07.01.2014 Aufrufe

Abklärung von Kindesmisshandlung - Hauner Journal

Abklärung von Kindesmisshandlung - Hauner Journal

Abklärung von Kindesmisshandlung - Hauner Journal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Dr. <strong>von</strong> Hau nersche s K i nderspit a l |<br />

tiert. So wird eine ausführliche Diagnostik zum<br />

Ausschluss <strong>von</strong> somatischen Ursachen – auch<br />

die Untersuchung durch die Rechtsmediziner!<br />

– ebenso besprochen wie die ausführliche Diagnostik<br />

zur Erfassung des psychischen und sozialen<br />

Befundes. Die einzelnen Aufgaben werden<br />

an die zuständigen Professionen verteilt.<br />

KRIminalpolIZei<br />

Erscheint es der Kinderschutzgruppe zum<br />

jetzigen Zeitpunkt sinnvoll und sprechen die<br />

Befunde dafür, wird zeitnah die Einschaltung der<br />

Kriminalpolizei veranlasst und die strafrechtliche<br />

Ermittlung beginnt. Die Beamten in Zivil<br />

kommen sowohl in die Kinderklinik und führen<br />

ihre Befragungen der Eltern, des Kindes und/<br />

oder des Klinikpersonals durch als auch zu den<br />

Familien in die Wohnung, um den 'Unfallort'<br />

zu besichtigen, Messungen durchzuführen oder<br />

Angaben auch durch Fotos zu dokumentieren.<br />

Eine Meldung an die Polizei liegt im Ermessensspielraum<br />

der Klinik und wird nicht in jedem<br />

Fall vollzogen.<br />

SoZIAle Anamnese<br />

Die Aufgabe des Sozialdienstes ist es unter<br />

anderem mit den Eltern eine soziale Anamnese<br />

zu erheben. Diese Gespräche führe ich entweder<br />

alleine oder gemeinsam mit meiner/m<br />

Kollegin/en vom Konsilar- und Liasondienst,<br />

Abt. pädiatrische Kinderpsychosomatik und<br />

-psychotherapie. In seltenen Fällen sind beide<br />

Eltern anwesend. Meist sprechen wir mit beiden<br />

Elternteilen getrennt.<br />

Diese Vorgehensweise lässt Widersprüche<br />

oder Übereinstimmungen der Eltern auf das<br />

Kind erkennen. Unstimmigkeiten im Erziehungsverhalten,<br />

unangemessene oder überhöhte<br />

Erwartungen an das Kind oder Vorstellungen<br />

vom Kind können dadurch deutlich werden. Die<br />

Eltern beschreiben den Entwicklungsstand, das<br />

Verhalten und sprechen auch über Probleme mit<br />

dem Kind. So ist z. B. ein Frühchen häufig krank<br />

oder hat eine Behinderung. Sie reden über das<br />

Temperament ihres Kindes, das beispielsweise<br />

ein schwieriges, stures, häufig schreiendes,<br />

unruhiges und sehr aktives ist. Oder es wird ein<br />

'pflegeleichtes', liebes, ruhiges Kind beschrieben.<br />

Meine Absicht dabei ist, zu erfahren, wie die<br />

Eltern Entwicklung oder Verhalten ihres Kindes<br />

einschätzen und wie sie mit Belastungen umgehen.<br />

Bemerkungen wie, 'es schreit absichtlich,<br />

nur um mich zu ärgern' oder 'es kann schon<br />

stehen', obwohl es erst 6 Monate alt ist, lassen<br />

mich sehr hellhörig werden. Zur Beurteilung<br />

<strong>von</strong> körperlicher Misshandlung spielt es eine<br />

wichtige Rolle, wie Familien mit Konfliktsituationen<br />

im Alltag umgehen. Das betrifft Disziplin,<br />

das Setzen <strong>von</strong> Grenzen, Treffen <strong>von</strong> Entscheidungen.<br />

Sehr unterschiedliche Konfliktlösungen<br />

werden <strong>von</strong> den Eltern benannt, auch sozial<br />

unerwünschte, wie z. B. körperliche Bestrafung.<br />

In den Gesprächen ist häufig spürbar, wie<br />

belastet die Eltern sind oder wie überfordert sie<br />

sich mit dem Kind fühlen. Von manchen Eltern<br />

wird das direkt angesprochen – andere Eltern<br />

berichten genau das Gegenteil.<br />

Weiterer Inhalt dieser anamnestischen Erhebungen<br />

ist die Lebenssituation und das Lebensumfeld<br />

der Familie. Da fallen psychosoziale<br />

Risikofaktoren ins Auge: - sehr junge Mutter, wie<br />

im genannten Fallbeispiel; alleinerziehend; das<br />

dritte Kind vom dritten Lebenspartner; ungewolltes<br />

Kind. Bemerkungen, wie: „…das Kind<br />

ist genauso wie mein Partner, <strong>von</strong> dem ich mich<br />

getrennt habe,“ lassen meines Erachtens Rückschlüsse<br />

auf eine mögliche Wertschätzung des<br />

Kindes zu.<br />

Die Frage, ob es Verwandte, Freunde oder<br />

Bekannte gibt, die unterstützen können, macht<br />

offensichtlich, ob die Familie isoliert lebt und<br />

kann auf mangelnde soziale Integration und<br />

Unterstützung hinweisen. Durch weitere Nachfragen<br />

werden häufig beengte Wohnverhältnisse,<br />

Armut oder Arbeitslosigkeit sichtbar.<br />

Weitere Risikofaktoren können in der Vorgeschichte<br />

der Eltern liegen. Ich benenne hier nur<br />

einige: Eigene Heimerfahrungen, 'broken home',<br />

elterliche Partnerkonflikte, psychische oder psychiatrische<br />

Störungen, Sucht, eigene Gewalt- und<br />

Missbrauchserfahrungen, etc.<br />

Im weiteren Verlauf des stationären Aufenthaltes<br />

folgen vertiefende Anamnesegespräche.<br />

Die Informationen aus der Anamnese werden<br />

durch Beobachten oder durch die psychologische<br />

Diagnostik des Kindes oder des Elternteils während<br />

des stationären Aufenthaltes vom Pflegepersonal<br />

bzw. <strong>von</strong> der Psychologin fortlaufend<br />

überprüft und/oder verifiziert.<br />

Ziel der Anamnese ist die Datensammlung.<br />

Außerdem können aus den Inhalten Rückschlüsse<br />

auf ein erhöhtes Risiko auf Misshandlung<br />

gezogen oder auch entkräftet werden und bieten<br />

unter anderem neben den somatischen Befunden,<br />

die Grundlage für die Beurteilung des Verdachtes<br />

auf Misshandlung.<br />

Wann Belastungsfaktoren zu Risikofaktoren<br />

werden, ergibt sich aus der individuellen Situation<br />

des Kindes in seinem sozialen Umfeld.<br />

Cave: Diese Risikofaktoren müssen nicht<br />

zwangsläufig / automatisch zu Misshandlungen<br />

führen! Je mehr Faktoren zusammentreffen,<br />

desto größer die Wahrscheinlichkeit der <strong>Kindesmisshandlung</strong>!<br />

KoopeRATIonspARTner<br />

Während des <strong>Abklärung</strong>sprozesses des Verdachtes<br />

<strong>von</strong> <strong>Kindesmisshandlung</strong> gehören neben<br />

dem multiprofessionellen Team der Kinderklinik<br />

auch externe Kooperationspartner dazu. Diese<br />

werden der Kinderklinik in der Regel <strong>von</strong> den

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!