Dokument_1.pdf (603 KB) - OPUS Würzburg - Universität Würzburg
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Was vom europäischen Projekt übrigbleibt… 11<br />
Mitgliedstaaten Kräfte der Desintegration und mithin des Zerfalls der EU freisetzt, wird an<br />
späterer Stelle diskutiert (vgl. Punkt 4).<br />
2.3 Eurorettung und EU-Institutionen: Mehr Intergouvernementalismus<br />
Mit dem neuen Lenkungsgremium der Eurozone ist eine weitere Dimension der Veränderungen<br />
im EU-Gefüge angesprochen, die durch die gemeinsamen Anstrengungen zur Rettung der<br />
Währungsunion angestoßen wurden, und die ebenfalls als Kollateralschaden der Euro-Rettung<br />
gewertet werden muss: So ist letzthin eine Aufwertung der intergouvernementalen Entscheidungsmethode<br />
erfolgt, die mit einer latenten Abwertung der supranationalen Ebene in der EU<br />
verknüpft ist. Unter Intergouvernementalismus wird eine Integrationsmethode verstanden, die<br />
weitgehend auf der Zusammenarbeit und gemeinsamen Führungs- und Beschlussarbeit der<br />
EU-Mitgliedstaaten, insbesondere ihrer Staats- und Regierungschefs beruht (zur theoretischen<br />
Fundierung des Intergouvernementalismus vgl. Bieling/Lerch 2006, S. 91–116; Rüger 2012,<br />
S. 110–113). Diese Integrationsmethode ist von der sog. Gemeinschaftsmethode zu unterscheiden,<br />
die im Rahmen des institutionellen Dreiecks der EU unter präzisen Vorgaben der<br />
Verträge Kompetenzen ausübt und Politik gestaltet. Die Tatsache, dass Rat und Europäischer<br />
Rat im Geltungsbereich der Gemeinschaftsmethode inhärenter Bestandteil des institutionellen<br />
Dreiecks der EU sind und dort (lediglich) das intergouvernementale „Element“, nicht aber die<br />
intergouvernementale „Methode“ verkörpern, wird oft verkannt und führt zu vielfältigen<br />
Verwirrungen.<br />
Zuletzt wurde im Lissabon-Vertrag eine neue Machtbalance im institutionellen Dreieck<br />
der EU gefunden mit einer beträchtlichen Aufwertung des Europäischen Parlaments einerseits,<br />
das im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gemäß Art. 289 sowie 294<br />
AEUV nun als dem Rat gleichberechtigter Gesetzgeber fungiert, und andererseits dem Bedeutungszuwachs,<br />
den der Europäische Rat im Allgemeinen und insbesondere durch die Schaffung<br />
des neuen Amtes des ständigen Präsidenten dieses Gremiums erfahren hat (vgl. Art 15<br />
EUV). Seit Lissabon aber haben sich – krisenbedingt – bereits wieder Neuerungen ergeben,<br />
die in der Tendenz mehr Intergouvernementalismus bedeuten. Um Missverständnissen vorzubeugen:<br />
Die jüngsten Verschiebungen in der institutionellen Machtbalance sind zum einen<br />
nicht per Vertragsreform für die gesamte EU erfolgt, sondern haben sich durch verschiedene<br />
Beschlüsse des Europäischen Rats auf Ebenen unterhalb des Primärrechts ergeben. Und zweitens<br />
beziehen sie sich – wie im Falle des VSKS nebst Fiskalpakt und des Euro-Plus-Paktes –<br />
vorrangig auf die Euro-Zone. Das Beispiel des VSKS veranschaulicht aber deutlich die Gefahr,<br />
dass Reformunfähigkeit in der Gesamt-EU zu Abkommen außerhalb dieses Rahmens in<br />
Form zwischenstaatlicher Verträge führt, was zwangsläufig den Intergouvernementalismus<br />
weiter aufwertet.<br />
Woran konkret lässt sich der hier unterstellte Trend zu mehr Intergouvernementalismus<br />
festmachen? An erster Stelle ist hier das bereits erwähnte neue Format der Euro-Gipfel zu<br />
nennen; hierzu heißt es in Art. 12 des Fiskalpaktes: „Die Staats- und Regierungschefs der