der mythos nakba - DIG | Deutsch-Israelische Gesellschaft Stuttgart ...
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Anhang: „Nakba“ - wie eine Ausstellung Geschichte verfälscht<br />
„Nakba“ - Wie eine Ausstellung Geschichte verfälscht<br />
Die seit Jahren durch <strong>Deutsch</strong>land ziehende geschichtsrevisionistische<br />
Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung<br />
<strong>der</strong> Palästinenser 1948“ macht jüdische Opfer<br />
zu Tätern. Mo<strong>der</strong>n denkenden, freiheitsliebenden Palästinensern<br />
ist sie keine Hilfe.<br />
Würden <strong>der</strong> Bund <strong>der</strong> Vertriebenen o<strong>der</strong> die NPD mit<br />
einer Ausstellung auf Tournee gehen, <strong>der</strong>en Inhalt darin bestünde,<br />
tränenreich das Schicksal deutscher Heimatvertriebener<br />
sowie akribisch gesammelte Verfehlungen <strong>der</strong> Anti-<br />
Hitler-Koalition anzuprangern – <strong>der</strong> Skandal wäre perfekt.<br />
Die ab 1. Mai 2013 auf dem Evangelischen Kirchentag in<br />
Hamburg zu sehende und dann wie<strong>der</strong> einmal durch das<br />
Land ziehende „Nakba“-Ausstellung verfährt ähnlich, sie<br />
idealisiert zudem nationalsozialistisch unterstützte Judenpogrome,<br />
sie verfälscht Quellen, vor allem aber verschweigt<br />
sie die Ziele und Interessen <strong>der</strong> Konfliktparteien im Nahen<br />
Osten.<br />
Einen Tag nach <strong>der</strong> Gründung Israels überfielen die Armeen<br />
von fünf arabischen Staaten das Land in <strong>der</strong> erklärten Absicht,<br />
es zu zerstören. Schon in den Jahrzehnten zuvor war es immer<br />
wie<strong>der</strong> zu antisemitischen Pogromen gekommen. Doch die<br />
Ausstellung stellt die Zionisten als die Aggressoren dar. Eine<br />
Karte auf <strong>der</strong> Schautafel zum „Israelisch-Arabischen Krieg“<br />
zeigt Angriffspfeile ausschließlich aus den Regionen des jungen<br />
jüdischen Staates.<br />
Rechte<br />
Stets ist von „ethnischen Säuberungen« und »Vertreibungen“<br />
die Rede, nicht ins Konzept passt folglich ein Hinweis darauf,<br />
dass heute etwa 20 Prozent <strong>der</strong> Israelis Araber sind, die dort<br />
weit mehr staatsbürgerliche Rechte genießen als Palästinenser<br />
in allen arabisch regierten Staaten, und dass es an<strong>der</strong>erseits<br />
für Juden sogar lebensgefährlich sein kann, sich in die Gebiete<br />
<strong>der</strong> Palästinensischen Autonomie zu verirren.<br />
Der hinter <strong>der</strong> Ausstellung stehende „Verein Flüchtlingskin<strong>der</strong><br />
im Libanon e.V.“ täte gut daran, die in <strong>der</strong> Tat katastrophale<br />
Lage <strong>der</strong> Palästinenser beispielsweise im Libanon zu<br />
skandalisieren, wo sie an<strong>der</strong>s als in Israel kein Wahlrecht haben,<br />
keine Immobilien erwerben und zahlreiche Berufe nicht<br />
ausüben dürfen.<br />
Gaza, so heißt es in <strong>der</strong> Ausstellung, komme „einem großen<br />
Gefängnis gleich, dessen Land-, Luft- und Seegrenzen von<br />
Israel kontrolliert werden“. Ein Blick auf die Landkarte hätte<br />
indes gezeigt, dass <strong>der</strong> Gazastreifen eine weitere Landgrenze<br />
hat: zu Ägypten, das insoweit auch die Kontrolle ausübt.<br />
Quellen<br />
Haarsträubend auch die Quellenarbeit: Dass ein Anlass<br />
zur Flucht <strong>der</strong> Araber auch „Aufrufe seitens <strong>der</strong> arabischen<br />
Führer“ waren, sei wi<strong>der</strong>legt, liest man auf Tafel 5. Im Ausstellungskatalog<br />
wird als Beleg dafür das von Michael<br />
Wolffsohn und Friedrich Schreiber verfasste Werk Nahost.<br />
Geschichte und Struktur des Konflikts genannt. Dort jedoch<br />
findet sich im Gegenteil <strong>der</strong> Satz „Lokale Führer rieten zur<br />
Flucht, die – bis zum arabischen Endsieg – nur von kurzer<br />
Dauer sein sollte.“ Lediglich an entsprechende Radioaufrufe<br />
von höchster Stelle glauben die Autoren nicht.<br />
Verschwiegen wird zudem, dass es auch auf jüdischer<br />
Seite Flüchtlinge in etwa gleicher Größenordnung gab.<br />
Dass Hun<strong>der</strong>ttausende von Juden – in <strong>der</strong> Regel unter Zurücklassung<br />
ihres Vermögens – nach Ausrufung des Staates<br />
Israel ihre arabischen Heimatlän<strong>der</strong> verließen, geschah keineswegs<br />
freiwillig, son<strong>der</strong>n war meist Folge <strong>der</strong> Verschärfung<br />
ihrer Diskriminierung und allzu oft auch handfester Pogrome.<br />
Eine Ausstellung zu diesem vergessenen Exodus sucht man<br />
in ganz <strong>Deutsch</strong>land vergeblich. Arabische Län<strong>der</strong> entzogen<br />
den Juden massenhaft die Staatsbürgerschaft, konfiszierten<br />
ihre Konten und verhafteten sie – vor allem in Ägypten und im<br />
Irak – wegen angeblicher Propagierung des Zionismus o<strong>der</strong><br />
des Kommunismus. Was im Nahen Osten stattfand, war also<br />
de facto ein Bevölkerungsaustausch.<br />
Die jüdische Einwan<strong>der</strong>ung habe für die arabisch-palästinensische<br />
Bevölkerung „das drohende Ende <strong>der</strong> Aussicht auf<br />
nationale Selbstbestimmung“ bedeutet, heißt es auch in <strong>der</strong><br />
Ausstellung.<br />
Doch es waren nicht das Osmanische Reich, nicht England,<br />
nicht Jordanien während seiner Annexion <strong>der</strong> Westbank o<strong>der</strong><br />
Ägypten zur Zeit seiner Besetzung des Gazastreifens, die einer<br />
palästinensischen Staatsgründung eine Chance gaben, son<strong>der</strong>n<br />
es ist Israel.<br />
Sehnsucht<br />
Wobei sich die Frage stellt, ob man den Palästinensern angesichts<br />
<strong>der</strong> autoritären Regime <strong>der</strong> Hamas und <strong>der</strong> PLO<br />
zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirklich einen eigenen Staat<br />
wünschen soll, denn, wie Max Horkheimer formulierte, „die<br />
Souveränität eines Landes ist etwas an<strong>der</strong>es als die Freiheit<br />
<strong>der</strong>er, die in ihm leben“. Doch individuelle Freiheit ist<br />
die Sache <strong>der</strong> Ausstellungsmacher nicht, sie beschwören<br />
die ewige „Sehnsucht nach <strong>der</strong> verlorenen Heimat“. Diese<br />
Sehnsucht wird lei<strong>der</strong> auch von den Vereinten Nationen am<br />
Leben erhalten, laut <strong>der</strong>en Statuten – an<strong>der</strong>s als bei allen<br />
an<strong>der</strong>en Flüchtlingen – <strong>der</strong> palästinensische Flüchtlingsstatus<br />
vererblich ist; eine Einglie<strong>der</strong>ung in die Fluchtlän<strong>der</strong><br />
wird nicht angestrebt.<br />
Kaum ein Abschnitt <strong>der</strong> Ausstellung ist objektiv. Die Rolle<br />
des berüchtigten Muftis von Jerusalem etwa fehlt vollständig.<br />
Bevor dieser glühende Antisemit und Freund Heinrich<br />
Himmlers von Berlin aus die Mentorenschaft über die muslimischen<br />
SS-Divisionen übernahm, hatte er 1936 den „Arabischen<br />
Aufstand“ in Palästina organisiert, <strong>der</strong> nach seiner<br />
eigenen Aussage ohne Finanzierung durch das NS-Regime<br />
nicht hätte durchgeführt werden können. Die antisemitischen<br />
Ausschreitungen in <strong>der</strong> Region kosteten mehreren<br />
Hun<strong>der</strong>t Juden das Leben. In <strong>der</strong> „Nakba“-Ausstellung aber<br />
wird dieser Aufstand – wie schon in <strong>der</strong> zeitgenössischen<br />
NS-Literatur – als „palästinensisch-arabischer Wi<strong>der</strong>stand“<br />
verklärt.<br />
Es wird Zeit, dass die Stiftung Entwicklungszusammenarbeit<br />
Baden-Württemberg und <strong>der</strong> Evangelische Entwicklungsdienst<br />
ihre Unterstützung <strong>der</strong> „Nakba“-Ausstellung einstellen.<br />
Mit ihrem geschichtsrevisionistischen Heimatvertriebenenkult<br />
ist sie we<strong>der</strong> ein Beitrag zum Frieden noch eine Hilfe für mo<strong>der</strong>n<br />
denkende Palästinenser.<br />
Der Autor Tilman Tarach ist Verfasser eines Buches über<br />
den Nahostkonflikt: „Der ewige Sündenbock“ (Freiburg<br />
2011). Der Artikel ist zuerst erschienen in <strong>der</strong> Jüdischen<br />
Allgemeinen vom 25.4.2013<br />
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15777<br />
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