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Zwischen „Überlebendensyndrom“ und Kolonisierung? - auf der ...

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2) Das Wesen <strong>der</strong> Therapie nach HÖCK, die im Rahmen <strong>der</strong> Prozesse nach <strong>der</strong> Wende westlichen<br />

Journalisten als System sprengendes „Trojanisches Pferd“ angedient wurde, als Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Psychoanalyse in <strong>der</strong> DDR unter dem Titel <strong>der</strong> Dynamisch-Intendierten Therapie (vgl. Berentzen<br />

1990, Haller 1990), ist die gezielte Frustration von Hilfesuchenden, die dadurch gezwungen<br />

werden, in einer Gruppe, in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Therapeut ihnen verweigert, sich selbst<br />

zusammenzuschließen (vgl. auch MAAZ selbst 1990 a, Kap.VI, sowie im SPIEGEL 1990 b, S.<br />

218). Dieser Prozeß hat Opfer: Eine Reihe von PatientInnen steigen aus <strong>der</strong> Therapie aus (vgl. die<br />

ausführliche Fallberichterstattung über den Verl<strong>auf</strong> einer Psychotherapiegruppe in den<br />

„Psychotherapie-Berichten“, Hrsg. K. Höck, 10/82 bis 30/85). Mit Psychoanalyse in dem Sinne,<br />

wie BETTELHEIM (1986) FREUD als Motto aus einem Brief an C.G. JUNG zitiert, hat die<br />

HÖCKsche Therapie wenig zu tun. FREUD damals: „Psychoanalyse ist eigentlich eine Heilung<br />

durch Liebe“. In theoretischer Hinsicht bleibt <strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> Dynamisch-Intendierten<br />

Gruppenpsychotherapie relativ prinzipienloser Eklektizismus, wie sich durch einen Blick in die gut<br />

zugängliche gr<strong>und</strong>legende Arbeit von HÖCK (1981) zur Konzeption dieses Verfahrens feststellen<br />

lässt. Dies hat es allerdings mit vielen Therapieverfahren gemeinsam.<br />

MAAZ selbst schil<strong>der</strong>t, wie <strong>der</strong> Therapeut durch Verweigerung im ersten Schritt Aggressionen <strong>auf</strong><br />

sich zieht, die dann an einem Symbol des Therapeuten, einem lumpengefüllten Sack abreagiert<br />

werden. „Der Sack wurde geschlagen, getreten, gezerrt, gewürgt, gedrosselt, <strong>auf</strong> den Boden <strong>und</strong><br />

gegen die Wand geschleu<strong>der</strong>t <strong>und</strong> manchmal auch angegriffen, <strong>auf</strong>geschlitzt <strong>und</strong> zerfetzt, bis alle<br />

Lumpen „ausgeweidet“ waren!“ (1990 a, S. 209). Die Metaphorik so weit zu treiben, dass <strong>der</strong> Sack<br />

aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> KlientInnen für einen „Lumpen“ von Therapeut steht, <strong>der</strong> Menschen, die Hilfe<br />

suchen, durch Hilfeverweigerung in ihrer Würde verletzt, kommt MAAZ nicht in den Sinn. Er<br />

gebraucht mit <strong>der</strong> HÖCKschen Therapie als Methode jedoch Mittel, die dem Ziel entgegengesetzt<br />

sind, das er propagiert. Er verhält sich hier unter dem Mantel des vorm<strong>und</strong>schaftlichen<br />

Verhältnisses, das sein Fre<strong>und</strong> Rolf HENRICH scharf <strong>und</strong> geißelnd kritisiert hat, teilweise genauso,<br />

wie er es an<strong>der</strong>erseits dem Staat vorwirft.<br />

Bleibt also nichts von <strong>der</strong> Analyse MAAZens? Im Gegenteil. Das Buch ist ein wichtiges Dokument<br />

des Versuchs des subjektiven Umgangs mit einer Welt, in <strong>der</strong> nicht nur mit dem Kommunismus<br />

eine Religion verloren wurde (z.T. lange vor <strong>der</strong> Wende) <strong>und</strong> wir gottlos zu werden drohen. Viel<br />

schlimmer, so Wolf BIERMANN, wo wir bedroht sind : „menschenlos zu werden <strong>und</strong> in den<br />

Zynismus abkippen“ (1990 S. 62). Und was MAAZ in dieser Beziehung an Persönlichem<br />

<strong>auf</strong>gedeckt hat, verdient die sorgfältigste Beachtung <strong>und</strong> Untersuchung.<br />

Ich versuche nun die zweite Ebene seiner Botschaft zu dechiffrieren <strong>und</strong> erneut zu kritisieren.<br />

Während die erste Ebene mit „Gefühlsstau“ <strong>und</strong> „Mangelsyndrom“ beschrieben ist, leuchtet die<br />

zweite Ebene in <strong>der</strong> dem Volksm<strong>und</strong> zugeschriebenen Passage <strong>auf</strong>, die DDR sei das „größte<br />

deutsche KZ“ (1990 a S. 140). Drückt das, was MAAZ schreibt, nicht jene Kränkung durch die<br />

totale Institution, möglicherweise des KZs aus, die erst sichtbar wird, wenn die Grenzen sich<br />

öffnen. Ist nicht <strong>der</strong> „Durchbruch <strong>der</strong> Neurose“ in <strong>der</strong> Wende, die kathartische Entladung des<br />

Gefühlsstaus beim Öffnen <strong>der</strong> Westgrenzen jene Überaktivierungsphase, die wir bei Opfern von<br />

KZ-Haft o<strong>der</strong> vergleichbaren Situationen in totalen Institutionen finden. Denkt MAAZ<br />

möglicherweise hier zu Recht in <strong>der</strong> Tradition von Ernst FEDERN (1946, publiziert 1989) zu einer<br />

Psychologie des Terrors?<br />

1.2 Psychische Befindlichkeit als Überlebendensyndrom? O<strong>der</strong>: DDR-Bürger<br />

als Insassen einer totalen Institution

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