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Die Schnitzereien der Asmat in West-Papua als Resultat - Institut für ...

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Menschen verstandene Kunstsprache referiere (Price 1992: 47-53), e<strong>in</strong> genereller<br />

Kontrollanspruch von westlichen Akteuren verstecke (Ebd.: 106).<br />

So wurde das bewertende Auge des westlichen Betrachters <strong>als</strong> e<strong>in</strong>ziges Mittel gesehen, mit<br />

welchem e<strong>in</strong> nicht-westliches, lokales 11 Objekt zum Kunstwerk erhoben werden konnte.<br />

Lokale Prioritäten und Sichtweisen schienen es nicht Wert, berücksichtigt zu werden, denn<br />

die Objekte – wie im Beispiel <strong>der</strong> bisj-Statuen bei den <strong>Asmat</strong> – s<strong>in</strong>d dem Verrotten<br />

ausgesetzt, wenn <strong>der</strong> westliche Sammler sie nicht retten und erhalten würde. So ist dann auch<br />

nur <strong>der</strong> westliche Kenner zur Interpretation und Bedeutung des Objekts <strong>als</strong> künstlerischer<br />

Gegenstand befähigt, da auf lokaler Ebene ke<strong>in</strong> künstlerischer Wert erkannt würde (Ebd.:<br />

106).<br />

Shelly Ell<strong>in</strong>gtons Ausführungen <strong>in</strong> ihrem e<strong>in</strong>flussreichen Aufsatz What became authentic<br />

primitive Art? ergänzen diese Gedanken <strong>in</strong>sofern, da laut ihr durch die Präsentation und<br />

Rahmung e<strong>in</strong>es lokalen Objekts <strong>als</strong> Kunstwerk e<strong>in</strong>e entfremdende Aneignung geschähe. 12 <strong>Die</strong><br />

ästhetisierte, kontextlose Ausstellung von lokalen Gegenständen zw<strong>in</strong>ge diese nämlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

westliches Wahrnehmungsraster, welches sich Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts im Zuge <strong>der</strong><br />

Etablierung <strong>der</strong> ersten Museen festgesetzt habe und auf e<strong>in</strong> Verständnis zurückgehe, dass<br />

Kunst – im Gegensatz zum Handwerk – ausserhalb <strong>der</strong> alltäglichen Nützlichkeit o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />

praktischen Zweck im normalen Leben sieht (Ell<strong>in</strong>gton 1994: 203 und 212-213). 13<br />

<strong>Die</strong>s gibt den H<strong>in</strong>weis, warum frühe Sammler und Repräsentanten von Museen im Beispiel<br />

<strong>der</strong> <strong>Asmat</strong> nur auf solche Objekte ansprachen, die im rituellen Gebrauch waren. <strong>Die</strong><br />

Beschränkung auf zeremonielle Gegenstände bestätigte die Trennung von Kunstgegenständen<br />

und blossen Handwerksobjekten – e<strong>in</strong>e Unterscheidung zwischen Objekten, die nicht aus <strong>der</strong><br />

alltäglichen Verwendung, son<strong>der</strong>n ‚transzendenten’ Bed<strong>in</strong>gungen entstanden seien und<br />

solchen, die e<strong>in</strong>fache Objekte aus dem alltäglichen Leben darstellten. Nicht-westliche<br />

Ritualobjekte standen <strong>in</strong> <strong>der</strong> westlichen Wahrnehmung im Kontrast zum säkularen Bereich<br />

und wurden – analog dem Status <strong>der</strong> westlichen Kunstobjekte – <strong>als</strong> wertvoll angesehen<br />

11 <strong>Die</strong> enorme Bevormundung, welche meist <strong>in</strong> <strong>der</strong> westlichen Wahrnehmung von nicht-westlicher Kunst lag,<br />

wird alle<strong>in</strong> schon dadurch erkenntlich, dass diese Objekte auch noch Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit dem Begriff<br />

<strong>der</strong> primitiven Kunst betitelt wurden. Der Begriff wird im vorliegenden Essay nicht verwendet und durch die<br />

neutraleren, aber vere<strong>in</strong>fachenden Term<strong>in</strong>i <strong>der</strong> lokalen o<strong>der</strong> nicht-westlichen Kunst ersetzt.<br />

12 Ell<strong>in</strong>gton verwendet beim Blick auf musealisierte nicht-westliche Objekte den Begriff art by appropriation.<br />

13 <strong>Die</strong>se Vorstellung massgeblich geprägt hat Immanuel Kants Kritik <strong>der</strong> Urteilskraft von 1790. Kant hält dar<strong>in</strong><br />

fest, dass sich Schönheitsurteile und <strong>in</strong>sofern ästhetische Urteile <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gefühl <strong>der</strong> Lust nie<strong>der</strong>schlagen,<br />

welche aber nicht dazuführt, dass man dieses beurteilte Objekt (o<strong>der</strong> auch nur die Vorstellung davon) besitzen<br />

möchte. Zur ästhetischen Erfahrung kommt es nur dann, wenn man bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Haltung <strong>der</strong><br />

Interesselosigkeit ist. Entscheidend ist, dass das Objekt <strong>in</strong> unserer Empf<strong>in</strong>dung ohne Zweck ist, bzw. wie es Kant<br />

formulierte: e<strong>in</strong>e Zweckmässigkeit ohne Zweck hat. Zweckmässigkeit heisst hierbei, dass die Objekte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

s<strong>in</strong>nvollen Weise e<strong>in</strong>gerichtet s<strong>in</strong>d und uns e<strong>in</strong> Lustgefühl bereiten, aber nichts Bestimmtes <strong>in</strong> <strong>der</strong> praktischen<br />

und alltäglichen Welt erreichen sollen. Ästhetische Erfahrungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofern losgelöst vom alltäglichen und<br />

normalen Leben. Siehe dazu auch G<strong>in</strong>sborg 2008: 59ff.<br />

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