Download des Interviews auf deutsch als .pdf Datei - Jens Frank
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Rami Bleckt<br />
Man kann den Eindruck erhalten, dass wir <strong>auf</strong> dem<br />
Weg zur Göttlichen Liebe ständig von einem Extrem<br />
zum anderen springen müssen, uns von materiellen<br />
Dingen zu spirituellen Werten bewegen und umgekehrt.<br />
Gibt es keinen Mittelweg, damit man nicht ständig an<br />
die eine Wand und dann an die andere rennen muss?<br />
Sie haben oft beschrieben, dass Menschen <strong>auf</strong> dem<br />
Pfad zu Gott sich oft im Zickzack vorwärts bewegen;<br />
das bedeutet, sie müssen zwischen den Gegensätzen<br />
hin und her pendeln. Verstehe ich das richtig?<br />
S.N. LAZAREV<br />
Im Grunde ist das Pendeln zwischen den Extremen<br />
überholt. Die Unterschiede zwischen den materiellen<br />
und spirituellen Aspekten waren früher größer <strong>als</strong><br />
heute. Einerseits saß da eine sehr spirituelle Person<br />
und meditierte und andererseits gab es den<br />
Seidenhändler, der dickwänstig <strong>auf</strong> einem H<strong>auf</strong>en Geld<br />
hockte und seinen Wein genoß. Heutzutage kann ein<br />
Wissenschaftler gutes Geld mit seiner Arbeit verdienen<br />
und dabei ein Geschäftsmann werden. Auch ein<br />
Händler oder Erzeuger kann die verschiedensten<br />
Bücher lesen und sich der Erforschung der spirituellen<br />
Sphären widmen. Der Sozialismus verkündete: “Man<br />
muss die Grenze zwischen der intellektuellen und der<br />
körperlichen Arbeit <strong>auf</strong>heben.” Heutzutage wird es<br />
zunehmend schwierig, die Unterschiede zwischen Geld,<br />
finanziellen Vermögensgegenständen, materiellen und<br />
spirituellen Werten zu erkennen. In der heutigen Zeit<br />
muss man ein spiritueller Mensch sein, wenn man<br />
materielle Güter besitzen möchte; außerdem benötigt<br />
man Bildung, ein stabiles Nervensystem und Wissen.<br />
Früher brachte der Mensch all diese Dinge aus<br />
früheren Leben mit; heutzutage kann ein Mensch sich<br />
bilden, seinen Intellekt schulen sowie sein Potential<br />
erweitern und dann gutes Geld verdienen, um sich der<br />
Spiritualität zuzuwenden. Die beiden Konzepte<br />
“Spiritualität” und “Materialismus” sind im Gegensatz<br />
zu früher keine antagonistischen Gegensätze mehr.<br />
Wenn man für das Gehen zu Gott das Bild der<br />
Sinuskurve benutzt, beschreibt das sehr gut, dass der<br />
Mensch regelmäßig in das materielle menschliche<br />
Leben eintauchen muss, um es dann wieder<br />
loszulassen und sich dem spirituellen Leben<br />
zuzuwenden. Anders ausgedrückt soll der Mensch<br />
Gelegenheiten und Zeit finden, um sich dem<br />
spirituellen Leben zu widmen und dafür das<br />
entsprechende Umfeld zu schaffen; das beinhaltet<br />
Zurückgezogenheit, Fasten, die Nichtanerkennung und<br />
das Sich-Verschließen vor allen anstehenden<br />
Problemen.<br />
Rami Bleckt<br />
Weil wir gerade beim Thema sind, ich erinnere mich,<br />
dass Sie einmal feststellten, dass man “heutzutage<br />
sowohl ein Heiliger <strong>als</strong> auch ein Geschäftsmann sein<br />
muss.” Was bedeutet das? Wie kann man das im<br />
wirklichen Leben umsetzen?<br />
S.N. LAZAREV<br />
Schauen wir uns den Westen an; dort sind die<br />
Menschen in erster Linie Geschäftsleute. Bei ihnen<br />
dreht sich das ganze Leben um das Bankkonto und<br />
den Erwerb oder die Abzahlung von Wohneigentum.<br />
Wenn ein Mensch, eine Zelle einer bestimmten<br />
Gesellschaft nicht zu Gott strebt, führt das zum Tod<br />
der gesamten westlichen Zivilisation. Deshalb sollte<br />
man Zeit finden und einmal nicht an die Miete oder<br />
ähnliches denken. Warum gab es in der Sowjetunion<br />
so ungeheuer viele Gelehrte, Wissenschaftler und<br />
Rami Bleckt INTERVIEW mit Sergej N. Lazarev | Seite 10 von 14<br />
Künstler? Das war möglich, weil den Menschen die<br />
Möglichkeit gegeben wurde, ihre Köpfe frei zu halten<br />
und weiter <strong>als</strong> bis zur Zahlung der nächsten Miete zu<br />
denken; die Menschen konnten sich sicher sein, dass<br />
sie nicht Hungers sterben würden. Das Überleben war<br />
dam<strong>als</strong> für alle gesichert; die Menschen waren so<br />
abgesichert, dass sie sich nicht zu sorgen brauchten.<br />
Im Westen haben die Menschen auch das Gefühl,<br />
abgesichert zu sein; aber sie sind gefangen in<br />
wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht und sind<br />
spiritueller Sklaverei unterworfen.<br />
In der Sowjetunion hatten die Menschen nicht viel<br />
Geld, aber dennoch mussten sie sich keine Sorgen um<br />
die nächste Mietzahlung machen. Im Westen haben<br />
die Menschen vergleichsweise mehr Geld zur<br />
Verfügung, aber sie denken ständig an ihre Miete. Mit<br />
anderen Worten, ein Mensch kann abgesichert<br />
scheinen, aber diese Sicherheit ist eine Illusion, sie<br />
existiert nur an der Oberfläche. Innerlich wird der<br />
Mensch zum Sklaven seines Apartments und seines<br />
Bankkontos; seine Seele wird durch das Geld<br />
behindert. Wenn die westliche Zivilisation überleben<br />
will, dann muss sie eine Wirtschaftsform schaffen, die<br />
den Menschen gestattet, sich um ihre Seelen zu<br />
bemühen und sich zu befreien von der ständigen Angst,<br />
ihren Lebensraum zu verlieren.<br />
Die Angst, die Arbeit zu verlieren und den Ort, wo man<br />
lebt, kann einen gewissen Stimulus bedeuten; er kann<br />
den Arbeitsprozess <strong>auf</strong> bestimmte Weise stimulieren.<br />
Wenn die Angst jedoch eine bestimmte Grenze<br />
überschreitet, wird sich das zerstörerisch <strong>auf</strong> die Seele<br />
auswirken. Wenn das der Fall ist, dann wird die<br />
gesamte fortschrittliche westliche Technologie und die<br />
hohe Produktivität nur die selbstmörderischen<br />
Tendenzen in der Gesellschaft fördern. Die Tendenzen<br />
kann man im Ernährungssystem der Amerikaner<br />
beobachten. Der Mechanismus funktioniert präzise, die<br />
Herstellung der Nahrungsmittel erfolgt hochgradig<br />
technologisiert. Die Qualität der Nahrung ist<br />
erschreckend; sie ist genetisch verändert und enthält<br />
große Mengen an Hormonen und chemischen<br />
Inhaltsstoffen. Die Amerikaner nehmen diese Nahrung<br />
zu sich, missachten damit die göttlichen Gesetze und<br />
töten so ihre eigene Zivilisation mit Hilfe der eigenen<br />
Geschäftsleute und Wissenschaftler.<br />
Rami Bleckt<br />
Ich erinnere mich, dass Sie sagten, im Westen gibt es<br />
viele Menschen, die äußerlich vom Geld besessen<br />
erscheinen, während sie innerlich totale Idealisten sind.<br />
Das heißt, dass sie <strong>auf</strong> der unbewussten Ebene sehr<br />
stark mit der Spiritualität verbunden sind.<br />
S.N. LAZAREV<br />
Ich sprach über ein Kind, das sich in Gedanken mit<br />
Geld, Süßigkeiten, Fähigkeiten und Talenten befasst<br />
und dabei keinerlei Probleme hat. Wenn aber dieses<br />
Kind in die Pubertät kommt, dann verschiebt sich die<br />
Abhängigkeit von diesen Dingen von der<br />
oberflächlichen, materiellen Ebene <strong>auf</strong> die feineren<br />
spirituellen Ebenen. Wenn die Abhängigkeit in die<br />
spirituellen Ebenen sickert, d. h. in die tieferliegenden<br />
Schichten, dann ist das das sicherste Anzeichen von<br />
Altern und Tod. Derselbe Mechanismus wirkt <strong>auf</strong> die<br />
gesamte Zivilisation ein. Daher ist unsere Zivilisation<br />
nicht nur an materielle, sondern auch spirituelle<br />
Aspekte gebunden. Wie manifestiert sich das für<br />
gewöhnlich? Betrachten wir zum Beispiel den Islam;<br />
die Idee oder das Prinzip hier ist, dass die Religion<br />
wichtiger <strong>als</strong> das Leben, die Gerechtigkeit oder<br />
irgendetwas anderes ist, was <strong>auf</strong> eine große Rolle der<br />
Spiritualität und <strong>auf</strong> eine exzessive Fixierung <strong>auf</strong> die