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Rede von Dr. Steffen - Hamburgischer Anwaltverein e.V.

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Zur Vorratsdatenspeicherung sind mittlerweile bereits zwei Eilentscheidungen ergangen. In der ersten Entscheidung ließ<br />

das Gericht die Speicherung der Daten zwar vorläufi g zu; die Strafverfolgungsbehörden dürfen die Daten aber nur bei<br />

schwersten Straftaten abrufen. In der zweiten Eilentscheidung wurde die erste noch einmal um sechs Monate verlängert.<br />

Gleichzeitig wurde auch die Weitergabe der gespeicherten Daten an Polizei und Verfassungsschutz zu präventiven<br />

Zwecken eingeschränkt: Der Datenabruf ist nicht schon „zur Abwehr <strong>von</strong> erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit“<br />

zulässig, sondern ausschließlich „zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für<br />

den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr“. Zwar sagt der<br />

Bundesgesetzgeber, dass die Daten nur für solch schwer wiegende Verbrechen ausgewertet werden sollen, dann fragt<br />

sich aber, warum das auch nicht so im Gesetz steht. Stattdessen wählte man einen Art Gummiparagraphen, unter den man<br />

weitaus mehr subsumieren kann und wohl auch früher oder später subsumieren würde.<br />

In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die massenhafte automatische Erfassung <strong>von</strong> Autokennzeichen<br />

für verfassungswidrig erklärt. Die Maßnahme greife in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung<br />

ein. Zwar könne ein solcher Eingriff gerechtfertigt sein, dies allerdings ebenfalls nur auf der Grundlage klarer Gesetze. Die<br />

in <strong>Rede</strong> stehenden Vorschriften aus Hessen und Schleswig-Holstein haben aber weder den Anlass noch den Ermittlungszweck<br />

eines Datenabgleichs benannt. Als Zweck benannt wird aber bloß der vage Begriff des „Fahndungsbestandes“. Was<br />

sich dahinter verbirgt, ist nicht ersichtlich. Zudem verstoßen die Regelungen gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit,<br />

weil sie eine Datenerfassung auch ohne konkreten Anlass erlauben. Damit besteht die Gefahr, dass die Behörden mit den<br />

Daten Bewegungsprofi le erstellen.<br />

Ebenfalls Anfang dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht – ich möchte gern sagen „schon wieder“ – dem Gesetzgeber<br />

seine Grenzen aufgezeigt und deutlich gemacht, dass nicht alle denkbaren Maßnahmen unter dem Deckmantel <strong>von</strong><br />

„mehr Sicherheit“ zu rechtfertigen sind.<br />

In dieser Entscheidung hat das Gericht ein neues Grundrecht entwickelt: das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit<br />

und Integrität informationstechnischer Systeme. Gemessen an diesem Grundrecht werden an Online-Durchsuchungen<br />

sehr hohe Hürden gestellt: in das Grundrecht darf nur eingegriffen werden, wenn eine konkrete Gefahr für Leib, Leben<br />

und Freiheit einer Person, den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen besteht.<br />

Ein halbes Jahr nach dieser Entscheidung zeigt die große Koalition, was sie daraus gelernt hat: nichts!<br />

Das vom Bundestag nunmehr beschlossene BKA-Gesetz ist gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf nur geringfügig<br />

verändert worden. Dem BKA sollen immer noch alle denkbaren Zugriffs- und Eingriffsmöglichkeiten zustehen <strong>von</strong> der<br />

Rasterfahndung über die Wohnraumüberwachung bis zur Online-Durchsuchung.<br />

Geheimdienstliche und polizeiliche Aufgaben werden miteinander vermengt. Das Trennungsgebot <strong>von</strong> Verfassungsschutz<br />

und Polizeibehörden ist aus meiner Sicht nicht als eine überholte und lästige Tradition aus längst vergangenen Tagen zu<br />

verstehen; es hat einen geschichtlichen Hintergrund, den wir nicht vergessen dürfen.<br />

Diese Trennung wird mit dem BKA-Gesetz nunmehr aufgehoben. Das BKA erhält Befugnisse, die bislang nur den Geheimdiensten<br />

zustanden; anders als die Geheimdienste soll das BKA aber keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Das<br />

BKA soll Zugriff auf alles haben, was seiner Ansicht nach internationaler Terrorismus sein kann. Eine Defi nition für internationalen<br />

Terrorismus gibt das Gesetz aber nicht. Damit kann das BKA sich munter für fast alles zuständig erklären, sofern<br />

es das eben sein will. Gleichzeitig entzieht sich das BKA der Kontrolle der Generalbundesanwältin: Die Anknüpfung an<br />

Ermittlungen wegen § 129 a StBG ist für viele Überwachungsmaßnahmen nicht mehr erforderlich, weil das BKA in großem<br />

Umfang präventiv tätig werden kann.<br />

Die Privatsphäre bleibt ungeschützt. Es wird zwar beteuert, man habe die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.<br />

Das trifft aber nur für die Regelungen zur Wohnraumüberwachung zu. Der Bundesgesetzgeber glaubt nach wie vor,<br />

dass kernbereichsschützende Regelungen für die übrigen heimlichen Grundrechtseingriffe nicht getroffen werden müssen.<br />

Demzufolge können also beispielsweise nach wie vor auch die persönlichen Teile der Festplatte gelesen werden – lediglich<br />

ein hauseigener Datenschutzbeauftragter soll hinzugezogen werden müssen.<br />

Des Weiteren enthält das BKA-Gesetz nur unzureichende Regelungen zum Schutz <strong>von</strong> Patienten, Mandanten und Informanten.<br />

Abgeordnete, Seelsorger und Strafverteidiger dürfen den Ermittlern die Auskunft vollständig verweigern; für Ärzte,<br />

Journalisten und die übrigen Rechtsanwälte gilt nur ein relativer Schutz.<br />

Diese Unterteilung in zwei Gruppen <strong>von</strong> Berufsgeheimnisträgern ist weder nachvollziehbar noch sinnvoll – so sind sehr<br />

viele Anwälte, auch wenn sie dort nicht ihren Schwerpunkt haben, gelegentlich in Strafverteidigung tätig und die nichtstrafrechtliche<br />

Tätigkeit kann als Einfallstor in die Kanzlei des Strafverteidigers dienen. Die Begründung hierfür wiederholt<br />

Altbekanntes: Es könne nicht zugelassen werden, dass so viele Menschen ihr Wissen nicht weitergeben, auch wenn damit<br />

Menschenleben gerettet werden können.<br />

Eigentümlich hierbei fi nde ich insbesondere die Aussage des SPD-Politikers Wiefelspütz, der die Kritik der Mediziner nicht<br />

verstehen kann: Das Parlament sei ein wenig wichtiger als ein wichtiger Arzt.

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