005Wunschträume eines Idealisten Immer wieder ... - Kupf
005Wunschträume eines Idealisten Immer wieder ... - Kupf
005Wunschträume eines Idealisten Immer wieder ... - Kupf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Mühen der Ebene: Gender Budgeting<br />
Am 9. April 2008 wurde auf Einladung von<br />
FIFTITU% zum Thema Gender Budgeting diskutiert.<br />
Eingeladen waren Dr. in Birgit Buchinger,<br />
Gender-Budgeting-Expertin und Reg.Rat Peter<br />
Rieder, der beim Land Oberösterreich für die<br />
Umsetzung dieses Themas zuständig ist.<br />
Was ist denn das schon <strong>wieder</strong>? – Gender<br />
Budgeting? Hier geht es darum, die Erkenntnis,<br />
dass öffentliche Budgets die gesellschaftlichen,<br />
sozialen und ökonomischen Prioritäten<br />
verkörpern, in die Praxis umzusetzen. Gender<br />
Budgeting ist die Integration des Zieles der<br />
tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und<br />
Männern in die Haushaltspolitik. Insofern hat<br />
Gender Budgeting eine Nähe zum Gender<br />
Mainstreaming, dass ebenfalls ein Top-Down-<br />
Konzept ist, d.h. das seitens der obersten EntscheidungsträgerInnen<br />
Ziele festgelegt werden<br />
und diese dann innerhalb von Organisationen<br />
bzw. in der öffentlichen Verwaltung umzusetzen<br />
sind. Ab 2009 tritt eine Haushaltsreform<br />
in Österreich in Kraft: Gender Budgeting ist<br />
verpflichtend für Bund, Länder und Gemeinden<br />
in der österreichischen Bundesverfassung<br />
verankert.<br />
Das Land Oberösterreich hat sich im Zuge<br />
<strong>eines</strong> EU-Projektes mit dem Thema Gender<br />
Budgeting beschäftigt, dessen Ergebnisse werden<br />
nun in die Praxis umgesetzt. Ein Leitfaden<br />
wurde entwickelt, wie einzelne Bereiche der<br />
Verwaltung Gleichstellungsziele in ihre Haushaltspraxis<br />
implementieren können. Das ganze<br />
ist Teil der Umstellung auf eine wirkungsorientierte<br />
Verwaltung.<br />
Gut und schön. Dass übers Geld Macht und<br />
Beteilungsmöglichkeiten verteilt werden, ist<br />
nun wirklich nicht neu. Neu an Gender Budgeting<br />
ist, dass hier Nägel mit Köpfen gemacht<br />
werden und zu hoffen ist, dass wenigstens Teile<br />
der Sonntagsreden mancher PolitikerInnen<br />
in die Praxis der öffentlichen Verwaltungen<br />
einfließen. Es wird in einigen Jahren zu fragen<br />
sein, was da wirklich daraus geworden ist.<br />
Schwierig wird das ganze Konzept aber auch<br />
schon jetzt, wenn genauer nachgefragt wird:<br />
welche Nägel, welche Köpfe? Am Diskussionsabend<br />
wurde von vielen konkreten<br />
Beispielen gesprochen, von mehr Männern<br />
als Volksschullehrern, mehr Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
und einer gerechteren<br />
Verteilung des Geldes zwischen Künstlerinnen<br />
und Künstlern. Da entstand durchaus der<br />
Eindruck, dass hier konkret und differenziert<br />
an Fragen der Geschlechterdemokratie<br />
herangegangen wird. Aber es bleibt die offene<br />
Frage, der schale Nachgeschmack: werden die<br />
BeamtInnen des Landes, die Gender Budgeting<br />
dann an der Basis wirklich umsetzen<br />
müssen, diesen Grad an Veränderungswillen<br />
und Fähigkeit zur Aufgabe von tradierten Rollenmustern<br />
(der Klassiker: warum sind denn<br />
Kinder immer ein Frauenthema?) haben, wie<br />
es uns dieser Prozess vermitteln möchte? Wer<br />
mehr oder minder regelmässig BeamtInnen<br />
trifft, wird wohl meine Skepsis verstehen: auch<br />
wenn die Vorgaben von ganz oben kommen,<br />
können die Mühen der Ebene wirklich belasten<br />
und da hilft auch ein Tag Gender-Training<br />
nur bedingt.<br />
Aus realistischer Distanz betrachtet löst das<br />
Thema Gender Budgeting bei mir keine<br />
Euphorie aus. Ähnlich wie mit Gender Mainstreaming<br />
kommt es erstens auf die Konkretisierung<br />
an und zweitens besteht die Gefahr,<br />
dass es zum Alibi wird. Ich möchte nur daran<br />
erinnern, dass wir uns alle gefreut haben, dass<br />
das Land Oberösterreich jetzt endlich Gender<br />
Mainstreaming macht. Der einzig sichtbare<br />
Output nach einigen Jahren war dann eine<br />
Broschüre zum geschlechtersensiblen Sprachgebrauch.<br />
Naja, …<br />
Ein weiterer Blick: Gender Budgeting steht<br />
im Kontext des Umbaus der öffentlichen<br />
Verwaltungen, im Kontext der Anpassung<br />
der öffentlichen Verwaltung an die neoliberalen<br />
Strukturen der Privatwirtschaft, auf<br />
Neudeutsch: New Public Management. Wohl<br />
geht es dabei um einige durchaus vernünftige<br />
Veränderungen, aber die Vorzeichen dieser<br />
Veränderungen sind klar gesetzt. Und mit<br />
diesem geweiteten Blick, gilt es dann wirklich<br />
zu fragen, ob Adorno recht hat, der sagt »Es<br />
gibt kein Richtiges im Falschen«.<br />
Aber: irgendwann muss endlich begonnen<br />
werden, die eklatanten ökonomischen Ungleichgewichte<br />
zwischen Frauen und Männern<br />
zu beenden. Gender Budgeting heftet sich diesen<br />
Anspruch bezogen auf öffentliche Budgets<br />
auf die Fahnen. Es wird viel reflexive Distanz,<br />
aber noch mehr Druck seitens feministischer<br />
Organisationen brauchen, dass diese grundsätzlich<br />
begrüßenswerten Zielvorgaben im<br />
Zentrum bleiben und nicht erschlagen werden<br />
von Mühen der Ebene oder nur noch Ideologievermittlungsinstrument<br />
sind im Zuge des<br />
neoliberalen Umbaus der Gesellschaft.<br />
Andrea Mayer-Edoloeyi<br />
Andrea Mayer-Edoloeyi, Kulturarbeiterin<br />
und Erwachsenenbildnerin, Vorstand von<br />
KUPF und KUPFakademie<br />
KULTURPOLITIK