BSR - Die Reise der Bratwurst
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Am Anfang stehen die Reste. <strong>Die</strong> Party war lang, Grillen vor<br />
Sonnenuntergangskulisse. Nach und nach kamen die Gäste.<br />
Um acht glühte die Kohle, um neun glimmte sie noch. Und als<br />
um zehn Uhr einige Nachzügler noch den Rost mit Rippchen<br />
und Nürnberger Rostbratwürstchen bestückten, kam ich zu<br />
spät, um „Stopp!“ zu rufen. Den Rest erledigte eines <strong>der</strong> berüchtigten<br />
Berliner Sommergewitter. Als wir wie<strong>der</strong> aus unserem<br />
Unterstand herauskamen, lagen die Rippchen im Gras und die<br />
Bratwürstchen in <strong>der</strong> aufgeschwemmten Kohle. Wir machten<br />
uns nichts draus. <strong>Die</strong> Party ging weiter. Erst am nächsten Morgen<br />
räumte ich auf: Nicht verwertbare Reste zum Hausmüll, und<br />
was bio war, kommt in einen kleinen Plastikeimer.<br />
Es ist sehr viel gutes Essen, das ich wegschmeißen muss. Mir<br />
tut es ein bisschen weh, weil ich Lebensmittel gern mag. Schon<br />
im Supermarkt achte ich darauf, nur das beste Gemüse und nie<br />
das billigste Fleisch zu kaufen. Meine Mutter ist Fleischereifachverkäuferin:<br />
Ich habe schon als Kind gelernt, was Qualität<br />
ist. Wenn ich dann am Herd stehe, passe ich darauf auf, dass<br />
ich auch die letzten Reste in irgendeiner Form aufbraten o<strong>der</strong><br />
überbacken kann. Umso mehr interessiert mich, was mit meinen<br />
Lebensmittelresten passiert, wenn sie meine Küche verlassen.<br />
Wird daraus einfach Kompost? O<strong>der</strong> Dünger?<br />
Mit spitzen Fingern öffne ich den Deckel <strong>der</strong> Biotonne. Es ist<br />
Hochsommer, tagsüber herrschen oft Temperaturen von über<br />
30 Grad. Beim Entleeren meines kleinen Eimerchens merke ich,<br />
dass ich so weit wie nur möglich von <strong>der</strong> in aller Stille gärenden<br />
Abfallsammlung meiner Hausgemeinschaft entfernt stehen<br />
möchte. <strong>Die</strong> Arme weit ausgestreckt, den Atem angehalten.<br />
Aus <strong>der</strong> Tonne stinkt es barbarisch: ein Duft, irgendwo zwischen<br />
zermatschten Äpfeln und überreifen Koteletts. <strong>Die</strong> meisten<br />
Menschen werfen ihren Bioabfall unverpackt in die Tonne.<br />
Ich verabrede mich mit Swen <strong>Die</strong>trich und Lutz Lämmerhirt, die<br />
ich frühmorgens am Betriebshof <strong>der</strong> Berliner Stadtreinigung<br />
in <strong>der</strong> Forckenbeckstraße treffe. Lämmerhirt fährt den Wagen<br />
durch die Waschanlage, tankt ihn auf. Von meinen Ekelgefühlen<br />
wollte ich ihnen zuerst nichts erzählen. Ich hatte Angst, dass<br />
mich die beiden nicht mehr für voll nehmen. Dann kommen<br />
wir doch ins Gespräch.<br />
Seit Jahren fahren die beiden täglich um sechs Uhr mit ihrem<br />
mo<strong>der</strong>nen Speziallaster in die Stadt hinaus, holen die Bio tonnen<br />
aus Kellern, Innenhöfen und Hauseingängen und kippen den<br />
Inhalt in den stählernen Rumpf ihres Müllwagens. Beide sagen,<br />
dass man sich mit <strong>der</strong> Zeit an den Geruch gewöhnt. Auf dem<br />
Armaturenbrett liegt zwischen diskusgroßen Schlüsselbunden<br />
eine Packung Minzkaugummis. Doch selbst in den dunkelsten<br />
Kellern und in den finstersten Ecken verziehen sie nicht eine<br />
Sekunde lang ihr Gesicht. Eher machen sie noch Witze. Sie nehmen<br />
ihren Job mit Humor. „Lustig wird’s, wenn die Tonne dann<br />
irgendwann flüssig wird“, sagt <strong>Die</strong>trich. Mir scheint, dass er jede<br />
Sauerei bereits erlebt hat, die ich mir nur ansatzweise vorstellen<br />
kann. Außerdem haben die beiden einen Tipp parat, wie <strong>der</strong><br />
Gestank zu vermeiden wäre: Ein paar Lagen Zeitungspapier, um<br />
die Fleisch- und Obstabfälle gewickelt, könnten dabei helfen,<br />
die Entsorgung hygienischer werden zu lassen.<br />
Probleme bereiten den beiden <strong>BSR</strong>-Angestellten an<strong>der</strong>e Dinge.<br />
„<strong>Die</strong> Straßen in Berlin sind so, wie sie sind. Aber die Autos<br />
sind in den Jahren größer geworden“, sagt Lämmerhirt, als<br />
er am Steuer des Lasters sitzt und durch Charlottenburg<br />
fährt. Es ist ein wohlhaben<strong>der</strong> Stadtteil, in <strong>der</strong> noble Familienkombis<br />
und SUVs auf den Parkplätzen vor den Häusern<br />
stehen. „Oft haben wir Probleme, mit den Tonnen durch die<br />
parkenden Autos zu unserem Wagen zu kommen.“ Schon<br />
die Planung einer Tour ist bei den vielen Einbahn straßen<br />
eine Herausfor<strong>der</strong>ung. „Ich fühle mich manchmal wie<br />
Pac-Man“, sagt Lämmerhirt. In schnellstmöglicher Zeit will<br />
er so viele Tonnen wie möglich einsammeln. Und so wie die<br />
Quadrate mampfende Videospielfigur auf Geister traf, die ihr<br />
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TrenntMagazin | 39