28.10.2013 Aufrufe

Berufsmobilität 1. Beschränkung sozialer Mobilität in der Neuzeit ...

Berufsmobilität 1. Beschränkung sozialer Mobilität in der Neuzeit ...

Berufsmobilität 1. Beschränkung sozialer Mobilität in der Neuzeit ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Berufsmobilität</strong><br />

3. <strong>Berufsmobilität</strong> und Karriere<br />

3.<strong>1.</strong> Was ist e<strong>in</strong>e Karriere?<br />

Die Schlüsselfragen <strong>der</strong> Forschung lauten: Was ist<br />

e<strong>in</strong>e Berufslaufbahn? Lässt sich <strong>der</strong> Ursprung mo<strong>der</strong>ner<br />

Karrieremuster <strong>in</strong> die Frühe Nz. zurückverfolgen [2]?<br />

Die e<strong>in</strong>fachste Def<strong>in</strong>ition von Karriere ist, sie als<br />

Synonym für die Geschichte des Arbeitslebens e<strong>in</strong>es<br />

Individuums zu verstehen (ÑArbeit). Dadurch lässt sich<br />

je<strong>der</strong> Arbeitskraft, auch wenn sie nur e<strong>in</strong>e bescheidene<br />

Funktion ausübt, e<strong>in</strong>e Karriere zuschreiben. Nach e<strong>in</strong>er<br />

an<strong>der</strong>en, v.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> angelsächs. Welt verbreiteten Sicht<br />

ist <strong>der</strong> Begriff allerd<strong>in</strong>gs nur auf beruflich erfolgreiche<br />

Personen anzuwenden, als »das Fortschreiten e<strong>in</strong>er Person<br />

durch das Leben (o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en bestimmten Lebensabschnitt),<br />

v. a. wenn dieses çffentlich wahrgenommen<br />

wird o<strong>der</strong> von bemerkenswerten Vorfällen geprägt ist«<br />

(Oxford English Dictionary).<br />

E<strong>in</strong>e weitere Frage ist, ob sich <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Karriere<br />

nur auf Arbeitssituationen anwenden lässt, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e<br />

vorgegebene Struktur den beruflichen Aufstieg festlegt<br />

(formelle Karrieren). Die Existenz e<strong>in</strong>er Berufshierarchie<br />

wird dabei <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften häufig stillschweigend<br />

vorausgesetzt als »e<strong>in</strong>e strukturierte Abfolge beruflicher<br />

Rollen, die von Individuen im Laufe ihres Arbeitslebens<br />

übernommen werden, wobei wachsendes Prestige<br />

und weitere Belohnungen impliziert s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> Abstieg jedoch<br />

nicht ausgeschlossen wird« [1<strong>1.</strong> 55]. Die Beschäftigung<br />

e<strong>in</strong>er Person bei e<strong>in</strong>em Unternehmen stellt aber<br />

nur e<strong>in</strong>en von verschiedenen Karrierepfaden dar, die sich<br />

aus geschichtlichen Quellen erschließen lassen [16]. Neben<br />

dem Aufstieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er formal def<strong>in</strong>ierten hierarchischen<br />

Bürokratie unterscheidet man e<strong>in</strong> professionelles Karrieremodell<br />

(ÑProfessionalisierung), das auf <strong>der</strong> nichthierarchischen<br />

Ausübung e<strong>in</strong>er bestimmten akademischen o<strong>der</strong><br />

handwerklichen Fertigkeit beruht, e<strong>in</strong>e unternehmerische<br />

Karriere (ÑUnternehmer), die auf <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

erfolgreichen Geschäfts fußt, und e<strong>in</strong>e dynastische Karriere,<br />

die auf <strong>der</strong> Übertragung von Besitz und an<strong>der</strong>en<br />

Ressourcen auf die Nachkommen basiert [8].<br />

Formelle Karrieren f<strong>in</strong>den im Rahmen e<strong>in</strong>er klar<br />

def<strong>in</strong>ierten Abfolge von Ausbildung bzw. Berufsausbildung<br />

und Aufstieg statt. Informelle Karrieren lassen sich<br />

dagegen nur über konkrete <strong>in</strong>dividuelle Karrierepfade<br />

rekonstruieren, wie sie für e<strong>in</strong>zelne Personen belegt s<strong>in</strong>d.<br />

3.2. Formelle Karrieren<br />

Gewçhnlich konzentriert sich die Erforschung mo<strong>der</strong>ner<br />

Karrierestrukturen und ¾mterkarrieren (ÑAmt)<br />

– im Anschluss an Max Webers Studien zur Geschichte<br />

<strong>der</strong> Bürokratie – auf das Entstehen hierarchischer und<br />

bürokratischer Organisationen seit dem 19. Jh. [18].<br />

67 68<br />

Bürokratische Organisationen gab es allerd<strong>in</strong>gs bereits<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Nz., wie das Musterbeispiel des ÑMilitärs<br />

beweist. Das Militärwesen produzierte große und komplexe<br />

Organisationen. Die hçheren Ränge blieben oft<br />

dem ÑAdel vorbehalten, d.h. <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie dem Hochadel<br />

[6. 38]. Dabei handelte es sich um e<strong>in</strong> teures Privileg,<br />

da man von den hçheren Chargen erwartete, dass sie<br />

e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Kosten selbst trugen. Der Herzog von Alba<br />

beispielsweise musste se<strong>in</strong>en beachtlichen Besitz verpfänden,<br />

um se<strong>in</strong>em Souverän Philipp II. zu dienen; er<br />

h<strong>in</strong>terließ se<strong>in</strong>en Erben e<strong>in</strong>en riesigen Schuldenberg.<br />

Während Besitz und adelige Herkunft somit e<strong>in</strong>e<br />

Vorbed<strong>in</strong>gung für die Besetzung hçherer militärischer<br />

Ränge war, ließ sich die Karriere nie<strong>der</strong>rangiger ÑOffiziere<br />

<strong>in</strong> gewissem Umfang auch nach Leistung und<br />

Dienstjahren bemessen. Die gewçhnlichen ÑSoldaten<br />

stammten normalerweise aus <strong>der</strong> ÑUnterschicht und<br />

genossen ger<strong>in</strong>ges Ansehen bei ihren Vorgesetzten sowie<br />

<strong>der</strong> Zivilbevçlkerung. Doch fähige und ausdauernde<br />

Männer wie FranÅois Chevert schafften den Weg an die<br />

Spitze: Durch militärische Fähigkeiten und Mut erwarb<br />

er den Respekt und die Patronage se<strong>in</strong>er Vorgesetzten<br />

und stieg vom e<strong>in</strong>fachen Soldaten zum Rang e<strong>in</strong>es Generalleutnants<br />

<strong>der</strong> franz. Armee auf [6. 45]. Der Beg<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> kolonialen ÑExpansion verhalf ehrgeizigen Männern<br />

wie etwa Francisco Pizarro zu hohen Stellungen: Se<strong>in</strong>e<br />

bescheidene Herkunft und se<strong>in</strong> Analphabetentum waren<br />

ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis, Bürgermeister <strong>der</strong> neu gegründeten<br />

Stadt Panama zu werden. 1523 übertrug ihm Karl V. die<br />

ÑEroberung des Reichs <strong>der</strong> ÑInkas, ernannte ihn zum<br />

Generalgouverneur aller zu erobernden Territorien und<br />

verlieh ihm vizekçnigliche Machtbefugnisse.<br />

Von <strong>der</strong> Mitte des 17. Jh.s an wurde die ÑMar<strong>in</strong>e<br />

seefahren<strong>der</strong> Nationen wie England und Holland professionalisiert;<br />

es entstand e<strong>in</strong>e feste Laufbahn für Offiziere<br />

[3. 111–112]. Fortan wurden sie fast ausnahmslos<br />

aus dem hohen Adel o<strong>der</strong>, wie etwa im Falle Hollands,<br />

aus dem städtischen Patriziertum rekrutiert. Davor entstammten<br />

zwar Offiziere ebenfalls oft den gehobenen<br />

Schichten, doch standen die Mar<strong>in</strong>ekarrieren <strong>in</strong>sgesamt<br />

e<strong>in</strong>er breiteren Schicht offen, und selbst e<strong>in</strong>fache Seeleute<br />

konnten Spitzenpositionen erreichen. Michiel<br />

Adriaanz de Ruijter, Sohn e<strong>in</strong>es Bierkutschers <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

holländ. Prov<strong>in</strong>zstadt, <strong>der</strong> se<strong>in</strong> Berufsleben bei e<strong>in</strong>em<br />

Seilmacher begann, ist e<strong>in</strong> berühmtes Beispiel. Er arbeitete<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Handelsmar<strong>in</strong>e nach oben, wurde Kapitän<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> holländ. Kriegsmar<strong>in</strong>e und schaffte es bis<br />

zum oberkommandierenden Admiral. Diese Spitzenposition<br />

brachte ihm nicht nur Ruhm und Ansehen<br />

e<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n auch beachtlichen Reichtum [3. 121–122].<br />

Die Spitzenpositionen großer ÑHandelsgesellschaften,<br />

wie beispielsweise die English East India Company<br />

(gegr. 1600) und die holländ. Verenigden Oost<strong>in</strong>dischen<br />

Compagnie (VOC, gegr. 1602; ÑOst<strong>in</strong>dische Kompanien)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!