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Gemeinde geistlich entwickeln - Gemeindekolleg der VELKD

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zum Thema<br />

Konzept ungleich<br />

Strategie<br />

Verän<strong>der</strong>ungen aktiv mitgehen<br />

Das wird in <strong>der</strong> Kirche<br />

immer behauptet, aber<br />

wo die Chancen sind, sagt<br />

keiner!“, reagierte ein Pastorenkollege<br />

vorwurfsvoll<br />

bitter. Wir hatten in den flachen Weiten<br />

Brandenburgs sein Arbeitsfeld besichtigt:<br />

8 Kirchengebäude in 13 Ortschaften,<br />

die <strong>Gemeinde</strong>n mit jeweils nur noch<br />

ein paar dutzend Mitglie<strong>der</strong>n sind mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger selbständig geblieben<br />

o<strong>der</strong> gerade dabei neue, verschlankende<br />

Struktureinheiten zu bilden.<br />

Wir standen am jahrhun<strong>der</strong>tealten<br />

Taufstein in einer <strong>der</strong> schönen Dorfkirchen.<br />

Er war versonnen mit <strong>der</strong> Hand<br />

über den Rand des über Generationen<br />

benutzten einfachbehauenen Steins<br />

gefahren und hatte gesagt: „Hier habe<br />

ich schon seit drei Jahren kein Kind<br />

mehr getauft.“ Auf mein Nachforschen<br />

hin erzählte er von den sich rasant<br />

än<strong>der</strong>nden Sozialbedingungen, starkem<br />

Geburtenrückgang, dem atheistischen<br />

Erbe aus kommunistischen Zeiten und<br />

<strong>der</strong> eigenen Arbeitsüberlastung durch<br />

immer mehr zu versorgende Kirchengemeinden.<br />

Mein eher verhaltener Einwurf<br />

- als Trost und zugleich als Aufmunterung<br />

gedacht -, dass jede Verän<strong>der</strong>ung<br />

auch Chancen habe, hatte seine heftige<br />

Reaktion ausgelöst.<br />

Die Gemütslage des Kollegen kann<br />

ich gut verstehen. Wie rasant sich die<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in Gesellschaft und<br />

Kirche auswirken, zeigt sich schlaglichtartig<br />

und direkt in <strong>der</strong> Lebens-,<br />

Arbeits- und Glaubenswelt vor Ort. Das<br />

zwingt ihn zur Deutung. Diese Deutung<br />

heißt vor<strong>der</strong>gründig „Krise“. Und ich<br />

höre: wenn es in dieser Krise überhaupt<br />

Chancen geben soll, dann – bitte schön<br />

– sollte das mal endlich gesagt werden.<br />

Wer da was sagt, ein imaginärerer Retter<br />

vielleicht o<strong>der</strong> die Kirchenleitung, bleibt<br />

offen. Nicht zu überhören aber auch<br />

sein Ruf nach Hilfe, nach kirchlicher<br />

Strategie.<br />

Strategien, Denkschriften, Aufbauprogramme,<br />

<strong>Gemeinde</strong>entwicklungskonzeptionen<br />

in, mit und für die Kirche<br />

gibt es in überaus großer Zahl auf allen<br />

Ebenen. Es scheint, dass beson<strong>der</strong>s in<br />

den letzten dreißig Jahren alles entwickelt,<br />

gesagt und nie<strong>der</strong>geschrieben<br />

wurde, was es dazu zu bedenken gibt.<br />

„Konzept- und Strategiediskussionen<br />

sind in <strong>der</strong> Kirche eine <strong>der</strong> Formen,<br />

in denen auf wahrgenommene Krisen<br />

geantwortet wird. Dabei hat die Krisendiagnostik<br />

in <strong>der</strong> Regel zwei Aspekte:<br />

sie beschreibt die innere Situation <strong>der</strong><br />

Kirche als krisenhaft; sie beschreibt zugleich<br />

die umfassende Zeitsituation, in<br />

<strong>der</strong> sich die Kirche vorfindet, unter dem<br />

Gesichtspunkt einer erfahrenen Krise.“ 1<br />

Wieso aber lin<strong>der</strong>n <strong>Gemeinde</strong>aufbaustrategien<br />

augenscheinlich die<br />

diagnostizierte Krise kaum? Es scheint<br />

ein Automatismus, ein Verstehenszirkel<br />

dahinter zu stecken. „Die Diagnose<br />

ist nie strategieunabhängig. Fast hat<br />

man gelegentlich den Eindruck, dass<br />

die Diagnose im Blick auf die gewählte<br />

Strategie eine Art Legitimierungsfunktion<br />

hat.“ 2 Wenn das stimmt, liegt <strong>der</strong><br />

Umkehrschluss nahe, dass die wohlüberlegten<br />

und hilfreich gemeinten Strategien<br />

die Deutung <strong>der</strong> aktuellen Situation<br />

als „Krise“ für ihre eigene Plausibilität<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger erschaffen. Erklärt<br />

das, dass viele <strong>der</strong> <strong>Gemeinde</strong>aufbau- und<br />

Entwicklungskonzepte wohlverwahrt<br />

zwischen Buchdeckeln o<strong>der</strong> in Zeitschriftenordnern<br />

ihren Platz haben und<br />

nur sehr sporadisch durch charismatische<br />

Personen bzw. bewegte <strong>Gemeinde</strong>n<br />

vorangetrieben und umgesetzt werden?<br />

Die Diagnose sollte an<strong>der</strong>s gestellt<br />

werden.<br />

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