Erfolg und Misserfolg von Verfilmungen: Manfred Gregors Die ...
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auf dem Kiesgr<strong>und</strong> liegt, noch immer sichtbar, ein Gewehr: “Es war ein<br />
Sturmgewehr. Herstellungsjahr 1944. Das Magazin war leer.” 7 Der Ich-Erzähler lenkt<br />
unseren Blick auf den im Wasser liegenden Gegenstand <strong>und</strong> erklärt:<br />
<strong>Die</strong> Waffe fiel einem deutschen Soldaten am 2. Mai 1945, abends um 17.20 Uhr<br />
aus der Hand, rutschte zwischen Brückenkante <strong>und</strong> Geländer durch, blieb mit<br />
dem Magazin an der Kante hängen <strong>und</strong> pendelte hin <strong>und</strong> her. Ungefähr eine<br />
Sek<strong>und</strong>e lang. Dann sackte der Soldat in sich zusammen <strong>und</strong> stieß im Fallen das<br />
Gewehr endgültig in die Tiefe. Der Soldat hatte genau einen Monat früher<br />
seinen sechzehnten Geburtstag gefeiert, <strong>und</strong> als er in sich zusammensackte,<br />
bewegten sich seine Lippen, als wollten sie die Worte eines Gebetes formen. Ich<br />
wußte, daß ich ihn <strong>und</strong> die anderen nicht vergessen würde. 8<br />
Der Akt der Erinnerung lässt Einzelheiten ins Bewusstsein des Ich-Erzählers gleiten,<br />
kleine Gesten <strong>und</strong> scheinbar unwichtige Details zu Platzhaltern für den Wahnsinn<br />
dieses Krieges werden, dessen grausame Konsequenz für alle Kriege gilt.<br />
<strong>Die</strong> Altersangabe des oben erwähnten Soldaten schafft schon in den<br />
einleitenden Seiten die auf Gegensätze angelegte Dynamik, die den Roman bestimmt.<br />
Es ist die Spannung zwischen Kind <strong>und</strong> Erwachsenen, Indianerspiel <strong>und</strong><br />
Soldatenwerk, Naivität <strong>und</strong> Erfahrung, Frieden <strong>und</strong> Krieg, <strong>und</strong> die dramatischen<br />
Veränderungen, die die sieben Jungen im Mai 1945 auf der Brücke in dieser<br />
deutschen Kleinstadt durchleben müssen. Der schon wenige Jahre nach Ende des 2.<br />
Weltkriegs geschriebene Roman thematisiert die ethische Komplexität der im<br />
Nationalsozialismus sozialisierten <strong>und</strong> indoktrinierten Kinder kaum. Dorfmeister<br />
stellt Jugendliche dar <strong>und</strong> seine antizipierte Leserschaft war sich im Klaren darüber,<br />
dass diese Jungs seit ihrem dritten oder vierten Lebensjahr dem Propaganda-Apparat<br />
des NS-Regimes ausgesetzt waren, oft schon ab dem 10. Lebensjahr als Pimpfe, bzw.<br />
Jungvolk in die Hitlerjugend integriert wurden, <strong>und</strong> die Ideale des „Tausendjährigen<br />
Reiches“ wie Wehrhaftigkeit <strong>und</strong> Opferbereitschaft nicht in Frage stellen.<br />
Der Einberufungsbefehl zum Volkssturm, den die Jungs erhalten, wird <strong>von</strong><br />
ihnen zunächst in freudiger Aufregung als Eintritt in die Männerwelt wahrgenommen,<br />
ist jedoch ein rite de passage, 9 der nicht den Übergang vom Kind zum Mann einleitet,<br />
7 Gregor, <strong>Die</strong> Brücke, S. 7.<br />
8 Gregor, <strong>Die</strong> Brücke, S. 8.<br />
9 Der Begriff des rite de passage wurde 1908 <strong>von</strong> dem Ethnographen Arnold van Gennep eingeführt<br />
(Arnold van Gennep: The rites of passage. Chicago: Chicago UP, 1960). Eine detailliertere Analyse der<br />
Übergangsriten in <strong>Manfred</strong> <strong>Gregors</strong> <strong>Die</strong> Brücke <strong>und</strong> Bernhard Wickis gleichnamigen Film findet sich<br />
hier: Christiane Schönfeld: Representing Pain in Literature and Film: Reflections on <strong>Die</strong> Brücke (The<br />
Bridge) by <strong>Manfred</strong> Gregor and Bernhard Wicki. In: Comunicação & Cultura 5 (2008), S. 45-62.