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Medizinethische Begriffe - Transpersonale Psychotherapie

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© Dipl.-Psych. Edgar W. Harnack<br />

III. Fürsorge<br />

In einem Kontinuum zwischen Handlungsunterlassung und Handlungsaufforderung bezeichnet<br />

Fürsorge die Positionen 2-4:<br />

1. Man sollte kein Böses oder Leiden verursachen.<br />

2. Man sollte Böses oder Leiden verhindern.<br />

3. Man sollte Böses oder Leiden beseitigen.<br />

4. Man sollte Gutes tun.<br />

Die moralische Verpflichtung, keinen Schaden zuzufügen, ist stärker als die moralische Verpflichtung,<br />

Gutes zu tun: Nicht-Schädigung gilt absolut, Fürsorge gilt relativ – sie bewegt sich<br />

zwischen (a) relativer ethischer Forderung und (b) hohem ethischem Ideal. Gibt es aber auch<br />

(c) absolute ethisch/juristische Verpflichtungen zur Hilfe?. Z. B.:<br />

Ad a) Jede Person X hat einen ethische Verpflichtung zu helfen, wenn<br />

1. Y an Leben, Gesundheit oder anderen wichtigen Werten bedroht ist;<br />

2. X’s Handlung (allein oder mit anderen) nötig ist, um diese Bedrohung abzuwenden;<br />

3. X’s Handlung mit hoher Wahrscheinlichkeit diese abwenden wird;<br />

4. die Handlung keine bedeutenden Mühen oder Risiken für X bedeutet;<br />

5. der Gewinn für Y durch die Handlung von X die Mühen oder Risiken für X aufwiegt. ∗<br />

Ad b) Jeder sollte Anderen (allen Anderen?) so weit helfen, solange unser Engagement uns<br />

selbst nicht stärker leiden lässt als die Anderen leiden (nach P. Singer);<br />

[Ad c) Die Ärztin (Krankenpflegerin...) ist aufgrund ihrer Berufsrolle verpflichtet, jedem jede<br />

mögliche medizinische Hilfe zu leisten - ohne Rücksicht auf andere Umstände (???)]<br />

Verhältnismäßigkeit<br />

Fürsorge muss gewährt werden, wenn dies mit einem zumutbaren Aufwand für den Behandler<br />

oder das System verbunden ist. Jedoch bildet die Grenze der Zumutbarkeit oder Verhältnismäßigkeit<br />

zugleich die Grenze der Fürsorgepflicht (vgl. oben a).<br />

Paternalismus (vgl. Teil I)<br />

Die traditionelle Auffassung „Salus aegroti suprema lex“ (die Gesundheit des Kranken ist das<br />

oberste Gebot) stellt das Fürsorgeprinzip über alle anderen. Dem widerspricht die Auffassung<br />

der Gleichrangigkeit der vier medizinethischen Prinzipien nach Beauchamp & Childress:<br />

Die einseitige, übertriebene Gewichtung von Fürsorge bei fehlender Berücksichtigung<br />

der Patientenautonomie führt zu einer paternalistischen Fürsorgeethik.<br />

Schwacher (vs. starker) Paternalismus<br />

Als schwach paternalistisch kann das Prinzip bezeichnet werden, dass Personen, die<br />

nicht autonom entscheiden können, vor Gefahren (auch von ihnen selbst ausgehenden)<br />

geschützt werden müssen. Als Prinzip wenig umstritten, wirft es jedoch die Frage des<br />

Geltungsbereichs auf (z. B. Suizidale mit/ohne Depression; jeder oder nur manche Psychotiker;<br />

Kinder...)<br />

Aufgeforderter (vs. unaufgeforderter) Paternalismus<br />

Die Entscheidung des Behandlers anstelle des Pat. wird gerechtfertigt dadurch, dass Pat.<br />

alle medizinischen Entscheidungen explizit oder implizit an den Behandler delegieren<br />

und damit die autonome Entscheidung treffen, keine Autonomie ausüben zu wollen.<br />

„Therapeutisches Privileg“<br />

Innerhalb der paternalist. Fürsorgeethik die Annahme, dass es gerechtfertigt sei, dem<br />

Patienten eine Diagnose (Prognose, Befund, Therapieentscheidung etc.) aus therapeutischen<br />

Gründen zu verschweigen. Wird heute von Theoretikern > Praktikern abgelehnt.<br />

Genfer Arztgelöbnis von 1948<br />

wird häufig fälschlich als Gebot, die Erhaltung des Lebens und der Gesundheit des Patienten<br />

über alles andere zu stellen, zitiert (Fürsorgeprinzip „pur“).<br />

∗ nach Beauchamp & Childress 1994, 266<br />

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