Entstehung und Wandel deutscher Geschichtsbilder - Museen für ...
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Gemeint waren sie aber ganz sicher nicht als Erinnerung einer deutschen Nation, die<br />
es so gar nicht gab. Erst das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert hat aus diesen Monumenten nationale<br />
Erinnerungszeichen gemacht. Noch zwischen dem 16. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert blieb das<br />
nationale Moment in Deutschland eher schwach ausgeprägt. Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert erwachte<br />
dann in den Ländern Europas – unterschiedlich intensiv – ein Patriotismus,<br />
der in unterschiedlicher Ausprägung mit der Entdeckung der nationalen Identität einherging.<br />
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts entstand eine nationale Aufbruchstimmung,<br />
die sich gewissermaßen schwärmerisch <strong>und</strong> romantisch der gesamten<br />
germanisch-deutschen Vergangenheit bemächtigte. Parallel zur <strong>Entstehung</strong> einer<br />
Nationalgeschichtsschreibung am Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts haben die Dichter der<br />
Romantik – Kleist, Hölderlin, Novalis, Tieck, Wackenroder – „das Heil in der Rückbesinnung<br />
auf ihre geistigen Werte <strong>und</strong> Quellen in der Kunst des Mittelalters <strong>und</strong><br />
speziell in der Gotik <strong>und</strong> der Epoche Dürers gesehen.“ 1<br />
Zwar wurde die Nationalbewegung, die in den Befreiungskriegen gegen Napoleon<br />
1813 bis 1815 entstanden war, in der auf dem Wiener Kongress eingeläuteten Epoche<br />
monarchischer Restauration <strong>und</strong> <strong>deutscher</strong> Kleinstaaterei gedämpft – die Hoffnung<br />
auf die Einheit musste <strong>für</strong> unabsehbare Zeit begraben werden –, doch ließen<br />
sich die Historiker von ihrer Suche nach der deutschen Nation in der Geschichte<br />
nicht mehr abbringen <strong>und</strong> fanden im Mittelalter, genauer im frühen <strong>und</strong> hohen Mittelalter,<br />
also der glanzvollen Kaiserzeit, die Epoche, die die Wünsche <strong>und</strong> Sehnsüchte<br />
der Zeit in sich aufnehmen konnte.<br />
Gerd Althoff hat darauf hingewiesen, dass zu den noch ungeklärten Fragen die Frage<br />
gehört, wie die allgemeine nationale Aufbruchsstimmung zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
zu einem Geschichtsbild führte, „in dessen Zentrum sehr dominant die Vorstellung<br />
vom mächtigen Reich der Jahrh<strong>und</strong>erte vom 10. bis 12. stand, das erst seit<br />
dem 13. Jahrh<strong>und</strong>ert den Angriffen seiner Feinde aus Kirche <strong>und</strong> Fürstenstand erlegen<br />
<strong>und</strong> zur Machtlosigkeit herabgesunken sei“. 2 Allerdings sind nach Althoff die<br />
Stufen dieses Prozesses einigermaßen klar erkennbar <strong>und</strong> hängen deutlich mit der<br />
Bedeutung dieser Thematik in der Politik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zusammen: „Sowohl<br />
der preußisch-österreichische Dualismus als auch das Verhältnis zu Frankreich wie<br />
schließlich die Reichsgründung von 1870/71 wurden als Machtfragen verstanden,<br />
deren Klärung mit Hilfe historischer Argumentationen erreicht werden konnte.“ 3<br />
Zwar waren in dem nationalen Aufbruch in der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
auch wenige andere Stimmen zu vernehmen, wie etwa der ironische Zwischenruf<br />
eines Heinrich Heine gegen die Schwärmereien Friedrich Rückerts oder Ernst Moritz<br />
Arndts, doch entsprachen sie nicht dem mainstream. So heißt es in „Deutschland –<br />
ein Wintermärchen“:<br />
1<br />
Robert Scholz, Volk. Nation. Geschichte. Deutsche historische Kunst im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert. Rosenheim<br />
o.J., S.11.<br />
2<br />
Gerd Althoff, Die Rezeption des Reiches seit dem Ende des Mittelalters, in: Heiliges Römisches<br />
Reich Deutscher Nation 962–1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters. Essays.<br />
Hrsg. v. M.Puhle/C.-P.Hasse, Dresden 2006, S.477–485, hier S. 478.<br />
3<br />
Ebda.<br />
2