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Rezeptorfunktion der Bogengänge Teil2 - HNO ...

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CME<br />

Vestibuläre Kompensation<br />

Zentrale Mechanismen führen zu<br />

einer zentralen „Abstimmung“ <strong>der</strong><br />

Signale aus defektem und gesundem<br />

Rezeptor<br />

Bei einem persistierenden Rezeptorschaden<br />

<strong>der</strong> <strong>Bogengänge</strong> „erholt“<br />

sich nicht <strong>der</strong> Rezeptor, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Hirnstamm<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> vestibulären Kompensation, die sich unmittelbar an eine akute <strong>Rezeptorfunktion</strong>sstörung<br />

anschließt (Adaptation), reduziert sich <strong>der</strong> horizontalschlagende Spontannystagmus (hier<br />

z. B. nach links) allmählich. Zentrale Mechanismen führen zu einer zentralen „Abstimmung“ des<br />

Signals des defekten (z. B. rechten) Rezeptors und des normal arbeitenden (hier linken) Rezeptors<br />

(„Erholung“), was in Abhängigkeit von unterschiedlichen Faktoren zu einer Verbesserung <strong>der</strong> Blickstabilisierung<br />

und ebenfalls auch zu einer allmählichen subjektiven Wie<strong>der</strong>kehr <strong>der</strong> „Balance“ führt.<br />

Die Relation <strong>der</strong> Kopf-Augen-Bewegung (Gain) nimmt bei einer Funktionswie<strong>der</strong>kehr des Rezeptors<br />

und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nervenfunktion objektiv messbar wie<strong>der</strong> zu.<br />

Bei einem bleibenden Funktionsverlust wird <strong>der</strong> gestörte VOR wie<strong>der</strong> „neu eingestellt“. Für den<br />

horizontalen VOR erfolgt dabei im Rahmen von zentralen Adaptationsmechanismen eine Angleichung<br />

<strong>der</strong> Ruheaktivität <strong>der</strong> gesunden und <strong>der</strong> gestörten Seite. Im Verlauf „erholt“ sich bei einem persistierenden<br />

Rezeptorschaden <strong>der</strong> <strong>Bogengänge</strong> jedoch nicht <strong>der</strong> Rezeptor, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Hirnstamm<br />

[9, 12, 13, 19]. Der Rezeptorschaden ist jedoch wegen <strong>der</strong> gestörten Perzeption des Sensors (hier z. B.<br />

des horizontalen Bogengangs rechts) nach wie vor präsent und die <strong>Rezeptorfunktion</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei dynamischen Anfor<strong>der</strong>ungen permanent gestört. Es persistiert demnach auch nach einer „Erholung“<br />

bei bleibendem Rezeptorschaden ein defekter horizontaler VOR mit Catchup-Sakkaden, <strong>der</strong><br />

sich mit dem KIT objektivieren lässt. Die dynamische Betrachtungsweise des vestibulären Systems<br />

zeigt damit ein permanentes Defizit bei <strong>der</strong> Blickstabilisierung, das mithilfe von Catchup-Sakkaden<br />

in unterschiedlicher Art und Weise „ausgeglichen“ wird. Möglicherweise ist das Vorhandensein von<br />

Catchup-covert-Sakkaden auf eine bessere Kompensation <strong>der</strong> Blickstabilisierung zurückzuführen,<br />

als es beim Nachweis von Catchup-overt-Sakkaden <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Der Verlauf <strong>der</strong> vestibulären Kompensation orientierte sich bisher an objektiven Zeichen des VOR<br />

(Spontannystagmus, provokativer Nystagmus) o<strong>der</strong> Messergebnissen <strong>der</strong> Posturographie. Die Auffassung,<br />

dass ein Labyrinth die Funktion des an<strong>der</strong>en „übernimmt“ entspricht, nicht mehr dem aktuellen<br />

pathophysiologischen Kenntnisstand. Vielmehr versteht man unter „vestibulärer Kompensation“<br />

bei einer persisterenden <strong>Rezeptorfunktion</strong>sstörung nicht einen einfachen „Erholungsprozess“, <strong>der</strong><br />

für alle Individuen und Schädigungsmechanismen identisch ist, son<strong>der</strong>n multitope, adaptive, plastische<br />

neuronale Prozesse, die noch nicht vollständig verstanden sind. Im Rahmen dieser komplexen<br />

Regulation spielt dabei im Kleinhirn <strong>der</strong> Flocculus eine Rolle („cerebellar shutdown“), indem u. a.<br />

eine Neueinstellung des VOR nach einer <strong>Rezeptorfunktion</strong>sstörung durch eine Reduktion <strong>der</strong> Exzitationsrate<br />

im Vestibulariskerngebiet ermöglicht wird. Tiermodelle zeigen, dass sich die prinzipiellen<br />

Mechanismen <strong>der</strong> Läsion im peripher-vestibulären Bereich (singulärer Rezeptorschaden, Ausfall <strong>der</strong><br />

Labyrinthfunktion, z. B. bei Labyrinthektomie und Nervenläsionen o<strong>der</strong> Neurektomie des N. vestibularis)<br />

im Hinblick auf den zeitlichen Verlauf <strong>der</strong> vestibulospinalen Kompensation unterscheiden.<br />

Für die Einschätzung <strong>der</strong> vestibulospinalen Kompensationsleistung werden dynamische sowie statische<br />

posturographische Verfahren (1–25 Hz) genutzt. Anhand von rotatorischen Tests (frequenzselektive<br />

Drehpendelprüfung) kann eine Aussage über den nie<strong>der</strong>frequenten Bereich des bogengangabhängigen<br />

VOR gemacht werden. Ein neues Verfahren zur Prüfung <strong>der</strong> dynamischen Sehschärfe<br />

(„dynamic visual acuity“, DVA) bei peripher-vestibulären Störungen nutzt z. B. Landolt-Ringe, die<br />

bei passiven horizontalen Kopfimpulsen ( > 150°/s) beurteilt werden müssen.<br />

Rehabilitation und „vestibular implant“<br />

Antivertiginosa können höchstens<br />

1–2 Tage nach dem Akutereignis<br />

appliziert werden<br />

Die Anwendung von Trainingsprogrammen bei Patienten mit einer gestörten <strong>Rezeptorfunktion</strong><br />

führt zu einer schnelleren vestibulären Kompensation. Der frühe Zeitabschnitt nach <strong>der</strong> Läsion wird<br />

als als „kritische Phase“ bezeichnet. Antivertiginosa können 1–2 Tage nach dem Akutereignis appliziert<br />

werden, sind jedoch danach kontraindiziert, da sie den Prozess <strong>der</strong> vestibulären Kompensation<br />

negativ beeinflussen. Entscheidend für den Therapieerfolg sind <strong>der</strong> frühe Beginn, die Kontinuität<br />

und Dauer <strong>der</strong> Trainingsprogramme (mindestens einen Monat) mit kontinuierlicher Steigerung<br />

<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen inklusive Neurofeedback. Im Anschluss ist eine Besserung <strong>der</strong> vestibulospinalen<br />

Kompensation „messbar“. In Analogie zur neuralen Stimulation des N. cochlearis durch Cochleaimplantate<br />

werden sog. vestibuläre Neuroprothesen entwickelt und in Tierversuchen erprobt. Mit<br />

einem umfangreichen klinischen Einsatz beim Menschen ist <strong>der</strong>zeit noch nicht zu rechnen [1, 10, 13].<br />

254 | <strong>HNO</strong> 3 · 2012

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