Leseprobe als PDF - Kabinettstücke - Ausstellung im Amira-Palais
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G ERHARD R ÖBBIG<br />
<strong>Kabinettstücke</strong><br />
Kändler ist ein echter Barockkünstler. Bei aller realistischer<br />
Darstellung sind seine Tiere erhöhte, gesteigerte Wirklichkeit.<br />
Von den vielen großen und kleinen Vögeln, die in der gleichen<br />
Zeit entstehen, geht eine ähnliche Wirkung aus.<br />
Charakteristisch geformt, bemalt mit den unveränderlich<br />
leuchtenden Meißner Farben, sind auch die Spechte, Pirole<br />
und Papageien <strong>im</strong>mer wirklich und unwirklich zugleich. 1<br />
Abb. 1 (linke Seite)<br />
Abbildung aus: 77 Meissner<br />
Porzellanvögel und französisches<br />
Kunstgewerbe aus einer bekannten<br />
Privatsammlung, Auktionskatalog<br />
Ball und Graupe,<br />
Nr. XXII, Berlin 1933,<br />
Frontispiz<br />
Der 1. Weltkrieg mit seinen verheerenden politischen Verwerfungen stürzte<br />
Deutschland in ein kaum vorstellbares wirtschaftliches wie gesellschaftliches Desaster.<br />
So bedurfte es nur eines letzten, revolutionären Schlages, um das marode<br />
Kaiserreich preußischer Prägung samt seinen tragenden aristokratischen Fundamenten<br />
übergangslos und endgültig ins historische Aus zu befördern.<br />
Als Folge kanalisierte sich ein breiter Strom entwurzelter Kunstbestände in international<br />
renommierte deutsche Antiquitätenhandlungen oder spezialisierte Auktionshäuser,<br />
die wirtschaftlich prosperierend sich zum Teil eigene spätwilhelminisch<br />
barocke <strong>Palais</strong> <strong>als</strong> adäquate Sammelbecken errichteten. »Versilbert« wurde<br />
alles, was irgendwie veräußerlich schien. Historisches und Banales aus fürstlichen<br />
und selbst königlichen Hofhaltungen, angesammelte Pracht, die programmatisch<br />
über Jahrhunderte feudaler Selbstdarstellung diente. 2<br />
Als kaum minder bedeutend, kunsthistorisch wie materiell, erwiesen sich die<br />
Kunstschätze des gebildeten Großbürgertums, die durch intensive Sammeltätigkeit<br />
meist in nur wenigen Jahrzehnten zeittypisch und nach geschmacklichen Vorlieben<br />
angehäuft waren. 3<br />
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