Tauchunfälle, Ertrinken, Unterkühlung
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73.1 · Tauchunfall<br />
. Tab. 73.1 Übersicht über die Pathogenese und Symptomatik des schweren Tauchunfalls. (Mod. nach [1])<br />
Aktuelle Nomenklatur<br />
Synonyme<br />
Pathogenetische Faktoren<br />
Zeit bis zum Auftreten von Symptomen<br />
Dekompressionskrankheit<br />
Dekompressionskrankheit, DCS, »decompression<br />
sickness<br />
Caisson-Krankheit, Caisson-Unfall, Druckunfallkrankheit<br />
Größere Tauchtiefe/hohe Umgebungsdrücke<br />
5 Lange Expositionszeit<br />
5 Aufsättigung der Körpergewebe mit<br />
Inertgas<br />
5 Zu rasches Auftauchen nach längeren<br />
und/oder tiefen Tauchgängen mit hoher<br />
Aufsättigung<br />
Minuten bis Stunden (in der Regel innerhalb<br />
von 24 h, selten bis zu 72 h)<br />
Arterielle Gasembolie<br />
Arterielle Gasembolie, AGE<br />
–<br />
Übertritt von Gasblasen in die arterielle Strombahn<br />
beim Tauchen durch:<br />
5 Pulmonales Barotrauma (PBT) mit Überblähung<br />
von Alveolarabschnitten<br />
5 Paradoxe Embolie durch:<br />
a) Übertritt venös entstandener Gasblasen über die<br />
Lungengefäße<br />
b) Übertritt venös entstandener Gasblasen über<br />
ein offenes Foramen ovale (PFO)<br />
Minuten<br />
Symptomatik<br />
DCS Typ 1: nur<br />
Schmerz<br />
Hautsymptome (»Taucherflöhe«):<br />
5 Juckreiz<br />
5 Punktförmige Rötung<br />
5 Schwellung<br />
5 Marmorierung der Haut<br />
Muskel- und Gelenkschmerzen (»bends«):<br />
5 Große Gelenke (belastungsabhängig)<br />
Skelettmuskulatur<br />
5 Selten: Hand- und Fußgelenke<br />
Lymphsystem:<br />
5 Geschwollene, druckdolente Lymphknoten<br />
5 Brustschwellung bei weiblichen Tauchern<br />
Sonstiges:<br />
5 Extreme Müdigkeit, Apathie<br />
Benommenheit, Schwindel<br />
Verwirrtheit, Desorientiertheit<br />
Sprach- und/oder Sehstörungen<br />
Nervenausfälle unterschiedlicher Ausprägung: von<br />
leichten Empfindungsstörungen über hängendes<br />
Augenlid und/oder Taubheit in einzelnen Gliedmaßen<br />
bis zur kompletten Halbseitenlähmung und Bewusstlosigkeit<br />
Bei Mitbeteiligung des Atemzentrums:<br />
5 Blutdruckabfall<br />
5 Atemstörungen<br />
5 Herzstillstand<br />
Pupillenasymmetrie möglich: einseitig weite Pupille<br />
DCS Typ 2: wie<br />
Typ 1, zusätzlich mit<br />
neurologischer und/<br />
oder pulmonaler<br />
Symptomatik<br />
Muskel-/Gelenkschmerzen u. U. schon beim<br />
Auftauchen (Verteilung wie bei Typ 1)<br />
Schwindel/Erbrechen<br />
Hör-/Seh-/Sprachstörungen<br />
Gestörte Muskelkoordination<br />
Häufig vom Nabel abwärts:<br />
5 Sensibilitätsstörungen, Paresen, Paraplegie<br />
5 Blasen- und Mastdarmschwäche<br />
Akute Dyspnoe (»Chokes«) mit Brustschmerz,<br />
Husten, Erstickungsgefühl<br />
Bei paradoxer Embolie auch Halbseitensymptomatik<br />
möglich<br />
Die pulmonale Symptomatik beruht auf einer massiven Verlegung<br />
der pulmonalen Strombahn mit venösen Gasblasen und ähnelt<br />
pathophysiologisch der venösen Gasembolie anderer Ursache. Die<br />
Symptomatik entwickelt sich unmittelbar bzw. sehr rasch nach dem<br />
Auftauchen und ist gekennzeichnet durch retrosternale Schmerzen,<br />
flache, rasche Atmung sowie die typischen trockenen Hustenattacken,<br />
die dieser Erscheinungsfom den Namen (»chokes«) gegeben<br />
haben. Differenzialdiagnostisch ist stets auch an ein pulmonales Barotrauma<br />
zu denken.<br />
Die neurologische Symptomatik betrifft v. a. das Rückenmark,<br />
aber auch andere Manifestationsorte des Nervensstems. Die Symptomatik<br />
tritt innerhalb von Minuten bis zu wenigen Stunden nach<br />
dem Tauchgang auf. Sie kann ausgesprochen mild sein und lediglich<br />
mit umschriebenen Parästhesien einhergehen; sie kann aber auch<br />
einen kompletten Querschnitt verursachen. Ist das Gehirn der Manifestationsort,<br />
so kann die Erscheinungsform von leichten kognitiven<br />
Störungen bis zum Koma reichen [11, 12].<br />
Eine Sonderform der neurologischen DCS ist der Befall des Innenohrs,<br />
der zu Schwindel, Übelkeit, Erbrechen führen kann, oft<br />
verbunden mit einem Nystagmus sowie Hörverlust und Tinnitus.<br />
Pulmonales Barotrauma (PBT)<br />
Beim pulmonalen Barotrauma kann es zur Ruptur von Alveolarabschnitten<br />
mit unterschiedlichen Folgen kommen (. Abb. 73.1; [1,<br />
2]). Eine Ruptur pleuranaher Abschnitte kann zum Eindringen von<br />
Luft in den Pleuraspalt und somit zum Pneumothorax führen. Findet<br />
die Ruptur noch unter Überdruckbedingungen statt und ist die<br />
Dekompression nicht völlig abgeschlossen, kommt es zur weiteren