die Seinen - Hendrik Behnisch
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LICHTGESTALT<br />
Er war gewarnt worden. Und doch war Kane nun wieder hier. In derselben<br />
alten Situation, <strong>die</strong> sich anfühlte, als ob sie ihn schon jahrelang begleiten<br />
würde. Dabei hatte es erst vor wenigen Wochen begonnen. Genau genommen<br />
lag in <strong>die</strong>sem Gefühl der Vertrautheit, im Gefühl, dass es schon immer<br />
so gewesen war, der Reiz. Und <strong>die</strong> Gefahr.<br />
Viele Masken hatte Kane in seinem Leben schon fallen sehen, viele Begegnungen<br />
schon entlarvt als das, was <strong>die</strong> meisten von ihnen waren – leere<br />
Schauspiele zum Zweck der Zerstreuung. Irgendwann hatte er aufgehört,<br />
<strong>die</strong> Dinge zu sehen, wie sie sein sollten, sondern sie als das benannt, was sie<br />
waren. Schonungslos, unerbittlich – mit bitterem Genuss am eigenen Spott.<br />
Manch einer hätte ihn wohl einen Zyniker geheißen, doch mit Schubladen<br />
hatte Kane noch nie etwas anfangen können. Daher hatte er sich bis zuletzt<br />
gegen <strong>die</strong>sen Ausdruck gewehrt.<br />
Obwohl er innerlich wusste, dass er nichts anderes geworden war als ein<br />
Zyniker. Ein Glückloser, ein Enttäuschter, der sich immer häufiger als ein<br />
streitsüchtiger Schuft präsentierte. Worte waren seine Waffen geworden,<br />
Konflikte sein Zeitvertreib.<br />
Viel war verloren gegangen in all den Jahren, doch all das spielte heute<br />
keine Rolle mehr.<br />
Selbst der Desillusionierte ist nicht vor Aha-Effekten gefeit. Manchmal trifft<br />
man auf Menschen, <strong>die</strong> ein lang vergessenes Gefühl wecken. Manchmal<br />
findet man einen Schatz an Orten, <strong>die</strong> einem bislang wie ein Grab<br />
erschienen.<br />
Sie war ohne Vorwarnung in sein Leben getreten.<br />
Als Spiel hatte es begonnen, als Beiläufigkeit, <strong>die</strong> ihm eine Abwechslung versprach<br />
von den einsamen, weltabgewandten Stunden, <strong>die</strong> Kane mehr und<br />
mehr in Besitz genommen hatten. Dass sie allein <strong>die</strong> Spielregeln diktierte,<br />
war ihm erst sehr viel später klar geworden. Ein Preis, den er nur allzu gern<br />
gezahlt hatte. Nur um bei ihr zu sein. Sie leibhaftig zu erleben, sich von ihrer<br />
Lebenslust mitreißen zu lassen.<br />
Manchen Menschen scheint alles zu gelingen, für sie fügt sich alles von<br />
ganz allein und sie nehmen andere mit ihrem Wesen wie ganz selbstver-<br />
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