medien macht menschen - ausreißer - die grazer wandzeitung
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tsai tung!<br />
teil 1<br />
Einerseits ist es Realität, dass <strong>die</strong> Welt jedes Einzelnen bis<br />
hinein in privateste Winkel mehr und mehr durchdrungen<br />
wird von verschiedensten Ausformungen medialer Präsenz.<br />
Andererseits existiert jedoch auch jene parallele Realität,<br />
in welcher das Niveau, <strong>die</strong> Information der Me<strong>die</strong>n in<br />
ähnlich raschem Tempo abnimmt, wie ihr Vorhandensein<br />
penetranter wird. Eine extreme Ausdünnung hat in<br />
den vergangenen Jahrzehnten <strong>die</strong> Zeitungslandschaft<br />
hinnehmen müssen. Es wäre paranoid, sich etwas dabei zu<br />
denken, dass ausschließlich intellektuell höher stehende<br />
Blätter als der Marktführer Kronen Zeitung davon betroffen<br />
gewesen sind. Denn schließlich ist jedes wie auch immer<br />
geartete Druckwerk höher stehender als <strong>die</strong> Krone.<br />
Selbstverständlich bzw. natürlich auch der „Kleinkleiner<br />
(ein Vorort von Großklein!!) Kürbisbote“. Oder „Der fidele<br />
Landwirt“. Das Eingehen der Krone könnte ich niemals in<br />
ähnlichem Maße betrauern, wie <strong>die</strong> Tatsache, dass es <strong>die</strong>se<br />
Schriften nicht mehr gibt. Zum Beispiel.<br />
Die Zusammensetzung bzw. Veränderung der<br />
Zeitungslandschaft entspricht einer Spiegelung der<br />
Gesellschaft. Die Bereinigung des Marktes folgt<br />
mustergenau den Anforderungen, <strong>die</strong> vom Konsumenten<br />
und von möglichen Konsumenten, also Zielgruppen<br />
vorgegeben werden. Deprimierend ist <strong>die</strong> Tatsache, dass<br />
immer weniger mediale Umgebung gefordert wird, <strong>die</strong><br />
einen auch fordern kann. Man hat das Gefühl, dass viele,<br />
wenn ein Satz über drei oder mehr Zeilen geht, nur mehr<br />
„Tsai Tung“ verstehen. Was im Chinesischen soviel wie<br />
„Bahnhof“ heißt. Diese Einschätzung bezieht sowohl<br />
Druckschriften, als auch Funk, Fernsehen und Internet ein.<br />
Jene erfolgreichen Zeitungen und Zeitschriften kommen<br />
mit immer weniger Text und mit noch weniger sinnvollem<br />
Text aus. Die dadurch entstehenden Leerräume füllt man<br />
mit Bildern. Die ihrerseits oft der Wahrheit entkleidet<br />
werden. Man erinnert sich an das Opernballdemofoto<br />
in der Kronen Tsai Tung: Ein Vermummter zieht einem<br />
Polizisten mit einem Prügel ordentlich eine über. Das<br />
Orginalfoto hat allerdings anders ausgesehen: Links steht<br />
der Polizist. Auf der rechten Seite der Vermummte mit<br />
dem erhobenen Prügel. Aber: Zwischen beiden liegen<br />
gut fünf bis sieben Meter Straße. Sinnentleerter Text und<br />
entwahrheitete Fotodokumente sind jene Realität, in<br />
welcher der Me<strong>die</strong>n-Konsument sich zurechtzufinden hat.<br />
Daraus generiert man eine neue Welt. Die so neu allerdings<br />
nicht ist. Vielmehr generiert man ja eine als Vergangenheit<br />
wiedererkennbare Gegenwart. Und hier wird es wirklich<br />
gefährlich. Mündet das seichte Gewässer der Verblödung<br />
doch in den reißenden Fluss Manipulation.<br />
Mike Markart