www.agv-apis.de Oktober 2007
www.agv-apis.de Oktober 2007
www.agv-apis.de Oktober 2007
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ZUR GEISTLICHEN GRUNDLEGUNG 5<br />
Der Gott, <strong>de</strong>r hier ein ganz persönliches Trostwort<br />
spen<strong>de</strong>t »Tröstet, tröstet mein Volk! spricht<br />
euer Gott« ist <strong>de</strong>rselbe Gott, <strong>de</strong>r über sein Volk das<br />
Gericht durch die assyrischen und babylonischen<br />
Invasoren kommen ließ. Das Jesajabuch öffnet mit<br />
<strong>de</strong>m Klageruf Gottes: »Ein Ochse kennt seinen<br />
Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber<br />
Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s<br />
nicht« (Jes 1,3). Die Folge <strong>de</strong>r Entfernung Israels<br />
von seinem Gott ist das Gericht. Aber Gottes Gericht<br />
ist nicht sein letztes Wort. Gott möchte ja<br />
nicht zerstören, son<strong>de</strong>rn heilen. Ein in Jes 40–66<br />
oft gebrauchtes Wort ist »Erlöser«. Gott möchte Israel<br />
aus seiner Not erlösen.<br />
Die Trostbotschaft ergeht in die Situation, wo<br />
von <strong>de</strong>r Umsetzung dieses Trostes noch nichts zu<br />
sehen ist. Deshalb stößt sie auch bei <strong>de</strong>n Hörern<br />
auf Skepsis (Jes 40,27). Dass die Situation nicht<br />
<strong>de</strong>m Wort entspricht, zeigt die Göttlichkeit <strong>de</strong>s<br />
Wortes. In <strong>de</strong>r Tiefe helfen keine Durchhalteparolen<br />
und kein menschlicher Optimismus. In <strong>de</strong>r Tiefe<br />
hilft nur Gottes Wort, das als Schöpferwort eine<br />
neue Wirklichkeit schafft.<br />
Und ein weiterer Zusammenhang: Der Trost<br />
liegt in <strong>de</strong>r Tatsache, dass Gott vergibt: »Re<strong>de</strong>t mit<br />
Jerusalem freundlich und predigt ihr, … dass ihre<br />
Schuld vergeben ist« (Jes 40,2). Der Grund für das<br />
Gericht, das Israel getroffen hat, ist seine Sün<strong>de</strong>.<br />
Sün<strong>de</strong> kann aber nur durch Vergebung aus <strong>de</strong>r<br />
Welt geschafft wer<strong>de</strong>n. Wie dies geschieht, zeigt Jes<br />
53. So hat die Trostbotschaft letztlich mit <strong>de</strong>m Gottesknecht<br />
zu tun.<br />
Jesaja öffnet <strong>de</strong>n Horizont für »einen neuen Himmel<br />
und eine neue Er<strong>de</strong>«. Jesajadarstellung von<br />
Michelangelo (um 1510) in <strong>de</strong>r Sixtinischen Kapelle,<br />
Rom.<br />
4. Recht und Gerechtigkeit<br />
Die bei<strong>de</strong>n Begriffe »Recht« und »Gerechtigkeit«<br />
kommen im AT insgesamt sehr häufig vor. Bei<br />
Jesaja fin<strong>de</strong>n sie sich überdurchschnittlich oft. Was<br />
ist damit gemeint? Gott vermisst in Israel Recht<br />
und Gerechtigkeit (Jes 1,17; 21; 5,7). Er vermisst<br />
das richtige Han<strong>de</strong>ln, wie es sich für Gottes Volk<br />
gehört, das sich an Gottes Wort und Willen orientieren<br />
sollte. Gedacht ist vor allem an <strong>de</strong>n Umgang<br />
mit <strong>de</strong>m Nächsten. Insbeson<strong>de</strong>re wird das Verhalten<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Schwachen <strong>de</strong>r Gesellschaft angeprangert<br />
(Jes 1,17; 5,8–24). Die Konsequenz für<br />
fehlen<strong>de</strong>s Recht und Gerechtigkeit ist das Gericht<br />
(Jes 5,5–6).<br />
Während Jesaja 40–55 <strong>de</strong>n Trost und das neue<br />
Heil für Israel in <strong>de</strong>n Mittelpunkt stellt, greift Jesaja<br />
56–66 wie<strong>de</strong>r stärker auf die Thematik von<br />
Recht und Gerechtigkeit zurück und knüpft damit<br />
an die ersten Kapitel von Jesaja an. Gleich im ersten<br />
Vers wird dies <strong>de</strong>utlich: »So spricht <strong>de</strong>r HERR:<br />
Wahret das Recht und übt Gerechtigkeit; <strong>de</strong>nn<br />
mein Heil ist nahe, dass es komme, und meine Gerechtigkeit,<br />
dass sie offenbart wer<strong>de</strong>« (Jes 56,1).<br />
Das rechte Verhalten bzw. das Auf<strong>de</strong>cken von falschem<br />
Verhalten wird erneut thematisiert, etwa im<br />
Abschnitt über das falsche und rechte Fasten (Jes<br />
58). Allerdings dominiert auch in Jesaja 56–66 die<br />
Ankündigung <strong>de</strong>s Heils, wobei <strong>de</strong>utlich wird, dass<br />
Gottes Heil trotz Israels Sün<strong>de</strong> kommt (vgl. Jes<br />
57,14–21).<br />
Beim Thema Recht und Gerechtigkeit darf man<br />
allerdings nicht bei <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r beim Aufweis<br />
<strong>de</strong>r Schuld stehen bleiben. Jesaja verkündigt<br />
<strong>de</strong>n Einen, <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Messias, <strong>de</strong>r Recht<br />
und Gerechtigkeit ausüben wird (Jes 9,6). Er ist die<br />
Hoffnung, dass Recht und Gerechtigkeit einmal<br />
umfassend gelebt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Pfarrer Hartmut Schmid, Tübingen<br />
Studienleiter am Albrecht-Bengel-Haus