23.11.2013 Aufrufe

prostitution - Hannes Finkbeiner - Journalist

prostitution - Hannes Finkbeiner - Journalist

prostitution - Hannes Finkbeiner - Journalist

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

REPORTAGE<br />

Reizthema<br />

PROSTITUTION<br />

Die meisten Hoteliers lehnen<br />

ein Interview ab. Das Thema ist<br />

ihnen zu heikel. Mit Prostitution<br />

will keiner sein Domizil in Verbindung<br />

bringen. Es ist ein bisschen<br />

wie in der Porno-Industrie: Jeden<br />

Monat erscheinen ca. 1000 neue<br />

Titel auf dem Markt – doch angeblich<br />

will die niemand sehen<br />

Es ist nach 23 Uhr. In die Hotelhalle ist mittlerweile<br />

Ruhe eingekehrt. Als der Gast aus der Bar kommt<br />

und ein Zimmer verlangt, ist der Concierge sichtlich<br />

irritiert: »Sie haben doch bereits eine Suite«, sagt er<br />

diskret. Er benötige aber ein weiteres Zimmer, erwidert<br />

der Gast. – Der Groschen fällt: Ob es ihm entgegen komme,<br />

wenn das Zimmer möglichst weit von seiner Suite<br />

entfernt sei? Der Gast nickt...<br />

Eine Stunde später verlässt die Prostituierte das Haus,<br />

die offene Zimmerrechnung begleicht der solvente Herr<br />

direkt aus seinem Portemonnaie. Am folgenden Morgen<br />

wird er das zweite Mal auschecken – in Begleitung seiner<br />

Ehefrau. Die Direktion des Stuttgarter Domizils will von<br />

solchen Vorkommnissen nichts gehört haben. Bei der<br />

Nachfrage durch den Autor wird das Gespräch grußlos<br />

und abrupt beendet.<br />

56 Top hotel 3/2008


Messestadt Hannover<br />

Harald Schmidt reduzierte Hannover einmal auf<br />

die Autobahnabfahrt zwischen Göttingen und<br />

Walsrode. Nicht ganz zu Unrecht: Die Stadt bemüht<br />

sich schon lange, ihren provinziellen Ruf<br />

abzuschütteln – mit mäßigem Erfolg. Abgesehen<br />

von den turbulenten Messezeiten. Insbesondere<br />

während der CeBIT und Hannover Messe platzt<br />

die Stadt aus allen Nähten. Überfüllte Bahnen,<br />

Bars und Restaurants: Die niedersächsische Metropole<br />

gleicht einem multikulturellen Rummelplatz.<br />

Hotelzimmer werden zu Wucherpreisen feil geboten<br />

– selbst Studenten verscherbeln ihre Buden,<br />

um aus der riesigen Nachfrage Profit zu ziehen.<br />

Eine Zeit, in der auch die käufliche Liebe<br />

Hochkonjunktur hat. Von rund 2500 Prostituierten<br />

wird gemunkelt, die gezielt zu diesen Messen<br />

anreisen; bevorzugt aus den Ostblockländern.<br />

Der Großteil der körperlichen Dienstleistung findet<br />

in den Clubs und Bordellen statt. Der restliche<br />

Nachfrage wird in den Hotelzimmern der<br />

Stadt befriedigt. Eingeleitet wird das anrüchige<br />

Geschäft meist per Telefon oder bei einem Drink<br />

in der Hotelbar.<br />

Vor diesem Hintergrund scheint es geradezu<br />

albern, dass manche Hoteliers Prostitution in<br />

ihren Betrieben zum Tabuthema erklären – die<br />

Existenz des Gewerbes sogar verleugnen. Anja<br />

war jahrelang Besitzerin eines Hotels in der Innenstadt.<br />

Sie schmunzelt über die angebliche<br />

Unwissenheit ihrer Kollegen. »Das Thema ist dort<br />

nah vor Augen. Ich sage vorsichtig: Die meisten<br />

Hoteliers sind keine Privatunternehmer, sondern<br />

gehören zu einer Kette. Wahrscheinlich wurde<br />

ihnen von oben Redeverbot erteilt.«<br />

Seit 2003 ist sie Eigentümerin des Hotels Viva<br />

Creativo in einem Außenbezirk von Hannover.<br />

Mit Damen aus dem horizontalen Gewerbe hat<br />

sie seither nur noch selten tun. Prostitution sei<br />

jedoch allgemein so verbreitet, dass es kaum<br />

Sinn macht, offensiv dagegen vorzugehen. »Das<br />

Thema hat sich am nächsten Morgen, spätestens<br />

aber nach der Messe ohnehin wieder erledigt. Es<br />

bringt nichts, diese Problematik groß aufzuwirbeln«,<br />

erzählt die 42-Jährige. Und trotzdem verschließt<br />

die Hoteldirektorin nicht ignorierend die<br />

Augen: Als ein Gast sein Zimmer die komplette<br />

Nacht doppelt belegte, erhöhte sie ihm kurzerhand<br />

die Rechnung. »Er hat anstandslos bezahlt<br />

und war froh, dass ich ihn nicht darauf angesprochen<br />

habe«, sagt sie lachend.<br />

Fünf Kilometer weiter. Podbielskistraße. Der<br />

schwere Geruch der Fleischerei im Parterre<br />

durchzieht das Treppenhaus. In der Wohnung von<br />

Olga lässt sich der Zigarettenqualm in Scheiben<br />

schneiden. Die schlanke Blondine raucht, als hinge<br />

ihr Leben davon ab. Das Ambiente entspricht<br />

dem Klischee: abgewetztes Sofa, schummriges<br />

Licht. Strombetriebene Kunststoffblumen wechseln<br />

träge ihre Farbe. Die Vorhänge sind schon<br />

am Vormittag zugezogen. Die gebürtige Russin<br />

empfängt ihre Kunden bevorzugt in den eigenen<br />

vier Wänden, gegen einen Aufpreis besucht sie<br />

aber auch die Pensionen und Hotels der Stadt.<br />

»Zu Messezeiten kommen die meisten Anfragen<br />

von Deutschen auf Geschäftsreise, die in Mittelklassehotels<br />

logieren.«<br />

Olgas Kontaktdaten erhält der Kunde über<br />

Zeitungsinserate. Ostblockmädchen sind bei den<br />

Deutschen unbeliebt, deswegen wirbt die Frau<br />

mit Aussicht auf eine verdorbene 21-Jährige<br />

Skandinavierin. »Wenn sich ein Interessent meldet,<br />

muss er mir seinen Namen, seine Etage und<br />

seine Zimmernummer mitteilen. Ich rufe danach<br />

zurück, um die Angaben zu überprüfen. Anschließend<br />

spreche ich noch mal ein paar Takte mit<br />

ihm, um sicher zu sein, dass ich auch den Richtigen<br />

habe – im Zweifelsfall rufe ich auch noch<br />

mal am Empfang an. Erst dann mache ich mich<br />

auf den Weg«, erklärt die 35-Jährige.<br />

Mit diesem letzten Gegencheck geht Olga auf<br />

Nummer sicher. Zu oft platzte der Auftrag wegen<br />

falscher Angaben oder einem Telefonstreich. Reibereien<br />

oder Probleme am Empfang hatte sie<br />

hingegen noch nie. »Ich tauche da nicht halbnackt<br />

auf, sondern bin ganz neutral angezogen.<br />

Ich könnte ein normaler Gast sein. Das Personal<br />

traut sich verständlicherweise nicht, mich nach<br />

dem Grund des Besuchs zu fragen.«<br />

Dass Hotelmitarbeiter in solchen Situationen<br />

völlig ahnungslos sind, klingt eher unglaubwürdig.<br />

Andreas arbeitete jahrelang als Restaurantleiter<br />

in verschiedenen Stadthotels – allein 15<br />

Jahre lang in Hannover und Umgebung. Anfang<br />

der 90er-Jahre war es durchaus üblich, dass nicht<br />

nur während den Messen, sondern auch bei Tagungen<br />

und großen Events Gäste gezielt nachfragten<br />

und Damen ins Hotel bestellten. »Wenn<br />

Gäste nur kurz im Haus wohnen, fallen die Prostituierten<br />

nicht auf. Man registriert es als Angestellter,<br />

weil die Frauen immer wieder kommen.<br />

In der Hotelbar merkt man es, weil sie mit einem<br />

Gast aufstehen und eine Stunde später wieder<br />

allein am Tresen sitzen.«<br />

Andreas hat sich eine klare Meinung zur Prostitution<br />

in der Hotellerie gebildet. Sein individuelles<br />

Handling bei diesem Thema wirkt routiniert.<br />

Während er erzählt, ruhen seine Hände gefaltet<br />

in seinem Schoß. Nur bei Prostituierten in der<br />

Hotelbar wird der gelernte Restaurantfachmann<br />

kritisch. Seine Haltung wird sichtlich gerader. Seine<br />

Hände beginnen, seine Sätze zu begleiten.<br />

»Man muss sehr aufpassen, wie offensichtlich<br />

das Thema in diesem Bereich auftritt. Es sind<br />

häufig Gäste anwesend, die diese Dienstleistung<br />

gern in Anspruch nehmen. Aber ich glaube, die<br />

meisten würden eher negativ reagieren, wenn<br />

sich die Damen zu offensichtlich anböten.«<br />

Die prekärste Situation ist der Aufenthalt<br />

mehrerer Prostituierter in Begleitung eines Aufpassers.<br />

Nicht, dass das Gewerbe noch deutlicher<br />

zu erkennen wäre: Die Damen verteilen<br />

sich meist in der Bar, der Aufpasser hält Abstand.<br />

Andreas sieht die Sache ganz pragmatisch: Es sei<br />

die Aufgabe des Barkeepers, darauf zu achten,<br />

dass keine Probleme in seiner Abteilung entstehen.<br />

Wenn dort zusätzlich ein Zuhälter nach dem<br />

Rechten sieht, sei dies jedoch ein potenzieller<br />

Unruhefaktor.<br />

Die Geschäftsleitung des Hotels<br />

machte sich jedoch mehr Sorgen<br />

um die Kundschaft. Der Manager<br />

wies darauf hin, dass die Gäste keinesfalls<br />

belästigt werden dürfen. Es<br />

folgten Gespräche und Diskussionen<br />

mit dem Direktionsassistenten.<br />

»Die Anmache der Prostituierten<br />

durfte nicht zu offensichtlich laufen.<br />

Sobald sich ein Gast beschwert<br />

hätte, wäre die Duldung aufgehoben<br />

worden und der Mann mit seinen<br />

Damen rausgeflogen.«<br />

Die Frauen seien deswegen stets<br />

sehr zurückhaltend gewesen, hätten<br />

sich meist alleinanwesende Herren<br />

rausgepickt. Erst nach einem netten<br />

Gespräch und einem Drink signalisierten<br />

sie, dass sie zur käuflichen<br />

Liebe bereit wären. Danach kam es<br />

zum Geschäftsabschluss oder nicht.<br />

Andreas ist überzeugt davon, dass<br />

die wenigsten Gäste zu Beginn des<br />

Gesprächs ahnten, mit wem sie sich<br />

gerade einlassen.<br />

Während die Prostitution auf<br />

dem Hotelzimmer dezent im Verborgenen<br />

abläuft, wird es in der<br />

Hotelbar für jedes wache Auge ersichtlich.<br />

Der Hotelier befindet sich<br />

plötzlich in einem sensiblen Konflikt:<br />

Einerseits gibt es Gäste, die<br />

gern auf das Angebot zurückgreifen<br />

und vielleicht gerade deshalb in<br />

diesem Hotel buchen, andererseits<br />

will der Großteil der Klientel nichts<br />

mit diesem anrüchigen Gewerbe zu<br />

tun haben; sie würden das Hotel<br />

schlimmstenfalls meiden, wenn sie<br />

davon wüssten. Die stillschweigende<br />

Duldung der Prostitution gerät<br />

zu einer gefährlichen Gratwanderung.<br />

»Ich arbeitete in einem Hotel<br />

in der Innenstadt. Dort saß häufig<br />

eine blonde Frau in der Bar. Sie war<br />

überaus gebildet, sprach Englisch<br />

und Französisch. Irgendwann erfuhr<br />

ich, dass sie eine Prostituierte war.<br />

Alleinunternehmerin. Diese Lösung<br />

fand ich positiv. In einer Bar, in der<br />

zusätzlich ein Aufpasser anwesend<br />

ist, besteht ein hohes Risiko, dass<br />

es auffällt«, sagt Andreas.<br />

Bankenmetropole Zürich<br />

Die zünftige Gaststätte bietet<br />

eine amüsante Kulisse für einen<br />

Plausch mit dem Unternehmer Reto:<br />

Seine drei Handys bimmeln im<br />

Minutentakt, seine weibliche Begleitung<br />

ist eine Edelprostituierte,<br />

am Nebentisch speist eine vierköpfige<br />

Familie. Es gibt unzählige Züricher<br />

Restaurants, die zu Anita pas-<br />

3/2008 Top hotel 57


REPORTAGE<br />

sen würden. Nur in dem gutbürgerlichen Ambiente<br />

scheint sie deplatziert: Sie hat strahlend<br />

hellbraune Augen, blonde Haare und gepflegte<br />

Hände, ein ruhiges, elegantes Wesen, eine Figur,<br />

die Aufmerksamkeit erregt, ein Lächeln, das ansteckt.<br />

Die 24-Jährige arbeitet für Retos Escort-<br />

Service, der körperliche Dienstleistung mit Qualitätsgarantie<br />

offeriert. Nach eigenen Angaben<br />

besitzt er die Agentur mit den exklusivsten Frauen<br />

im deutschsprachigen Raum.<br />

Die meisten seiner Aufträge erhält der Unternehmer<br />

aus der Züricher Luxushotellerie. »Wir<br />

haben mehr Hotelgäste als private Gäste. Darunter<br />

auch viele Stammkunden, die auch durchaus<br />

eine Woche vorher reservieren«, berichtet Reto –<br />

ganz zur Zufriedenheit von Anita: »Hotelkunden<br />

sind einfach lockerer.« Sie seien nicht so pingelig,<br />

schauen nicht dauernd auf die Uhr. »Meistens<br />

treffen wir uns auf dem Zimmer, gehen<br />

dann noch etwas trinken oder er bestellt eine<br />

Flasche Champagner beim Room-Service«, erzählt<br />

sie.<br />

Wie Olga hatte auch Anita noch nie Probleme,<br />

in ein Hotelzimmer zu gelangen. Sie weiß mittlerweile,<br />

wo sich die Lifts befinden. Nur in einem<br />

einzigen Züricher Hotel sei es nicht mehr so einfach:<br />

»Dort muss man sich an der Rezeption melden,<br />

Name und Zimmernummer sagen – teilweise<br />

sogar den Ausweis zeigen«, berichtet die<br />

Schweizerin. Grund für die verschärften Kontrollen<br />

war eine entwendete Rolex, die vermutlich<br />

von einer Prostituierten geklaut wurde. Danach<br />

hat dieses Hotel neue Zugangsregelungen eingeführt.<br />

Concierge mit lukrativem Nebenjob<br />

Der »Night Guide« gibt Zürichbesuchern<br />

Tipps für nächtliches Entertainment<br />

Mindestens zehn Aufträge erhält Reto täglich<br />

aus der Hotellerie. Ab und an auch direkt vom<br />

Concierge vermittelt – eine Tatsache, von der<br />

auch Andreas zu berichten weiß: In Hannover<br />

bekam man seinerzeit noch 50 Mark für eine<br />

Kontaktvermittlung. In Zürich sollen die Hotelangestellten<br />

angeblich zehn Prozent des Honorars<br />

erhalten. Bei einem Stundensatz von bis<br />

zu 600 Franken ein durchaus lukrativer Nebenverdienst.<br />

Ein brisanter Nebenaspekt, der unmittelbar<br />

Kündigungsszenarien wachruft. Aber an erwähnenswerte<br />

Konflikte kann Reto sich in den vergangenen<br />

Jahren nur ein einziges Mal erinnern:<br />

»In einem Hotel hatten wir zwei stockbetrunkene<br />

Russen. Die Männer wurden grob und ließen<br />

die Mädchen nicht mehr gehen. Da gab es ein<br />

Riesentheater – mit dem Hotelangestellten, den<br />

Mädchen und Gästen. Die Direktion bekam Wind<br />

von der Geschichte und es wurde ab diesem<br />

Zeitpunkt untersagt, dass der Concierge weiterhin<br />

Aufträge vermittelt.«<br />

Während des Gesprächs platzt Nicole in die<br />

Runde. Sie ist das augenscheinliche Pendant zu<br />

Anita: dunkle Haut, schwarze Haare und tiefbraune<br />

Augen. Ein jugendlich aufbrausendes<br />

Temperament. Nur eines haben die beiden Frauen<br />

gemeinsam: Sie sind bildhübsch. Sie entschuldigt<br />

sich für die Verspätung. Ein Auftrag in einem<br />

Züricher Luxusdomizil kam ihr dazwischen. »Es<br />

war ein guter Termin. Ich musste nur tanzen. Der<br />

Kunde war erkältet und müde«, sagt das Callgirl<br />

mit einem koketten Lächeln.<br />

Eine wirkliche Besonderheit des Züricher Geschäfts:<br />

Es muss nicht immer zwangsweise bis<br />

zum Äußersten gehen. Manchmal begleiten die<br />

Damen ihre Kunden auch nur zu einem Geschäftsessen<br />

und spielen auch mal die Gemahlin. Wahrscheinlich,<br />

weil der Geldbeutel in der Bankenmetropole<br />

etwas lockerer sitzt – das Geschäft muss<br />

nicht immer auf den Höhepunkt getrieben werden.<br />

Anita musste auch schon eine komplette<br />

Nacht mit Reden verbringen, was die junge Frau<br />

als »sehr anstrengend« empfand. Und auch Reto<br />

weiß sofort eine Anekdote beizusteuern: »Da<br />

war mal ein Iraner, der hatte Geburtstag und sich<br />

20 Mädchen für drei Stunden in seine Suite bestellt.<br />

Die mussten lediglich in Unterwäsche tanzen.<br />

Dafür hat er dann 30000 Franken bezahlt.«<br />

Von Prostitution in der Hotelbar weiß das<br />

Dreiergespann nur wenig zu berichten. Nicole<br />

rümpft bei dem Gedanken ihre Nase. »Züricherinnen<br />

würden so etwas nicht machen, auch<br />

wenn sie es gern täten. Die Gefahr ist zu groß,<br />

dass sie von Freundinnen oder Verwandten erkannt<br />

werden.« Meistens seien es Ostblockmädchen,<br />

die in den Bars anschaffen. Wie die<br />

exakte Vorgehensweise vor Ort funktioniert, das<br />

können die beiden Callgirls nur mutmaßen. Sie<br />

glauben, dass der Gast schnell merkt, ob die<br />

Frauen privat oder rein geschäftlich da sind –<br />

schlichtweg am intensiven Blickkontakt.<br />

In diesem Fall müsste es auch einfacher für<br />

die Hotelmitarbeiter sein, Prostituierte zu erkennen<br />

und zu reagieren – natürlich nur, wenn vom<br />

Management entsprechende Vorgaben existieren!<br />

In Zürich weiß Reto nur von einer Hotelbar,<br />

in der die Prostituierten rigoros vor die Tür gesetzt<br />

werden: »Wenn es die Angestellten im Park<br />

Hyatt herausfinden, dass ein Callgirl bei ihnen<br />

anschafft, dann bekommt sie sofort Hausverbot.<br />

Es ist nur sehr schwer zu differenzieren,<br />

du siehst den Unterschied<br />

kaum – ein gewisser Unsicherheitsfaktor<br />

bleibt immer bestehen.«<br />

»Das ist ein großes Thema –<br />

weltweit, nicht nur in der Schweiz.<br />

Vor allem in Luxusmetropolen gibt<br />

es eine vermehrte Aktivität in diesem<br />

Bereich«, erzählt Kurt Straub.<br />

Wenn es um Prostitution in der Hotellerie<br />

geht, ist der General Manager<br />

des Park Hyatt nicht zimperlich.<br />

Er hat keinerlei Hemmungen, offen<br />

über die Problematik zu sprechen.<br />

In seinem Hotel möchte er das horizontale<br />

Gewerbe nicht. Und er tut,<br />

was in seiner Macht steht, um dagegen<br />

vorzugehen. Vor allem in der<br />

hauseigenen Bar »Onyx« schöpft er<br />

seine Möglichkeiten aus: Eine Sicherheitsfirma<br />

wurde sogar beauftragt,<br />

speziell den Umgang mit Prostituierten<br />

zu schulen. Der Einlass<br />

wird den Damen seither auf professionelle<br />

Weise verweigert. »Aber<br />

auch hier ist Vorsicht geboten! Es<br />

ist sehr schwierig, den Unterschied<br />

zu erkennen«, sagt der 40-Jährige.<br />

Wenn sich Hotelgäste bei seinen<br />

Mitarbeitern nach der körperlichen<br />

Dienstleistung erkundigen, händigen<br />

sie den offiziellen City-Guide<br />

von Zürich aus (Foto), der zahlreiche<br />

Infos über einschlägige Etablissements<br />

enthält. Versucht ein Gast<br />

sich offensichtlich eine Frau zu ordern,<br />

wird er angesprochen, dass<br />

Prostitution im Park Hyatt nicht erwünscht<br />

ist. Zudem hat der General<br />

Manager gute Erfahrungen mit der<br />

Schweizer Sittenpolizei gemacht,<br />

die mit Rat und Tat zur Seite steht.<br />

»Sich mit der Problematik auseinander<br />

zu setzen, wenn sie erkannt<br />

wurde, und den Dialog mit den involvierten<br />

Mitarbeitern zu suchen,<br />

ist zwingend«, sagt Kurt Straub.<br />

Trotz des offenen Umgangs mit<br />

dem Thema lässt sich die Prostitution<br />

auch im Park Hyatt Zürich nicht<br />

völlig ausmerzen. Nur wenn die Hoteldirektion<br />

eindeutig Stellung bezieht,<br />

wissen die Mitarbeiter korrekt<br />

zu handeln. Zudem lässt sich<br />

der Umgang mit verschiedenen Situationen<br />

hotelspezifisch schulen,<br />

wie das Park Hyatt beweist. Und<br />

trotzdem ist und bleibt das Hotel<br />

ein halböffentlicher Raum: »Ob der<br />

mit seiner Frau oder einer Prostituierten<br />

im Zimmer liegt, das ist die<br />

Entscheidung des Gastes. Da hört<br />

meine Verantwortung auf«, sagt<br />

Hoteldirektorin Anja aus Hannover.<br />

HANNES FINKBEINER<br />

58 Top hotel 3/2008

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!