Unverm<strong>in</strong>dert aber blieb er <strong>in</strong> diesen dreißiger Jahren weiterh<strong>in</strong> vom Bund Staffelste<strong>in</strong> beansprucht und um die Def<strong>in</strong>ition se<strong>in</strong>es christlichen Charakters bemüht. Der Begriff „völkisch“ übte ja auf die junge sudetendeutsche Generation zunehmend e<strong>in</strong>e mächtige Suggestion aus und es stand e<strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>satz fordernder Kampf nach zwei Seiten bevor, sich widerspiegelnd <strong>in</strong> manchen Aufsätzen von P. Paulus, die gelegentlich auch <strong>in</strong> Deutschland zu lesen waren: Auf der e<strong>in</strong>en Seite stand die Erwartung an die Kirche, dass sie <strong>in</strong> der „Erweiterung der Menschwerdung Gottes den Menschen nach se<strong>in</strong>er geschöpflichen Seite ernst nimmt“, ja „die konkrete Eigenart der Menschen, Völker und Kulturen“, weil es <strong>in</strong> der gespannten Situation nicht genüge zu sagen: „Wir s<strong>in</strong>d weder deutsch noch tschechisch, sondern katholisch.“ Auf der anderen Seite stand die Warnung vor e<strong>in</strong>er „Deutschgläubigkeit Rosenberg’scher Art“, wie sie im Gefolge der Los-von-Rom-Bewegung konkret wahrgenommen wurde und überhand zu nehmen drohte. Es genügte eben auch nicht, nur deutsch und nur tschechisch zu se<strong>in</strong>, sondern geme<strong>in</strong>sam christlich. „Volk und Glaube“ heißt denn auch ab 1936 die Zeitschrift der Staffelste<strong>in</strong>er, bis der spektakulär zu erlebende „Anschluss“ Österreichs im März 1938 jenen Erdrutsch zur Folge hatte, der nahezu alle bis dah<strong>in</strong> noch eigenständigen, ja „aktivistisch“ ges<strong>in</strong>nten, d.h. um e<strong>in</strong>en Ausgleich mit dem tschechischen Volk bemühten Gruppierungen, sich der E<strong>in</strong>heitsbewegung Henle<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>gliedern ließ, die ihrerseits nicht lange danach ihre restlose „Gleichschaltung“ im Hitler-Reich erlebte. Dabei hätte gerade das <strong>August<strong>in</strong>er</strong>kloster <strong>in</strong> Prag auf längere Sicht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiger Ausgangspunkt für e<strong>in</strong>e deutsch-tschechische Verständigung auf kirchlichem Boden werden können: In P. August<strong>in</strong> Schubert (1902-42; vgl. Mitteilungsblatt, Folge 2-2002), der wie P. Paulus deutsche und tschechische Verwandte hatte, gab es e<strong>in</strong>en ebenbürtigen Partner und Mitbrüder, der rasch <strong>in</strong> der entsprechenden tschechischen Jugendorganisation „Orel“ führend wurde - er fand 1942 se<strong>in</strong>en Tod im deutschen Konzentrationslager, und P. Paulus selbst meldete sich nach zunehmender E<strong>in</strong>engung und Bespitzelung als Sudetenseelsorger schließlich freiwillig zum Sanitätsdienst <strong>in</strong> der deutschen Wehrmacht. Es war aber e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Fügung, dass P. Paulus so schon im Herbst 1945 <strong>in</strong> München auf den christlich-sozialen Politiker und alten Freund Hans Schütz traf und beide mit e<strong>in</strong>igen weiteren von neuem aktiv werden konnten - zunächst als Helfer <strong>in</strong> der bitteren Not der ersten Nachkriegzeit und zugleich erst recht besorgt um e<strong>in</strong>e neue religiöse Fundierung ihrer Landsleute, die sie vor Verzweiflung und Hass bewahren und aus den Vertriebenen „Bauste<strong>in</strong>e, nicht Dynamit“ für e<strong>in</strong>en Wiederaufbau Deutschlands machen sollte. Gerade erst hatte der durch die Potsdamer Konferenz zunächst gestoppte „Abschub“ der Sudetendeutschen mit geregelten und humanen „Transporten“ begonnen, nun auch <strong>in</strong> die amerikanische Besatzungszone, da gab es schon die „Kirchliche Hilfsstelle“ <strong>in</strong> München als Anlaufadresse und die Ackermann-Geme<strong>in</strong>de als bergenden Freundeskreis, wie auch die bundesweite Vernetzung e<strong>in</strong>er wirksamen „Flüchtl<strong>in</strong>gsseelsorge“ für alle Vertriebenen überhaupt, die im Wesentlichen als das Werk von P. Paulus gelten kann. Und bald begann aufs Neue e<strong>in</strong> Wettlauf, als mit dem Entstehen der Bundesrepublik das Verbot für die Vertriebenen, sich zu organisieren, wegfiel, und es darum g<strong>in</strong>g, ob die sich konstituierende Landsmannschaft auch e<strong>in</strong>en betont christlich oder nur e<strong>in</strong>en nationalen Horizont erhalten sollte. Die von P. Paulus 1949 <strong>in</strong>itiierte „Eichstätter Adventsdeklaration“ von 17 Persönlichkeiten quer durch alle Parteien und die 1950 folgende, von Dr. Rudolf Lodgman von Auen unterschriebene „Detmolder Erklärung“ der Sudetendeutschen Landsmannschaft s<strong>in</strong>d bis heute e<strong>in</strong> Spiegel beider Tendenzen: Auf der „uralten Schicksalsverbundenheit der Donauvölker“ lag der e<strong>in</strong>e Akzent, 6 7 auf der „Schicksalsverbundenheit mit Deutschland“ der andere. Und mit dem Detmolder Appell, die Volksgruppe wolle „geschlossen“ bereitstehen, womit e<strong>in</strong> „Streit um außenpolitische Wunschbilder“ abgelehnt wird, war sichtlich auch auf das <strong>in</strong> Eichstätt proklamierte „E<strong>in</strong>ordnen <strong>in</strong> das große R<strong>in</strong>gen um die christlich-humanistische Wiedergeburt Europas“ gemünzt. Den Vorsprung aber, den die Seelsorge unter allen Vertriebenen damals noch gew<strong>in</strong>nen konnte, dokumentiert die am 5. August 1950 von all ihren Verbänden verkündete und christlichen Geist atmende „Charta der Heimatvertriebenen“. [...] Bis 1980 war P. Paulus Geistlicher Bundes- Beirat der Ackermann-Geme<strong>in</strong>de und bis 1981 Leiter der „katholischen Arbeitsstelle für Heimatvertriebene/Süd“, welche die 1950 aufgelöste „Kirchliche Hilfsstelle“ ersetzte. Zu e<strong>in</strong>em der Markste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> diesen Jahren wurde 1955 se<strong>in</strong>e Haidmühler Predigt bei e<strong>in</strong>em deutsch-tschechischen Gottesdienst an der böhmischen Grenze, <strong>in</strong> der er im Namen se<strong>in</strong>er Landsleute um Verzeihung für alles den Tschechen angetane Unrecht bat, nachdem die gleiche Bitte des Tschechen General a. D. Lev Prchala (1892-1971) auf dem Nürnberger Sudetendeutschen Tag desselben Jahres ohne entsprechendes Echo geblieben war. Nur e<strong>in</strong> beiderseitiges Bekenntnis der eigenen Schuld,