Project und wahrscheinlich sieht es niemand - Project potentially no ...
Project und wahrscheinlich sieht es niemand - Project potentially no ...
Project und wahrscheinlich sieht es niemand - Project potentially no ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
sie di<strong>es</strong>e Pflanzen gepflückt hat. Die Zeit verfliegt. Der eigene Ort scheint<br />
einem ungewiss. Wie in einem Zauberland, so still, nur das Rauschen d<strong>es</strong><br />
Wind<strong>es</strong>, der Natur <strong>und</strong> ihr Duft. Es riecht nach Holz <strong>und</strong> Blumen, nach<br />
Stille, Paradi<strong>es</strong>. Wo sind wir nur? Nirgendwo. Irgendwo. Das Sonnenlicht<br />
leuchtet durch die Fenster hinein <strong>und</strong> erhellt den Raum. Man fühlt sich<br />
selbst erleuchtet, beflügelt, schwebt durch den Raum, di<strong>es</strong>en „Hängenden<br />
Garten“, riecht an den einzelnen Gräsern, bunten Blüten, mal vertraut wie<br />
die Rose, mal unbekannt in Form <strong>und</strong> Farbe. Jeweils an einem weißen Faden<br />
hängen sie kopfüber herunter. Chro<strong>no</strong>logisch sind sie gehängt. Drei Monate<br />
Zeit. Der Raum weitet sich. Meine Fantasie blüht, fliegt über Felder <strong>und</strong><br />
Zeiten. Verzaubert, verträumt, traumhaft <strong>es</strong> einem vorkommt, hier zu sein,<br />
zu sein. Es ist der Ort, an den man sich eben <strong>no</strong>ch in dem alten Häuschen<br />
auf dem Dachboden hing<strong>es</strong>ehnt hat. Dicke schwere Holzbalken <strong>und</strong> doch<br />
fühlt man sich ganz geborgen auf di<strong>es</strong>em Dachboden, umgeben von all den<br />
Pflanzen, die für einen im Wind tanzen, sich drehen, schweben. Jede Blume<br />
ein Spaziergang. 330 so ungefähr. Wie viel Zeit? Von März bis Juni, so wie<br />
die andere Künstlerin auch. Man kann die Entwicklung der Natur sehen,<br />
wie aus Blüten Früchte wurden. Einige Pflanzen wiederholen sich <strong>und</strong><br />
doch sind alle einmalig. Gepflückt zwischen Berlin <strong>und</strong> hier, viel recherchiert.<br />
Sie sollten eigentlich ausg<strong>es</strong>childert werden. Doch dann gefiel die<br />
Idee einer visuellen Bibliothek anstelle d<strong>es</strong> Archivs b<strong>es</strong>ser. Die Freiheit statt<br />
der Systematik, dem Ordnungsprinzip der Wissenschaft weichend, um die<br />
Aufmerksamkeit auf die Dinge, die Pflanzen zu lenken <strong>und</strong> nicht auf ihre<br />
Bedeutung innerhalb ein<strong>es</strong> spezifischen Systems. Es ist ein privater Raum.<br />
Eine private Sammlung. Die eigene G<strong>es</strong>chichte, auch hier wird <strong>es</strong> persönlich.<br />
Mehr ein Tagebuch, eine poetische Erzählung von vergangener, gelebter<br />
Zeit in Form verblühter Pflanzen, aber nicht blumig sondern ästhetisch.<br />
stehlen. Übergeben der Schlossherrin den Schlüssel, bedanken uns, verlassen<br />
das Märchenland auf dem Weg durch das Dorf, vorbei an schnatternden<br />
Gänsen, kleinen gelben Küken <strong>und</strong> so vielen blühenden Pflanzen zu dem<br />
netten Bekannten, der uns vorhin abholte. Noch schnell ein wärmend<strong>es</strong><br />
Süppchen <strong>und</strong> dann machen wir uns auf den Rückweg. So fern uns <strong>no</strong>ch die<br />
Stadt scheint. So surreal all<strong>es</strong> hier auf mich wirkt. Den Künstlerinnen durch<br />
ihre vergangenen Erfahrungen schon heimisch vertraut. Im Zug fallen mir<br />
sofort die Augen zu, sobald die Welt zu fliegen beginnt. Mir kommt Zinzow<br />
vor wie ein Traum. Habe ich das all<strong>es</strong> nur geträumt? Doch die zwei Dachböden<br />
leuchten so klar wie der blaue Himmel über mir <strong>und</strong> mit der Erinnerung<br />
an den geliebten Dachboden meiner Kindheit gleite ich kurz hinüber<br />
ins Land der Träume. Komme wieder zu mir. Traum, wahr, Wahrnehmung,<br />
was für ein seltsamer Verzaubert, verträumt, traumhaft <strong>es</strong> einem vorkommt,<br />
hier zu sein, zu sein. Es ist Sommertag. Wir <strong>es</strong>sen <strong>no</strong>ch ein paar Kirschen<br />
aus blauen Tuppadosen, reden über uns, das Leben, die Kunst, schweben<br />
dahin.<br />
Wir näheren uns der Stadt, erreichen sie. Sind wieder zurück, zuhause, im<br />
Bett. Ich blicke aus dem Fenster in den blauen Abendhimmel <strong>und</strong> denke<br />
nach über di<strong>es</strong>en Tag, w<strong>und</strong>ere, freue mich <strong>und</strong> schlafe dankbar ein. Was<br />
für ein b<strong>es</strong>onderer Tag, Ausflug nach Zinzow, ins Nirgends. Wie ein Film,<br />
so surreal. „Surreal, aber schön.“<br />
Dachböden, Orte der Erinnerung. Beide sind so leer <strong>und</strong> ausgefüllt von<br />
Ruhe <strong>und</strong> Stille, Nähe zur Natur. Als ihr B<strong>es</strong>ucher wird man selbst zum Teil<br />
der Installation. Die beiden Arbeiten sind so fein, so dicht, die Leidenschaft<br />
der Künstlerinnen so spürbar, genau di<strong>es</strong> hier zu tun, was sie getan haben.<br />
Di<strong>es</strong>e Räume sind erfüllt von so viel mehr als Licht, Luft <strong>und</strong> Wind.<br />
Wir träumen <strong>no</strong>ch ein bisschen vor uns hin, dann läuft uns die Zeit davon.<br />
Die Realität holt uns wieder ein. Wir müssen los. Wir laufen durch den<br />
wilden Teil d<strong>es</strong> Parks <strong>no</strong>ch mal zurück zum kleinen Gartenhaus, überprüfen<br />
ob <strong>es</strong> verschlossen ist, als könnte jemand ihm seine Zeit <strong>und</strong> Vergangenheit<br />
Anna Hellner ist Kunsthistorikerin in Berlin <strong>und</strong> schreibt freiberuflich.<br />
Sie arbeitet an ihrer Dissertation über Museumsfotografie.