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Lokal und systemisch wirkende Hämostyptika bei Kriegsverwundung

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trierung von zellulären Blutbestandteilen<br />

wie Thrombozyten <strong>und</strong> Gerinnungsfaktoren<br />

am Ort der Blutung in einer exothermen<br />

Reaktion. Zusätzlich soll durch<br />

die negative Oberflächenladung des Granulats<br />

die Gerinnungskaskade beschleunigt<br />

werden [3, 46].<br />

Vorteile des Produktes sind der niedrige<br />

Preis (10–20 US$) <strong>und</strong> die Tatsache,<br />

dass es sich hier<strong>bei</strong> nicht um ein allo- oder<br />

xenogenes Präparat handelt <strong>und</strong> eine virale<br />

Infektion ausgeschlossen ist. Nachteile<br />

sind die entstehenden Temperaturen der<br />

exothermen Reaktion (42–140,4°C) [6,<br />

47], die unhandliche Säckchenapplikation<br />

<strong>und</strong> die fehlende Biodegradierbarkeit.<br />

Die Studienlage zur Wirksamkeit ist<br />

sehr heterogen. Einerseits zeigte Quikclot®<br />

in Tiermodellen mit einer Grad-V-<br />

Leberverletzung <strong>und</strong> einer arteriellen sowie<br />

venösen Verletzung der Femoralgefäße<br />

einen geringeren Blutverlust <strong>und</strong> eine<br />

geringere notwendige Flüssigkeitssubstitution<br />

zur Blutdruckstabilisierung sowie<br />

einen Überlebensvorteil im Vergleich zum<br />

einfachen Verband [4, 47]. Handelte es<br />

sich <strong>bei</strong> dem Trauma aber um rein arterielle<br />

Verletzungen der Femoralgefäße, wurde<br />

aufgr<strong>und</strong> fehlender Wirksamkeit (Hämostase)<br />

die Versuchsreihe vorzeigt sogar abgebrochen<br />

oder keine Hämostase nachgewiesen<br />

[1, 34, 59]. Auch ist trotz Änderung<br />

der Applikationsform <strong>und</strong> der Zusammensetzung<br />

von Quikclot®, nun Quikclot<br />

ACS+®, das Problem der Hitzeentwicklung<br />

ungelöst. Es sind weiterhin Hautverbrennungen<br />

bis hin zu Nerven- <strong>und</strong> Sehnenverletzungen<br />

zu beobachten [14].<br />

Chitin <strong>und</strong> Chitosan<br />

Chitin <strong>und</strong> Chitosan sind Polysaccharide<br />

<strong>und</strong> stammen aus der Gruppe der Biopolymere,<br />

wo<strong>bei</strong> sich Chitosan vom Chitin<br />

ableitet. Die hämostatische Wirkung<br />

beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf<br />

einer induzierten Vasokonstriktion <strong>und</strong><br />

einer schnellen Bereitstellung von Erythrozyten,<br />

Thrombozyten <strong>und</strong> Gerinnungsfaktoren<br />

[45]. Chitosan verstärkt zudem<br />

die Thrombozytenadhäsion <strong>und</strong> -aggregation<br />

am geschädigten Gewebe [12].<br />

HemCon® (HemCon Medical Technologies<br />

Inc.®, Portland, OR, USA) ist eine<br />

auf Chitosan basierende Kompresse, die<br />

von der FDA für die externe Blutstillung<br />

zugelassen wurde. Im Gegensatz zum U.S.<br />

Marine Corps stattete die U.S. Army 2003<br />

ihr Soldaten mit diesem Produkt aus. Neben<br />

der leichten Anwendung <strong>und</strong> den<br />

Kosten von ca. 100 US $ ist auch die Lagerung<br />

unter extremen Bedingungen unproblematisch.<br />

Bei komplexen W<strong>und</strong>en<br />

ist die Anlage aufgr<strong>und</strong> der Rigidität des<br />

Produkts erschwert. Eine Verbesserung<br />

ist der ebenfalls von der FDA zugelassene<br />

Chitosanverband (ChitoFlex®, North<br />

American Rescue Inc.®, Greer, SC, USA),<br />

der formbar <strong>und</strong> in einer W<strong>und</strong>höhle einzulegen<br />

ist.<br />

Auch <strong>bei</strong> diesem Produkt ist die Wirksamkeit<br />

hinsichtlich des Überlebens sehr<br />

uneinheitlich. Pusateri et al. [48] zeigten,<br />

dass nach HemCon®-Applikation<br />

<strong>bei</strong> einer Leberverletzung Grad V <strong>bei</strong><br />

Schweinen das Überleben signifikant stieg<br />

(87,5% vs. 28,6%) <strong>und</strong> der Blutverlust sank<br />

(264 ml vs. 2879 ml). Das Produkt fiel jedoch<br />

in der Folge mit einer unterschiedlichen<br />

Wirksamkeit, selbst innerhalb einer<br />

Charge, auf. Dieses Problem trat auch <strong>bei</strong><br />

anderen Produkten auf, die auf Chitin-Basis<br />

hergestellt wurden (Rapid Deployment<br />

Hemostat®, Marine Polymer Technologies®,<br />

Danvers, MA, USA) [30, 49]. Selbst<br />

nach Änderung des Herstellungsverfahrens<br />

konnte das Produkt nur noch in einer<br />

Studie eine zufriedenstellende primäre<br />

Blutstillung erzielen [33]. In weiteren Studien<br />

mit arteriellen Blutungen überzeugte<br />

das Produkt nicht (Blutstillung 0%, Überleben<br />

0–20% <strong>bei</strong> 5 Tieren) [1, 59].<br />

Celox® (MedTrade Products Ltd®,<br />

Cheshire, UK) ist ein auf Chitosan basierendes<br />

Pulver. Die Idee ist, dass sich<br />

eine gelähnliche Plaque auf dem geschädigten<br />

Gewebe bildet <strong>und</strong> dort dauerhaft<br />

verbleibt. Die Hämostase geschieht<br />

auf dem für Chitosan vorbeschriebenen<br />

Wege. Wie die vorgenannten Produkte ist<br />

Celox® nicht allergen oder exotherm. Zudem<br />

liegt es im gleichen Preisniveau wie<br />

die anderen Chitinprodukte. Nachteilig ist<br />

sicher die Pulverform, die eine Verbringung<br />

in den W<strong>und</strong>gr<strong>und</strong>, insbesondere<br />

<strong>bei</strong> starker Blutung, erschwert. Eine Verbesserung<br />

verspricht die Weiterentwicklung<br />

Celox-D®. Hier ist das Pulver in wasserlöslichen<br />

Beuteln abgefüllt. Erfahrungen<br />

liegen bislang nicht vor.<br />

In zwei Studien konnte Celox® seine<br />

Wirksamkeit im Vergleich zu Quikclot®<br />

Infobox 1 Trigger für eine potenzielle<br />

Substitutionstherapie mit Blutkomponenten<br />

Trigger für eine Substitutionstherapie<br />

1. Hämatokrit ≤ 21–24%<br />

2. Thrombozytopenie ≤ 50×10 3 /µl<br />

3. Prothrombinzeit <strong>und</strong>/oder aktivierte<br />

Thromboplastinzeit um 1,5 verlängert<br />

4. Fibrinogen ≤ 1 g/l<br />

<strong>und</strong> HemCon® beweisen. Sowohl Kheirabadi<br />

et al. [34] als auch Kozen et al. [38]<br />

wiesen eine geringere Mortalität (Celox®<br />

0–40% vs. HemCon®/QuikClot® 33–93%)<br />

<strong>und</strong> eine verbesserte primäre Hämostase<br />

(Celox® 70–100% vs. HemCon®/QuikClot®<br />

0–92%) nach.<br />

Smektit<br />

Wo<strong>und</strong>Stat® (TraumaCure®, Bethesda,<br />

MD, USA) ist ein Smektit aus einem Aluminium-Magnesium-Silikat.<br />

Wie auch<br />

die Zeolithe entzieht Smektit dem Blut die<br />

Flüssigkeit mit nachfolgender Konzentration<br />

von Gerinnungsfaktoren <strong>und</strong> zellulären<br />

Blutbestandteilen. Da<strong>bei</strong> kommt es<br />

zu einer Schwellung der Smektitgranula<br />

mit Bildung einer gallertartigen Masse,<br />

die Blutgefäße <strong>und</strong> Gewebe abdichtet.<br />

Zudem hat es prokoagulatorische Eigenschaften<br />

durch intrinsische Aktivierung<br />

der Gerinnungskaskade [44].<br />

Obwohl in verschiedenen Studien eine<br />

100%-Überlebensrate der Tiere gezeigt<br />

werden konnte [34, 59], verzichtet das U.S.<br />

Militär seit 2009 aufgr<strong>und</strong> Toxizität, Schädigungen<br />

von Gefäßen <strong>und</strong> Gewebe sowie<br />

thrombembolischen Ereignissen (z. B. in<br />

der Lunge) auf die weitere Nutzung [35].<br />

Kaolin<br />

Combat Gauze® (Z-Medica®, Wallingford,<br />

CT, USA) ist ein Verband, der auf dem<br />

Aluminiumsilikat Kaolin basiert. Kaolin<br />

dient als intrinsischer Aktivator der<br />

Blutgerinnungskaskade. Der Prototyp-<br />

X-Sponge, noch als Kompresse, zeigte in<br />

einem Schweinemodell eine Überlebensrate<br />

von 84% [5]. Ähnlich positiv fällt das<br />

Ergebnis mit einer Überlebensrate von<br />

80% für die Combat Gauze® aus [37]. Bis<br />

auf eine leichte Endothelschwellung sind<br />

keine weiteren Nebenwirkungen bekannt<br />

[37].<br />

Gefässchirurgie 2 · 2011 |<br />

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