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Mohr - Blattwelt

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SIEGBURGER BLÄTTER<br />

Nr.<br />

KUNST UND HANDWERK<br />

RUND UM DEN MICHAELSBERG<br />

GESCHICHTEN AUS ALTER ZEIT<br />

NEUES AUS DEM MUSEUM<br />

SEHENS- UND ERLEBENSWERTES<br />

Geschichte<br />

S G und<br />

aus<br />

iegburg<br />

eschichten<br />

21<br />

Februar 2009<br />

Schutzgebühr<br />

2,00<br />

Bernd Distelkamp<br />

DER SIEGBURGER<br />

KIRCHENLIEDKOMPONIST<br />

JOSEPH MOHR


Von Hermann Joseph <strong>Mohr</strong> und aus seinem Leben gibt es kaum<br />

Bilder, so zeigt dieses Blatt das Siegburg um 1880 - 1900,<br />

auf das „Ein Haus voll Glorie...“ herunterschaute.<br />

Blick von der Zange, in Bildmitte der Bahnhof.<br />

Der auf den ersten Blick etwas befremdliche<br />

Umstand, dass die beiden großen<br />

Söhne der Stadt in einem Schulhaus zur<br />

Welt kamen, erklärt sich dadurch, dass<br />

beider Väter als Lehrer, Gustav Humperdinck<br />

am Siegburger Gymnasium, Johann<br />

Joseph <strong>Mohr</strong> an der im selben Gebäude<br />

untergebrachten Elementarschule,<br />

am unteren Markt beschäftigt waren und<br />

von der Stadt ebendort eine Dienstwohnung<br />

zur Verfügung gestellt bekommen<br />

hatten. Seit 1825 war Johann Joseph<br />

<strong>Mohr</strong> Lehrer an dieser Schule gewesen,<br />

nachdem er aus Bonn ins nahe Siegburg<br />

ausgewandert war. Damit emanzipierte<br />

er sich von einer Bonner Musiker-Dynastie,<br />

aus der in der Region bekannte<br />

Talente hervorgegangen waren, deren einige<br />

zum Beispiel beim Beethoven-Fest<br />

1854 im Festorchester mitwirkten.<br />

So wuchs Joseph <strong>Mohr</strong> (seines zweiten<br />

Namens Hermann bediente er sich Zeit<br />

seines Lebens nur sehr selten), also in<br />

einem musisch interessierten und humanistisch<br />

gebildeten Elternhause auf. Die<br />

ausgezeichneten pädagogischen Fähigkeiten<br />

des Vaters werden das Übrige dazu<br />

beigetragen haben, die Begabungen<br />

des Knaben zu fördern.<br />

Wer abends über den Siegburger Marktplatz<br />

im Herzen der Stadt schlendert, der<br />

hört die Musik des Glockenspiels am<br />

Stadtmuseum. Der „Abendsegen“ aus<br />

der Oper »Hänsel und Gretel« erinnert<br />

daran, dass in dem Haus, das heute als<br />

Stadtmuseum dient, der berühmteste<br />

Sohn der Stadt geboren wurde:<br />

Engelbert Humperdinck.<br />

Genau 20 Jahre vorher erblickte aber im<br />

selben Gebäude, dem damaligen Schulhaus,<br />

ein anderer großer Siegburger das<br />

Licht der Welt – und auch von ihm<br />

könnte eigentlich eine berühmte Melodie<br />

vom Glockenspiel ertönen: Eine Generation<br />

vor Humperdinck, vor nunmehr<br />

175 Jahren, am 10. Januar 1834,<br />

wurde im Schulhaus am Markt Joseph<br />

Hermann <strong>Mohr</strong> geboren, der Dichter<br />

und Komponist des bekannten Kirchenliedes:<br />

„Ein Haus voll Glorie schauet...“.


Blick von der Frankfurter Straße, links am Bildrand der Turm der im<br />

zweiten Weltkrieg zerstörten evangelischen Kirche.<br />

Am Fuß des Michaelsberges, unterhalb eines Weinberges,<br />

der mit dem Maschinenhaus Michaelsberg bebaute Mühlentorplatz.<br />

Denn schon in der Person des Vaters verbanden<br />

sich musisches Talent, pädagogische<br />

Fähigkeiten und kirchenmusikalisches<br />

Engagement von überregionaler<br />

Bedeutung. Nachdem führende Kollegen<br />

aus Siegburg, Lohmar und Hennef den<br />

ursprünglich mehr pädagogisch als konzertant<br />

motivierten „Sieg-Rheinischen<br />

Lehrer-Gesangverein“ gegründet hatten,<br />

um breitere Bevölkerungsschichten an<br />

Gesang und Instrumentalspiel heranzuführen,<br />

wurde Johann Joseph <strong>Mohr</strong> zum<br />

ersten Chorleiter des Vereins gekürt. So<br />

wirkte der Vater Joseph Hermann <strong>Mohr</strong>s<br />

bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

daran mit, in der Bürgerschaft das Interesse<br />

und die Begeisterung für den bis<br />

dahin in der Kirche amtlichermaßen<br />

eher unterdrückten Volksgesang zu wecken<br />

und bereitete gewissermaßen den<br />

fruchtbaren Boden für das spätere Werk<br />

seines Sohnes, der seine Kraft und<br />

Anstrengung dem Volksgesang in der<br />

Kirche widmen sollte.<br />

Vor diesem biographischen Hintergrund<br />

wundert es nicht, dass Joseph <strong>Mohr</strong><br />

schon früh mit dem Kirchenlied in Berührung<br />

kam. Nach seiner grundlegenden<br />

Ausbildung an der Elementar- und<br />

Lateinschule in Siegburg wechselte<br />

<strong>Mohr</strong> im Jahre 1849 ans Kölner Dreikönigsgymnasium<br />

und legte dort 1852<br />

die Abiturprüfungen ab. Bereits zum<br />

Wintersemester 1852/53 immatrikulierte<br />

er sich in Bonn für das Studium der<br />

Philosophie und der katholischen Theologie.<br />

Nach 2 Semestern verließ er die<br />

Universität und trat am 29. Oktober<br />

1853 in Münster dem Jesuitenorden bei.<br />

Unter der Ägide der Societas Jesu wurde<br />

er in Münster, Bonn, Feldkirch/Vorarlberg,<br />

Laach, Paderborn und Regensburg<br />

unterrichtet und schon ausserordentlich<br />

früh als Lehrer eingesetzt. Neben zahlreichen<br />

verantwortungsvollen seelsorgerischen<br />

und administrativen Aufgaben,<br />

von denen die jährlich verfassten Provinzkataloge<br />

des Ordens detailliert Auskunft<br />

geben, wird <strong>Mohr</strong> zum Präses der<br />

Marianischen Kongregation und zum<br />

Musikpräfekten in Feldkirch ernannt,<br />

wo ihm nun besonders die Gesangsausbildung<br />

obliegt. Am 22. Juni 1866 wird<br />

Joseph <strong>Mohr</strong> dann zum Priester geweiht.<br />

In seiner Eigenschaft als Musikpräfekt<br />

erreichte ihn die Bitte, ein Gesangbuch<br />

für die Marianische Kongregation der<br />

Gymnasiasten zu verfassen. Und so erschien<br />

im Jahre 1862, also noch vor seiner<br />

Priesterweihe, das erste Gesangbuch<br />

des Seminaristen Joseph <strong>Mohr</strong>, allerdings<br />

ohne Angabe des Verfassers, mit dem<br />

schlichten Titel „Kirchengesänge“. Es<br />

war dies die erste Auflage seines zwei<br />

Jahre später unter dem Titel „Cäcilia“<br />

überarbeiteten Kompendiums, das sich<br />

dann größter Beliebtheit erfreute und<br />

noch im Jahre 1936 in die 36. Auflage<br />

ging.<br />

<strong>Mohr</strong> fügte in sein Gesangbuch wieder<br />

alte Weisen ein und gab vielem von der<br />

Aufklärung als zu archaisch entfernten<br />

Gedankengut Raum. Er arbeitete pragmatisch<br />

und setzte nicht die Keule ein


um alles, was seinem Geschmack widerstrebte,<br />

schlagartig auszumerzen. Er<br />

bemerkte dazu, er musste „manche mir<br />

sehr wenig konvenierende Lieder, die<br />

aber nun einmal gewünscht wurden,<br />

dem Buche einverleiben, in der Hoffnung,<br />

es werde die Zeit kommen, wo ich<br />

das nichtssagende Zeug wieder hinauswerfen<br />

und durch Besseres ersetzen<br />

könnte“. Es ging ihm bei seiner Arbeit<br />

um eine organische Reform des Kirchengesangs,<br />

nicht um eine erzwungene Revolution:<br />

„Wo das Volk an die hergebrachte<br />

Melodie gewöhnt ist, thue man<br />

ihm nicht das Herzeleid an, sie verdrängen<br />

zu wollen. [...] Der Friede in einer<br />

Gemeinde ist ein so großes Gut, dass<br />

man ihn nicht wegen eines Liedes gefährden<br />

darf.“<br />

Das im Rahmen des Kulturkampfes im<br />

Jahre 1872 von Bismarck erlassene „Jesuitengesetz“<br />

schränkt aber dann abrupt<br />

sein umfangreiches Wirken ein. Unmittelbar<br />

nach Inkrafttreten des neuen<br />

Gesetztes, das die Einflussnahme kirchlicher<br />

Instanzen auf Kultur und Politik<br />

verhindern, bzw. beenden will, werden<br />

die Niederlassungen des Ordens im gesamten<br />

Reichsgebiet aufgelöst. <strong>Mohr</strong><br />

emigriert ins Ausland: bis 1881 hält er<br />

sich in Frankreich, Belgien und Holland<br />

auf.<br />

In der Emigration setzte <strong>Mohr</strong> die<br />

Arbeit an seinem Lebenswerk<br />

unverdrossen fort.<br />

Doch seine Quellenstudien und auch<br />

editorische Erfordernisse machten die<br />

Rückkehr nach Deutschland unabdingbar.<br />

So wurde <strong>Mohr</strong> nach 30 Jahren<br />

Ordenszugehörigkeit von seinen Vorgesetzten,<br />

die diese Notwendigkeit einsahen,<br />

freundschaftlich entlassen. Auch<br />

nach dem Austritt aus der „Societas Jesu“<br />

diente <strong>Mohr</strong> der Kirche jedoch weiter als<br />

Weltpriester. Der neue Status erleichterte<br />

aber dann auch sofort den Kontakt mit<br />

dem Verlagshaus Pustet und den direkten<br />

fachlichen Austausch mit seinen Beratern,<br />

und so konnte er seine Seelsorge auf<br />

musikalischem Gebiete weiterführen.<br />

<strong>Mohr</strong> zieht nach München, lebt dort einige<br />

Zeit in Privathäusern, wird dann bei<br />

den Benediktinern von St. Bonifaz aufgenommen<br />

und findet schließlich ab<br />

November 1885 eine endgültige Bleibe<br />

in der sogenannten „Marienanstalt“, wo<br />

neben ihm noch andere Geistliche wohnen,<br />

die sich zu Studienzwecken in<br />

München aufhalten.<br />

Von dieser Stelle aus verbreitet er die<br />

Ergebnisse seiner langjährigen und fundierten<br />

Forschungen zu Choralgesang<br />

und Kirchenlied in die ganze Welt.<br />

Besonders während seines Aufenthaltes<br />

in Frankreich hatte <strong>Mohr</strong> sich mit dem<br />

Gregorianischen Choral beschäftigt, dessen<br />

vorbildliche Pflege ihn in der<br />

Choralschule von Solesmes beeindruckt<br />

hatte.<br />

Blick vom Brückberg, in Bildmitte, unterhalb des Abteiberges,<br />

das Königlich Preußische Lehrerseminar,<br />

heute VHS und Engelbert-Humperdinck-Musikschule.


In seinem 1878 erschienen „Manuale<br />

cantorum“ bemüht er sich engagiert<br />

darum, den Gottesdienstbesuchern die<br />

liturgischen Messgesänge, Psalmen,<br />

Hymnen und Versikel nahezubringen.<br />

Auch in dieses Werk fügt er aber eine<br />

„Sammlung von 170 lateinischen Kirchenliedern“<br />

ein, was er auf der Titelseite<br />

in Fettdruck hervorheben lässt.<br />

Das Buch ist ein besonders schönes und<br />

typisches Zeugnis für <strong>Mohr</strong>s Intention<br />

und Arbeitsweise, denn nach liturgischen<br />

Gesängen und fast volksliedhaften Kirchenliedern<br />

auf lateinische Texte folgt<br />

noch ein Anhang deutschsprachiger (!)<br />

Gebete. Diese Dreiteilung zeigt <strong>Mohr</strong>s<br />

Bestreben um den Erhalt und die gemäßigte<br />

Aktualisierung traditioneller<br />

Gesänge, die Einbeziehung des Kirchenvolks<br />

in die Feier der Liturgie, und die<br />

Vertiefung der privaten Andacht mit<br />

Hilfe allgemeinverständlicher Gebete.<br />

Wichtig also ist, unbedingt zu bemerken,<br />

dass Joseph <strong>Mohr</strong>, der sich so engagiert<br />

für das deutschsprachige Kirchenlied<br />

und die Förderung des Volksgesanges in<br />

Liturgie und Gottesdienst einsetzte,<br />

daneben immer wieder mahnte, auch die<br />

tradierten Gesänge nicht zu vergessen, an<br />

deren Spitze der Gregorianische Choral<br />

steht, dessen würdige Schönheit ihm wie<br />

keine andere Musik geeignet schien, das<br />

Mysterium der heiligen Messe zu umrahmen.<br />

„Ein Haus voll Glorie schauet...“ aus <strong>Mohr</strong>s Gesangbuch „Cantate“22 1883, Archiv SJ Köln.<br />

<strong>Mohr</strong> setzte sich nicht für eine Verdrängung<br />

der lateinischen Gesänge durch<br />

deutschsprachige Kirchenlieder ein, sondern<br />

für einen parallelen Gebrauch beider<br />

Stile !<br />

Dass mit den beiden so unterschiedlichen<br />

Formen des kirchenmusikalischen<br />

Gesangs auch politische Intentionen verfolgt<br />

werden konnten, war <strong>Mohr</strong> durchaus<br />

bewusst. Und er saß auch gleichwohl<br />

zwischen zwei Stühlen: im tradierten gregorianischen<br />

Choral sah er eine ästhetische<br />

Manifestation des Katholizismus gegen<br />

den Protestantismus, dem das<br />

deutschsprachige und volksliedhafte Kirchenlied<br />

vom Wesen her natürlich näher<br />

stand. Aber <strong>Mohr</strong> weiß Rat und findet<br />

einen goldenen Mittelweg, der den aufrechten<br />

Katholiken zum angemessenen<br />

Gesange führen kann. Die Lösung ist<br />

denkbar einfach: deutsches Kirchenlied<br />

und gregorianischer Choral gehören in<br />

jeweils ihnen angemessene liturgische<br />

Zusammenhänge:


Fronleichnams-Prozession auf dem Kirchplatz. Blick von der Mühlenstraße, rechts im Bild das Haus Kirchplatz 1.<br />

„Ein gut gepflegter kirchlicher Volksgesang<br />

trägt zweifelsohne zur Bildung<br />

des Herzens, zur Veredelung des Geistes<br />

und zur Belebung der Frömmigkeit wesentlich<br />

bei.“ Im „Gehorsam gegen die<br />

Vorschriften der heiligen Kirche“ freilich<br />

müsse man sich, so <strong>Mohr</strong>, „allerorten darum<br />

bemühen, der liturgischen Sprache<br />

die ihr gebührende Stelle wieder einzuräumen,<br />

und verweist das deutsche Kirchenlied<br />

dorthin, wohin es gehört, d.h.<br />

in den außerliturgischen Gottesdienst.“<br />

<strong>Mohr</strong> nennt als Beispiel Prozessionen<br />

und Andachten. Bei diesen „Gelegenheiten“<br />

könne das deutsche Kirchenlied<br />

„unschätzbare Dienste zur Belebung der<br />

Frömmigkeit leisten.“<br />

Es galt aber nicht nur, dem Kirchenvolk<br />

entsprechende Gesänge in Text und Melodie<br />

zugänglich zu machen; die Fähigkeit<br />

der meisten Gemeinden zum Singen<br />

überhaupt lag nach <strong>Mohr</strong>s eigener Erfahrung<br />

im Argen. Er berichtete: „an vielen<br />

Orten Deutschlands ist der kirchliche<br />

Volksgesang tief gesunken, ja hie und da<br />

zu andachtstörendem Geschrei verrohet.“<br />

Um „diesem Übel entgegenzuarbeiten<br />

und dem Verfall des Volksgesanges wirksam<br />

vorzubeugen“ entschließt sich <strong>Mohr</strong><br />

zur Herausgabe einer selbstverfassten Gesangslehre.<br />

Musikalisch fundiert und pädagogisch<br />

geschickt gibt er darin Hinweise<br />

zur richtigen Tonbildung, Atmung,<br />

Textdeklamation, Tempo und Stimmbildung.<br />

Mit diesem Leitfaden „Die<br />

Pflege des Volksgesanges in der Kirche“<br />

will er vor allem die junge Generation<br />

erreichen, denn in der „Unterweisung<br />

der Schuljugend“ sieht er „die Grundlage<br />

von allem anderen.“<br />

Sein ganzes Leben opfert <strong>Mohr</strong> dieser<br />

Aufgabe. Er lebt in bescheidensten Verhältnissen<br />

und weiht alle Kraft der Arbeit<br />

an seinem umfangreichen kirchenmusikalischen<br />

Werk. Bei aller wissenschaftlichen<br />

Beschäftigung mit der Kirchenmusik<br />

stand für ihn jedoch immer eine tiefempfundene<br />

Frömmigkeit im Mittelpunkt<br />

seines Lebens und Denkens, sowie<br />

die christliche Tugend der Demut und<br />

Bescheidenheit. Sollte für Gott und die<br />

Heiligen die schönste Musik erklingen,<br />

so wünschte er sein eigenes Requiem<br />

ohne alle musikalische Pracht: testamentarisch<br />

hatte er sich lediglich eine „Stille<br />

Messe“ in der Pfarrkirche St. Bonifaz<br />

erbeten und einen schlichten Grabstein<br />

mit der Inschrift „Hier ruht ein armer<br />

Sünder und bittet um das Almosen des<br />

Gebetes.“ Am 7. Februar 1892 starb Joseph<br />

<strong>Mohr</strong> an einer schweren Lungenkrankheit.<br />

Die große, tiefempfundene Frömmigkeit<br />

dieses „Mannes von Talent und menschlicher<br />

Größe“ (Altabt P. Dr. Palcidus<br />

Mittler) zeigt sich über den Tod hinaus<br />

in allen seinen Publikationen.<br />

St. Servatius, alte Orgel.<br />

In seinen Gesangbüchern „Cäcilia“ und<br />

„Jubilate Deo!“ findet sich neben den<br />

Gesängen und Liedern immer auch ein<br />

umfassender Teil „Gebete und Andachtsübungen“.<br />

Und diese Gebetsteile hat<br />

<strong>Mohr</strong> nicht weniger sorgfältig ausgearbeitet<br />

als den musikalischen Teil der<br />

Bücher. <strong>Mohr</strong> bietet zudem eine Art kleinen<br />

Katechismus: es finden sich die zehn<br />

Gebote Gottes und fünf Gebote der Kirche<br />

mit Erläuterungen (Fasttage halten,<br />

Beichten, Kommunionempfang in der<br />

Pfarrkirche usw.).<br />

Besondere Sorgfalt hat <strong>Mohr</strong> natürlich<br />

auf die Einrichtung der Lieder verwandt.<br />

Und er war in der Praxis der Kirchenmusik<br />

erfahren genug, um seine Ausarbeitungen<br />

sehr pragmatisch zu gestalten<br />

und somit für den praktischen Gebrauch<br />

zu konzipieren. Mehr als einmal<br />

hat <strong>Mohr</strong> ausdrücklich verlauten lassen,<br />

dass er seine Arbeit als praktischen Beitrag<br />

zum Gotteslob und nicht als bloß<br />

wissenschaftliche Studie betreibe. Dabei<br />

zeigte er sich als erfahrener Kantor, dem<br />

die Gefahren bekannt waren, die sich<br />

beim Singen mit einer Gemeinde einschleichen<br />

können, wie z.B. allzu<br />

„schleppender“ Gesang.<br />

Auch <strong>Mohr</strong>s Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

an der Orgel spiegeln sich in seinen<br />

Bearbeitungen wider. Seine Orgelsätze<br />

sind wohl durchdacht und auf die<br />

Bedürfnisse des den Gemeindegesang<br />

begleitenden Organisten hin zugeschnitten.<br />

<strong>Mohr</strong>s Gesang- und Orgelbücher entsprangen<br />

einem tiefen christlichen Glauben<br />

und entstanden mit fundierten liturgischen,<br />

musikalischen und praktischen<br />

Kenntnissen. Die Bemühungen des Siegburger<br />

Priesters um den kirchlichen<br />

Volksgesang gipfelten aber in der Dichtung<br />

und Komposition eigener Kirchenlieder.


In unserer Zeit sind noch manche<br />

Schöpfungen aus seiner Feder bekannt,<br />

die z. B. in den Kölner Diözesanteil des<br />

aktuellen katholischen Einheits-Gesangbuchs<br />

„Gotteslob“ übernommen wurden:<br />

eine neue Melodie zu Christoph<br />

Bernhard Verspoells Lied „Dir jubeln<br />

Engelchöre...“ (Gotteslob Nr. 918), die<br />

Neufassung einer Weise aus dem „Echo<br />

hymnodiae coelestis“ von Johann Georg<br />

Braun zum Lied „Heilig bist du, Großer<br />

Gott...“ (GL Nr. 919) sowie die im<br />

Kölner Raum bekannte Melodie zu<br />

„Maria, breit den Mantel aus...“ (GL Nr.<br />

949).<br />

Sein bekanntestes Werk ist aber sicherlich<br />

das Lied „Ein Haus voll Glorie<br />

schauet...“, das im Stammteil des aktuellen<br />

„Gotteslob“ unter der Nr. 639 enthalten<br />

ist und ein schönes Beispiel für<br />

<strong>Mohr</strong>s eigenen Stil darstellt.<br />

Dieses Lied schrieb er im Jahre 1876,<br />

also auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes,<br />

vier Jahre nach Ratifizierung<br />

des Jesuitengesetzes. Und es ist textlich<br />

wie musikalisch außerordentlich stark<br />

vom Zeitgeist beeinflusst. In seinem<br />

Buch „Musik als Bekenntnis“ deutet der<br />

renommierte Musikwissenschaftler Harald<br />

Schützeichel <strong>Mohr</strong>s Lied als ein<br />

Beispiel des kirchlichen Widerstandes:<br />

„<strong>Mohr</strong> übertrug den Stil der patriotischen<br />

Lieder seiner Zeit sehr geschickt<br />

St. Servatius, Teil des Orgelprospekts der Orgel um 1930.<br />

auf dieses Kirchenlied, das damals<br />

schnell populär wurde. Der Rhythmus<br />

ist stark vom preußischen Militärmarsch<br />

beeinflusst, die Melodie suggeriert<br />

Macht und Kraft, der Text knüpft bewusst<br />

an den damals verbreiteten<br />

»Hurra-Patriotismus« an. <strong>Mohr</strong> versuchte<br />

so, militärmusikalische Traditionen für<br />

seinen Kampf gegen die politische Macht<br />

einzusetzen.“ Als die Kirche dann 50<br />

Jahre später erneut der Verfolgung ausgesetzt<br />

war, diesmal durch das nationalsozialistische<br />

Regime Adolf Hitlers, diente<br />

das Lied, wenn die Fronleichnamsprozessionen<br />

durch die mit Hakenkreuzfahnen<br />

geschmückten Straßen zogen, als<br />

Bekennerlied des freien christlichen<br />

Glaubens. Besonders die 6. Strophe war<br />

höchst brisant („Viel Tausend schon vergossen<br />

mit heilger Lust ihr Blut; die<br />

Reihn stehn fest geschlossen in hohem<br />

Glaubensmut“), fanden sich doch hier –<br />

und das konnte <strong>Mohr</strong> bei der Textdichtung<br />

freilich nicht ahnen – Parallelen zur<br />

heimlichen Nazihymne, dem Horst-<br />

Wessel Lied: „Die Fahne hoch, die<br />

Reihen fest geschlossen ! SA marschiert<br />

mit ruhig festem Schritt. Kam’raden, die<br />

Rotfront und Reaktion erschossen, marschiern<br />

im Geist in unsern Reihen mit.“<br />

Die heute im Gottesdienst gebräuchliche<br />

Fassung unterscheidet sich indes stark<br />

von <strong>Mohr</strong>s Originaltext. Den Herausgebern<br />

des „Gotteslob“ wirkten die<br />

ursprünglichen Strophen wohl zu martialisch<br />

und so entstand im Jahr 1972<br />

eine Neufassung, in der lediglich die<br />

erste Strophe im Wortlaut beibehalten<br />

wurde. Vier weitere Strophen dichtete<br />

Hans W. Marx dazu und machte aus der<br />

stolzen „Kriegsschar“ der Gläubigen, die<br />

„liebentzündet“ und in festem Glaubensmut<br />

zum „heiligen Streit eilt“ eine Herde<br />

frommer Lämmer, die unter dem Schutz<br />

des Friedensfürsten der ewigen Seligkeit<br />

entgegenwandert.<br />

Für Siegburg und seine Bürger ist das<br />

Lied jedoch auch in der Neufassung die<br />

heimliche Regionalhymne, wird doch<br />

seit Generationen überliefert, dass <strong>Mohr</strong><br />

bei der Dichtung des Textes, auch wenn<br />

er damals fern der Heimat war, den<br />

majestätischen Michaelsberg mit dem<br />

markanten Kirchturm vor Augen hatte.<br />

Brotsuppe<br />

eine Fastensuppe, lecker und nahrhaft<br />

100 g Brotreste - 60 g Butter - 1 Zwiebel - 1 EL Mehl - 1 ½ Liter Gemüsebrühe - 1 Knoblauchzehe<br />

2 Eigelb - 3 EL süße Sahne - Salz und Pfeffer - Muskat - 2 Scheiben kräftiges Bauernbrot<br />

1 Bund Schnittlauch<br />

Die Brotreste fein schneiden. Die Butter in einem Topf erhitzen und die Brotreste darin goldgelb rösten.<br />

Die Zwiebel schälen, fein hacken, hinzugeben und kurz mitrösten.<br />

Das Mehl darüber stäuben, durchrühren und mit der Gemüsebrühe ablöschen.<br />

Die Knoblauchzehe schälen, fein hacken oder zerdrücken und dem Suppenansatz zufügen.<br />

Die Suppe einmal aufkochen und anschließend 20 bis 30 Minuten köcheln lassen.<br />

Mit Salz, Pfeffer und Muskat kräftig würzen.<br />

Die 2 Scheiben Bauernbrot würfeln und anrösten.<br />

Das Eigelb mit der Sahne zerkläppern, auf den Grund einer Suppenschüssel geben und mit der heißen<br />

Brotsuppe übergießen.<br />

Den verlesenen und in kleine Röllchen zerschnittenen Schnittlauch zusammen mit den gerösteten<br />

Brotwürfeln auf die heiße Suppe streuen und sofort servieren.


TERMINE · TERMINE · TERMINE<br />

“Maria Himmelskönigin, dich will der Mai begrüßen...“<br />

GEISTLICHE ABENDMUSIK ZUM 175. GEBURTSTAG DES<br />

SIEGBURGER KIRCHENLIEDKOMPONISTEN JOSEPH MOHR<br />

DR. BERND DISTELKAMK, KÖLN<br />

spricht zum Leben und Werk des Kirchenliedreformators<br />

und erläutert wiederentdeckte Lieder <strong>Mohr</strong>s aus dem Archiv der Kölner<br />

Universitätsbibliothek.<br />

Musikalische Umrahmung durch Solistinnen und Solisten des Gesangstudios<br />

Evelyn Gleisert, Sankt Augustin, an der Orgel Florian Kunert, Köln<br />

24. Mai 2009, 17.00 Uhr Konzert in St. Antonius Siegburg-Seligenthal<br />

Der Geschichts- und Altertumsverein für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V.<br />

lädt im Rahmen seiner Sponsorenkonzerte zum Erhalt der ältesten Franziskanerkirche<br />

Deutschlands, St. Antonius in Siegburg-Seligenthal, herzlich zum Konzert ein:<br />

Interessiert Sie die Konzertreihe, schauen Sie einfach mal unter:<br />

www.gav-siegburg.de<br />

LITERATUR · LITERATUR · LITERATUR<br />

HANS PETER BÄHR<br />

„… Oh möge das Lob von Allen dir wohlgefällig sein!“<br />

Zu Leben und Werken des Siegburger Joseph <strong>Mohr</strong><br />

In: Siegburger Studien Bd. 25, Siegburg 1995<br />

PLACIDUS MITTLER OSB<br />

Das Psälterlein – Herm. Jos. <strong>Mohr</strong><br />

In: Siegburg seine viel liebe statt, Siegburg 1970<br />

IN VORBEREITUNG<br />

Der Nordfriedhof<br />

St. Anno-Kirche<br />

Das Kriegerdenkmal auf dem Markt<br />

Die Siegburger Töpfer Teil II<br />

BISHER ERSCHIENEN<br />

Engelbert Humperdinck<br />

150 Jahre Katholische Pfarre Seligenthal – Kaldauen – Braschoß<br />

Stadtluft macht frei<br />

Ein Ort zum Leben und zum Träumen – der Siegburger Markt<br />

Bomben auf Siegburg<br />

Hexenprozesse in Siegburg<br />

Die Raststätte Siegburg West<br />

Das alte Siegburger Kreishaus,<br />

Die Glocken der Abtei<br />

Als der Taler zu Rollen begann<br />

Sammelordner<br />

Braschoß will zu Siegburg<br />

Die Siegburger Töpfer<br />

Die alte evangelische Stadtkirche<br />

Der jüdische Friedhof<br />

Der Siegburger Mühlengraben<br />

Sankt Anno und sein Schrein<br />

Siegburg in der Nachkriegszeit<br />

Maximilian Jacobi<br />

Die Geschichte der Flussbadeanstalten in Siegburg<br />

Braschoß will zu Siegburg<br />

Die Siegburger Töpfer<br />

Die alte evangelische Stadtkirche<br />

Der jüdische Friedhof<br />

Der Siegburger Mühlengraben<br />

Sankt Anno und sein Schrein<br />

Siegburg in der Nachkriegszeit<br />

Maximilian Jacobi<br />

Die Geschichte der Flussbadeanstalten in Siegburg<br />

Wider des Vergessen - Gedenkstätten jüd. Gemeinde<br />

IN EIGENER SACHE<br />

DIE SIEGBURGER BLÄTTER.<br />

Die Ausgaben erscheinen in unregelmäßiger<br />

Folge, möglichst vier- bis fünfmal im<br />

Jahr und sind so angelegt, dass man sie im<br />

Sammelordner abheften kann.<br />

Die Siegburger Blätter geben Informationen<br />

zur Stadtgeschichte, zu aktuellen<br />

Ereignissen, zu bedeutenden Persönlichkeiten<br />

aus Siegburg; sie begleiten Ausstellungen<br />

und beschreiben besondere Sehenswürdigkeiten<br />

der Stadt.<br />

Sie können die Siegburger Blätter beim<br />

Historischen Archiv Siegburg, Rathaus,<br />

Nogenter Platz, beim Stadtmuseum,<br />

Markt 46, und bei der Touristinformation,<br />

Europaplatz 3, kaufen oder im Abo beim<br />

Historischen Archiv bestellen.<br />

Der Preis beträgt 2,00 , wenn wir Ihnen<br />

die Siegburger Blätter zusenden zuzüglich<br />

Versandkosten.<br />

Die Siegburger Blätter werden herausgegeben<br />

von der Museums- und Archivdienste<br />

Siegburg GmbH,<br />

Dr. Andrea Korte-Böger,<br />

Tel. 02241 10 23 25,<br />

e-mail: andrea.korte-boeger@siegburg.de,<br />

copyrights bei den Autoren.<br />

Idee und Produktion:<br />

Schiefen, Zado, Niederhofen,<br />

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