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Oktober - Der Fels

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(KiFöG) zieht aus diesen Erkenntnissen<br />

die praktische Konsequenz:<br />

Demnach „ist ein Kind, das das dritte<br />

Lebensjahr noch nicht vollendet hat,<br />

in einer Kindertageseinrichtung oder<br />

in Tagespflege zu fördern, wenn diese<br />

Leistung für seine Entwicklung<br />

zu einer eigenverantwortlichen und<br />

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit<br />

geboten ist“. Begründet wird dies<br />

mit dem Anspruch des Kindes auf<br />

„frühkindliche Förderung“. Krippen<br />

und Kitas ergänzen nicht die elterliche<br />

Erziehung, sondern gelten somit<br />

als unerlässlich für die Sozialisation<br />

der Kinder. Aus dieser Perspektive<br />

macht die Zahl von 750.000 Betreuungsplätzen<br />

Sinn – außerfamiliäre<br />

Betreuung soll von frühesten Kindesbeinen<br />

an zur Regel werden. Und<br />

Vater Staat wacht darüber.<br />

Eine weitere Lieblingsidee der<br />

Strategen im Familienministerium<br />

sind in diesem Zusammenhang „Gutscheine“.<br />

Mit Gutscheinen lässt sich<br />

wirksam steuern: Gutscheine einlösen<br />

kann man nur für staatlich vordefinierte<br />

Angebote. Eine individuelle<br />

Förderung von Kindern nach spezifischen<br />

Präferenzen (z. B. Vorliebe<br />

für eine bestimmtes Musikinstrument)<br />

ist dann kaum mehr möglich,<br />

statt dessen müssen die Gutscheine<br />

für „Massenangebote“ (Krippenplätze,<br />

Musikschulkurse etc.) eingelöst<br />

werden. Das entspricht dem antibildungsbürgerlichen<br />

Zug der neuen<br />

Politik. Und für die CDU bedeutet<br />

das einen dreifachen Kulturbruch:<br />

Weg vom Christlichen, weg vom<br />

Ordo-Liberalen (stattdessen Dirigismus<br />

– siehe Kindergartenpflicht<br />

im Wahlprogramm der CDU) und<br />

weg von bildungsbürgerlichen Idealen<br />

(stattdessen „one-size-fits all“,<br />

für alle das gleiche, in der Kindererziehung).<br />

Im offiziellen Monitor<br />

Familienforschung Ausgabe 12,<br />

Stuttgart 2007 ist zu lesen: „BMFS-<br />

FJ und BMF sollten in Gesprächen<br />

mit Ländern und Kommunen für eine<br />

ernsthafte Prüfung einer gutscheinbasierten<br />

Förderung insbesondere<br />

im Bereich frühkindlicher Förderung<br />

werben“. […] Es soll aufgezeigt<br />

werden, wo Gutscheine sinnvoll als<br />

Unterstützung für Familien eingesetzt<br />

werden können, insbesondere<br />

wenn es um Förderung und Betreuung<br />

der jüngsten Familienmitglieder<br />

geht. […]Nach Auszahlung des<br />

Geldbetrags kann nicht nachverfolgt<br />

werden, ob dieser zweckbestimmt<br />

ausgegeben wird oder nicht“. Zitat<br />

Ende. <strong>Der</strong> Gutschein ersetzt in gewisser<br />

Weise den Blockwart. Und<br />

steuert die Erwerbsarbeit, denn es<br />

heißt weiter: „…Es lässt sich gezielt<br />

die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit<br />

beider Elternteile unterstützen, wenn<br />

sich die Gutscheinhöhe für eine Kindertagesbetreuung<br />

an der Anzahl<br />

der Arbeitstage der Eltern orientiert.<br />

Kinderbetreuungsgutscheine unterstützen<br />

die Vereinbarkeit von Familie<br />

und Erwerbsleben unmittelbar, weil<br />

sie strukturelle Änderungen herbeiführen.[…]<br />

Höhere Frauenerwerbstätigkeit<br />

wird damit gefördert. Das<br />

bringt positive Einnahmeeffekte für<br />

die öffentliche Hand, Mehreinnahmen<br />

in den Sozialversicherungen<br />

und zusätzliche Steuereinnahmen.“<br />

Auch die Kanzlerin unterstützt die<br />

Gutscheinideologie. In einem Interview<br />

mit der Feministenzeitschrift<br />

Emma hat sie sich noch kurz vor der<br />

Wahl dafür ausgesprochen, statt des<br />

Betreuungsgeldes, das eh nur für<br />

2013 in Aussicht gestellt wird, den<br />

Eltern Gutscheine zu geben, damit<br />

sichergestellt sei, dass das Geld für<br />

(staatlich vordefinierte) Musikkurse<br />

und anderes ausgegeben werde.<br />

Hier kommt ein Misstrauen gegenüber<br />

den Eltern zum Ausdruck, das<br />

unerträglich wird. Warum gibt man<br />

den Politikern nicht Gutscheine oder<br />

den Journalisten für ihre Leistungen?<br />

Auch diese Haltung entspricht keineswegs<br />

den Wünschen der Bevölkerung.<br />

Es geht bei den Fragen um Gutscheine<br />

oder Betreuung nicht um<br />

Wirtschaft oder Konsum. Geld hat<br />

auch mit Freiheit zu tun. Geld ist<br />

geprägte Freiheit, sagt Dostojewski<br />

und Paul Kirchhof führt in seinem<br />

Buch Das Gesetz der Hydra – Gebt<br />

den Bürgern ihren Staat zurück<br />

aus: „Geld ist eines der großartigsten<br />

Werkzeuge zur Freiheit, die der<br />

Mensch je erfunden hat. […] Das<br />

Geldeigentum sichert individuelle<br />

Existenz und stützt persönliche Freiheit,<br />

befähigt den Eigentümer zum<br />

Tausch seines Geldes gegen die von<br />

ihm ausgewählten Güter. Das Sozialhilferecht<br />

gibt dem Bedürftigen<br />

deshalb grundsätzlich Geld und nicht<br />

nur Sachgüter, behält ihm damit die<br />

freie Entscheidung zur Nachfrage<br />

nach eigenem Belieben vor. Würde<br />

die Sozialbehörde dem Bedürftigen<br />

Nahrungsmittel und Kleidung zuteilen,<br />

würde sie den Konsum des Empfängers<br />

bevormunden. Geld hingegen<br />

überlässt ihm die Kaufentscheidung<br />

und vermittelt damit Freiheit.“ Auch<br />

der neoliberale August von Hayek<br />

sah diesen Zusammenhang. Er meinte,<br />

die zwei grundlegenden Institutionen<br />

eines freiheitlichen Systems<br />

seien das private Eigentum und die<br />

Familie. In der Tat: In der Familie<br />

entsteht das Bewusstsein für Liebe,<br />

mithin für Solidarität, in der Familie<br />

lebt man auf der Grundlage des Vertrauens,<br />

mithin der Ehrlichkeit und<br />

Wahrheit. In der Familie lernt man<br />

DER FELS 10/2009 297

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