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Rechtliche Überlegungen zur Problematik der Rezeptierung und ...

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Frank Th. Petermann<br />

AJP/PJA 4/2006<br />

444<br />

3.2.1. Ärztliches Berufsrecht<br />

3.2.1.1. Gr<strong>und</strong>legende Revision im Gange<br />

Im Sinne einer Vorbemerkung sei an dieser Stelle erwähnt,<br />

dass das ärztliche Berufsrecht <strong>zur</strong> Zeit einer gr<strong>und</strong>legenden<br />

Revision unterzogen wird. Bereits im Jahre 1995 wurde<br />

eine Expertengruppe eingesetzt mit dem Auftrag, einen<br />

Entwurf für ein eidgenössisches Medizinalberufegesetz<br />

(MedBG) auszuarbeiten. 55 Mit <strong>der</strong> Botschaft vom 3. Dezember<br />

2004 56 hat <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat den inzwischen mehrfach<br />

überarbeiten Entwurf den Räten unterbreitet. Dieses Gesetz<br />

will vor allem eine Rahmengesetzgebung für die Aus- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung sowie die Zulassung <strong>zur</strong> Berufsausübung<br />

sein. Es ist damit zu rechnen, dass es in Kürze in Kraft treten<br />

wird.<br />

Der Gesetzesentwurf enthält auch die gr<strong>und</strong>legenden<br />

Berufspflichten. In Art. 40 E-MedBG heisst es:<br />

Personen, die einen universitären Medizinalberuf selbstständig<br />

ausüben, halten sich an folgende Berufspflichten:<br />

a. Sie üben ihren Beruf sorgfältig <strong>und</strong> gewissenhaft aus. Sie halten<br />

sich an die Grenzen <strong>der</strong> Kompetenzen, die sie im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Aus-, Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung erworben haben.<br />

b. Sie vertiefen, erweitern <strong>und</strong> verbessern ihre beruflichen Kenntnisse,<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten durch kontinuierliche Fortbildung.<br />

c. Sie machen nur objektive <strong>und</strong> dem öffentlichen Bedürfnis entsprechende<br />

Werbung, die we<strong>der</strong> irreführend noch aufdringlich<br />

ist.<br />

d. Sie wahren das Berufsgeheimnis nach Massgabe <strong>der</strong> einschlägigen<br />

Vorschriften.<br />

e. Sie leisten in dringenden Fällen Beistand <strong>und</strong> wirken nach<br />

Massgabe <strong>der</strong> kantonalen Vorschriften in Notfalldiensten mit.<br />

Es fällt auf, dass diese Berufspflichten bedeutend weniger<br />

weit gehen als die Pflichten, welche Standesordnungen<br />

ihren Mitglie<strong>der</strong>n auferlegen. Die Botschaft kommentiert<br />

dies wie folgt: "Das MedBG verankert neu einheitliche <strong>und</strong><br />

abschliessende Berufspflichten. Berufspflichten unterscheiden<br />

sich von den Standesregeln. Die Berufspflichten werden<br />

von einer Behörde erlassen <strong>und</strong> gelten für alle selbstständig<br />

tätigen Medizinalpersonen. Im Gegensatz dazu sind<br />

die von Berufsorganisationen erlassenen Standesregeln nur<br />

für die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> betreffenden Berufsorganisation<br />

direkt anwendbar." 57 Die Tatsache, dass in dieser neuen<br />

Rahmengesetzgebung die Berufspflichten frei von einer<br />

bestimmten Weltanschauung definiert werden, ist ein klares<br />

Zeichen, dass sich <strong>der</strong> Gesetzgeber dem Umdenken, welches<br />

z.Z. in <strong>der</strong> Gesellschaft im Gange ist, nicht mehr verschliesst<br />

<strong>und</strong> mit dem Gesetz das regelt, was das eigentliche<br />

Ziel einer Rechtsordnung sein sollte, nämlich <strong>der</strong> jeweils<br />

geregelten Materie einen Rahmen zu setzen. Dieser Rahmen<br />

ist die absolute, von <strong>der</strong> Gesellschaft verlangte Grenze,<br />

welche niemand überschreiten darf. Innerhalb dieses Rahmens<br />

jedoch müssen sich die Gesetzesadressaten frei bewegen<br />

<strong>und</strong> je<strong>der</strong> seinem eigenen Weltbild, seinen religiösen<br />

Überzeugungen <strong>und</strong> seinen eigenen ethischen Vorstellungen<br />

getreu handeln können.<br />

Das MedBG wird auch für die hier interessierenden Fragen<br />

eine wichtige Rolle spielen. Am 20. Juni 2003 haben<br />

Nationalrätin Anne-Catherine Menétrey-Savary <strong>und</strong> 20 mitunterzeichnende<br />

Parlamentarier 58 eine Motion 59 eingereicht,<br />

mit welcher <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat aufgefor<strong>der</strong>t wurde, "die <strong>Problematik</strong><br />

<strong>der</strong> Beihilfe zum Suizid in den Studienplan <strong>der</strong> medizinischen<br />

Fakultäten aufzunehmen. Diese Thematik könnte<br />

in einer Lehrveranstaltung "Thanatologie" o<strong>der</strong> "Medizinische<br />

Psychologie" behandelt werden." Der B<strong>und</strong>esrat führte<br />

in <strong>der</strong> Botschaft zum MedBG dazu aus: "Die von <strong>der</strong> Motionärin<br />

angeregte Integration <strong>der</strong> Sterbehilfediskussion in<br />

die Ausbildung <strong>der</strong> zukünftigen Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte wurde<br />

bei <strong>der</strong> Konzeption des MedBG mitbedacht <strong>und</strong> vorweggenommen."<br />

60 Auch dies ist ein deutlicher Hinweis, dass die<br />

<strong>Problematik</strong> erkannt wurde <strong>und</strong> in Zukunft mehr <strong>und</strong> mehr<br />

in den Gesetzgebungsprozess einfliessen wird.<br />

De lege lata stellt sich das ärztliche Berufsrecht aber<br />

noch nach den im Nachfolgenden erläuterten Bestimmungen<br />

dar.<br />

3.2.1.2. Erteilung <strong>der</strong> Berufsausübungs-Bewilligung 61<br />

Gemäss Art. 3 BV fällt in die Kompetenz <strong>der</strong> Kantone, was<br />

nicht in die Kompetenz des B<strong>und</strong>es fällt. Im Bereich des<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesens hat <strong>der</strong> B<strong>und</strong> von dieser "Kompetenz-<br />

Kompetenz" nur partiell Gebrauch gemacht, so dass die<br />

Kantone Träger <strong>der</strong> Sanitätshoheit sind. 62 Alle Kantone verlangen<br />

in ihren kantonalen Ges<strong>und</strong>heitsgesetzen für die<br />

Ausübung ärztlicher Tätigkeiten eine Berufsausübungs-<br />

Bewilligung. Diese stellt eine Polizeibewilligung wie bspw.<br />

das Anwaltspatent o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Führerausweis dar. 63 Die wichtigste<br />

Voraussetzung <strong>zur</strong> Erlangung <strong>der</strong> Berufsausübungs-<br />

Bewilligung ist <strong>der</strong> Fähigkeitsnachweis. 64<br />

Bereits am 19. Dezember 1877 hat <strong>der</strong> B<strong>und</strong> ein B<strong>und</strong>esgesetz<br />

<strong>der</strong> Freizügigkeit <strong>der</strong> Medizinalpersonen in <strong>der</strong><br />

schweizerischen Eidgenossenschaft (FZG) 65 erlassen; dieses<br />

55 BBl 2004, 183.<br />

56 BBl 2004, 173–250.<br />

57 BBl 2004, 228.<br />

58 Ruedi Baumann, Didier Berberat, Cécile Bühlmann, Franco<br />

Cavalli, Liliane Chappuis, Fernand Cuche, Jean-Nils de Dardel,<br />

Valérie Garbani, Ruth Genner, Erwin Jutzet, Ueli Leuenberger,<br />

Pierre-Yves Maillard, Liliane Maury Pasquier, Stéphane<br />

Rossini, Pierre Salvi, Jean Jacques Schwaab, Franziska<br />

Teuscher, Pierre Tillmanns, Ruth-Gaby Vermot-Mangold <strong>und</strong><br />

Hans Widmer.<br />

59 Motion Anne-Catherine Menétrey-Savary vom 20. Juni 2003<br />

betreffend "<strong>Problematik</strong> <strong>der</strong> Suizidbeihilfe als Unterrichtsfach<br />

an medizinischen Fakultäten", Geschäft Nr. 03.3405.<br />

60 BBl 2004, 200.<br />

61 Die nachfolgenden Ausführungen gelten immer für Inhaber<br />

des eidgenössischen Arztdiploms.<br />

62 HANS OTT, Ärztliches Berufsrecht I-VI, in: HEINRICH HON-<br />

SELL (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, Zürich 1994, 215–<br />

276, 217.<br />

63 OTT (FN 62), 226; BGE 100 Ia 175.<br />

64 OTT (FN 62), 217.<br />

65 SR 811.11.

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