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Cappuccino-Worker - Intre

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CAPPUCCINO-WORKER _ ZUM LESEN<br />

<strong>Cappuccino</strong>-<strong>Worker</strong><br />

Ein Bericht über den immer<br />

weniger freien Dienstvertrag<br />

©Fotolia


ZUM LESEN _ CAPPUCCINO-WORKER<br />

Ob echter oder freier Dienstvertrag oder Werkvertrag – die Möglichkeiten<br />

der Vertragsgestaltung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind<br />

nur auf den ersten Blick vielfältig. Auf jeden Fall ist zu empfehlen, dass<br />

der Dienstgeber auf die Hilfe von Experten vertraut, um vor bösen<br />

Überraschungen gefeit zu sein.<br />

Die New Economy bringt eine Reihe von neuen<br />

Begriffen hervor, die es bis vor Kurzem noch nicht<br />

gab, weil die zugehörigen Sachverhalte fehlten. So<br />

etwa der „<strong>Cappuccino</strong>-<strong>Worker</strong>“, ein Arbeitnehmer,<br />

der neben der Haupttätigkeit zusätzliche kleinere<br />

Nebenjobs annimmt. Wie bei der italienischen<br />

Kaffeespezialität wird die Hauptbeschäftigung, der<br />

schwarze, bittere Kaffee, von lukrativen Nebenjobs,<br />

dem Obershäubchen, gekrönt. Weitaus weniger<br />

kreativ mutet hier der Begriff „atypische Beschäftigungsverhältnisse“<br />

an, der jene Erwerbsarbeit<br />

bezeichnet, die längst nicht mehr eine vollzeitige,<br />

dauerhafte Beschäftigung mit geregelter Normalarbeitszeit<br />

ausmacht. Ein Trend, der seit vielen<br />

Jahren ungebrochen anhält und sich auch darin<br />

niederschlägt, dass es neben den „echten Dienstverträgen“<br />

mittlerweile auch umfassende sozial- und<br />

arbeitsrechtliche Regelungen für „freie Dienstnehmer“<br />

und „Werkverträge“ gibt. Bei allen Differenzierungen<br />

und all dem schlechte Image, das<br />

atypische Beschäftigungen bisweilen haben, darf<br />

nicht vergessen werden, dass damit grundsätzlich<br />

ein Zugang zu Erwerbsarbeit verbunden ist. Sie<br />

stellen für viele Arbeitnehmer eine interessante<br />

Alternative zur Arbeitslosigkeit dar und spiegeln<br />

auch den Zeitgeist wider: das Bedürfnis nach<br />

Zeitsouveränität und hoher Selbstbestimmung. Im<br />

Call Center-Business kommen noch besondere<br />

Rahmenbedingungen hinzu: Outsourcing soll hochwertig<br />

und kostengünstig sein. Der hohe Preisdruck<br />

führt dazu, dass viele Dienstgeber gerne auf die<br />

vermeintlich günstigeren, atypischen Beschäftigungsverhältnisse<br />

ausweichen. Dass es unter dem<br />

GABRIELA FISCHMEISTER<br />

Managing Director, APS Buchführungsund<br />

Steuerberatungs GmbH<br />

„Wenn es nur mehr echte Dienstverträge<br />

geben würde und nicht ein<br />

paar schwarze Schafe mit Dumpingpreisen<br />

echte Konkurrenzvergleiche<br />

schwierig machen, würde sich die<br />

Situation durchaus entschärfen.“<br />

Strich nicht immer günstiger ist und der Weg oft<br />

mit einer Reihe arbeitsrechtlicher Stolpersteine gepflastert<br />

ist, spricht sich erst langsam herum.<br />

Papier ist geduldig, die Praxis zählt<br />

Die jeweilige Beschäftigungsform ergibt sich immer<br />

aus den tatsächlichen Verhältnissen, unter denen die<br />

Leistungen gegenüber dem Auftraggeber erbracht<br />

©Schramm<br />

D<br />

25


CAPPUCCINO-WORKER _ ZUM LESEN<br />

D Fortsetzung von S27<br />

werden. „Es ist nicht maßgeblich, wie man den<br />

zugrunde liegenden Vertrag bezeichnet, es kommt<br />

immer auf den Inhalt bzw. die tatsächlichen<br />

Umstände an. Liegen die Merkmale eines Dienstverhältnisses<br />

vor, nützt es nichts, wenn man dazu<br />

einen als „Werkvertrag“ oder „freier Dienstvertrag“<br />

bezeichneten Vertrag abschließt. Steuerlich sowie<br />

arbeits- und sozialversicherungsrechtlich würde<br />

dennoch ein „ganz normales“ Dienstverhältnis<br />

bestehen, erklärt Gabriela Fischmeister, Managing<br />

Director der APS Buchführungs- und Steuerberatungs<br />

GmbH anlässlich eines Fachvortrages im<br />

Rahmen des call-center-forum.at-Circles. Vor allem<br />

ist zu beachten, dass im Rahmen einer Prüfung<br />

durch die Gebietskrankenkasse nicht nur die<br />

Unterlagen – wie etwa Verträge – herangezogen<br />

werden, sondern vor allem auch Interviews mit den<br />

Agents durchgeführt werden.<br />

Wesentliche Merkmale der verschiedenen<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

Der freie Dienstvertrag ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass die Leistungen nicht in persönlicher Abhängigkeit<br />

erbracht werden. Der Arbeitnehmer kann also<br />

den Ablauf der Arbeit selbst regeln und jederzeit<br />

ändern und er kann sich beliebig vertreten lassen.<br />

Wird das Vertretungsrecht nicht gelebt und soll<br />

es auch nicht gelebt werden, liegt kein freier<br />

Dienstvertrag vor. So kommt es beispielsweise in<br />

einem Call Center oft vor, dass der Beschäftigte<br />

seinen Vertreter zwar aus einem bestimmten, aber<br />

nur aus einem vom Vertragspartner bestimmten<br />

Kreis an Personen wählen kann oder dass sich das<br />

Vertretungsrecht ausschließlich auf Fälle der Verhinderung<br />

wie Krankenstand und Urlaub bezieht.<br />

Liegt ein freier Dienstvertrag vor, sind grundsätzlich<br />

nur jene arbeitsrechtlichen Regelungen anwendbar,<br />

die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis<br />

ausgehen. Diejenigen Ansprüche, die nur bei (echter)<br />

Dienstnehmereigenschaft zustehen, wie etwa<br />

Sonderzahlungen, Abfertigung, Urlaubsersatzleistung<br />

und Überstundenentlohnung stehen dem freien<br />

Rechtsquellen zum Thema freie Dienstnehmer<br />

Der Trend in der Sozialversicherung geht eindeutig weg von atypischen<br />

Arbeitsverhältnissen in Richtung „echte Dienstverträge“. So sind<br />

Inbound-Agents seit 01.01.2005 als echte Dienstnehmer gemäß § 4<br />

Abs 2 ASVG eingestuft, Outbound-Agents sind seit 01.01.2006 als<br />

echte Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 2 ASVG oder sehr eingeschränkt<br />

als freie Dienstnehmer nach § 4 Abs 4 ASVG qualifiziert.<br />

Maßgebliche Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes im<br />

Hinblick auf die Beschäftigungsverhältnisse<br />

ç Erkenntnis vom 20.04.2005: Die Versicherungspflicht von Call<br />

Center-Mitarbeitern nach ASVG und AIVG liegt vor, da Merkmale<br />

der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber<br />

denen der selbstständigen Ausführung überwiegen.<br />

ç Erkenntnis vom 07.09.2005: Bei Inbound- und Outbound-Agents<br />

können fallweise Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, wenn die<br />

periodisch wiederkehrende Leistungspflicht (täglich, wöchentlich,<br />

monatlich) nicht im Voraus vereinbart wird.<br />

26


ZUM LESEN _ CAPPUCCINO-WORKER<br />

Dienstnehmer nicht zu. Maßgebliches Kriterium<br />

eines Werkvertrages ist die ausreichende Konkretisierung<br />

der zu erbringenden Leistung im Vertrag.<br />

Steht also fest, dass zum Beispiel 30 telefonische<br />

Interviews durchzuführen und auszuwerten sind,<br />

kann ein Werkvertrag vereinbart werden. Soll<br />

jemand hingegen über einen bestimmten Zeitraum<br />

als „Akquisiteur“ tätig werden, kann kein Werkvertrag<br />

vorliegen. Die Auftragsübernahme ist im<br />

Rahmen eines Werkvertrages rein erfolgsbezogen<br />

zu formulieren. Geringfügig beschäftigt ist, wer bei<br />

regelmäßiger Beschäftigung – Dienstverhältnis für<br />

einen Monat oder für unbestimmte Zeit – nicht mehr<br />

als 349,01 Euro im Monat verdient. Oder wer bei von<br />

Fall zu Fall erfolgender Beschäftigung – Dienstverhältnis<br />

kürzer als ein Monat – nicht mehr als<br />

durchschnittlich 26,80 Euro pro Arbeitstag und<br />

insgesamt höchstens € 349,01 verdient.<br />

Mehr Transparenz und Klarheit in der Branche<br />

„Es ist wichtig, das Einstellungsgespräch bereits<br />

richtig vorzubreiten. Oftmals ist den Agents der<br />

Unterschied zwischen Brutto und Netto gar nicht so<br />

Freie Dienstverträge stellen für<br />

viele Arbeitnehmer eine interessante<br />

Alternative zur Arbeitslosigkeit<br />

dar und spiegeln auch den Zeitgeist<br />

wider: das Bedürfnis nach<br />

Zeitsouveränität und hoher<br />

Selbstbestimmung.<br />

Vergleichendes Rechenbeispiel<br />

echter und freier Dienstnehmer<br />

Der Kostenvorteil zwischen freien Dienstnehmern<br />

und fix angestellten Dienstnehmern (exklusive<br />

Nichtleistungszeiten) beträgt je nach Grundgehalt<br />

+/- 1,00 Euro pro Stunde. Inklusive der Nichtleistungszeiten<br />

wie Feiertage, Urlaub, Krankenstand<br />

und Ähnliches beträgt der Kostenunterschied +/-<br />

3,50 pro Stunde. Beträge, die im Vergleich zu<br />

eventuell drohenden Nachzahlungen bei der<br />

Krankenkasse und sonstigen Lohnnebenkosten<br />

wohl kaum der Rede Wert sind.<br />

Informationen zur Rechtslage und Kostenrechnung:<br />

Gabriela Fischmeister<br />

APS Buchführungs- & Steuerberatungs GmbH<br />

Teinfaltstraße 8, 1010 Wien, Tel.: +43/1/5031778<br />

gabriela.fischmeister@thmf-group.com<br />

klar, vor allem wenn es Berufsneueinsteiger sind.<br />

Auch ist es notwendig, die Agents über die jeweiligen<br />

Vor- und Nachteile der verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

zu informieren.“ Fischmeister<br />

rät den Dienstgebern zu einem ausführlichen Beratungsgespräch<br />

und fordert auch zu mehr Solidarität<br />

innerhalb der Branche auf: „Wenn es nur mehr<br />

echte Dienstverträge geben würde und nicht ein<br />

paar schwarze Schafe mit Dumpingpreisen echte<br />

Konkurrenzvergleiche schwierig machen, würde sich<br />

die Situation durchaus entschärfen.“ -rha<br />

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