strong>der</strong> können ihre Rechte noch<br />

nicht selbst einfor<strong>der</strong>n – <strong>der</strong> Beginn von <strong>Partizipation</strong><br />

liegt immer in <strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

<strong>Die</strong>ses bedarf <strong>der</strong> Reflexion des Machtgefälles zwischen<br />

Erwachsenen <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>n. Zunächst galt es, das eigene<br />

Selbstverständnis zu reflektieren: Welches Bild vom<br />

Kind bestimmt mein pädagogisches Handeln? Welche<br />

(Entscheidungs-)Rechte gestehe ich Kin<strong>der</strong>n zu? Welche<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen stellt die Beteiligung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> an<br />

mich? <strong>Partizipation</strong> muss von den Erwachsenen gewollt<br />

sein <strong>und</strong> beginnt in ihren Köpfen.<br />

Im Projekt gerieten wir nie an die Grenzen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>,<br />

aber immer wie<strong>der</strong> an die Grenzen <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

Erwachsene zögerten, Kin<strong>der</strong> zu beteiligen,<br />

▶ bei Entscheidungen, die sie selbst betrafen. So fiel<br />

Erzieherinnen die Beteiligung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Außenraumplanung leichter als bei <strong>der</strong> Innenraumplanung<br />

– sind die Räume <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung<br />

doch gleichzeitig immer auch Arbeitsräume<br />

<strong>für</strong> die Fachkräfte. 2<br />

▶ bei Entscheidungen zu vermeintlich selbstverständlichen<br />

Themen. So führten folgende Standardfragen<br />

immer wie<strong>der</strong> zu heftigen Diskussionen: Müssen<br />

Kin<strong>der</strong> eine Jacke anziehen, wenn sie nach draußen<br />

gehen, o<strong>der</strong> dürfen sie das selbst entscheiden? Müssen<br />

Kin<strong>der</strong> beim Essen von allem zumindest probieren<br />

(Probierklecks), bevor sie ein Essen ablehnen,<br />

o<strong>der</strong> dürfen sie das selbst entscheiden? Müssen Kin<strong>der</strong><br />

einen Mittagsschlaf halten o<strong>der</strong> dürfen sie das<br />

selbst entscheiden? <strong>Die</strong> emotionale Heftigkeit vieler<br />

Diskussionen zu solchen o<strong>der</strong> ähnlichen Fragen<br />

lassen vermuten, dass hier biografisch <strong>und</strong> (professions-)kulturell<br />

verankerte Selbstverständlichkeiten<br />

angerührt wurden.<br />

In den Fortbildungen ging es nicht darum, pädagogische<br />

Fachkräfte zu „überreden“, möglichst viel <strong>Partizipation</strong><br />

zuzulassen. <strong>Die</strong> Fortbildungen behandelten<br />

nämlich nicht nur das Thema <strong>Partizipation</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

waren auch selbst partizipativ angelegt. Letztlich entschieden<br />

die Teams selbst, bei welchen Themen sie die<br />

Kin<strong>der</strong> wie beteiligen wollten <strong>und</strong> bei welchen Themen<br />

(noch) nicht. Durch diese Achtung <strong>der</strong> Entscheidungen<br />

<strong>der</strong> Fachkräfte entstand in den Teams eine große Bereitschaft,<br />

sich auf die Beteiligung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> einzulassen<br />

– dort, wo man es sich <strong>und</strong> den Kin<strong>der</strong>n zutraute.<br />

<strong>Partizipation</strong> als Schlüssel<br />

zu <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>Demokratie</strong><br />

<strong>Bildung</strong> wird als aktive Tätigkeit des Subjekts begriffen<br />

(vgl. Hentig 1999, S. 37) <strong>und</strong> ist in Anknüpfung<br />

an Humboldt die Auseinan<strong>der</strong>setzung des Menschen<br />

mit sich <strong>und</strong> <strong>der</strong> Welt (Schäfer bezeichnet dies als<br />

„Selbstbildung“). Damit steht das Verstehen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

am Anfang pädagogischer <strong>Bildung</strong>sunterstützung:<br />

Mit was beschäftigt sich das Kind? Mit welchen Fragen<br />

<strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen setzt es sich auseinan<strong>der</strong>? Wie<br />

können wir das Kind in seinen individuellen <strong>Bildung</strong>sprozessen<br />

begleiten? <strong>Die</strong>ser Perspektivenwechsel, von<br />

einer Vermittlungs- zur Aneignungsorientierung benötigt<br />

<strong>Partizipation</strong>.<br />

Erst die strukturelle Verankerung von <strong>Partizipation</strong>srechten<br />

macht Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen zu<br />

demokratische(re)n Orten, an denen Kin<strong>der</strong> – unabhängig<br />

von den „Launen <strong>der</strong> Erwachsenen“ (Korczak) – das<br />

Recht haben, sich in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen.<br />

Erst wenn ihre Beteiligungsrechte eindeutig<br />

festgelegt <strong>und</strong> Beteiligungsgremien <strong>und</strong> -verfahren<br />

selbstverständlicher Bestandteil des Alltags sind, können<br />

Kin<strong>der</strong> erfahren, dass sie das Recht haben, Rechte<br />

zu haben. 3 Im Modellprojekt erlebten die Erwachsenen<br />

dann, dass Kin<strong>der</strong> ihnen entgegneten: „Das könnt ihr<br />

gar nicht allein entscheiden – das müssen wir erst mal<br />

im Kin<strong>der</strong>rat abstimmen.“ <strong>Die</strong> Kin<strong>der</strong> übertrugen die<br />

Erfahrung „Rechte zu haben“ auch auf an<strong>der</strong>e Einrichtungen<br />

– z. B. die Schule. So mussten sich die Lehrkräfte<br />

einer 1. Klasse mit <strong>der</strong> Frage auseinan<strong>der</strong>setzen: „Wann<br />

tagt denn hier <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rat?“ <strong>Die</strong> Kin<strong>der</strong> wussten um<br />

ihre Rechte in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung – <strong>und</strong> for<strong>der</strong>ten<br />

diese jetzt auch an <strong>der</strong> Schule ein. Und auch die<br />

<strong>Partizipation</strong>serfahrungen in <strong>der</strong> Kommune erinnerte<br />

ein Kin<strong>der</strong>gartenkind noch Jahre später, in dem es<br />

Mängel auf einem öffentlichen Spielplatz selbstständig<br />

<strong>der</strong> Verwaltung meldete. Wenn <strong>Partizipation</strong> nicht als<br />

TPS 2 | 2009 47<br />

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