SN-11 - HOG Schäßburg eV
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14 <strong>Schäßburg</strong>er Nachrichten<br />
30. Juni 1999<br />
Gedanken anläßlich der Reise<br />
zur Neueinweihung<br />
der Bergkirehe in <strong>Schäßburg</strong><br />
Nach einer fünf jährigen RenoYierungszeit fand am 24. April<br />
1999 die Neueinweihung der Bergkirche in <strong>Schäßburg</strong> statt.<br />
In einem ökumenischen Gottesdienst \\"Urde die Kirche von<br />
dem evangelischen Landesbischof und orthodoxen, griechischkatholischen,<br />
römisch-katholischen, reformierten, unitarischen<br />
Geistlichen gesegnet. Jeder sprach den Segen in seiner<br />
Sprache.<br />
Ein ökumenisches Ereignis und - wie zu hoffen ist -<br />
großer Tragweite.<br />
von<br />
Auch unter den sehr zahlreichen Kirchenbesuchern hörte man<br />
alle Sprachen Siebenbürgens: rumänisch, ungarisch, deutsch,<br />
sächsisch. Die Besucher waren gleichermaßen beeindruckt und<br />
ergriffen. Ehrfurchtsvoll sagte mir ein mir fremder Rumäne:<br />
"astazi s-a sfintit biserica voastra".<br />
Auch der rumänische Kulturrninister nahm an der Feier teil<br />
und hielt eine engagierte Ansprache. Er ist bekaMt für seinen<br />
Die Ökumene im Gestühl der Bergkirche. Vertreter von sechs Glaubensgemeinschaften<br />
gestalteten den Festgottesdienst.<br />
Foto: Herbert Letz<br />
Einsatz für die siebenbürgischen Kulturdenkmäler und besonders<br />
für Hermannstadt. Grund genug, einige Überlegungen<br />
festzuhalten :<br />
Wir Siebenbürger Sachsen - oder zumindest der Großteil von<br />
uns - haben Siebenbürgen und all das, was unsere Vorfahren<br />
geschaffen haben, yerlassen. Die 1\Iotive. die zum Exodus<br />
führten, sind bekannt und lassen sich wahrlich nicht nur auf die<br />
plumpe Suche nach materiellen Vorteilen oder auf eine aus<br />
dem Westen geschürte Endzeitstimmung reduzieren.<br />
Einige sind in Siebenbürgen geblieben: alte, arme, kranke und<br />
wenige, aber höchst motiyierte Menschen, die sich vielleicht<br />
nie so engagiert hätten, wenn v.'ir da geblieben wären. Nun<br />
bewirken sie Erstaunliches. Schon die Gestaltung der Wiedereinweihungsfeier<br />
der renoYierten Bergkirche, in der die Ökumene<br />
so dicht erlebt werden konnte, wie hier bei uns in<br />
Deutschland v:ohl kaum, zeugt von ihrem Einsatz.<br />
Es ist verständlich, daß die bauliche Instandsetzung der Bergkirche<br />
ohne Hilfe ,-on außen, d. h. von der Messerschmitt-Stiftung<br />
und dem selbstlosen und kompetenten Einsatz in<br />
Deutschland lebender Siebenbürger und <strong>Schäßburg</strong>er nicht<br />
hätte realisiert v:erden können.<br />
Dies alles ist in einer Denkv.'eise begründet, die sich Gott sei<br />
Dank immer mehr bei unseren Landsleuten durchzusetzen<br />
scheint:<br />
Wrr haben in unserer Heimat Kulturgüter zurückgelassen, die<br />
in ihrer Art einmalig sind. Vor dem Exodus waren diese Kulturgüter<br />
Teil des Lebens unserer Gemeinschaft, und wir waren<br />
selbstverständlich für ihren Erhalt verantwortlich.<br />
Nun leben die meisten Siebenbürger Sachsen nicht mehr vor<br />
Ort, und es stellt sich die Frage, wie wir dieser Verantwortung<br />
gerecht werden und die zurückgelassenen Schätze nach Kräften<br />
vor Untergang und Vergessenheit bewahren können.<br />
Um dies zu erreichen, ist natürlich die tatkräftige Hilfe bei<br />
Renovierungsarbeiten und Instandhaltungen, sowie die Erstellung<br />
von Dokumentationen unter Zuhilfenahme von moderner<br />
Technik unabdingbar.<br />
Aber genau so wichtig ist, daß alle diese Arbeiten unter möglichst<br />
großer rumänischer Beteiligung ablaufen sollten. Wenn<br />
sich Rumänen in Zukunft immer mehr für unsere Hinterlassenschaft<br />
interessieren und engagieren, werden sie von<br />
falschen Geschichtsklischees mehr und mehr abrücken (so<br />
auch in <strong>Schäßburg</strong>) und die Geschichte nüchtern sehen, so wie<br />
sie ernsthafte Forschung zutage fördett. Dahingehende Tendenzen<br />
sind zur Zeit nicht nur in Polen erkennbar,<br />
sondern auch in den Publikationen des rumänischen<br />
Historikers Lucian Boia.<br />
Besonders die jüngere Generation wird an der Wahrheit<br />
und nicht an Geschichtsklitterung interessiert<br />
sein.<br />
Wir müssen uns auch im klaren sein, daß wir als<br />
Generation der Ausgewanderten, die noch mit ihrem<br />
Herzblut an Siebenbürgen hängt, in absehbarer Zeit<br />
abgelöst werden von folgenden Generationen, die in<br />
einer anderen Welt aufgewachsen sind und leben.<br />
Deren Bindungen an Siebenbürgen werden daher<br />
anders sein als Bindungen, die durch direktes Erleben<br />
entstehen.<br />
Brauchtumspflege, Pflege der Sprache und<br />
Geschichte in der Diaspora sind wichtig. Aber wir<br />
sollten daran interessiert sein, daß sich in Siebenbürgen<br />
Menschen finden, die das hinterlassene kul-<br />
turelle Erbe annehmen und sich damit identifizieren<br />
können. Nur so besteht die Möglichkeit, diesem Anliegen für<br />
die Zukunft eine Chance zu sichern.<br />
Auch weM es manchem, der sich lieber in alten Denkweisen<br />
bewegt, schwer fallt, sich vorzustellen, daß in vielen ehemals<br />
Die Gospelsänger mit Chorleiter Teo Halmen in der Klosterkirche.<br />
Foto: Jürgen '_on Steinburg