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Die Brüder Grimm und die Romantik - Das Goethezeitportal

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Klausnitzer: „<strong>Die</strong> Verschwörung der Gelehrten“? S. 2<br />

Mit der Rede von einer „Verschwörung der Gelehrten“ nahm Eichendorff zwar<br />

einen Schlüsselbegriff auf, der spätestens seit Abbé Barruels 1797/98 in London<br />

erschienenen Mémoires pour servir à l’histoire du Jacobinisme eine von<br />

zahlreichen Nachfolgern aufgegriffene Deutung von Aufklärung <strong>und</strong> Französischer<br />

Revolution als Ergebnis eines großangelegten Komplotts der Gebildeten<br />

bot 3 – mit dem durch Heinrich Heine schon 1828 verspotteten „gewöhnlichen<br />

Geschwätz von der großen Verschwörung gegen Thron <strong>und</strong> Altar“ 4 hatte seine<br />

Schilderung jedoch wenig zu tun. <strong>Die</strong> metaphernreiche Entdeckung eines intellektuellen<br />

Geheimb<strong>und</strong>es, durch <strong>die</strong> nachfolgende Darstellung der in Halle <strong>und</strong><br />

Heidelberg versammelten Philologen <strong>und</strong> Poeten präzisiert, knüpfte vielmehr<br />

an den Topos der romantischen „Geisterfamilie“ an, den bereits <strong>die</strong> in Jena um<br />

August Wilhelm <strong>und</strong> Friedrich Schlegel gruppierten Autoren zur performativen<br />

Selbstbeschreibung ihrer „unsichtbaren Kirche“ verwendet hatten 5 <strong>und</strong> der<br />

durch eine zwischen Juli <strong>und</strong> Dezember 1836 in den Wiener Jahrbüchern der<br />

Literatur veröffentlichte Aufsatzfolge in würdigender Absicht aktualisiert worden<br />

war. 6 Unter dem Titel Joseph Freyherr von Eichendorff‘s Schriften behandelte<br />

der spätere Weimarer Hofrat Adolf Schöll hier <strong>die</strong> „Kritiker <strong>und</strong> Dichter,<br />

von welchen <strong>die</strong> romantische Bewegung eingeleitet ward“, im Zusammenhang<br />

mit den ihnen fre<strong>und</strong>schaftlich verb<strong>und</strong>enen „Männern der Wissenschaft“ <strong>und</strong><br />

markierte deren äußere wie innere Allianz durch expliziten Rekurs auf das berühmte<br />

Ideen-Fragment 32: „Schlegels Wort, grade aus <strong>die</strong>ser Zeit, von einem<br />

sich verbreitenden B<strong>und</strong>e der Geister, welches von Voß so komisch mißnommen<br />

wurde, war nicht leer; nur daß nicht <strong>die</strong> Einzelnen den B<strong>und</strong> veranstalteten,<br />

sondern durch eine höhere Veranstaltung sich verbündet fanden, mit solchen<br />

sowohl, <strong>die</strong> sie von Angesicht erkannten, als mit Andern, <strong>die</strong> unberedet<br />

im Einklang wirkten.“ 7<br />

3 Zu Barruel, dessen verschwörungstheoretische Deutung der Französischen Revolution in dt.<br />

Übersetzung u.d.T. „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus“ zwischen 1800<br />

<strong>und</strong> 1803 in einer 4bändigen Ausgabe in Münster erschienen war, vgl. J. Rogalla von Bieberstein:<br />

<strong>Die</strong> These von der Verschwörung 1776-1945, Frankfurt a.M. u.a. 2 1978, S. 110-<br />

118; S. Schaeper-Wimmer: Augustin Barruel, S. J. (1741-1820): Stu<strong>die</strong>n zu Biographie <strong>und</strong><br />

Werk, Frankfurt a.M. 1985; M. Riquet: Augustin de Barruel: Un jésuite face aux Jacobins<br />

francs-maçons, 1741-1820, Paris 1989; zum Einfluß der von Barruel mitentwickelten Konspirationstheorie<br />

auf <strong>die</strong> deutsche <strong>Romantik</strong> vgl. J. Droz: La Légende du complot illuministe<br />

et les origines du romanticisme politique en Allemagne, in: Revue historique 226 (1961), S.<br />

313-338.<br />

4 Heinrich Heine: Reise von München nach Genua. In: H. H. HKGA, hrsg. v. M. Windfuhr,<br />

Bd. 7/1, Hamburg 1986, S. 32.<br />

5 Vgl. I. Hoffmann-Axthelm: „Geisterfamilie“. Stu<strong>die</strong>n zur Geselligkeit der Frühromantik,<br />

Frankfurt a.M. 1973.<br />

6 Zu <strong>die</strong>sem zwischen 1818 <strong>und</strong> 1849 in Wien erschienenen Periodikum, für das auch <strong>die</strong><br />

<strong>Brüder</strong> <strong>Grimm</strong> Beiträge lieferten, vgl. F. Klambauer: <strong>Die</strong> Wiener Jahrbücher der Literatur,<br />

Diss. Wien 1913; L. Haiböck: <strong>Die</strong> Wiener Jahrbücher der Literatur, Wien 1953; S. Lechner:<br />

Gelehrte Kritik <strong>und</strong> Restauration, Tübingen 1977.<br />

7 Adolf Schöll: Joseph Freyherr von Eichendorff‘s Schriften [1836]. In: Sämtliche Werke des<br />

Freiherrn Joseph von Eichendorff, HKA, begr. v. W. Kosch, A. Sauer, fortgef. u. hrsg. v. H.<br />

Kunisch, Bd. XVIII, Stuttgart u.a. 1975, S. 323. F. Schlegels 1800 im „Athenäum“ veröffentlichtes<br />

Fragment bezog sich jedoch weniger auf einen B<strong>und</strong> von Gelehrten als von Künstlern,<br />

vgl. KFSA, hrsg. v. E. Behler, Bd. II, München u.a. 1967, S. 259: „Ob das Heil der

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