Juden und Deutsche - Hessische Landeszentrale für politische ...
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Geburten <strong>und</strong> Zuwanderungen, wurden Einheimische - <strong>und</strong> blieben dennoch<br />
immer Fremde. Denn <strong>Juden</strong> blieben, was leider zu oft übersehen wird, immer<br />
Menschen unter Sonderrecht, welches einzig <strong>für</strong> sie geschaffen werden mußte.<br />
Das christlich konzipierte Kirchenrecht wie auch das germanische Stammesrecht<br />
- das Recht der Franken oder der Sachsen etwa - hatte <strong>für</strong> sie gar keinen<br />
Platz. Einheimische im juristischen Sinne wurden <strong>Juden</strong> in Deutschland bis weit<br />
ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert niemals.<br />
Diese Tatsache setzte sich natürlich im Bewußtsein jener Völker, unter denen<br />
die <strong>Juden</strong> lebten, fest: <strong>Juden</strong> sind keine Einheimischen, sie sind Fremde unter<br />
obrigkeitlichem Sonderrecht, das sie schützte, aber zugleich auch ausgegrenzt<br />
hielt. Das <strong>Juden</strong>recht der christlichen Könige schützte <strong>Juden</strong> nicht nur, es<br />
beutete sie auch aus. Mehr als alle christlichen Landbewohner wurden <strong>Juden</strong><br />
mit Steuern, Sonderabgaben <strong>und</strong> anderen Leistungen belastet. Jedes Privileg<br />
mußten sie teuer bezahlen, ihr Bleiberecht in Deutschland immer neu erkaufen.<br />
Im hohen Mittelalter wurden die deutschen <strong>Juden</strong> sogar zu Kammersklaven des<br />
Kaisers erklärt, also zu dessen persönlichem Eigentum, über das er frei verfügen<br />
durfte. Natürlich schützte dieses Gesetz <strong>Juden</strong> auch, denn wer es wagte,<br />
sich an kaiserlichem Eigentum zu vergreifen, mußte mit schweren Strafen rechnen.<br />
Zugleich aber erniedrigte es sie im Bewußtsein ihrer Umwelt. So war das<br />
Verhältnis zwischen <strong>Juden</strong> <strong>und</strong> <strong>Deutsche</strong>n von Anfang an ambivalent <strong>und</strong><br />
konnte, so wie die Dinge lagen, auch gar nicht anders sein.<br />
Die Wendung zum Schlimmeren im hohen <strong>und</strong><br />
späten Mittelalter<br />
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Lage <strong>für</strong> <strong>Juden</strong> immer ungünstiger.<br />
Zum einen lag dies an einer Änderung der Machtverhältnisse zwischen Staat<br />
<strong>und</strong> Kirche. Während die Kirche im hohen Mittelalter immer mehr an Macht<br />
gewann, wurde der deutsche König als Schutzherr der <strong>Juden</strong> immer ohnmächtiger.<br />
Er konnte die <strong>Juden</strong> nicht mehr vor ihren Feinden schützen, wollte es<br />
allerdings auch nicht, weil er sie jetzt nicht mehr so dringend brauchte. Es kam<br />
im späten Mittelalter sogar vor, daß ein deutscher König, Karl IV., der von<br />
1347-1378 regierte, seine Rechte an den <strong>Juden</strong> an die Frankfurter oder die<br />
Nürnberger verkaufte, weil er dringend Geld brauchte. Er tat dies, obwohl er<br />
die Absicht dieser Städte kannte, die <strong>Juden</strong> zu vertreiben oder gar umzubringen,<br />
um sich lästiger Gläubiger zu entledigen. Die Kirche konnte ihre judenfeindliche<br />
Gesetzgebung nun auch in jenen Gebieten Europas durchsetzen, in<br />
denen <strong>Juden</strong> bisher durch königliche Privilegien geschützt gewesen waren. In<br />
England <strong>und</strong> Frankreich konnte sie sogar 1290 bzw. 1394 deren völlige<br />
Vertreibung erreichen.<br />
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