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Thermikfliegen Sonderheft Thermikfliegen Sonderheft (Vorschau)

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-<strong>Sonderheft</strong><br />

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<strong>Thermikfliegen</strong><br />

• Fakten zur Thermik<br />

• Wolken lesen<br />

• Thermik in den Alpen<br />

• Thermik im Flachland<br />

• Vögel und Thermik<br />

• Eine kleine Bodenkunde<br />

• Telemetrie und Thermik<br />

• Richtig zentrieren<br />

• Inversion<br />

• Thermik-Tipps von Profis<br />

• Thermik im Nebel<br />

• Starttechniken für Segler<br />

Alles zum Thema <strong>Thermikfliegen</strong><br />

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von Modell und elektroModell 1/2012.


Vorwort<br />

Unfassbar, aber wahr: Ich habe eine lange Beziehung<br />

zur Thermik. Hier sehen Sie mich Minuten vor einem<br />

meiner ersten ausgedehnten Thermikflüge, anno 1976<br />

– zugegeben, vom Gesichtsausdruck her war ich nicht<br />

wirklich begeistert. Die Begeisterung kommt mit der<br />

Erfahrung ...<br />

Liebe Leser,<br />

was ist nicht schon alles über Thermik geschrieben worden. Stapeln<br />

Sie alle Bücher übereinander, und Sie können bequem zu Fuß auf<br />

den Mond klettern!<br />

Und doch bringen wir vom Neckar-Verlag ein weiteres <strong>Sonderheft</strong> zur<br />

Thermik heraus? Gerade deswegen! Es richtet sich nicht allein an Einsteiger,<br />

nicht ausschließlich an Profis (die wissen erfahrungsgemäß eh alles<br />

besser!) – in diesem <strong>Sonderheft</strong> ist für jeden etwas dabei. Thermik ist für<br />

alle da.<br />

Sie kennen vielleicht meine zahlreichen Testberichte in Modell. Ich bin<br />

(nun ja, beinahe) kein Dogmatiker – ja, ich habe sogar ein paar Brushless-<br />

Motoren im Keller.<br />

Und doch: Für mich ist ein Flug mit einem „reinen“ Segler in der Thermik<br />

wie Urlaub, Entspannung pur. Dieses stille, lautlose Kreisen unter den<br />

Wolken, das leise Pfeifen der Klappen beim Abturnen der Höhe. Das ist ein<br />

herrliches Gefühl!<br />

Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich im letzten<br />

Jahrzehnt auf irgendwelchen Wiesen gesessen<br />

bin, den Himmel und die Wolkenentwicklung<br />

im Blick, einen Segler neben mir im Gras. Glauben<br />

Sie mir – so lässt es sich leben!<br />

An dieser Stelle mein Dank an alle Thermik-<br />

Päpste, -Gurus, Wettbewerbskollegen und alten<br />

Hasen, die mir in den letzten Jahren den Weg<br />

in die Thermik gezeigt haben – meist bin ich ja<br />

doch in die falsche Richtung eingekreist. Nobody<br />

is perfect ...<br />

Steigen Sie mit ein in dieses <strong>Sonderheft</strong> und<br />

in den nächsten Bart. Ich wünsche mir, dass auf<br />

den folgenden Seiten etwas von der Faszination<br />

Thermik auf Sie überspringt!<br />

Torsten Falk, im September 2012<br />

Thermik 2012<br />

5


Inhalt<br />

• Vorwort 5<br />

• Torsten Falk<br />

Wolken und Thermik<br />

Genau lessen, bitte! Eine<br />

unverschleierte Wolkenkunde 8<br />

• Thermik im Flachland<br />

Vom Bart-Hopping und bösem Saufen 12<br />

• Fünf Minuten Thermik to go!<br />

Nur heiße Luft? Was ist Thermik? 18<br />

6 Thermik 2012


• Kleine Onithologie für Modellflieger<br />

Diese Vögel bringen Sie nach oben 22<br />

• Kleine thermische Geländekunde<br />

Augen nach unten! Der Boden<br />

macht die Thermik 26<br />

• Hans Glatthorn<br />

Über allen Gipfeln<br />

<strong>Thermikfliegen</strong> in den Alpen 30<br />

• Ralph Müller<br />

Nachrichten vom Himmel<br />

Telemetrie im Segelflugmodell 38<br />

• Torsten Falk<br />

Temperaturdifferenzen und Thermik<br />

Der kleine Unterschied 46<br />

• Lechts oder ringsrum<br />

Richtig einkreisen und zentrieren 50<br />

• Thermik ist immer<br />

Was sagen die Profis? 56<br />

• Modellfliegers Albtraum<br />

Freitag der 13., oder die Invasion<br />

der Inversion 60<br />

• Die Ausnahmen in der Regel<br />

Gibt’s doch nicht! Nebel, Schneefall,<br />

Regen, Sturm – und trotzdem<br />

ist Thermik 62<br />

• Nichts hält ewig<br />

Leben und sterben einer Wolke 66<br />

• Starttechniken<br />

So kömmen sie nach oben<br />

in die Thermik 72<br />

• Ein Fazit<br />

Suche ich weiter nach Thermik,<br />

oder kaufe ich mir einen fetten<br />

Brushless? 80<br />

Thermik 2012<br />

7


Torsten Falk<br />

Wolken und Thermik<br />

Genau lesen, bitte! Eine unverschleierte Wolkenkunde<br />

Sag mal, Hannes, was ist eine Wolke?<br />

Hmm, grübelt da der überraschend<br />

Gefragte, kratzt sich verlegen<br />

den Dreitagebart und starrt<br />

mit großen Augen Worte suchend<br />

an den Himmel: „Eine Wolke, das<br />

ist ein weißer, bauschiger Knubbel,<br />

sieht manchmal aus wie ein lustiges<br />

Tier aus Watte und fliegt langsam<br />

wie ein Zeppelin von links nach<br />

rechts über den Himmel!“ Nun, liebe<br />

Leser, reicht uns das? Nein, wir<br />

lesen weiter ...<br />

Willkommen im Klub der anonymen Nephologen,<br />

das gehört zur Meteorologie,<br />

so nennen sich die Wolkenkundler.<br />

„Nephos“, das ist die Wolke auf griechisch.<br />

Und eben diese Nephologen (kein Scherz, das<br />

ist tatsächlich ein Beruf! Aber verwechseln Sie<br />

das bitte nicht mit den Nephrologen, das sind<br />

Nierenfachärzte) sortieren Wolkenbilder in einen<br />

sogenannten Wolkenatlas ein. In diesem finden<br />

sich zehn Wolkengattungen und deren 14 Arten,<br />

neun Unterarten und neun Sonderformen. Alles<br />

säuberlich seit Mitte der 50er-Jahre sortiert und<br />

aufgelistet. Hätten Sie’s gewusst? Ich nicht!<br />

Wirrer Wolkenmischmasch beim Wettbewerb: Rechts im Bild ist eine Cumulus,<br />

der so langsam die Luft (die Thermik) ausgeht, sie löst sich auf, von links rückt<br />

eine (deutlich höhere) Altocumulus-Bewölkung nach. Nicht der beste Garant für<br />

ungebremste Thermikstunden<br />

Und was bringt das? Ganz einfach, wenn man Form und Aussehen einer<br />

Wolke richtig deuten kann, lassen sich sehr genaue Aussagen zur örtlichen<br />

Wetterentwicklung machen. Und an der Stelle wird es endlich wieder für<br />

uns Modellflieger interessant!<br />

Unter der Lupe betrachtet ist eine Wolke natürlich nicht aus Watte (wer<br />

hätte das gedacht!), sondern ein Aerosol, ein Gemisch aus festen oder<br />

flüssigen Schwebeteilchen und einem Gas. Dieses Gasgemisch ist unsere<br />

Luft – die bei uns allen beliebte Mischung aus Stickstoff, Sauerstoff und<br />

einer winzigen Prise Argon, Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff. Und obwohl<br />

in unserer Luft fast ein halbes Prozent Wasserdampf enthalten ist, besteht<br />

eine Wolke nicht, wie oft fälschlich gedacht, aus Wasserdampf. Wasserdampf<br />

ist unsichtbar.<br />

Eine Wolke entsteht durch Kondensation. Erinnern Sie sich an das, was<br />

Ihr alter Physiklehrer gepredigt hat – das ist der Übergang eines Stoffes<br />

vom gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand.<br />

So, wir wollen das ganze Thema nicht unnötig komplizieren, was interessieren<br />

uns Modellpiloten die Taupunkttemperatur oder dass in den Wolken<br />

über der Nordsee Salzkristalle und in den Wolken über den Ozeanen<br />

Bestandteile von Algen stecken.<br />

Wussten Sie, dass die Re-Zahl eines Wassertropfens in einer Wolke<br />

unter 0,1 liegt? Und dass so ein typischer Tropfen in der Wolke nur mit etwa<br />

einem einzigen unglaublichen Zentimeter pro Sekunde sinkt? Das sind<br />

Werte, davon träumen die Entwickler von Hochleistungsprofilen an ihren<br />

Supercomputern! Sie sehen schon, eigentlich sinken Wolken langsam<br />

Richtung Erde, wenn da nicht die Thermik wäre, die sie stabilisiert und sogar<br />

weiter steigen lässt.<br />

Wir ersparen uns an dieser Stelle große Abhandlungen über die Geburt<br />

einer Wolke, das weiß jeder Viertklässler: Rom, acht Uhr, die Sonne brennt!<br />

Das Wasser verdunstet, die Wasserteilchen steigen mit der warmen Luft<br />

nach oben, die Luft kühlt beim Aufsteigen langsam ab, je kühler sie wird,<br />

umso weniger Wasser kann die Luft transportieren. Wenn dann die Luft<br />

8 Thermik 2012


Ein guter Tag mit sanfter Thermik: Es ist Vormittag, bei ganz leichtem Wind und viel<br />

blauem Himmel ziehen vereinzelt Cumuli vorbei. Nur gemeine Menschen nennen<br />

diese dank Klimawandel immer seltener werdenden Verhältnisse „Kindergartenthermik“!<br />

Nichts wie weg da! Das ist das obere Ende einer sich<br />

bösartig auftürmenden Cumulonimbus. Fotografiert<br />

aus kilometerweiter Distanz. Mal abgesehen davon,<br />

dass Sie selbst mit Ihrem 9-Meter-Scale-Segler nicht<br />

auf diese Höhe kommen, Aufwindgeschwindigkeiten<br />

von über 150 km/h würden aus Ihren teuren Schalenflächen<br />

sehr schnell handliche Oregami-Kunstwerke<br />

machen. Halten Sie Abstand! Abgebrühte Piloten fliegen<br />

gern vor einer herannahenden Gewitterfront. Bedenken<br />

Sie dabei, Sie stehen auf einer freien Wiese,<br />

da fackelt der Blitz nicht lang!<br />

Eher weniger gut: Etliche Kilometer über dem großen »Fireworks« zieht eine Cirrus-<br />

Bewölkung durch. Wirklich gute Thermik hat es jetzt nicht, die schleierartige Bewölkung<br />

lässt kaum Sonne auf den Boden, Thermik will sich nicht großartig entwickeln<br />

nach einiger Zeit (und in der Höhe) gesättigt ist, gibt sie das Wasser ab, so<br />

bilden sich Wolken. Wenn diese geniale Erfindung von den Konstrukteuren<br />

der Erde nicht wäre, dieser Kreislauf, es würde uns nicht geben. Fragen Sie<br />

die Marsbewohner!<br />

Und, Wolke ist nicht gleich Wolke, das haben Sie selbst als Noch-nichtganz-Thermikprofi<br />

längst gemerkt. Unsere Lieblingswolken sind die Cumuli,<br />

Thermik 2012<br />

ganz Mutige fliegen im Vorfeld von riesigen<br />

Cumulonimbus, das sind gigantische Gewitterwolken<br />

mit materialmordenden Aufwinden von<br />

über 150 km/h im Innern, die sich bis zu zehn<br />

Kilometer hoch in den Himmel türmen. Da fliegt<br />

sogar ein »Airbus« mit viel Respekt drumherum!<br />

Wie viel ruhiger ist da die typische Cumulus<br />

(der Volksmund nennt sie Schäfchen- oder<br />

Haufenwolke), die in geringer Höhe, meist unter<br />

einem Kilometer, über den Flugplatz schwebt.<br />

Viel tiefer hängen die Wolken, die wir nicht so<br />

gern haben: Stratocumulus, Stratus und Nimbostratus<br />

– die hängen bis auf den Boden, und<br />

aus denen regnet es mächtig, da fallen unsere<br />

ausgedehnten Thermikflüge sprichwörtlich ins<br />

Wasser. Selbst wenn es nicht regnet, ist die Bewölkung<br />

bei Stratus meist so dicht, dass keine<br />

Sonne auf den Boden kommt, also keine Thermik<br />

entsteht. Sehen Sie an diesen Tagen einfach<br />

fern. Oder besser: Legen Sie eine Modell-DVD in<br />

den Player!<br />

Über den fiesen Regenwolken tummeln sich<br />

die Altocumulus (kleine Häufchenwolken) und<br />

die Altostratos (langgezogene Wolkenbänder),<br />

diese ziehen in einer mittleren Höhe von etwa<br />

drei bis fünf Kilometern über uns hinweg. Jetzt<br />

9


kommen wir in den oberen Bereich unserer<br />

Atmosphäre, in den ein Modellflieger niemals<br />

vordringt, in dem selbst trainierten Alpinisten das<br />

Atmen schwerfällt. So weit oben (in etwa sieben<br />

bis zehn Kilometern Höhe) entdecken wir die<br />

Cirrocumulus (winzige Häufchenwolken, wie ein<br />

Teppich), die Cirrostratus und die federartigen<br />

Cirrus. Natürlich schweben die Wolken nicht<br />

nach Gruppen sortiert über den Himmel. Je nach<br />

Wetterlage gibt es Mischformen und Kombinationen<br />

von verschiedenen Wolkentypen.<br />

Wenn Sie einen schönen, interessanten, abwechslungsreichen<br />

und wilden Tag in der Thermik<br />

haben wollen, dann sollten Sie unbedingt<br />

bei Cumulus-Bewölkung fliegen! Wie schon<br />

Dieser Tag weiß nicht so recht, was er werden soll:<br />

zunehmende Cumulus-Bewölkung, aber von einem<br />

starken Wind um 5 Bft. arg gebeutelt. Unter dem Strich<br />

heißt das: keine besonders guten Thermikflüge, zu<br />

wenig Sonneneinstrahlung auf dem Boden<br />

Eine Wolkenstraße wie aus dem Bilderbuch: herrliche<br />

Cumulus-Bewölkung. Nur durch die gestauchte Perspektive<br />

des Teleobjektivs sieht die zu dicht aus. Die<br />

großen Lücken lassen jede Menge Sonne durch – ein<br />

exzellenter Thermiktag<br />

gesagt, Cumulus-Wolken sind das obere Ende<br />

der aktuellen Thermik. Hier endet der Bart, den<br />

wir Hunderte Meter weiter unten gerade fleißig<br />

auskurbeln.<br />

Keine Wolke am Himmel, also keine Thermik?<br />

Nein, so einfach ist das nicht! Sie können sich<br />

bei der Thermiksuche nur nicht mehr an den<br />

großen Wolken orientieren. Jetzt zählt, dass Sie<br />

die Landschaft, die Umgebung, über der Sie<br />

fliegen, gut im Blick haben und „lesen“ können.<br />

Dieser Bereich ist so wichtig, dass er ein eigenes<br />

Kapitel in diesem Heft hat.<br />

Sind Wolken unsterblich? Ein klares Nein!<br />

Gönnen Sie sich den Luxus, lassen Sie alles<br />

»Amigo« weiß, was gut ist. Ein Klassiker, der die Thermik<br />

fast von allein findet. Hier sucht sich der weltberühmte<br />

Rippensegler einen Bart zwischen zwei<br />

Cumulus. Deutlicher wird gute Thermik kaum angezeigt<br />

Molto grandioso: Besser geht nicht! Typische Cumulus<br />

voller Thermik über dem Flugplatz. Dazwischen<br />

viel Luft, die das Licht der Sonne durchlässt. Das gibt<br />

einen Thermiktag, an den Sie sich noch lange erinnern<br />

werden<br />

10 Thermik 2012


Über den Wolken: Ein eleganter 4-m-Segler zieht in<br />

etwa 200 Metern Höhe seine weiten Kreise in der kräftigen<br />

Thermik, in dem Bart, der etwa 600 Meter weiter<br />

oben in der flauschigen Cumulus-Wolke endet. Das<br />

gibt einen Flug, der wird nur vom Akku begrenzt, davon<br />

erzählen Sie Ihren Enkeln<br />

Ein langer, herbstlicher Flugtag geht für den »Airfish«<br />

zu Ende: Die thermikreichen Cumuli haben sich alle<br />

aufgelöst, eine Altocumulus-Bewölkung rückt nach.<br />

Das ist uns jetzt egal, in einer halben Stunde wird es<br />

sowieso dunkel<br />

andere links liegen und starren Sie eine Viertelstunde<br />

auf ein Stück am Himmel. Wenn Sie<br />

in die richtige Richtung schauen, dann sehen<br />

Sie, wie sich plötzlich im wolkenlosen Blau ein<br />

leichter Schleier bildet, zur Cumulus-Wolke wird<br />

– und dann nach einiger Zeit (das können nur<br />

15 Minuten sein) wieder vergeht. Fazit: Wolken<br />

sind flüchtig!<br />

Also, studieren Sie vor dem Start intensiv den<br />

Wolkenhimmel. Mit etwas Übung erkennen Sie,<br />

welche Cumulus voll „im Saft“ steht (darunter<br />

geht es extrem gut) und welche Cumulus bereits<br />

ausfranst, vergraut und ihr Leben so langsam<br />

aushaucht. So alt und abgetragen der Spruch<br />

auch ist: Übung macht den Meister! Gehen Sie<br />

raus auf den Platz, fliegen Sie bei den unterschiedlichsten<br />

Wolkenstimmungen, „lesen“ und<br />

verstehen Sie! Ich bin sicher, schon nach einer<br />

schönen, wolkenreichen Saison mit Hunderten<br />

von Flügen bei unterschiedlichstem Wetter sind<br />

Sie der Thermik-Profi, die Spürnase, im heimischen<br />

Verein. Und, ganz ehrlich, das fühlt sich so<br />

gut an – Sie werden nie wieder einen Brushless<br />

anfassen ...<br />

Thermik 2012<br />

El Condor pasa! Wolken haben die irrwitzigsten Formen. Googlen Sie das mal im<br />

Netz, es gibt Bücher und Fangruppen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht<br />

haben, skurrile Wolken rund um den Globus zu fotografieren. Dies ist mein bescheidener<br />

Beitrag, die landende Cumulus-Taube!<br />

11


Torsten Falk<br />

Ideales Wetter: eine leichte Cumulusbewölkung mit noch guter Thermik unter<br />

den Wolken, dazwischen ein paar „Wolkenleichen“, die Sie bitte nicht mehr anfliegen.<br />

Der Boden liegt teilweise schon im Schatten, jetzt kommt die Thermik<br />

aus den dunklen Bereichen, die vorher die Wärme gespeichert haben<br />

Thermik im Flachland<br />

Vom Bart-Hopping und bösen Saufen ...<br />

„Ach“, kommen alte Hasen schnell ins Schwärmen, „bei meinem letzten Urlaub auf der Soundso-Alm,<br />

da hatten wir Bärte, die gingen bis in den Himmel ...“ Wie schön für euch! Also,<br />

erstens reichen die Bärte immer bis unter die Wolke, denn es heißt ja nicht umsonst: Alles<br />

hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei! Und zweitens: Die nächste Alm ist 700 Kilometer von<br />

meiner Lieblings-Flugwiese entfernt – der Tipp hilft mir heute und hier also null und nix!<br />

Diesen Frust kennen Sie, oder?! Was nutzen<br />

uns die hochalpinen Hammerbärte<br />

auf irgendeiner Alm, ausgelöst durch den<br />

allmorgendlichen, orgiastischen Jodler (jetzt bitte<br />

nichts Falsches denken!) der mehr oder weniger<br />

im Dirndl steckenden Sennerin: Das hilft uns<br />

hier im Flachland zwischen Hamburgs Elbtunnel<br />

und dem Weißwurstäquator absolut nicht weiter!<br />

Bringt uns nicht hoch. Das zieht uns runter, aber<br />

richtig! Diese Tipps von Fliegerkollegen sind absolut<br />

kontraproduktiv, und (geben wir es zu) wir<br />

hassen sie dafür, dass sie stundenlang auf 2500<br />

Meter über null bei einer unverbauten Sicht bis<br />

an den 300 Kilometer entfernten Horizont in der Thermik kreisen – während<br />

wir uns hier auf 62 Meter fünfzig über null einen abbrechen, nur um mal<br />

zehn Minuten in der Luft zu bleiben.<br />

Wie bitte, Sie sind kein Freund des Neudeutschen, haben keinen Facebook-<br />

oder Flickr-Account, „chillen“ nicht auf Afterwork-Parties und kommen<br />

also mit meiner halbenglischen Headline (pardon, Überschrift) nicht<br />

klar? Hopp, hopp, hopp – Bart-Hopping hat nichts mit der täglichen Rasur<br />

oder dem Dressurreiten zu tun! Es meint nichts anderes, als dass Sie, bitteschön,<br />

von einem Bart zum anderen springen. Oder, physikalisch korrekter<br />

formuliert, lokale Aufwindbereiche nach ihrem langsamen Verebben rechtzeitig<br />

mit dem nächsten Thermikschlauch auswechseln.<br />

Auf dem platten Land bleibt Ihnen ja auch keine andere Wahl, da die<br />

konstanten anabatischen Wahnsinns-Aufwinde an den hochalpinen Hän-<br />

12 Thermik 2012


Dramatische Stimmung: Ewige Nörgler sagen bei diesem Wolkenbild: „Das ist mir<br />

zu stark bewölkt, da geht nix!“ Falsch, selbst diese Tage, meist etwas windiger,<br />

sind thermisch. Die Einstrahlzeit der Sonne ist kürzer, jetzt müssen Sie wissen,<br />

wo Sie hinfliegen<br />

gen fast tausend Kilometer weit entfernt blasen. Zahlt man heutzutage noch<br />

Kurtaxe? Dann ist die gute Thermik sicher inklusive ...<br />

Wir Flachlandtiroler müssen uns also was einfallen lassen, wenn wir uns<br />

nicht alle drei Minuten nach dem schon wieder gelandeten Modell bücken<br />

wollen. Wie bitte, was murmeln Sie da leise: Brushless?! Ich glaube, Sie<br />

haben die falsche Zeitschrift gekauft! Auf diesen rund 80 Seiten bleiben wir<br />

energiesparend oben, mit steigendem Vergnügen, und das auf jeden Fall<br />

ganz ohne eng gewickelte, bürstenlose, innen- oder außenlaufende Hilfe ...<br />

Was wir ja bereits wissen ist, dass Bärte unsichtbar sind. Wir sehen<br />

nur die Auswirkungen von Thermik auf die Umwelt: Änderungen der Windrichtung,<br />

Temperaturänderungen der Luft (plötzlich zieht mitten an einem<br />

schönen Sommertag – nicht 2012!!! – ein kühler Wind quer über den Platz,<br />

Sie rennen zum Auto und holen fröstelnd Ihre Modell-Windjacke), Blätter<br />

auf den Bäumen und das Gras bewegen sich, oder ein Dutzend Schwalben<br />

kreisen gehäuft auf einer Stelle. Diese Indizien kann, nein, darf man nicht<br />

übersehen!<br />

Könnten wir Thermik auf dem Flugplatz oder Ihrer Lieblingswiese mit<br />

einem Zaubertrick und betont lässigem Fingerschnippen sichtbar machen<br />

(vielleicht mit dunklem Rauch einfärben?), Sie würden aus dem Staunen<br />

nicht mehr herauskommen: An einem schönen, gut thermischen Tag mit<br />

einer lockeren Cumulus-Bewölkung und nur leichtem Wind entdeckten<br />

Weit oben: Leider täuscht die Perspektive! Der Segler<br />

kreist etliche hundert Meter unter der Wolke, aber<br />

höchstwahrscheinlich in dem Thermikschlauch, der<br />

oben in der Wolke endet. Je nach Windsituation beginnt<br />

der Bart unten im Schatten der Wolke, nur geht<br />

er natürlich nicht senkrecht nach oben, er krümmt<br />

sich und bewegt sich mit der Wolke. Thermik lebt!<br />

Sie dann alle paar Meter einen Thermik-Pilz,<br />

wie er sich (mehr oder weniger gerade) nach<br />

oben in Richtung Wolke windet. Stellen Sie sich<br />

eine große Wiese vor, auf der zahllose und unterschiedlich<br />

große und starke „Twister“, kleine<br />

Windhosen, von einer Ecke in die andere ziehen.<br />

Alle paar Meter ein Bart. Das ist, bitteschön, nur<br />

ein optischer Vergleich, wären Thermikbärte<br />

so aggressiv wie Windhosen, unsere Modelle<br />

bräuchten Flächen aus Granit mit daumendicken<br />

Diamantholmen ...<br />

Fliegende Fetzen: Diese noch vor zehn Minuten prächtige Cumulus löst sich langsam in Wohlgefallen auf. Das Gleiche gilt für die Thermik<br />

darunter. Der »Amigo« auf dem Foto macht also das einzig Richtige – er gibt „Gas“, sucht sich einen neuen Bart<br />

Thermik 2012<br />

13


Impressionen von deutschen Modellflugplätzen: Nach jedem noch so<br />

schönen Thermikflug kommen Sie mal wieder rein zur Landung. Profis<br />

„scannen“ schon Minuten vorher die gesamte Landezone. Sie glauben<br />

nicht, was unbedarfte Zuschauer, vielleicht mit Hunden oder (ganz<br />

schlimm) kleinen Kindern, so alles machen. Die haben nicht die leiseste<br />

Ahnung, wie weit ein 7-m-»Fox« gleitet. Deshalb: Die Verantwortung und<br />

das Vorausdenken liegen zu 100 Prozent bei Ihnen!<br />

Papa, wo kommen die Wolken her? Natürlich aus der Wolkenmaschine!<br />

Kommen Sie bitte gar nicht erst auf die Idee,<br />

direkt über diesem Kühlturm zu kreisen. Die Feuchtigkeit<br />

macht die Luft schwer. Und Sie fallen ganz schnell in den<br />

Turm und dann aus allen Wolken, wenn der Werkschutz Sie<br />

zehn Minuten später hochnimmt und stundenlang in einem<br />

kalten, fensterlosen Raum befragt<br />

Traumhaft: eine Wolkenstimmung wie aus dem Bilderbuch.<br />

Lauter definierte Cumuli, die eine gute Thermik<br />

bei mittlerem Wind versprechen. Das ist ein Tag,<br />

an dem Sie viel Spaß mit dem Bart-Hoppen haben<br />

werden ...<br />

Weg von der Theorie! Jetzt ein Beispiel aus der unverjodelten Flachlandpraxis:<br />

Sie fliegen auf einer frühsommerlichen Wiese, die Wiese weist<br />

keinerlei Gefälle auf, auf der Wiese stehen ein paar kleinere Hecken, vereinzelt<br />

ein paar mittelgroße Laubbäume. Rundherum ist alles frei, der Wind<br />

wird also weder durch Häuser noch durch ein kleines Waldstück blockiert.<br />

Keinerlei Hangflugmöglichkeiten. Es ist später Vormittag, das Thermometer<br />

zeigt knapp zehn Grad, die Sonne scheint vom nahezu wolkenlosen Himmel,<br />

nur ein paar kleine Cumuli ziehen am Horizont auf. Wind spüren Sie<br />

nur gelegentlich, und dann aus wechselnden Richtungen.<br />

Das ist gut, ja geradezu ideal. Sie ärgern sich<br />

jetzt nur, dass Sie Ihre Brille mit dem eingebauten<br />

Thermikradar zu Hause liegen ließen. Nun,<br />

fliegen wir einfach ins Blaue hinein! Was passiert<br />

– Sie starten mit Ihrem treuen »Amigo« am klassischen<br />

Gummiseil (30 Meter Gummi, 100 Meter<br />

Seil), und da kein deutlicher Gegenwind bläst,<br />

steigt er leider nicht auf die vollen 130 Meter,<br />

denn das Gewicht der Gummi/Seil-Kombi zieht<br />

14 Thermik 2012


ihn nach unten. So, der »Amigo« ist auf knapp<br />

100 Metern, flutscht aus dem Seil und gleitet<br />

langsam und gemütlich mit wenig mehr als<br />

Schritttempo durch die ruhige Luft. Achtung: Mit<br />

dem Seitenblick eines erfahrenen Profis registrieren<br />

Sie unauffällig, und bitte ohne Ihr Modell<br />

lange aus den Augen zu lassen, wo Ihr Seilende<br />

mit dem kleinen Fallschirm 15 Sekunden später<br />

landet. Das erspart so manche nervenaufreibende<br />

Suchaktion im hohen Gras. Okay, Sie könnten<br />

natürlich einen Assistenten dabei haben, der auf<br />

diese sekundären Dinge achtet, zum Beispiel die<br />

beste Ehefrau von allen.<br />

Aber, ganz ehrlich, wir wollen fliegen – und<br />

nicht etwa das Essen für die anstehende Familienfeier<br />

zu Ihrem 50. Geburtstag diskutieren. Seien<br />

Sie großzügig und lassen Sie Ihrer Liebsten<br />

freie Hand. Ihren einzigen Wunsch zum Fünfzigsten<br />

kann Sie Ihnen sowieso nicht erfüllen: Nur<br />

einen Tag bitte nicht fragen: „Schaaaaatz, warum<br />

willst du heute schon wieder auf den Flugplatz?!“<br />

Gut, man wird ja noch träumen dürfen ...<br />

So, der »Amigo« gleitet immer noch weiter<br />

vor sich hin, einfach geradeaus. Sollte der<br />

seltene Zufall eintreten, dass in diesen Minuten<br />

absolut nichts geht, flattern (kurven) Sie bitte<br />

nicht wild und wahllos durch die Gegend. Das<br />

bringt überhaupt nichts, das kostet Sie nur Höhe.<br />

Fliegen Sie in dem Fall bitte ein riesiges „U“, mit<br />

der Öffnung zu Ihnen. Denken Sie immer daran:<br />

Jede noch so kleine Kurskorrektur lässt den Segler<br />

schneller sinken als nötig. Lassen Sie ihm freien<br />

Lauf, bei „toter Luft“ nicht zu schnell fliegen,<br />

sondern auf langsamste Marschgeschwindigkeit<br />

trimmen.<br />

Da sind Sie natürlich mächtig stolz drauf,<br />

dieses perfekte Trimmen hat etliche Flüge gebraucht!<br />

Aber heute geht was, das haben wir<br />

im Gefühl – und siehe da: Plötzlich nimmt der<br />

Thermik 2012<br />

Wolkenlos, na und! Dieser Tiefenblick ins 20 Kilometer entfernte Essen zeigt einen<br />

sonnigen Tag ohne Inversionslage, das verspricht Thermik ohne Deckel. Es ist<br />

noch früh, die Cumuli werden sich in den nächsten Stunden bilden. Sie fliegen<br />

trotzdem, behalten Sie nur die typischen Ablösepunkte wie Bäume, Sträucher,<br />

Geländekanten, hellere Bodenbereiche und die Schwalben im Auge<br />

»Amigo« die Nase deutlich nach unten, oder das Leitwerk hebt sich an – alles<br />

eine Frage der Perspektive. „Oh Gott, ein Luftloch!“, denken Sie, hysterisch<br />

einen stummen Schrei unterdrückend – und Sie ziehen voll Höhe, um Ihren<br />

unübersehbar schneller werdenden Segler in der Horizontalen zu halten.<br />

Schade, denn das war erstens genau falsch und zweitens eindeutig<br />

zu früh reagiert, denn Sie waren nur wenige Flugsekunden vor einem<br />

respektablen Bart, aus dem Sie jetzt höchstwahrscheinlich zur Seite herausgefallen<br />

sind! Was Ihrem »Amigo« die Nase so gemein nach unten reißt,<br />

das ist der Abwindring, der den Bart komplett umgibt (anders gesehen, das<br />

Leitwerk ist noch in der guten Luft, also oben). Da gibt es kein Vorbei, da<br />

müssen Sie durch. Kennern zeigt das übrigens geradezu überdeutlich in<br />

Signalfarben den Bart an.<br />

Bleiben Sie „cool“ – auf gar keinen Fall in dem Moment ziehen, Ihr<br />

Segler wird viel zu langsam, die Strömung reißt ab, er fängt an zu pumpen<br />

(glauben Sie mir, das passiert immer dann besonders auffällig, wenn<br />

gerade die notorischsten Nörgler und Spötter aus dem heimischen Verein<br />

neben einem stehen!), und das Modell fällt, bevor es wirklich in dem Bart<br />

ist, quasi an der Eingangstür wieder hinaus.<br />

Also, lassen Sie den »Amigo« ruhig die Nase runternehmen, etwas Tempo<br />

zulegen, behalten Sie die Nerven, fliegen Sie ein paar Meter ins Zentrum<br />

des Steigens und kreisen Sie ein. Der »Amigo« klettert, zwei Minuten, fünf<br />

Minuten, der Bart wandert leicht mit dem Wind über die Wiese und nimmt<br />

den Segler mit – besser geht es nicht! Wenn das nur auf ewig so wäre.<br />

Aber nein, nach einigen göttlichen, herrlichen, unbeschreiblichen, sagenhaften,<br />

glücklichen, traumhaften, unwiederbringlichen Minuten holt uns<br />

die harte, ungeschminkte Realität wieder ein, dramatischer als RTL! Wie,<br />

Ihnen wird klar, dass Sie seit 20 Jahren mit der falschen Frau verheiratet<br />

sind? Nein, schlimmer, viel schlimmer! Plötzlich merken Sie, dass der Bart<br />

nicht mehr zieht! Die Luft ist raus aus der Thermik, der »Amigo« steigt nicht<br />

mehr. Erst kommt es zu einem Nullschieber. (Hier eine Anmerkung zum oft<br />

gebrauchten Terminus „Nullschieber“: Eigentlich tun wir dem Nullschieber<br />

mit dieser leicht negativen Bezeichnung arges Unrecht an. Denn: Ein Nullschieber<br />

ist, mit offenen Augen und klarem Verstand beobachtet, bereits<br />

ein deutliches Steigen. Wie das? Ganz einfach erklärt: Ihr Modell sinkt von<br />

15


Haus aus immer, je nach Auslegung, Größe und<br />

Gewicht, unterschiedlich schnell. Wenn jetzt<br />

also dieser sprachlich wertlose „Nullschieber“<br />

Ihren Segler auf einer bestimmten Höhe mehr<br />

oder weniger konstant hält, dann ist das ganz<br />

eindeutig ein Steigen um exakt den Wert, den Ihr<br />

Modell sonst sinken würde. Behandeln wir die<br />

Nullschieber in Zukunft also mit etwas mehr Respekt,<br />

nennen wir sie einfach: „bewundernswerte<br />

Helferlein“.)<br />

Also, der Segler hält ein paar Kreise lang die<br />

erreichte Höhe und gleitet dann nur noch ab –<br />

Ihre Mundwinkel sinken in dieser traurigen Lage<br />

noch schneller als er nach unten: Wie, das soll’s<br />

gewesen sein, schon vorbei mit dem grenzenlosen<br />

Thermik-Vergnügen?<br />

Nein, nicht für Sie und nicht heute! Nicht,<br />

wenn Sie rechtzeitig erkennen, dass der Bart<br />

anfängt zu schwächeln und Sie etwas dagegen<br />

unternehmen (die Vereinshütte anzünden und<br />

hinterher behaupten, es war der rivalisierende<br />

Nachbarverein, gilt nicht!), nämlich den<br />

nächstliegenden Bart suchen. Wie ich ja bereits<br />

sagte (bitte schalten Sie für einen Moment Ihre<br />

bildliche Vorstellungskraft ein!), die Bärte stehen<br />

wie die Champignons auf einem herbstlichen<br />

Waldboden wild nebeneinander auf der Wiese,<br />

sie wollen nur „gepflückt“ werden – meist ist die<br />

Rettung nicht weit entfernt. Aber wie finden, das<br />

ist in dem Moment die 100 000-Euro-Frage.<br />

Also, Augen auf! Und alle anderen Sinne bitte<br />

mitaktivieren. Wie, was ist das? Auf einmal ist es<br />

absolut windstill, kein Lüftchen regt sich. Nicht<br />

Monsterwolke: Das sieht sogar ein Laie, hier passiert thermisch was. Das ist die<br />

Geburtsstunde einer riesigen Cumulonimbus, einer Gewitterwolke. Was auf dem<br />

Foto so idyllisch aussieht, da machen bei größeren Ausmaßen sogar Verkehrsflugzeuge<br />

einen Bogen drumherum. Mal davon abgesehen, dass Sie mit einem<br />

Modell nicht in die Nähe kommen, die schiere Gewalt dieser Thermik würde seine<br />

harten Kohleflächen spielend leicht verknoten. Die Einzelteile finden Sie am<br />

nächsten Tag 20 Kilometer weiter<br />

gleich losjammern – Sie stehen mitten in der Thermik. Voll im Bart, der hat<br />

Sie in diesem Moment komplett eingehüllt. Keine Angst, entspannt bleiben,<br />

bitte nicht panisch werden, es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Sie durch<br />

die Thermik abheben und Ihren eigenen Segler überholen. Falls doch,<br />

kommen Sie auf diesem Weg wenigstens auf die Titelseite der Bild-Zeitung.<br />

Andere Leute engagieren hochbezahlte PR-Profis dafür.<br />

So muss das aussehen: mitten in der Thermik unter<br />

einer relativ dichten Cumulusbewölkung. Die Sonne,<br />

die zwischen den Lücken durchbricht, reicht, je nach<br />

Gelände, trotzdem für einen herrlichen Thermik-Tag<br />

16 Thermik 2012


Aber Spaß beiseite, es ist global kein einziger<br />

Fall bekannt, dass es einen Menschen (ohne Flügel!)<br />

durch „normale“ mitteleuropäische Thermik<br />

nach oben gerissen hätte, fragen Sie bei nächster<br />

Gelegenheit Otto Lilienthal. Hoppla, der Witz<br />

war zu schwarz – Pardon!<br />

Sie fliegen immer noch ohne gute Luft unter<br />

der Fläche, wenigstens haben Sie noch etwa<br />

100 Meter Höhe. Kommen Sie jetzt bitte nicht auf<br />

die Idee und machen das Modell wieder extrem<br />

langsam, das verlängert vielleicht Ihr Zappeln<br />

in der Luft, verhindert aber, dass Sie flott aus<br />

der schlechten Luft wegkommen, hinein in den<br />

nächsten Bart – eben „hoppen“.<br />

Zeitsprung, fünf Minuten zurück. Wenn Sie<br />

ein Profi sind – und ich bin mir sicher, Sie sind<br />

ganz kurz davor, einer zu werden –, dann haben<br />

Sie sich schon während dieser herrlichen Viertelstunde<br />

in dem jüngst ausgehauchten Bart einen<br />

Überblick über die Thermiksituation auf, über<br />

und um Ihrem Flugplatz verschafft. Es ist ein<br />

gern gemachter, aber kapitaler Fehler, beim Kreisen<br />

im Bart alles andere um sich herum zu vergessen.<br />

Ganz egal, wie fantastisch er zieht. Sie<br />

wissen ja, alles hat ein Ende ... Also kreisen Sie<br />

entspannt, genießen Sie es – aber behalten Sie<br />

parallel die Umgebung im Auge. Ja, so ein Bart<br />

darf den ganzen Mann fordern, wenn er dann<br />

obendrein bockig ist und Sie Probleme mit dem<br />

Zentrieren haben, dann kann es durchaus sein,<br />

dass Sie hochkonzentriert fliegen (müssen). Sollen<br />

Sie auch. Verstehen Sie mich jetzt nicht miss,<br />

Sie sollen Ihren Segler nicht eine halbe Minute<br />

oder gar länger völlig aus den Augen lassen und<br />

dabei womöglich auch noch, den Sender lässig<br />

in einer Hand baumelnd, quer über den Flugplatz<br />

latschen und mit den Kumpels diskutieren.<br />

Jeder Anfänger weiß, was dann passiert: platsch!<br />

Erst bücken, dann gelber Sack, und weg ist die<br />

gute Laune. Wenn Sie an dem Tag solo in der<br />

Luft sind, und der Segler nicht allzu klein ist,<br />

kann (!!!) das mal gutgehen, muss aber nicht.<br />

Stellen Sie sich aber vor, Sie kreisen mit<br />

einem Dutzend Kollegen im einzigen Bart. Und<br />

nachts sind nicht nur alle Katzen grau, bei blendender<br />

Sonne, strahlend blauem Himmel und<br />

250 Metern Flughöhe sehen die Unterseiten<br />

aller Modelle erschreckend ähnlich aus, nämlich<br />

dunkelgrau bis schwarz! Sie gucken für fünf<br />

Sekunden weg, da fummelt einer an Ihrem Auto.<br />

Bitte, lassen Sie ihn fummeln! Sie gucken zurück<br />

in den Bart, wie schön sich die zwölf Segler in der<br />

Luft neu gemischt haben – aber welcher, fragen<br />

Sie sich jetzt alles andere als entspannt mit steigendem<br />

Puls, welcher ist meiner? Lassen Sie den<br />

Puls bitte wieder unter 180 fallen, da gibt es einen<br />

Trick: Ziehen Sie beherzt und voll Höhe! Sofern<br />

nicht ein zweiter Pilot in dem Moment auf die gleiche<br />

dumme Idee kommt, sehen Sie urplötzlich<br />

ein Modell in dem himmlischen Ringelreigen, das<br />

erst drastisch langsamer wird, anfängt zu pumpen<br />

und dann steil aus der Thermik stürzt. Das ist<br />

Ihrer. Gelegentliches Abfangen nicht vergessen!<br />

„Hahaha, geht ja ...“, lachen Sie in gleicher Sekunde<br />

zum Kopfschütteln Ihrer Kollegen laut über<br />

den Platz: „... wollte nur mal checken, ob ich die<br />

Flächensteckung vergessen habe!“<br />

Thermik 2012<br />

Thermik gesucht: Dieser klassische »Airfish« mit seiner riesigen und thermikgierigen<br />

Jedelsky-Fläche hat ein kleines Problem, die Cumuluswolken lösen sich<br />

alle in Nichts auf. Jetzt heißt es rechtzeitig „Augen auf!“ und mit ausreichender<br />

Höhe die typischen Auslösepunkte anfliegen. Thermik versteckt sich gern. Sie<br />

müssen sie nur finden!<br />

Schnell zurück in den Bart. Sie müssen sich angewöhnen, aus den Augenwinkeln<br />

alles im Blick zu haben. Früher nannte man das den „Hausfrauenblick“,<br />

ein Auge auf der schleudernden Waschmaschine und das andere<br />

auf den lieben Kindern, wie sie gerade die spannende Welt des Feuerzeugs<br />

entdecken und an der Tischdecke praktisch erproben, die lieben Kleinen!<br />

In unserem Fall heißt das: Ein Auge auf dem Segler, das andere checkt die<br />

Umgebung ab. Wo rascheln die Blätter in einem Baum? Wo kreisen die<br />

Schwalben? Wo kreischt ein Mäusebussard vor Vergnügen (noch weiter<br />

weg) in der Luft? Treibt dieser Bart langsam auf mich zu? Wo sind in der<br />

Luft tanzende Insekten (auf die sich gleich die Schwalben stürzen werden)?<br />

Ändert sich die Windrichtung? Spüre ich Temperaturunterschiede auf der<br />

Haut, wird mir kalt? Wo sind typische Cumuluswolken mit ihrem Bart darunter?<br />

Wo ist ein helles Stück Boden, über dem es aufwärts geht? Wo die kleine<br />

Baumreihe oder die Hecke, an der sich immer etwas ablöst? Und wenn<br />

das alles nichts hilft, die letzte Möglichkeit, bei der nicht einmal mit allen<br />

Wassern gewaschene Profis vor Verlegenheit rot im Gesicht werden: Wo<br />

fliegen die Kollegen, zieht „dem sein“ Bart vielleicht besser? Also – nichts<br />

wie rein!<br />

Das alles ist nach einigen Monaten Übung weniger spektakulär, als es<br />

sich hier liest. Das geht mit der Praxis sehr schnell in Fleisch und Blut über.<br />

Dann lächeln Sie, wenn dem Bart über Ihnen nach zehn Minuten die Puste<br />

ausgeht, denn Sie haben ja (anders als alle anderen Modellpiloten, die<br />

ungeschickt im Saufen herumrudern) schon vor Minuten erkannt, dass sich<br />

zweihundert Meter weiter ein kleiner Bart über einem freistehenden Baum<br />

gebildet hat (Blätterrascheln bei Windstille!), in den Sie, weil Sie noch ausreichend<br />

Höhe haben, elegant umsteigen. Und weiter kreisen. Und Spaß haben.<br />

Und die Augen offenhalten. Dann springen Sie schon bald wie ein alter<br />

Hase von Bart zu Bart. Es gibt nichts Schöneres in diesem Universum ...<br />

17


Fünf Minuten<br />

Thermik to go!<br />

Nur heiße Luft? Was ist Thermik?<br />

„Thermik ist, wenn es gut geht!“ Den Satz kennen Sie, den schmettert Ihnen jeder voller<br />

Überzeugung entgegen, der mindestens 20 Minuten länger fliegt als Sie. Hilft in dem Moment<br />

nicht wirklich, aber wir schätzen natürlich die ungebremste und ansteckende Motivation,<br />

die dahinter steckt. Selbst wenn an dem Tag bei uns überhaupt nichts geht. Und der Segler<br />

wieder und wieder unbarmherzig aus der Luft auf den Boden fällt.<br />

Wie oben versprochen, an dieser<br />

Stelle gerade einmal so viel Wissen<br />

über Thermik zum Mitnehmen (Neudeutsch:<br />

„to go“!), dass Sie beim nächsten<br />

„Segelflieger-Vereinsstammtisch“ nicht völlig<br />

desorientiert und mit ratlosem Blick in der Runde<br />

und verlegen über Ihrem Bier sitzen. Denn der<br />

Begriff „Thermik“ gehört mit Abstand zu den<br />

meistdiskutierten Schlagwörtern in der Modellflieger-Szene.<br />

Ein erfahrener Modellpilot kann<br />

dazu (leider meist ungefragt!) stundenlang seine<br />

Meinung zum Besten geben. Schade nur, dass<br />

jeder etwas anderes sagt ...<br />

Da geht’s lang! Was so einfach gesagt ist, ist in der<br />

Praxis nicht immer leicht umgesetzt. Für das genaue<br />

Aufspüren von Thermik braucht es viel Erfahrung<br />

Thermik ist immer da, warum sehe ich sie dann nicht? Das ist knallharte<br />

Physik! Mit unseren Augen sehen wir (und das nur, wenn wir gut trainiert<br />

sind!) im besten Fall der Fälle die Auswirkungen, die Thermik auf unsere<br />

Umwelt hat: Hier und dort rascheln unerklärlich ohne Wind ein paar Blätter<br />

im Baum, ein „Geier“ (liebe Thermikflieger-Einsteiger, das ist ein bekannter,<br />

aber wissenschaftlich nicht ganz haltbarer „Fachterminus“ aus der Fliegerszene.<br />

Gemeint ist ein Bussard, in unseren Breitengraden in der Regel ein<br />

Mäusebussard) kreist weit oben in einem Bart und kreischt vor Vergnügen,<br />

bei fast Windstille prescht plötzlich eine kühle Böe quer über den Flugplatz,<br />

und das entgegen der Hauptwindrichtung, Dreck wirbelt vom Boden auf<br />

und steigt in Form einer überdimensionalen DNS-Helix langsam nach oben,<br />

Insekten trüben Ihren Blick auf das Modell, rudern hilflos in der Luft, steigen<br />

und steigen, bis sie von gierigen Vögeln gefressen werden – das alles sind<br />

mehr als deutliche Anzeichen für Thermik. Man muss sie nur erkennen,<br />

sprich „lesen“ können!<br />

Zu Beginn dieses Hefts stellen wir uns einfach mal kollektiv dumm. Und<br />

was machen wir, wenn wir von einer Sache heutzutage keinen Durchblick<br />

haben? Wir googlen es! Tippen Sie es in Ihren Rechner: THERMIK – und<br />

Torsten Falk<br />

18<br />

Thermik 2012


Sie landen schon beim ersten von 197 000 Ergebnissen<br />

in 0,18 Sekunden auf dem Portal der<br />

globalen Wissensvermittlung und -anhäufung:<br />

„Wikipedia“, und hier heißt es im Frühjahr 2012:<br />

„Thermik ist eine Form von Aufwind, der dadurch<br />

entsteht, dass Sonneneinstrahlung die Erdoberfläche<br />

und in Folge die Luft am Boden erwärmt.“<br />

Na bitte, hört sich doch gut und griffig an. Hätten<br />

Sie das gleich gewusst, hätten Sie sich Ihre hart<br />

erarbeiteten Euros für dieses <strong>Sonderheft</strong> sparen<br />

können. Aber halt – ganz so einfach ist es dann<br />

doch nicht! Denn wie Sie diese Thermik erkennen,<br />

das verrät uns Wikipedia nicht, schade, also<br />

hier weiterlesen!<br />

Merke, im täglichen Umgang mit der Thermik<br />

ist eines nicht mit Geld, Gold oder guten Worten<br />

zu bezahlen – die Erfahrung! Was nutzt Ihnen<br />

das theoretische Wissen, wenn Sie es auf dem<br />

Modellflugplatz nicht umsetzen und einfach stur<br />

geradeaus durch den schönsten Bart hindurch<br />

brettern? Lassen Sie in diesem Fall den Kopf<br />

nicht hängen, jeder fängt mal klein an. Mich hat<br />

vor vielen Jahren Ralph Mittelbach, einer der<br />

langjährigen, europäischen Top-Piloten in der<br />

DLG-Szene, freundschaftlich als „hoffnungslos<br />

beratungsresistent“ (mit drei Ausrufezeichen!) bezeichnet.<br />

Er hatte rechts einen Bart gesehen, gerochen,<br />

gespürt oder was auch immer: „Torschten,<br />

fliegscht rechtsrum und dann fuffzig Meter,<br />

da geht’s wie’d Sau!“, und ich (weil naturblond)<br />

bin natürlich linksrum geflogen. Ich dachte wohl,<br />

was soll’s, der Himmel sieht überall gleich aus ...<br />

Damals konnte ich nicht ahnen, dass Spitzenpiloten<br />

unsichtbare, erwärmte Luft „erschnuppern“<br />

– heute weiß ich, so etwas kann man lernen<br />

und trainieren.<br />

Und obwohl er direkt nicht zu sehen ist, so<br />

in etwa dürfen Sie sich unseren viel gesuchten<br />

Thermikbart vorstellen – von der Seite gesehen<br />

wie ein gigantischer Champignon mit einer richtig<br />

dicken Knolle im Himmel! Der langgezogene<br />

Stängel dieses Pilzes, das ist der Teil, der uns als<br />

sportlich leistungsorientierte Modellflieger (ohne<br />

bürstenlose Pfui-Bah-Aufstiegshilfe!) am meisten<br />

interessiert, denn hier, in diesem „Schlauch“,<br />

geht es steil nach oben. Im Gegensatz zum essbaren<br />

Pilz ist der Schlauch eines Thermikbarts<br />

nicht immer gerade, so kann er beispielsweise<br />

durch den Wind versetzt, sprich gebogen<br />

werden. Wie groß dieser „Champignon“ aus<br />

warmer Luft ist? Nun, ganz klein, mit nur wenigen<br />

Zentimetern Durchmesser fängt es am Boden<br />

an – und endet dann hoch in der Luft unter einer<br />

Cumuluswolke mit Durchmessern von teilweise einigen hundert Metern.<br />

Rund um dieses von uns heiß begehrte, aufsteigende Zentrum liegt ein<br />

Ring, den keiner von uns wirklich gern hat – der „Abwindring“. Da geht es<br />

böse abwärts, immer! Dieser wird auch ausdauernd und gern von den Modellfliegern<br />

zitiert, die ihren Segler grausamst fehlgetrimmt haben: „Heute<br />

ist nur Saufen, unglaublich ...“ Wenn Sie eine bildliche Vorstellungskraft haben,<br />

dann ist Ihnen jetzt eins schlagartig klargeworden: An diesem Abwindring<br />

kommen Sie, wie akrobatisch Sie auch fliegen, in der Thermikpraxis<br />

nicht vorbei – da müssen Sie durch! Erst danach geht es nach oben. Dieser<br />

unterschiedlich breite Ring wird uns noch in weiteren Kapiteln ausgiebig<br />

beschäftigen, zum Beispiel beim (über)lebenswichtigen Zentrieren des<br />

Seglers in der Thermik.<br />

So, noch ein paar Takte zur Geburtsstunde unseres Thermikbarts: Sie<br />

erinnern sich, die Sonne erwärmt die Erdoberfläche. Der Boden erwärmt<br />

Mit dem Speer in die Thermik stechen: Erfahrene Piloten wie Sebastian Hampf<br />

kriegen schon mit einem einfachen Start in Speerwurftechnik aus der Hand Thermikanschluss.<br />

Ich habe mal einen F3J-Piloten beobachtet, wie er auf der Wiese<br />

sein Wettbewerbsmodell mit einem bewusst lässigen Wurf aus dem Handgelenk<br />

auf etwa acht Meter geworfen hat – von da aus hat er sich dann 200 Meter hoch<br />

ins Blau gekurbelt. Lassen Sie sich durch solche Muskelspiele nicht frustrieren:<br />

Das ist nicht wie Lotto spielen, so etwas kann man lernen!<br />

ein Luftpaket, das jetzt in der etwas kühleren<br />

Umgebungsluft nach oben steigt. Stellen Sie<br />

sich einen Heißluftballon vor, der langsam nach<br />

oben klettert. Nur leider ohne Hülle, deswegen<br />

erkennen Sie ja nichts. Sie ahnen schon, worauf<br />

es eigentlich bei der Entstehung von Thermik ankommt,<br />

das sind relative Temperaturdifferenzen,<br />

nicht absolute Werte! Das ist der Grund, warum<br />

es an einem unangenehm kühlen Frühlingsmorgen<br />

oft sehr thermisch ist. Die Umgebungsluft<br />

ist extrem kalt, aber die Sonne hat ab März<br />

bereits viel Kraft. Piloten mit Durchblick wissen:<br />

Nur fünf Grad am Morgen und viel Sonne an<br />

einem Frühlingstag, das verspricht viele gute<br />

Thermik 2012<br />

19


Das dicke Ende vom Bart: Ja, da oben ist Schluss, die prächtige Wolke (viele<br />

nennen sie Broccoli) zeigt den Zielpunkt unseres Thermikschlauchs an. Mal abgesehen<br />

davon, dass diese Wolke viel zu hoch ist – da wollen Sie nicht mit dem<br />

Segler hineinfliegen. Die Aufwinde in der Wolke sind derart aggressiv, die können<br />

sogar manntragende Segler zerreißen!<br />

Thermikflüge. Diese (erfahrenen) Piloten wissen auch, dass sie an einem<br />

Hochsommertag mit bereits 24 Grad um sechs Uhr in der Früh besser in<br />

einem Biergarten den lieben Gott einen guten Mann sein lassen – keine<br />

Temperaturunterschiede, keine Thermik!<br />

Eine Frage höre ich auf Messen, in RC-Foren und auf den Flugplätzen<br />

quer durch die Republik immer wieder: „Klettert dieses Modell gut in der<br />

Thermik oder lieber jenes?“ Stellen Sie diese Frage keinem Händler!<br />

Was soll er darauf auch antworten. Natürlich verkauft der Ihnen statt des<br />

günstigen Einsteigerseglers mit Rippenfläche für<br />

99,– Euro lieber das teure, hochglänzende Voll-<br />

Carbon-Modell für einen knappen Tausender mit<br />

dem so passend wie umsatzstarken Kommentar:<br />

„Der hat ein neu gerechnetes Profil, der steigt<br />

jetzt wie von selbst!“ Jetzt etwas vielleicht Schockierendes:<br />

Das Modell und sein Profil sind, so<br />

hart das jetzt klingen mag, sekundär, ja, beinahe<br />

total nebensächlich! Ganz egal, wie viele Supercomputer<br />

an diesem angeblich neuen Profil<br />

gerechnet haben – dadurch gewinnt Ihr Modell<br />

nicht einen einzigen Millimeter an Höhe! Wenn<br />

das Profil gut ist, dann verliert er vielleicht weniger<br />

Höhe pro Strecke, das ist alles. Die Energie<br />

für den Aufstieg liegt in der Thermik, nicht im<br />

Profil. Glauben Sie mir, wenn Thermik gleichgültig<br />

mit den Schultern zucken könnte, dann würde<br />

sie es bei der unendlichen Diskussion um angebliche<br />

Hochleistungs- und „Steigprofile“ tun.<br />

Lange Rede, kurzer Sinn: Der unweigerliche<br />

Spaß beim <strong>Thermikfliegen</strong> hat nichts mit<br />

dem Modell zu tun! Wenn Sie einmal mit einer<br />

50-Euro-„Resteverwertung“ stundenlang in der<br />

Thermik gekurbelt sind und den Rest des Tages<br />

wie bekloppt grinsen – dann wissen Sie warum:<br />

Thermik macht süchtig, und das (fast) ohne<br />

Nebenwirkungen ...<br />

Und, ist Thermik? In diesem Fall, ja! Wie Sie an dem<br />

Wolkenbild sehen, haben wir nur einen leichten Wind<br />

und eine prächtige Sonneneinstrahlung an diesem<br />

herrlichen Frühlingsmorgen. Unter jeder Wolke hängt<br />

ein Bart. Also, warten Sie nicht, fliegen Sie rein!<br />

20<br />

Thermik 2012


Thermik 2012<br />

21


Kleine Ornithologie<br />

für Modellflieger<br />

Torsten Falk<br />

Diese Vögel bringen Sie nach oben<br />

Es gibt tatsächlich immer noch Modellpiloten,<br />

die steif und fest behaupten:<br />

„Nur Bussarde kreisen in<br />

der Thermik, sonst nichts.“ Das ist,<br />

bei allem Respekt, natürlich völliger<br />

Unsinn. Und wenn Sie demnächst<br />

mit offenen Augen durch Mutter Natur<br />

laufen, ganz besonders in den<br />

thermisch hoch explosiven Frühjahrsmonaten<br />

– werden Sie mir blitzschnell<br />

zustimmen.<br />

Nehmen wir nur die Schwalben (Hirundinidae),<br />

wie bekannt, macht ja eine Schwalbe<br />

noch keinen Sommer. Monty-Python-<br />

Fans dürfen an dieser Stelle gern eine halbe<br />

Stunde über die Tragkraft der europäischen im<br />

Vergleich zu den afrikanischen Schwalben diskutieren!<br />

Es gibt tatsächlich 75 Arten in der Familie<br />

der Schwalben.<br />

Stimmt, die kreisen nicht nur in der Thermik.<br />

Die kreisen UND futtern in der Thermik! Und<br />

das pünktlich wie die Maurer! Alte Bauernregeln<br />

legen die Ankunft der Schwalben bei uns auf<br />

Ende März. Wie gut das zu der wilden Frühjahrsthermik<br />

passt. Sie haben sich letzte Saison<br />

gewundert, dass in einem goldenen Oktober mit<br />

herrlicher, milder Thermik keine Schwalben mehr<br />

Zwei „Geier“ im Hausbart: Nicht einmal 20 Meter über dem Boden kreisen hier die<br />

beiden Mäusebussarde. Typisch ist das Gekreische dabei. Idealerweise bemerken<br />

Sie das während Ihres Flugs und steuern diesen Bart an<br />

da sind? „Am Tag von Maria Geburt fliegen die Schwalben furt!“, sagen die<br />

alten Bauern – und das ist der 8. September.<br />

Manchmal sieht man Dutzende dieser ungewöhnlich stromlinienförmigen<br />

Federflieger nur fünf bis zehn Meter über dem Boden, wie sie alle<br />

zusammen – und das für die große Anzahl erstaunlich lautlos, wir hören<br />

nur ein leises Zwitschern und Rauschen – in einem Bart kreisen. Der Bart<br />

hat in dieser geringen Höhe vielleicht einen Durchmesser von vier oder fünf<br />

Metern. Die Schwalben kreisen eng, fünf Minuten und länger. Das ist kein<br />

wirkliches oder gar seltenes Naturschauspiel, das ist Frühstück, eine Art<br />

ornithologischer „Fly in“.<br />

Was ist passiert? Die aggressive Thermik reißt Abertausende winziger<br />

Insekten vom Boden und aus den Büschen hoch in die Luft. Die freuen<br />

sich – hach, ist das herrlich (Neudeutsch: chillig!), bei dem schönen Wetter<br />

ohne anstrengenden Flügelschlag in der lauen Luft zu schweben. Bis<br />

urplötzlich so ein scharfer Schnabel, riesig weit aufgerissen, aus der tief<br />

stehenden Sonne angeflogen kommt. Kreisch, denkt das Insekt entsetzt<br />

seinen letzten Gedanken! Schluck, freut sich die Schwalbe, kreist weiter<br />

in dem Bart und kann den kleinen Hals nicht voll genug bekommen.<br />

Achten Sie auch hier bitte auf die Details, ich muss zugeben, dies ist mir<br />

erst während der langen Stunden aufgefallen, in denen ich versucht habe,<br />

futternde Schwalben im Thermikflug zu fotografieren: Donnerwetter, sind<br />

die Viecher auf dem Weg von Bart zu Bart schnell! Zwischen den einzelnen<br />

Flügelschlägen legen die ihre kleinen Flügel eng an den Körper und „stürzen“<br />

so quasi zwei, drei Meter in der Horizontalen, ohne dabei großartig an<br />

Höhe zu verlieren – beeindruckend. Und damit nicht genug: Immer wenn<br />

die Schwalben in der Luft ein Insekt schlucken, schütteln sie sich kurz aber<br />

heftig nach links und rechts. Die Flugbahn wird in diesen Augenblicken<br />

total chaotisch. Das bringt selbst den modernsten Autofokus, der bei einem<br />

rasenden Formel-1-Renner ganz entspannt bleibt, blitzschnell an den Rand<br />

des Wahnsinns ...<br />

Und Sie? Sie fliegen bitte erst in diesen verlockenden, kaum zu übersehenden<br />

Bart hinein, wenn die kleinen Federviecher satt und am Boden<br />

22 Thermik 2012


Der Falk hat sie doch nicht<br />

mehr alle, jetzt fotografiert<br />

der schon Blätter: Aber<br />

was ist das, ist der Sensor<br />

schmutzig? Mitnichten!<br />

Das ist ein Bart im Frühstadium,<br />

zwei Meter und<br />

75 Zentimeter über dem<br />

Boden! Und mittendrin<br />

in der aufsteigenden Luft<br />

unzählige kleine Insekten.<br />

Gleich werden sich<br />

die Schwalben fünf Meter<br />

über den Büschen auf die<br />

Insekten stürzen, in dem<br />

jungen Bart kreisen – und<br />

spätestens dann bekommen<br />

Sie den hoffentlich<br />

auch mit!<br />

Eine Schwalbe macht<br />

noch keinen Sommer:<br />

Aber sie ist ein echter<br />

Tipp, wenn Sie Thermik<br />

suchen. Schwalben zeigen<br />

selbst die kleinsten Bärte<br />

an. Erstaunlich, dass die<br />

mit den plumpen Proportionen<br />

überhaupt fliegen.<br />

Lassen Sie das bloß keinen<br />

Genetiker wissen, der<br />

Aerodynamik als Hobby<br />

hat ...<br />

(sprich in den Büschen und Bäumen) zurück sind. Dafür, dass uns die<br />

Kleinen so freundlich die Thermik angezeigt haben, wollen wir sie nicht<br />

mit der stahlharten Carbon-Fläche verjagen. Ach so, Sie fliegen prinzipiell<br />

Brushless an zehn Zellen? Wehe!!!<br />

In einem Punkt haben unsere Bussard-fixierten „alten Hasen“ (was<br />

für ein bizarres Bild: alte Hasen, die in der Thermik kurbeln ...) allerdings<br />

Recht: In größerer Höhe jenseits der 150 oder 200 Meter sieht man keine<br />

Schwalben mehr kreisen. Die kleinen Gourmets zeigen offensichtlich nur<br />

den Beginn eines Barts an und stürzen sich blitzschnell aus Gebüschen<br />

oder Baumreihen in die junge Thermik. Ganz ehrlich, das sollte für Sie die<br />

Wirkung einer Neon-Leuchtreklame in dunkler Nacht haben. Jetzt wissen<br />

Sie, wo der Bart loslegt, Sie müssen nur noch ein paar Meter drüber einsteigen.<br />

Übrigens kann man an unseren gefiederten Freunden, wie den Schwalben,<br />

durchaus die Drehrichtung eines Barts erkennen. Sehen Sie bei<br />

nächster Gelegenheit länger hin – die kleinen Piepmätze fliegen alle in die<br />

gleiche Richtung, mit der Drehrichtung des Barts. Ich vermute mal, dass die<br />

Schwalben den winzigen Insekten, die ja durch die Luftströmung mitgetragen<br />

werden, einfach hinterherfliegen. Daher die kollektive Richtung. Fragen<br />

Sie mich bitte nicht, warum die sich nicht einfach rumdrehen, auf den Rücken<br />

legen und nur ganz entspannt den Schnabel aufreißen – vielleicht hat<br />

es ja was mit einer Art Fitnesstraining beim Essen zu tun ...<br />

Jetzt zu den typischen „Geiern“, die jeder Modellflieger kennt, den<br />

Bussarden. Die alten Lateiner nannten sie „buteo“. 29 verschiedene Arten<br />

gibt es von ihnen auf der Welt, auf Ihrem Modellflugplatz sehen Sie davon<br />

höchstwahrscheinlich nur den Mäusebussard („buteo buteo“ genannt) und<br />

den Adlerbussard, in Wintern gesellt sich in unseren Breiten gelegentlich<br />

der nordische Raufußbussard dazu. Sie sind Städter und haben noch nie<br />

einem Bussard aus der Nähe in die Augen gesehen? Wie der wohl aussieht?<br />

Ihnen kann geholfen werden: Mäusebussarde zum Beispiel sind gut<br />

55 Zentimeter lang und besitzen eine Spannweite mit kleiner Streckung von<br />

bis zu 1,3 Metern. Das Gefieder ist meist dunkelbraun, kann aber durchaus<br />

hellere Farbtöne, bis hin zu einem weißen Cremeton, besitzen. Der Bussard<br />

schätzt weite, offene Landschaften mit angrenzenden Wäldern. Nicht nur in<br />

diesem Punkt hat er mit uns Modellfliegern einiges gemeinsam.<br />

Thermik 2012<br />

Rechtsrum im Duett: Es ist zum Heulen – wochenlang<br />

war ich Tag für Tag mit der Kamera unterwegs, und<br />

dann habe ich nur zwei Schwalben zusammen in einem<br />

Bart erwischt. Eins ist sicher, sobald dieses Heft<br />

gedruckt ist, kreisen die wieder zu Dutzenden über<br />

meinem Kopf und lachen mich aus ...<br />

Dabei wiegen die Bussarde zwischen 600<br />

Gramm und 1,2 Kilo. Aus der Sicht eines Modellpiloten<br />

haben die also beim Bau nicht wirklich<br />

mit Leim gespart. Umso erstaunlicher für viele<br />

Beobachter ist, wie gut Bussarde segeln können.<br />

Das muss etwas mit der hohen Wurzeltiefe, der<br />

rauen Oberfläche und den angestellten Flügeln<br />

zu tun haben. Und eine Anmerkung für die Herrentorten-Genießer<br />

unter uns: Bussardweibchen<br />

23


Greifen-Trio: nicht einmal besonders selten, drei oder mehr Bussarde in einem<br />

Bart, etwa 80 Meter über dem Boden. Wenn Sie in diesem Bart einkreisen, halten<br />

Sie bitte respektvollen Abstand – gerade in der Paarungszeit nach Februar und<br />

in der Brutzeit bis Ende Mai sind Bussarde nicht besonders tolerant – und haben<br />

Ihr Modell schnell zum Fressen gern ...<br />

sind bis zu einem Drittel größer und schwerer – unfassbar, möchte man(n)<br />

meinen!<br />

Diese habichtartigen Greifvögel sind in der Luft unsere ungekrönten<br />

Könige, wenn es einen guten, thermisch aktiven Tag hat, dann hören Sie<br />

die Bussarde hoch oben im Bart vor Vergnügen (das unterstellen wir jetzt<br />

einmal) pfeifen – Vogelkundler nennen das den „miauenden“ Ruf (probieren<br />

Sie es mal: „hiääh“).<br />

Und was machen die? Kreisen die aus Spaß an der Freude, so wie wir?<br />

Fast! Wie wir können die Bussarde den Hals nicht voll kriegen – voll mit<br />

leckeren Mäusen, anderen (kleineren) Vögeln, Insekten, Regenwürmern,<br />

Reptilien und Aas. Ich habe mich immer gefragt, warum Bussarde so oft<br />

und tief über der Autobahn kreisen, jetzt weiß ich es!<br />

Aha, sagen Sie sich jetzt: Besser nicht im Pilotenstuhl einschlafen,<br />

das könnte von oben falsch verstanden werden! Genau, aber es heißt ja<br />

auch Modellsport und nicht -schlaf. Angriffe von Bussarden auf Menschen<br />

kommen vor, sind aber eher selten. Sehen Sie das mal aus der Perspektive<br />

des Bussards, das ist so, als würden Sie mit einer Keule einen Dinosaurier<br />

angreifen. Nicht wirklich zu empfehlen. Und ja, wir alle lesen hin und wieder<br />

in Zeitungen von Joggern, die einem Bussard zu nahe gekommen sind –<br />

recherchiert man das, zeigen sich nicht einmal ein halbes Dutzend Fälle<br />

im Jahr. Das ist wie Lotto spielen: Ich jogge an sechs Tagen in der Woche,<br />

manchmal nur fünf Meter an einem Bussard im Geäst vorbei. Der dreht kurz<br />

den Kopf und döst dann weiter. Wahrscheinlich bin ich zu langsam! Flinke<br />

Mäuse jagen macht wohl mehr Spaß. Es gibt allerdings bundesweit etliche<br />

Vorfälle, dass Bussarde sich kleine (nicht angeleinte!) Hunde bis vier Kilo<br />

beim Gassigehen geschnappt haben. Nun, rüsten Sie auf, kaufen Sie sich<br />

eine Dänische Dogge!<br />

Experten beruhigen uns, Bussarde sollen, anders als einige Eulen, nicht<br />

gleich auf unsere Augen losgehen, und aggressiv sind unsere gefiederten<br />

Fliegerkollegen (wenn überhaupt) nur in der Brutzeit zwischen März und<br />

Mai. Also, große Sonnenbrille an, Schirmmütze obendrauf und einen Schal<br />

aus (natürlich!) selbst laminiertem Kevlar-Gewebe um Hals und Nase. Sicher<br />

ist sicher! Bitte gehen Sie in dem Outfit kein Geld abheben ...<br />

Erfahrene Piloten haben da ganz andere Geschichten zu erzählen, die<br />

sich unter dem Strich zu einer Aussage addieren lassen: Lassen Sie die<br />

Bussarde in der Luft in Ruhe, provozieren Sie die Federflieger nicht – so<br />

mancher Modellpilot hat seinen in langen Stunden gebauten Schatz nach<br />

einer Auseinandersetzung mit einem Bussard in Teilen vom Boden aufkratzen<br />

dürfen. Also, halten Sie respektvollen Abstand, bitte auch beim Kreisen<br />

im Bart. Mit faustgroßen Löchern in der Fläche gleitet es sich weniger gut!<br />

Einen „angepissten“ Bussard über Ihrem Flieger erkennen Sie daran, dass<br />

er sich aufbäumt, die bösen scharfen Krallen (Fahrwerk) schräg nach vorn<br />

ausfährt und sich dann, ohne groß zu zögern,<br />

von oben auf Ihre Fläche stürzt. So sehr das jetzt<br />

selbst Siegfried Lanitz ärgert – da widersteht<br />

nicht einmal Oracover! Was die Krallen nicht im<br />

ersten Moment zerfetzen, da hilft der krumme<br />

und scharfe Schnabel noch einmal nach, Rippe<br />

für Rippe. Kommt mir ein Bussard von oben zu<br />

nahe, kenne ich nur eins – voll Tiefe geben. Liegt<br />

das Modell erst einmal ruhig am Boden, kratzt<br />

das den Bussard nicht mehr. Jetzt droht die wirklich<br />

große Gefahr: Modellflugkollegen, die ihre<br />

Augen nicht aufmachen ...<br />

Interessant ist die Gruppendynamik von<br />

Bussarden. Nehmen Sie sich mal eine halbe<br />

Stunde Zeit und beobachten Sie die Vögel in<br />

aller Ruhe vom Boden aus. Ein Bussard fliegt<br />

aus einem hohen Baum in die sich gerade entwickelnde<br />

Thermik, er dreht ein paar Runden,<br />

es trägt noch nicht richtig. Blitzartig legt er die<br />

Flügel an und stürzt nahezu senkrecht auf seinen<br />

Beobachtungsposten zurück. Manchmal dreht<br />

man nur für eine halbe Sekunde den Kopf weg,<br />

verliert den Bussard in der Thermik aus den Augen<br />

– und schon ist er weg, unauffindbar. Diese<br />

Greifvögel sind verflixt schnell! Erstaunlich sind<br />

die Strecken, die Bussarde im bösen Saufen<br />

zwischen den einzelnen Bärten zurücklegen,<br />

wenn es sein muss, 500 Meter und mehr, und<br />

das ohne nennenswerten Verlust an Höhe – da<br />

können wir nur neidisch werden.<br />

Der nächste Versuch: Jetzt trägt es besser,<br />

unser Bussard kreist wieder, er steigt – und<br />

schon gesellen sich aus den umliegenden<br />

Bäumen seine gefiederten Vettern hinzu. Ehe<br />

man es sich versieht, kreisen drei oder mehr<br />

Bussarde einträchtig im Bart. Das ist faszinierend,<br />

würde nicht nur Mr. Spock sagen. Ach ja,<br />

sollten Sie das um Mitte Februar sehen, sind dies<br />

höchstwahrscheinlich Balz- und Paarungsflüge.<br />

Bussarde leben und reisen eher selten in großen<br />

Gruppen, sie nutzen aber hin und wieder zum<br />

Aufstieg den gleichen Thermikbart gemeinsam<br />

und trennen sich hinterher wieder.<br />

Wie gesagt, das machen sie nicht aus Vergnügen<br />

oder reiner Langeweile: Von weit oben<br />

lassen sich die weiten Jagdgründe besser überblicken.<br />

Eine verdächtige Bewegung am Boden,<br />

24 Thermik 2012


Typische Farbe, typische Klappenstellung: Nein,<br />

Scherz beiseite, so kreist der „normale“ Mäusebussard<br />

über Ihnen in der Thermik. Besser kann man<br />

Thermik nicht sehen. Also, rein mit dem Modell!<br />

Ein Bussard in Bodennähe: Wir lassen den Bart bitte erst noch etwas entwickeln,<br />

den Bussard weiter steigen. Es ist durchaus denkbar, dass er gleich in dem Baum<br />

darunter sein Nest hat, das er unter Umständen in der Brutzeit aggressiv verteidigt.<br />

Eigentlich verständlich, Sie wollen auch keinen Airbus uneingeladen in Ihrem<br />

Wohnzimmer haben<br />

Sie kreist, sie kreist nicht? Gute Frage! Eigentlich sieht man Krähen nicht in der<br />

Thermik. Ein, zwei Mal habe ich so etwas beobachtet, in über zehn Jahren – vertrauen<br />

Sie besser nicht drauf, die suchen nur ein paar Körner aus der frischen<br />

Saat zum Futtern<br />

Der hat doch 'ne Meise. Stimmt! Und, Modellflugplatz<br />

vom Regierungspräsidenten genehmigt oder nicht –<br />

dieser Meise sollten Sie nicht folgen, die kreist nicht<br />

in der Thermik<br />

ein Kaninchen, das das schützende Dickicht verlässt<br />

– und schon stürzt sich der Bussard blitzschnell<br />

auf seine meist völlig überraschte Beute.<br />

Merke, nicht nur alles Gute kommt von oben ...<br />

Jeder Modellflieger kennt Bussarde und weiß<br />

etliche Geschichten zu erzählen. Man könnte<br />

meinen, es gibt sie wie Sand am Meer. Das ist<br />

allerdings ein Irrtum: In Deutschland lebt rund<br />

Thermik 2012<br />

die Hälfte der europäischen Bussard-Population, und das sind geschätzt<br />

gerade einmal 100 000 Bussardpaare. Also, bleiben Sie bitte freundlich,<br />

wenn Sie sich mit einem Bussard den Bart teilen. Dann haben beide Seiten<br />

etwas davon.<br />

Kreist sonst noch was Gefiedertes in unserer Thermik? Ja und nein! Im<br />

alpinen Bereich sieht man immer wieder Saatkrähen und Dohlen, die in der<br />

Thermik an den Hängen kreisen. Im Flachland ist das eher selten: Ich habe<br />

über die letzten zehn Jahre nur ein Mal eine Krähe in einem Bart gesehen.<br />

Nach drei, vier Kreisen war sie wieder draußen – offensichtlich war ihr aufgefallen,<br />

dass Flachlandkrähen für gewöhnlich nicht in der Thermik kreisen.<br />

Kleine Singvögel? Nein, größere Vögel? Geier, Adler – sicher, wenn Sie in<br />

Südamerika Urlaub machen, und natürlich keinen Segler im Auto haben.<br />

Auf youtube habe ich ein Video von einem kreisenden Storch entdeckt.<br />

Diese Riesenvögel sind an sich schon selten. Wenn Sie den in der Thermik<br />

erwischen, sollten Sie schnell Lotto spielen.<br />

Also, die Quintessenz aus diesen gefiederten Betrachtungen: Wenn<br />

Vögel keinen Brushless brauchen, dann brauchen Sie auch keinen! Versuchen<br />

Sie es mal, vertrauen Sie den Schwalben und den Bussarden – fliegen<br />

Sie denen hinterher. Es lohnt sich, immer!<br />

25


Kleine thermische<br />

Geländekunde<br />

Augen nach unten! Der Boden macht die Thermik<br />

Torsten Falk<br />

Haben Sie einen „alten Hasen“ im<br />

Verein? Dann kennen Sie diesen<br />

Spruch sicher auswendig: „Du willst<br />

Thermik? Da hinten links neben der<br />

Eiche steht vormittags kurz nach<br />

elf immer der Hausbart – alles klar,<br />

Muchacho?!“<br />

Nun, das hört sich zwar gut und griffig an,<br />

und Erfahrung und Ortskenntnisse sind<br />

durch nichts zu ersetzen – aber ganz so<br />

einfach wollen wir es uns heute nicht machen.<br />

Also, folgend ein paar Gelände-Tipps und worauf<br />

Sie vor und bei Ihrem nächsten langen Thermik-<br />

Flug achten sollten. Wie, geladene Akkus? Ja,<br />

das bitte auch!<br />

Vorweg ein Hinweis, so banal er auch klingen<br />

mag: Orientieren Sie sich über das Gelände<br />

bitte vor dem Flug. Und nicht erst, wenn Sie 150<br />

Meter über dem Boden in einem Bart kreisen.<br />

Mal eben weggucken? Eigentlich kein Thema!<br />

Aber bei mehr als zehn Sekunden kann das zu<br />

ziemlich unangenehmen Überraschungen führen:<br />

„Du, Fritz – hast du meinen alten »Amigo«<br />

Vorsicht, Stufe! Sehen Sie die Kante hinter mir? Direkt darüber können Sie bei<br />

guten Verhältnissen gut und gern mit einem kleineren Segler wie einem HLG oder<br />

DLG minutenlang surfen, liegende Achten fliegen. Ganz abgebrühte Piloten setzen<br />

in dieser „Höhe“ sogar einen F3Jler ein und starten aus der Hand!<br />

gesehen? Vor fünf Minuten war der noch in dem Bart da hinten überm<br />

Kirchturm ...“<br />

Während Fritz Fliegerkumpel sich noch verwundert die Augen reibt und<br />

seinen (fast wie) neuen „Schnellbausatz“ vom Boden aufsammelt, legen wir<br />

einfach mal los: Wir suchen, wie Fachleute es bezeichnen, das „thermisch<br />

differenzierte“ Gelände. Klingt kompliziert und übertrieben hochwissenschaftlich<br />

– ist aber leicht zu erklären.<br />

Unser federleichter Einstieg für Nicht-Wissenschaftler: Tagsüber, wenn<br />

die Sonne brennt, ist über einem wärmereflektierenden, hellen Boden<br />

gute Thermik. Wie das? Physikalisch ist das schnell erklärt, was das Licht<br />

zurückwirft, das gibt auch die Wärme schnell ab und speichert sie nicht<br />

erst stundenlang. Sie kennen das von Ihrem Auto: Eine silberne oder blitzeblank<br />

weiße Karosse bleibt länger kühl. In einem Batman-artigen, düsteren<br />

Schwarzmetallicmobil mit defekter Klimaanlage werden Sie im Hochsommer<br />

ganz schnell zum krossen Kentucky Chicken. Das sagt uns: Helle Farben<br />

werfen die Sonnenstrahlung, somit die Wärme, zurück. Dunkle Farben<br />

speichern die Wärmeenergie, wenn Sie das immer noch nicht glauben,<br />

knutschen Sie bei Gelegenheit vor einem Biergarten anbetungsvoll den<br />

schwarzen Zylinderblock einer in der Sonne parkenden Harley ...<br />

Dunkel kann aber auch gut sein, nämlich dann, wenn die Sonne nachlässt<br />

oder langsam untergeht! Am Abend, wenn möglich bitte vor Einbruch<br />

der Dunkelheit, sind die Geländeformationen interessant, die den lieben<br />

langen Tag über die Wärme gespeichert haben – also zum Beispiel ein<br />

26 Thermik 2012


Das suchen wir: ein thermisch differenziertes Gelände. Kleine Wälder, dazwischen<br />

Wiesen, Felder, vertrocknetes Gras und helle Feldwege – da geht immer was!<br />

klappt das sogar ohne die Wetter-App in der<br />

Hosentasche.<br />

Sekunden später gehen dem geliebten Kornfeld<br />

und Ihrem „alten Hasen“, der jetzt sprachlos<br />

den Bart sucht, die thermische Puste aus – keine<br />

Sonneneinstrahlung, keine Thermik, kein Obenbleiben,<br />

so einfach ist das in diesem klassischen<br />

Fall.<br />

Aber, aber, aber – ja, nicht für Sie, denn Sie<br />

haben ja den Durchblick, Sie suchen jetzt ganz<br />

schnell (idealerweise sind Sie in dem Moment<br />

noch weit oben in dem Hammerbart über dem<br />

Feld, der grad das Zeitliche segnet) dunkle Stellen<br />

im Gelände, wie zum Beispiel ein schwarz<br />

geteertes Fabrikdach. Ignorieren Sie an dieser<br />

Stelle den Arbeiter, der mit der Lötlampe das<br />

Dach erneuert und hektisch in Ihre Richtung<br />

winkt: Wir wollen nicht landen, wir wollen steigen<br />

– nicht unser Problem, wenn der Mann Panik vor<br />

einem (not)landenden 6-m-Segler auf einem acht<br />

Meter langen Dach hat.<br />

Bodenbelag: Selbst ohne Schäfchenwolken am Himmel, dieses Gelände ist thermisch<br />

interessant! Die Wiese ist leicht geneigt, da scheint die Sonne senkrecht<br />

drauf. Das vertrocknete Gras links verspricht gute Thermik, und aus dem dunklen<br />

Wald im Hintergrund blubbert es am späten Nachmittag, oder wenn eine große<br />

Wolke vor der Sonne hängt. Die einzige Bildstörung sitzt in der Mitte, der eingebaute<br />

Brushlessmotor ...<br />

dunkler, grimmiger Mischwald in der Nähe. Da die Einstrahlung der Sonne<br />

nachgelassen hat, geben die dunklen Flächen ihre über den sonnigen Tag<br />

gespeicherten Wärmeenergien jetzt frei.<br />

Dieser Trick kann aber auch ein paar Stunden früher klappen. Wenn<br />

also ihr „alter Hase“ hektisch an Ihrem Ärmel zupft und nörgelt: „Nur<br />

komplette Thermikverweigerer fliegen tagsüber dunkle Flächen an. Dreh<br />

ab!“, antworten Sie nur lässig: „Riesenwolke!“ Sie haben natürlich gut auf<br />

die Zugrichtung der Wolken geachtet und rechtzeitig mitbekommen, dass<br />

sich eine gigantische Wolkenfront vor die Sonne schiebt. Augen auf! Dann<br />

Thermik 2012<br />

Aber Vorsicht, dieser Wechsel von der Thermik<br />

über dem hellen Kornfeld und der Thermik<br />

über dem Teerdach oder dem kleinen Wald geht<br />

nicht in Sekundenschnelle über die Bühne – das<br />

kann durchaus einige Minuten dauern, bis die<br />

dunklen Bereiche die gespeicherte Wärmeenergie<br />

abstrahlen. Es macht also Sinn, wenn<br />

Sie bei großen Abschattungen der Sonne erst<br />

einen Nullschieber (kein Steigen, aber auch<br />

kein Sinken) bis zum Gehtnichtmehr ausreizen,<br />

und dann erst die dunklen Stellen im Gelände<br />

ansteuern.<br />

Zurück zu unserem thermisch differenzierten,<br />

also Temperatur-unterschiedlichen Gelände.<br />

Thermisch „langweilig“ ist eine gigantische,<br />

27


Abendthermik: Markus Schilling weiß, wie man’s<br />

macht – den ganzen sonnigen Tag über hat der dunkle<br />

Wald die Wärmeenergie gespeichert, gegen Abend<br />

gibt er sie wieder ab. In diesem Fall bitte direkt den<br />

Wald rechts hinten anfliegen, da geht’s nach oben!<br />

ebene Wiese, da tut sich fast gar nichts! Die Luft<br />

erwärmt sich und steigt in einem riesigen Paket<br />

unauffällig nach oben. Das ist so unspektakulär,<br />

dass Ihr Segler wahrscheinlich nicht einmal<br />

zuckt.<br />

Deutlich interessanter ist Ihr Fluggelände,<br />

wenn es leicht abschüssig im Gelände verläuft,<br />

es muss dabei nicht einmal besonders steil sein.<br />

Schon eine leichte Neigung garantiert, dass<br />

die Sonne effizienter (Idealfall: rechter Winkel)<br />

auf den Untergrund strahlt – und schon geht<br />

der Fahrstuhl schneller hoch als in der Ebene.<br />

Dellen, kleine Hügel in der Landschaft sind gut,<br />

Gräben oder sogar hier und da eine verfallene<br />

Scheune. Die wirken dann wie ein Hang im Miniaturformat.<br />

Die Bärte bleiben erst an den Gräben,<br />

Büschen oder Gebäuden hängen, werden<br />

über Minuten immer stärker, bis sie sich schließlich<br />

mit einem (unhörbaren!) Knall lösen – das ist<br />

genau die Art von einem erwärmten Luftpaket,<br />

die wir suchen. Sie haben auf Ihrem Lieblingsplatz<br />

nur eine winzige Stufe, Sie merken, da<br />

zuckt was, aber das ist zu klein zum Auskreisen?<br />

Kein Thema – stellen Sie sich vor, diese kleine<br />

Geländestufe sei ein Hang: Fliegen Sie also eine<br />

flache, liegende Acht. Und schon geht es dramatisch<br />

aufwärts mit Ihnen! Achtung, das klappt<br />

nicht wirklich mit einem 20-Kilo-Segler, aber das<br />

Ein Feldweg, na und? Von wegen, Thermikschnüffler strahlen jetzt vor Freude!<br />

Der helle Weg ist ideal für das Entstehen der Thermik, an den Büschen links und<br />

rechts staut sich die aufsteigende Wärme, löst sich Minuten später mit gewaltiger<br />

Energie. Warum sind Sie noch am Boden? Rein in den Bart!<br />

wissen Sie spätestens nach den ersten Versuchen, bodennahe Thermik<br />

auszukreisen. Ideal für diese kleinen „Störungen“ im (monotonen) Gelände<br />

sind Segler bis zur F3J-Spannweite: je kleiner, je lieber!<br />

Nicht weniger spannend sind einzelne Bäume oder kleine Hecken, verteilt<br />

auf dem oder rund um den Platz. Hier sammelt sich die Wärmeenergie,<br />

staut sich und löst sich dann mit gleicher Wucht vom Boden ab. Kenner<br />

wissen das und achten bei nahezu Windstille auf plötzlich raschelndes<br />

Blattwerk in freistehenden Bäumen – da wird sich gleich ein Bart lösen –<br />

also nichts wie rein ins Vergnügen!<br />

Worauf achten Sie noch, über welchem Gelände lohnt sich ein Flug?<br />

Nun, vertrocknetes, abgemähtes Gras ist gut, Sand (bitte etwas größer<br />

28 Thermik 2012


Einsamer Baum: Böser Irrtum, der Baum ist nie allein, der ist ständig von guter<br />

Thermik umgeben! Sehen Sie genau hin, das Gelände ist uneben, die Sonne strahlt<br />

rechtwinklig auf den Boden, so klebt die warme Luft erst lange an dem freistehendem<br />

Baum, bis sie sich schließlich ablöst. Kenner bemerken das an einem<br />

intensiven Blätterrauschen, während rundherum absolute Windstille ist. Über dem<br />

Baum ist an sonnigen Tagen richtig was los ...<br />

als ein Sandkasten auf dem Spielplatz) wirft die Wärme schnell zurück,<br />

Parkplätze mit hellem Steinbelag und die daneben stehenden hellen Flachdächer<br />

von Supermärkten (beachten Sie hier bitte das Kleingedruckte in<br />

Ihrer Versicherungspolice!), helle Kalksteinbrüche (bitte nicht, wenn dort<br />

noch abgebaut und gesprengt wird. Obwohl: Das müsste eine interessante<br />

Thermik geben! Kenner fliegen hier mit Modellen aus EPP und Co., sie<br />

wollen mit ihrer edlen Kohlefläche nicht auf faustgroßem Schotter landen)<br />

und – man höre und staune, aber das betrachten wir ausführlich in einem<br />

eigenen Kapitel – eine verschneite Landschaft. In einem Satz – alles was<br />

hell ist, strahlt schnell die Wärme ab, das bringt Steigen.<br />

Meiden Sie ausgedehnte Wasserflächen wie Seen, Flüsse oder gar<br />

Meere. Das Wasser steigt auf, verdunstet, die Luft ist schwer und feucht.<br />

Haben Sie Wasserstraßen schon einmal aus einem Flieger gesehen? Die<br />

funkeln zwar in der Sonne (das sieht je nach Blickwinkel täuschend hell<br />

aus), sind aber in Realität böse dunkel! Also, umfliegen Sie diese Bereiche.<br />

Mehr als einmal habe ich erlebt, wie schnell das mit kleinen Seglern wie<br />

DLGs oder F3J-Maschinen über einem Fluss abwärts geht. Turboartig:<br />

Schon in der Nähe des Wassers setzt extremes Saufen ein – da hilft oft nur<br />

noch ein deftiger Fluch, und schnell die Hosen hochkrempeln. Behalten Sie<br />

bei diesen Aktionen Ihren Kontostand im Auge und Ihre Zukunft – bei ausgewachsenen<br />

Flüssen wie Rhein, Ruhr oder Mosel (mit ernsthaft lebensbedrohender<br />

Strömung!) würde ich das Hinterherspringen lassen und bereits<br />

vorher respektvollen Sicherheitsabstand halten!<br />

Eine Frage bleibt am Ende dieses Kapitels noch zu klären: Lässt sich<br />

Thermik kontrolliert und auf Wunsch auslösen? Geben Sie es zu, Sie haben<br />

sich diese Frage schon des Öfteren gestellt. Vor allem, wenn Ihre Freunde<br />

unerklärlicherweise immer länger oben bleiben. Der Gedanke ist: Wenn der<br />

Bart doch erst minutenlang an dem Busch, der Scheunenwand oder der<br />

Thermik 2012<br />

Geländekante klebt, dann muss man ihn doch<br />

„motivieren“ können, sich etwas eher abzulösen.<br />

Praktischerweise in dem Moment, in dem man<br />

drüberfliegt. Nun, natürlich geht das. Sie müssen<br />

nur, mit breitem Grinsen im Gesicht, kurzer<br />

Hose und dem Sender in der Hand durch alle<br />

(Dornen-)Büsche hüpfen, Geländekanten laut<br />

singend hoch- und runterlaufen und wild mit den<br />

Armen rudernd an der Waldkante vorbeihetzen.<br />

Das funktioniert super! Vielleicht gründen Sie<br />

so eine neue Religion, die Thermikianer! Oder<br />

aber, Sie haben einen überaus verständnisvollen<br />

Vereinskollegen und landen 24 Stunden zur<br />

Beobachtung in der örtlichen Psychiatrie. Idealerweise<br />

regnet es an diesem Tag, am nächsten<br />

Tag fliegen Sie einfach weiter (entspannt über<br />

das Kuckucksnest).<br />

Nein, ganz im Ernst, die Sache mit dem<br />

vorzeitigen Auslösen der Thermik funktioniert<br />

tatsächlich in der Praxis, oft wird ein Bart beispielsweise<br />

durch einen landenden oder tief<br />

hindurchfliegenden Segler ausgelöst. Vorbeifahrende<br />

Autos, die über den angrenzenden<br />

(hellen) Feldweg rattern, ein Fahrradfahrer, eine<br />

Gruppe Wanderer (die müssen dabei nicht einmal<br />

singen!) – alles das kann im entscheidenden<br />

Moment einen noch zögerlichen Bart zum Ablösen<br />

bringen. Sie müssen eben nur sehr genau<br />

hinsehen (und in diesem Moment über der Stelle<br />

einkreisen). Merke: Thermik ist nicht wirklich<br />

unsichtbar, Sie müssen einfach nur lernen, wo<br />

die sich so herumtreibt. Es gilt: Praxis ist durch<br />

nichts zu ersetzen. Also, warum lesen Sie noch,<br />

fliegen Sie los – die Thermik wartet!<br />

29


Über allen Gipfeln ...<br />

<strong>Thermikfliegen</strong> in den Alpen<br />

Hans Glatthorn<br />

… da ist keine Ruh‘, da hat es Thermik, und zwar vom Allerfeinsten (von Wetterkapriolen wie<br />

Nebel mit zwei Metern Sicht, Schneestürmen oder Dauerregen mal abgesehen)! Modell-Autor<br />

Hans Glatthorn hat fast 50 Jahre Erfahrung im Umgang mit alpiner Thermik. Anabatische und<br />

katabatische Winde, haben Sie nie gehört? Lesen Sie los! Was Hans Glatthorn weiß und in<br />

all den Jahren an den alpinen Hängen erlebt hat, hat er hier für Sie notiert.<br />

Wir unterscheiden zunächst einmal<br />

Thermik im Flachland und Thermik im<br />

Gebirge. Die physikalischen Voraussetzungen<br />

für die Thermik sind zwar dieselben,<br />

es gibt jedoch einige (oder besser gesagt: etliche)<br />

beachtenswerte Unterschiede bei der Entstehung.<br />

Also, wir stehen zunächst frühmorgens<br />

(also kurz vor Mittag) im Flachland. Die Sonne<br />

scheint, die Luft ist klar, die Vögel zwitschern, wir<br />

haben gut gefrühstückt, es gibt wenig Luftbewegung,<br />

einen wolkenarmen Himmel und einen<br />

abwechslungsreichen Untergrund (wie in den anderen<br />

Artikeln in diesem <strong>Sonderheft</strong> ausführlich<br />

beschrieben).<br />

Dieser wird sich unterschiedlich erwärmen<br />

und damit Luftpakete mit unterschiedlichen<br />

Temperaturen zur Folge haben. Die Sonne steigt<br />

immer höher, der Einstrahlwinkel, der im Flachland<br />

für das ganze Gelände mehr oder weniger<br />

gleich ist, verbessert sich laufend. Wir warten auf<br />

das Erreichen der Auslösetemperatur, bei der<br />

sich die ersten Ablösungen vom Boden erheben<br />

können. Dabei ist natürlich für das Steigen der<br />

Thermikblase die Temperaturdifferenz zur Umgebungsluft<br />

von ausschlaggebender Bedeutung. Ganz einfach gesagt, bei<br />

zwei Grad Unterschied steigt die Blase mit etwa einem Meter pro Sekunde,<br />

bei knapp über drei Grad Differenz mit etwa zwei Metern pro Sekunde und<br />

bei einer angenommenen Temperaturdifferenz von fünf bis sechs Grad der<br />

Blase zur Umgebungsluft mit erstaunlichen vier Metern pro Sekunde! Natürlich<br />

immer abhängig von einer Vielzahl weiterer Faktoren wie Höhe oder<br />

Feuchtigkeitsgehalt der Luft. So weit zum Flachland, aber das Thermikgeschehen<br />

im Gebirge weicht deutlich davon ab!<br />

Im Gebirge kommen zwei weitere wichtige Faktoren hinzu, die dieses<br />

Geschehen gravierend beeinflussen. Der schon angesprochene Einstrahlwinkel<br />

der Sonne, der im Flachland wegen der Ebenheit des Geländes<br />

nicht die überragende Bedeutung hat, und der tägliche, typische Wetterablauf.<br />

Gegenüber dem Flachland hat das Gebirge aufgrund der ständig<br />

wechselnden Hangneigungen ein erheblich aktiveres Thermik- und damit<br />

auch Wettergeschehen. Sanft geneigte Almwiesen wechseln mit steilen<br />

Anstiegen ab. In hohen Felsregionen ergeben die unterschiedlichen<br />

Einstrahlwinkel zwischen Schutthalden mit weniger Neigung und steilem<br />

gewachsenem Fels thermikträchtige Geländeabschnitte.<br />

Dazu kommt, dass die Beschaffenheit des Untergrunds oft vielfältiger<br />

ist als im stärker landwirtschaftlich genutzten Flachland. Es können mehr<br />

Gebiete mit Temperaturdifferenzen entstehen, durch die Vielzahl markanter<br />

Auslösepunkte und Abrisskanten stehen mehr Thermikquellen zur Verfügung,<br />

die besser – da von oben einzusehen – lokalisiert und angeflogen<br />

werden können. Die stärksten zu beobachtenden sind dabei Schneefelder<br />

über aufgeheizten Schutthalden. Die über dem Schnee abgekühlte Luft<br />

30 Thermik 2012


Und ab in die Luft: Mit so handlichen Zweimeter-Modellen wie diesem »Taser unplugged«<br />

von PCM starten Sie an Hängen und in den Alpen völlig entspannt aus der<br />

Hand in die Thermik. Als guter Modellpilot haben Sie bereits vorher die typischen<br />

Auslösepunkte in Ruhe beobachtet. Wir starten nicht ins große Saufen, wir nicht ...<br />

fließt nach unten und trifft am Rand des Schneefeldes auf die aufsteigende<br />

Warmluft der Schutthalde. Wie mit dem Messer abgetrennt schießt die<br />

Warmluft nach oben, steigstark und zumeist durch Mischvorgänge stark<br />

turbulent.<br />

Weiterhin sind noch lokale Windsysteme, wie sie im Flachland in dieser<br />

Form nicht anzutreffen sind, zu beobachten.<br />

Ein Tag im Gebirge<br />

Wie sieht nun ein typischer Tag im Gebirge wetter- und thermikmäßig aus?<br />

Selbstverständlich führen örtliche Gegebenheiten und überregionales Wettergeschehen<br />

zu Abweichungen, es ist jedoch immer wieder erstaunlich,<br />

mit welcher Regelmäßigkeit der typische Tagesgang des Wetters zu beobachten<br />

ist. Voraussetzung dafür ist halbwegs gutes Wetter, ein ortsfestes<br />

Tief in den Alpen ersäuft alles im Dauerregen (hauptsächlich in unseren<br />

Urlauben!).<br />

Zunächst kühlen am Vortag die Bergflanken während der Abend- und<br />

Nachtstunden stark aus, bergnahe Luftschichten werden dadurch ebenfalls<br />

kalt und schwer und fließen hinab ins Tal. In geschützten Tälern bildet sich<br />

ein Kaltluftsee, mit darüberliegenden wärmeren Luftschichten – eine Talinversion<br />

entsteht!<br />

Nach Sonnenaufgang werden zunächst die nach Osten und Südosten<br />

gerichteten Hänge erwärmt. Die Bergspitzen zuerst, die höher steigende<br />

Sonne erfasst dann von oben nach unten immer größere Geländeteile. Hier<br />

kommt nun der Einstrahlwinkel zur Geltung. Die Berghänge haben gegenüber<br />

dem flachen Tal den günstigeren Winkel zur Sonne. Der Talboden wird<br />

dazu noch, je nach Lage, lange von den umgebenden Bergen abgeschattet.<br />

Während sich die Luftschichten an den aufgeheizten Untergründen der<br />

Hangneigung erwärmen, ist der Temperaturanstieg des Kaltluftsees im Tal<br />

zunächst sehr gering, die Talinversion bleibt noch lange bestehen. Jetzt<br />

kommt Schwung in die Sache, durch Erwärmung beginnt die Luft hangnah<br />

bergauf zu fließen, ohne abzulösen, es entsteht der anabatische Hangwind,<br />

auch Sonnenwind genannt. Zunächst wird er sich uneinheitlich zeigen, mit<br />

weiterer Erwärmung tritt eine konstante Strömung ein.<br />

Übrigens, wenn wir schon im Gebirge sind, Winde werden immer nach<br />

der Richtung benannt, aus der sie kommen. Zieht der Wind den Hang<br />

herauf, ist es ein Talwind, bläst er den Berg herunter ... richtig! Dann ist es<br />

der Bergwind, der Feind aller fußstartenden Zünfte einschließlich unserer<br />

thermikerfahrenen schwarzgefiederten und Vesper-aus-dem-Rucksackklauenden<br />

gelbschnäbligen Freunde, die man angeblich in diesem Fall<br />

schon den Berg hinunterlaufen gesehen hat.<br />

Thermik 2012<br />

Der anabatische Hangwind kann je nach<br />

Intensität der Einstrahlung, des Einstrahlwinkels<br />

und der Fließstrecke eine beachtliche Dicke<br />

erreichen. Unter normalen Voraussetzungen<br />

können wir von ca. 20 bis 30 Metern ausgehen,<br />

in Extremfällen auch darüber. Wir können den<br />

Sonnenwind sehr gut mit unserem Modellflugzeug<br />

ausloten. Erreicht der anabatische Hangwind<br />

eine Kante im Gelände oder den Gipfel des<br />

Bergs, löst er ab und steigt – oft mit dem gleichen<br />

Neigungswinkel wie der Hang – weiter auf.<br />

Der anabatische Hangwind kann nun vom<br />

dynamischen Hangwind, das ist der Aufwind, der<br />

durch die Bewegung des Luftkörpers erzeugt<br />

wird, entweder unterstützt oder gestört werden.<br />

Kommt der dynamische Hangwind aus der gleichen<br />

Richtung, beeinflussen sich beide Strömungen<br />

positiv. Dabei kann allerdings ein zu starker<br />

dynamischer Hangwind den anabatischen Wind<br />

empfindlich stören oder sogar ganz verhindern.<br />

Kommt der dynamische Wind seitlich oder aus<br />

der entgegengesetzten Richtung, haben wir auf<br />

mindestens zwei Seiten des Berges Aufwinde,<br />

dazu über dem Gipfel ein turbulentes Mischgebiet,<br />

in dem sich die Luftströme vereinen. In diesem<br />

Fall gilt, dass bei geringem dynamischem<br />

Aufwind der anabatische Aufwind besser trägt,<br />

es ist für den Modellpiloten auch viel schöner,<br />

in der Sonne zu stehen. Ein wenig Mut gehört<br />

natürlich dazu, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten,<br />

um dann unter heftigem Kopfschütteln der<br />

Kameraden zunächst auf der „falschen“ (Sonnen-)Seite<br />

des Berges zu fliegen, das gelingt<br />

allerdings nicht immer!<br />

Der anabatische Hangwind wird mit höher<br />

steigender Sonne konstanter und stärker, er<br />

kann teilweise recht ansehnliche Windgeschwindigkeiten<br />

entwickeln. Schon an kleineren<br />

Auslösepunkten und Abrisskanten lösen sich<br />

nun Thermikblasen ab und steigen direkt auf.<br />

Die ersten Wolkenschleier zeigen sich über dem<br />

Berg, die Wölkchen werden größer, Wolken entstehen.<br />

An ihnen ist das Thermikgeschehen am<br />

darunterliegenden Hang gut abzulesen. Durch<br />

das Absaugen der Luft aus dem Talraum wird die<br />

Talinversion abgesenkt, sie löst sich nun durch<br />

die inzwischen erfolgte allgemeine Erwärmung<br />

auf. Es entsteht eine talaufgerichtete Bodenströmung.<br />

Die Ablösungen steigen aus immer<br />

tieferen Regionen auf, selbst der Talgrund wird<br />

nun Thermiklieferant.<br />

31


Zwei Klassiker am Hang: Wenn es dann mal geht, dann geht es richtig! Da ist es<br />

beinahe egal, was Sie an der Kante rauswerfen. Hier im Bild die beiden »Airfische«,<br />

die selbst mit ihrer beinahe antiken Jedelsky-Fläche frech mit den Vollkohle-Teilen<br />

in den anabatischen Winden um die Wette kurbeln. Merke: Spaß am Hang und in<br />

den Alpen hat nichts mit dem Wert des Modells zu tun!<br />

Jetzt wird sich zeigen, ob das Wetter schön<br />

bleibt oder durch einen zu hohen Feuchtigkeitsgehalt<br />

und zu hohen T-Gradienten „überentwickelt“.<br />

Dann bauen sich in kurzer Zeit große<br />

Wolkentürme auf, die Unterseiten werden immer<br />

bedrohlicher und schwärzer, die ersten Blitze<br />

zucken, es regnet plötzlich und heftig. Je plötzlicher<br />

und heftiger, umso weiter ist die nächste<br />

Unterstehmöglichkeit von uns Modellfliegern<br />

entfernt, das scheint ein Naturgesetz zu sein!<br />

Einen Wettersturz im Gebirge sollte man immer<br />

im Auge behalten, man kann selbst in einem<br />

harmlos erscheinenden Gelände in Sichtweite<br />

der nächsten Ortschaft in akute Bergnot geraten.<br />

Dies vor allen Dingen dann, wenn wir nicht<br />

richtig ausgerüstet in die Berge gehen, festes<br />

Schuhwerk und ein klein zusammengerollt am<br />

Gürtel zu tragender Wetterschutz sind die Minimalausrüstung.<br />

Vertrauen Sie bitte nicht allein<br />

Ihrem Handy, nach dem Motto: „Die Bergrettung<br />

ist schnell herbeitelefoniert!“ Es gibt tatsächlich<br />

alpine Gegenden ohne flächendeckenden Netzempfang<br />

...<br />

Auf die Gefährlichkeit von Gewittern kann<br />

nicht oft genug hingewiesen werden. Das richtige<br />

Verhalten bei solchen Unwettern sollte inzwischen<br />

jedem bekannt sein, doch immer wieder<br />

kommen – besonders im Gebirge – tragische<br />

Unfälle durch Blitzschlag vor. Also, wenn keine<br />

andere Möglichkeit besteht, weg von hohen<br />

Bäumen (vergessen Sie bitte in diesem Zusammenhang<br />

alte Weisheiten wie: Buchen sollst du<br />

suchen, Eichen musst du weichen! Dem Blitz<br />

ist die Baumsorte egal, er schlägt in alle gleich<br />

gern ein), klein machen im Gelände, runter in<br />

die Hocke, Kopf runter, Arme um den Körper<br />

und Beine zusammen. Warum die Beine eng<br />

zusammen? Elektrischer Strom fließt den Weg<br />

des geringsten Widerstands, der Umweg über<br />

auseinanderstehende Beine könnte für den Blitz<br />

ein geringerer Widerstand sein als die kürzere<br />

Strecke am Boden – die Folgen für uns sind fatal,<br />

der Strom rast durch den Körper.<br />

So weit sollte man es aber nicht erst kommen<br />

lassen: Bei den ersten Anzeichen eines aufziehenden<br />

Gewitters so schnell wie möglich runter<br />

vom Berg und rein in die nächste Wirtschaft oder<br />

Almhütte, es ist sowieso Zeit für eine zünftige<br />

Brettljause beim Bergwirt. In diesem Zusammenhang<br />

noch eine Anmerkung: Die wenigsten Almhütten<br />

sind Faradaysche Käfige, also nicht vom Blitzschlag geschützt und<br />

– stehen Sie bitte niemals bei Gewitter an einem offenen Fenster, da hat es<br />

zahllose, böse Unfälle gegeben. So schnell wie das Unwetter gekommen<br />

ist, so schnell ist es auch in den meisten Fällen wieder vorbei. Die Wolken<br />

regnen ab und der Himmel klart wieder auf.<br />

Doch heute haben wir Glück gehabt, das Wetter zeigt sich von seiner<br />

schönsten Seite. Überall finden wir Aufwinde, ein herrlicher Modellflugnachmittag<br />

hält uns in seinem Bann – doch plötzlich geht es nur noch<br />

unaufhaltsam abwärts! Es ist so zwischen 16 und 18 Uhr, so genau kann<br />

man es nicht vorhersagen, die Sonne steht noch recht hoch im Südwesten<br />

über dem Horizont. Was ist geschehen? Der raue Bruder des anabatischen<br />

Winds, der katabatische Wind, der Bergwind hat zugeschlagen und die<br />

Modelle der unachtsamen Piloten ins Tal hinuntergespült!<br />

Durch die geringer werdende Einstrahlung der Sonne kühlen die Hänge<br />

unmerklich wieder ab, sodass (bildhaft gesprochen) der Thermikofen nicht<br />

mehr richtig zieht. Zunächst werden uneinheitlich kältere Luftpakete die<br />

Hangneigung hinunterfließen. Der aufmerksame Modellflieger erkennt diese<br />

ersten Anzeichen und verhält sich entsprechend vorsichtig, er wird nur<br />

noch über der Hangkante fliegen, um eine sofortige Landung zu ermöglichen.<br />

Die Sonne sinkt in ihrem Tagesgang dem Horizont entgegen, der<br />

Einstrahlwinkel wird stetig schlechter, und die ganze hangnahe Luftschicht<br />

kommt nach und nach abwärts in Bewegung. Dies hat übrigens zur Folge,<br />

dass sich über der Talmitte eine sanfte, gleichmäßige, für uns Piloten vom<br />

Berg aus in den wenigsten Fällen erreichbare Aufwindbewegung einstellt,<br />

die hoch hinaufreichen und bis zur Wolkenbildung führen kann. Die Abwärtsbewegung<br />

der hangnahen Luftschicht wird konstant und kann bis weit<br />

in die Nacht hinein anhalten. Der Bergwind bläst manchmal recht kräftig,<br />

der Kaltluftsee und damit die Talinversion entsteht, der Kreis hat sich geschlossen!<br />

Gibt es nur eine „Sorte“ Thermik? Nein! Erfahrene Modellflieger unterscheiden<br />

selbst in den alpinen Bereichen unterschiedliche „Thermiktypen“,<br />

wie zum Beispiel die sogenannte Blauthermik. Viele Piloten nennen sie<br />

auch Trockenthermik, und sie kann aus zweierlei Gründen entstehen: Ent-<br />

32 Thermik 2012


Raus ins Tal, Thermik suchen<br />

weder der Temperaturausgleich der aufsteigenden Warmluft ist erfolgt, bevor<br />

das Kondensationsniveau erreicht wurde, oder eine Inversion verhindert<br />

den Aufstieg bis in diese Höhe. In beiden Fällen können sich keine Wolken<br />

bilden, der Himmel bleibt blau, und bis zum Namen dieser Thermik ist es<br />

dann auch nicht mehr weit ...<br />

Das ist das Wunschwetter der Überlandpiloten aus der manntragenden<br />

Zunft, eine kleine Inversion in großer Höhe, kurz unterhalb des Kondensationsniveaus.<br />

Da können dann nur die steigstärksten Bärte durch und eine<br />

Wolke bilden, die Bewölkung, und damit die Abschattung des Bodens,<br />

bleibt gering. Die Sonneneinstrahlung kann fast ungehindert Thermik erzeugen<br />

und die besten Bärte sind markiert – Hammerwetter!<br />

Leethermik ist eine Thermik, die im Leebereich eines Berges entsteht.<br />

Sie ist aber für uns Modellflieger eigentlich nicht nutzbar. Die Betonung liegt<br />

auf „eigentlich“, denn erfahrene Piloten wissen mit dieser extrem ruppigen<br />

(aber steigstarken) Thermik gut umzugehen.<br />

Die Abendthermik, oder auch Umkehrthermik genannt, entsteht im<br />

Tagesgang des Wetters, wenn am Spätnachmittag bei sinkender Sonne<br />

bisherige Thermikquellen (Nadelwald, Geröll, Getreidefelder) durch Auskühlung<br />

ihren Betrieb einstellen und dann langsam aufgeheizte Flächen,<br />

die bisher noch nicht aktiv waren (Laubwald, dunkles Gelände, Feuchtgebiete),<br />

ihre Wärme abgeben können. In Gebirgstälern wird dieser Vorgang<br />

noch durch den katabatischen Hangwind unterstützt.<br />

Eine sprachliche Köstlichkeit ist die Schattenthermik, die der Autor<br />

sehr lange suchen musste, bis er sie endlich zu fassen bekam. Es ist so,<br />

dass der von einer über das Land ziehenden Wolke verursachte Schatten<br />

auf dem Boden Abkühlvorgänge und damit Luftbewegung verursacht. Diese<br />

„Störung“ kann Thermik auslösen, für uns Modellflieger gut zu wissen!<br />

Die Technik des Thermikfliegers<br />

Starten wir jetzt noch einmal durch und werfen wir einen besonders intensiven<br />

Blick auf die Praxis – wie kann ich die Thermik in den Alpen besonders<br />

gut nutzen? Heften wir uns doch einfach klammheimlich an die Fersen unseres<br />

offensichtlich thermikerfahrenen Lokalmatadors, dessen Flugkünste<br />

uns immer wieder begeistern, unser Gesicht jedoch des Öfteren eine Spur<br />

länger werden lässt.<br />

Es ist zu vermuten, dass er gut vorbereitet auf den Berg kommt: Er hat<br />

seit Tagen das Wetter aufmerksam beobachtet, am Abend gewissenhaft die<br />

Satelliten-Wetterkarte angeschaut oder aber verschiedene Wetter-Apps studiert.<br />

Man muss gar nicht viel vom Wetter verstehen, die Wetterkarte spricht<br />

für sich, und mit der Zeit bekommt man Übung im Lesen. Gleich nach dem<br />

Thermik 2012<br />

Aufstehen hat er am frühen Morgen im Radio<br />

den Segelflug-Wetterbericht gehört – nun weiß er<br />

schon vor dem zünftigen Modellflieger-Frühstück<br />

(und lange vor seinen schlaftrunkenen Kollegen),<br />

auf welchen Berg er mit welchem Modell gehen<br />

wird. Sie fragen, was ein Modellflieger-Frühstück<br />

ist? Nun, der Anfang eines erfolgreichen Modellflugtags.<br />

Der Autor dieser Zeilen hat da einen<br />

einfachen Geschmack – von allem reichlich und<br />

immer das Beste, Nachschub gibt es erst wieder<br />

am Abend ...<br />

Auf dem Weg zum Hang beobachtet Karl-<br />

Otto – geben wir unserem Freund endlich einen<br />

Namen – sehr aufmerksam die Wetterzeichen.<br />

Am Kirchturmgockel sieht er die wahre Windrichtung,<br />

die von der vorhergesagten durch örtliche<br />

Gegebenheiten abweichen kann. Fährt (pilgert)<br />

er auf einen Berg, weiß er, dass mit der Höhe die<br />

Windrichtung in den allermeisten Fällen nach<br />

rechts dreht, Ausnahmen bestätigen jedoch<br />

auch hier die Regel. Weht zum Beispiel während<br />

des Aufstiegs Ostwind, wird er auf dem Berg,<br />

je höher dieser ist, mehr aus Südost kommen.<br />

Weiterhin prüft Karl-Otto die Beeinträchtigung<br />

der Luft durch Dunst und Abgase. Er sucht<br />

nach Anzeichen einer Inversion. Er beobachtet<br />

die Bewölkung und deren Entwicklung, und er<br />

hält Ausschau nach kreisenden Raubvögeln,<br />

den verlässlichsten Thermikanzeigern. Dass er<br />

dabei ab und zu auf die Straße schaut, um nicht<br />

im Straßengraben zu landen oder vom Berg zu<br />

fallen, versteht sich von selbst!<br />

Ist er früh unterwegs, wird er bei der Fahrt<br />

oder dem Anstieg auf den Berg mittels Thermometer<br />

und Höhenmesser den T-Gradienten für<br />

den unteren Bereich bestimmen. Der T-Gradient<br />

gibt an, ob und um wie viel Grad pro hundert<br />

Meter die Zustandsluft (der Luftkörper) nach<br />

oben kälter wird. An einem guten thermischen<br />

Tag haben wir einen Wert von 0,6 bis 1,0 Grad<br />

pro 100 Meter. Unter diesem Wert wird sich keine<br />

oder nur sehr schwache Thermik einstellen, über<br />

diesem Wert werden wir in den Vormittagsstunden<br />

für einige Zeit herrlich und steigstark fliegen<br />

können. Spätestens jedoch wenn das Wasser<br />

aus unserem Sender läuft, werden wir wissen,<br />

dass es aufgrund des zu hohen T-Gradienten zu<br />

33


einer Überentwicklung, vielleicht sogar zu einem<br />

Gewitter kommt. Liegt der T-Gradient bei null,<br />

oder wird die Luft nach oben sogar wärmer, sprechen<br />

wir von einem stabilen Zustand der Luft,<br />

es gibt keine Thermik. Erfahrene Modellpiloten<br />

im alpinen Gelände ermitteln den T-Gradienten<br />

mit einem kleinen Digitalthermometer und einem<br />

Höhenmesser beim Aufstieg an den Startplatz.<br />

Besonders erfahrene Piloten werfen vor dem<br />

Aufstieg einen Blick ins Internet und googlen den<br />

ausführlichen Wetterbericht.<br />

Weiter mit unserem Helden Karl-Otto: Auf<br />

dem Berg angekommen, beurteilt er zunächst<br />

einmal die allgemeine Lage, Windrichtung, dynamischer<br />

Hangwind, anabatischer Hangwind,<br />

Sonnenstand, Feuchtigkeit des Untergrunds,<br />

Wolkenbild und andere Modellflieger, die vielleicht<br />

schon in der Luft sind. Die Modelle, nicht<br />

die Modellflieger. Fliegt schon einer? Wer, wo,<br />

womit, wie hoch, wie schnell? Fliegt er sicher,<br />

oder hält er nur mühsam seine Höhe? Einige<br />

Minuten der stillen Beobachtung geben mehr<br />

Information als langatmige Diskussionen. Er wird<br />

sich noch mal, obwohl schon lange bekannt,<br />

alle bekannten Auslösepunkte im Gelände anschauen.<br />

Er konzentriert sich voll auf die ersten<br />

Minuten nach dem Start und gibt sich selbst gedanklich<br />

einen Flugplan, den er auch einhalten<br />

wird. Sehr sorgfältig wird er sich den Flugweg<br />

ins Tal hinunter einprägen – er könnte notwendig<br />

werden. Die Anflugeinteilung für den normalen<br />

Landeplatz auf dem Berg sowie den Anflug zur<br />

Notlandewiese und den Endanflug dorthin sieht<br />

er sich genau an.<br />

Frequenzkontrolle (auch in Zeiten von<br />

2,4 GHz gibt es noch etliche Piloten, die mit<br />

35 MHz fliegen – denken Sie daran, wenn Sie<br />

auf diesem Band unterwegs sind!), Aufbau des<br />

Modells, sorgfältiger Vorflugcheck mit Reichweitenkontrolle<br />

und Funktionskontrolle der<br />

gesamten Fernsteuerung sind obligatorisch. Ist<br />

der „Thermikofen“ schon in Betrieb oder bläst<br />

ein ausreichender Hangwind, wird er starten, bei<br />

unsicheren Verhältnissen wartet er lieber ab! Er<br />

wird starten, wenn er es für richtig hält, es ist sein<br />

Modell, das er verlieren kann, und seine Verantwortung,<br />

die er allein zu tragen hat.<br />

Während des Wartens beobachtet er unablässig<br />

seine Umgebung. Wie sind die Windverhältnisse,<br />

in welchen Abständen nimmt der<br />

Wind zu und wieder ab, und sind plötzliche Richtungswechsel<br />

des Winds zu beobachten – alles<br />

sichere Anzeichen für das Thermikgeschehen im<br />

Flugraum.<br />

Fliegen Vögel, welche Vögel fliegen und wie<br />

verhalten sie sich? Seine Wetterbeobachtungen<br />

denkt er sich zu einer fliegerischen Beurteilung<br />

zusammen, er macht sich Gedanken über die<br />

weitere Wetterentwicklung am Hang von „jetzt“<br />

bis zum Rest des Flugtags.<br />

Landet er einmal, manchmal zur Freude der<br />

anderen Modellflieger, im tiefen Tal, so trägt er es<br />

gelassen und versucht, aus der soeben gemachten<br />

(negativen) Erfahrung zu lernen. Hat er zu<br />

viel riskiert? Wo lag der Fehler? Wie hat sich das<br />

Modell verhalten? Wie war der Endanflug? Und<br />

vor allem – was ist daraus zu lernen?<br />

Hammerwetter in den Bergen. Da geht’s nur noch aufwärts<br />

Also, machen wir es Karl-Otto nach, <strong>Thermikfliegen</strong> beginnt schon zu<br />

Hause und auf dem Weg den Berg hoch, eine gute Vorbereitung ist der<br />

halbe Erfolg. Jeder Flugtag in den Alpen (und natürlich nicht nur da) bringt<br />

fliegerisch und wettermäßig neue Erkenntnisse und Erfahrungen, nutzen<br />

wir sie für sicheres und genussreiches <strong>Thermikfliegen</strong>!<br />

Suchen – Finden – Einkreisen – Auskreisen<br />

Und wie erkennt man jetzt die Thermik im alpinen Gelände ganz praktisch<br />

mit dem Modell? Mal angenommen, Sie fliegen ohne Vario-Unterstützung:<br />

Grundsätzlich kann man sagen, dass das <strong>Thermikfliegen</strong> vom Berg aus<br />

einfacher ist, da oft auf Augenhöhe gekurbelt wird, das Steigen ist dann<br />

leichter zu erkennen. Wir sollten uns eine Flugtaktik aneignen, die uns<br />

das Auffinden von Thermik wesentlich erleichtert. Rund um unseren Berg<br />

haben wir (bitte vor dem ersten Flug und nicht erst beim Einsammeln der<br />

Trümmer) sorgfältig das Gelände studiert und uns markante Ablösepunkte<br />

oder -kanten eingeprägt. Wir sollten eine kleine Wanderung nicht scheuen,<br />

um das von unserem Standort nicht einsehbare Gelände hinter einer<br />

Waldkante oder einem Hügel zu erkunden. Übrigens: „Platzhirsche“ nach<br />

den besten Thermikquellen zu fragen, ist nach den Erfahrungen des Autors<br />

ein wenig erfolgreiches Unterfangen – sie ergreifen zumeist die Flucht, um<br />

ihre besten „Futterplätze“ nicht zu verraten. Seien wir ihnen nicht böse, sie<br />

haben unter Umständen sehr lange dazu gebraucht, die besten Thermikquellen<br />

ausfindig zu machen. Wir interessieren uns für die Windverhältnisse,<br />

den Sonnenstand, die Landeeinteilung, wir schätzen das „Absaufrisiko“<br />

beim Fliegen am Berg ein, und wir schauen uns den Flugweg hinunter ins<br />

34 Thermik 2012


Tal mit Landeeinteilung zu einer bestimmten<br />

Wiese sehr genau an. Besondere Gefahren in<br />

Form von Geländehindernissen, vermuteten Turbulenzfeldern,<br />

Stromleitungen, Hindernissen in<br />

der Landegasse, Kühe, Schafe, Zuschauer – die<br />

letzten drei machen immer im falschen Moment<br />

die tollsten Dinge –, alles prägen wir uns gut ein.<br />

Wir halten nach Indikatoren für Thermik<br />

Ausschau, weht ein anabatischer Wind, fliegen<br />

Vögel thermisch, wie sieht es mit anderen Modellen<br />

aus, wie ist das Wolkenbild, und ist eine<br />

schnelle Veränderung erkennbar (zum Beispiel<br />

dunkle Wolken am Horizont)? Noch ein kleiner<br />

Tipp am Rande: Selbst Schmetterlinge können<br />

thermisch segeln, der Autor konnte einmal einen<br />

etwas größeren Flattermann bei einer Auffahrt<br />

mit dem Sessellift über 200 Meter Höhe kurbeln<br />

sehen, dies ohne einen Flügelschlag und nur<br />

mit leichten Steuerkorrekturen (Anmerkung der<br />

Redaktion: Wir wünschen dem unbekannten<br />

Flattermann, dass nicht oben an der Bergstation<br />

bereits eine Schwalbe mit weit geöffnetem<br />

Schnabel geduldig grinsend wartete ...).<br />

Wir erstellen uns selbst für jeden Start einen<br />

Flugplan, den wir nach den Erfahrungen des<br />

vorausgegangenen Flugs variieren können. Darunter<br />

sollte man nun kein im Kopf ausgefülltes<br />

Formular verstehen, das unter allen Umständen<br />

einzuhalten ist! Es genügt schon, wenn man sich<br />

die Reihenfolge und Lage der erkannten oder<br />

vermuteten Ablösepunkte einprägt und diese<br />

auch – hoffentlich bis zum Erfolg – nacheinander<br />

anfliegt. Konsequent sollte man sich auch die<br />

Mindestflughöhe vorgeben, bei der ein sauberer<br />

Landeanflug mit Landeeinteilung einzuleiten ist.<br />

Also, so viel Denkarbeit wie möglich vor dem<br />

Start, und wir können unbeschwert losfliegen<br />

und uns den wichtigeren Dingen bei der Thermiksuche<br />

widmen.<br />

Gesucht wird möglichst mit der Geschwindigkeit<br />

des besten Gleitens, lediglich bei sehr<br />

schwachen Wetterlagen suchen wir langsamer,<br />

mit dem geringsten Sinken. Die Kiste einfach<br />

ziellos durch die Luft zu fliegen, leider sehr oft zu<br />

sehen, bringt uns im Leben sicher nicht weiter!<br />

Was ist nun, wenn keine markanten Thermikquellen<br />

auszumachen sind? Dann suchen wir mit<br />

der „Rechten-Winkel-Taktik“. Wir fliegen lange<br />

Strecken mit dem besten Gleiten (also ruhig<br />

laufen lassen) des Modells geduldig geradeaus<br />

und fliegen weite Kurven mit einer Richtungsänderung<br />

nicht unter 90 Grad. Damit vermeiden<br />

wir, dass wir, im spitzen Winkel gewendet, schon<br />

einmal erfolglos abgeflogene Strecken teilweise<br />

nochmals höhenverzehrend abfliegen, das bringt<br />

nichts! Diese Taktik wenden wir auch bei einem<br />

Absaufer über Talgrund an – gerade dort müssen<br />

wir mit jedem Höhenmeter geizen.<br />

Haben wir genug Höhe, sind einige<br />

Suchschleifen über der vermuteten Quelle der<br />

Thermik sinnvoll, die Ablösung steht selten genau<br />

über dem vermeintlichen Ablösepunkt. Finden<br />

wir nichts, fliegen wir konsequent weiter zum<br />

nächsten Punkt. Merke: Die Thermik ist da, wo<br />

sie ist. Und nicht da, wo wir sie gerne hätten!<br />

Diese Erkenntnis wurde vor langer Zeit dem<br />

Autor von einem guten Freund auf die Frage:<br />

Thermik 2012<br />

Dieser Kamerad von der Blumenkohlbrigade ist leider bereits im Auflösen begriffen<br />

Fliegen mit Freunden, Thermik gehört dazu<br />

„Warum kurbelst du denn in der Sonne, du siehst ja kaum etwas?“ nahegebracht.<br />

Haben wir auf unserem Hügel den Eindruck, dass eine Thermikblase<br />

gefunden ist, wird sofort eingekreist. Dabei sollten wir uns unbedingt unsere<br />

„Schokoladenseite“ abgewöhnen. Gute Thermikflieger können problemlos<br />

und rund nach beiden Seiten kreisen! Wie man sich das Kreisen in der<br />

Lieblingsrichtung abgewöhnt? Einfach, aber wirkungsvoll, ist die Methode,<br />

einen lieben langen Flugtag nach der „falschen“ Seite zu kreisen. Das tut<br />

zwar richtig weh im Kopf, aber schon am nächsten Flugtag ist das Kreisen<br />

nach beiden Seiten kein allzu großes Problem mehr. Wichtig ist das, wenn<br />

wir unter oder über einem Kollegen in den Bart einsteigen. Immer der erste<br />

im Bart bestimmt die Kreisrichtung, alle anderen haben sich nach diesem<br />

zu richten – so ist das nun mal in der christlichen Fliegerei. Wer dagegen<br />

verstößt, wird mit mindestens 14 Tagen verschärftem Kirchgang „bestraft“.<br />

Absaufen – aber wie?<br />

Und wenn es mal nicht geht? Dann saufen wir ab! In diesem Wort ist die<br />

ganze Tragik enthalten, die den Piloten und das Modell bei diesem ungeliebten<br />

Vorgang treffen kann. Doch halt, schauen wir unserem kostbaren<br />

Modell nicht fassungslos hinterher, wenn es, unaufhaltsam kleiner werdend,<br />

ins Tal entschwindet. Absaufen – um beim ungeliebten Wort zu bleiben –<br />

kann man üben, ja sogar zur wahren Meisterschaft bringen. Der Autor ist<br />

heute noch stolz darauf, während seiner modellfliegerischen Lehrjahre für<br />

eine kurze, jedoch sehr interessante Zeit der „Absaufkönig“ der schwäbischen<br />

Großseglerhochburg gewesen zu sein! Zunächst sind wir selbst<br />

35


das größte Hindernis. Es ist immer wieder interessant<br />

zu beobachten, wie gute, jedoch absaufungeübte<br />

Piloten beim Fliegen unter Augenhöhe<br />

zu wahren Nervenbündeln am Rande des<br />

„Herzkasperls“ werden. Ruhe ist hier die erste<br />

Pilotenpflicht, denn wir haben ein reines Gewissen<br />

und nicht vergessen, uns vor dem Flug mit<br />

dem Gelände, den möglichen Auslösepunkten<br />

und der Absaufprozedur vertraut zu machen. Wir<br />

wissen ganz genau, wo wir im Fall der Fälle im<br />

Tal landen können. Falls keine Landemöglichkeit<br />

vorhanden ist, sind wir das Risiko sowieso nicht<br />

eingegangen und sind rechtzeitig gelandet. Wer<br />

sich den Weg ins Tal erst während des Absaufens<br />

anschaut, ist in den meisten Fällen verloren.<br />

Wir atmen tief durch, beruhigen unsere<br />

Nerven, unsere flaue Magengegend und unsere<br />

unkontrolliert zitternden Hände. Wir trimmen<br />

je nach Modell ein bis zwei Strich vor (nicht<br />

vergessen!), um Fahrtreserve zu haben. Wir<br />

wissen nicht, in welche Luftströmungen das<br />

Modell kommen wird, wir fliegen brav weiter<br />

nach unserem Flugplan. Die guten Ratschläge<br />

unserer Freunde filtern wir durch ein feines Sieb<br />

und holen uns damit nur die wirklich nützlichen<br />

Dinge ins Bewusstsein – alles andere lassen<br />

wir nicht an uns heran. Jetzt erkennt man einen<br />

wirklich guten Freund daran, dass er den Mund<br />

hält und im richtigen Moment die einzig hilfreiche<br />

Information („Achtung, kreisender Gänsegeier!<br />

Hundert Meter links, etwa auf gleicher Höhe<br />

...“) gibt. Wir haben schon früher geübt, auch in<br />

dieser misslichen Situation das Modell für wenige<br />

Augenblicke sich selbst zu überlassen, um<br />

nach anderen Modellen in thermikverdächtiger<br />

Lage oder Vögeln Ausschau zu halten. Unser<br />

eigenes Modell ist während dieser Zeit relativ uninteressant, wir haben ja<br />

noch keine Thermik gefunden. Finden wir welche in ausreichender Höhe<br />

und können diese zentrieren, erleben wir ein Gefühl, das absolut süchtig<br />

machen kann: das korkenzieherartige Aufsteigen aus dem Tal an unserem<br />

Standplatz vorbei, bis weit über Starthöhe unter die Wolken – der Lohn der<br />

Angst! Der Vergleich des Thermikpiloten mit dem Mann, der immer wieder<br />

mit aller Kraft mit dem Fuß gegen den Randstein haut, weil das Nachlassen<br />

des Schmerzes so schön ist, wird hier mit aller Entschiedenheit, doch leicht<br />

augenzwinkernd, zurückgewiesen.<br />

Finden wir keine Thermik, bleiben wir eiskalt und bereiten uns auf<br />

den Landeanflug und eine perfekte Landung vor. Sehr hilfreich ist, genug<br />

Fantasie vorausgesetzt, sich selbst gedanklich ins Tal zu stellen, manche<br />

Piloten können das. Wir halten das Modell in Sichtachse immer über dem<br />

vorgesehenen Landefeld, mit dem Tiefersinken fliegt es damit automatisch<br />

weiter hinaus ins Tal. Genug Sonnenschein vorausgesetzt, achten wir auf<br />

den Schatten des Modells und wissen, dass es bei erstem Erkennen desselben<br />

noch 15 bis 20 Meter hoch ist. Mithilfe des Schattens wird ein Landeanflug<br />

relativ einfach, ohne Schatten müssen wir uns sehr konzentrieren.<br />

Das Einschätzen der Höhe ist doch recht schwierig und muss regelmäßig<br />

geübt werden. Am besten stressfrei und kostengünstig am Modell unseres<br />

soeben absaufenden Modellflugfreunds.<br />

Es wird ein vorschriftsmäßiger Landeanflug mit Landevolte und langem,<br />

geradem Endteil geflogen. Mit den Störklappen versuchen wir durch Gleitwinkelsteuerung,<br />

das Modell zum vorgesehenen Landeplatz zu bringen. Im<br />

Endteil werden nur noch geringe Steuerkorrekturen angebracht, das Modell<br />

wird auf Kurs gehalten. „Ausgeflippte“ Steuerbewegungen sind in dieser<br />

Situation meist tödlich für das Modell und unser Selbstvertrauen. Lassen<br />

wir also ruhig das Modell mit leichter Überfahrt an den Boden rauschen,<br />

eine etwas härtere Landung verträgt die Zelle immer besser als ein Abkippen<br />

durch Strömungsabriss mit anschließendem Abrollen über sämtliche<br />

Flügel-, Rumpf- und Leitwerksspitzen mit einzelteilerhöhender Wirkung.<br />

Merke: Es ist gar nicht so wichtig, ob wir das vorgesehene Landefeld<br />

tatsächlich erreichen. Wichtig ist nur, ein Ziel vor Augen zu haben, um nicht<br />

planlos umherzuflattern.<br />

Nach hoffentlich guter Landung konzentrieren wir uns einige Augenblicke<br />

auf das Modell und seinen tatsächlichen Landepunkt. Befinden wir uns<br />

Ein Sommertraum! Man beachte das sanftmütige Bodenpersonal<br />

36 Thermik 2012


Staaart!!<br />

in unbekanntem Gelände, ist eine kleine Skizze mit Eintrag der Zufahrtswege,<br />

markanten Geländepunkten, Feldwegen, Baumreihen und/oder die<br />

Absprache mit Freunden sehr hilfreich. Im Tal angekommen, werden wir<br />

uns im unübersichtlichen Gelände nur schwer orientieren können. Sind<br />

noch andere Modellflieger auf dem Berg, könnten uns diese mit dem Handy<br />

am Ohr punktgenau einweisen, Empfang vorausgesetzt – sonst tut es in<br />

diesem Fall das klassische Winkzeichen, sofern der Landeplatz im Tal nicht<br />

1200 Meter unter uns liegt!<br />

Ein letztes Wort zum Thema Feld-, Wald-, Wiesen- und Naturschutz: Liebe<br />

Leser, wir kennen den Wert unseres Modells, und wir wollen selbstverständlich<br />

unser allerliebstes Stück einfach wiederhaben! Beachten wir doch<br />

im dringenden Interesse nicht nur des menschlichen Miteinanders, sondern<br />

auch im Sinne des Modellflugs einige Spielregeln. So ein Weizenfeld, so ein<br />

Rübenacker, so eine ungemähte Wiese gehören immer irgendjemandem,<br />

der damit seinen und seiner Familie Unterhalt verdienen muss! Brechen wir<br />

nun wie die Barbaren in diese Felder ein, greifen wir dem Besitzer in rüder<br />

Art und Weise in die Tasche – das haben wir selbst nicht gern. Es wurden<br />

schon ganze Rudel von Modellfliegern gesehen, die in ungeahnt fleißiger<br />

und kürzester Weise aus einem vollreifen Getreidefeld einen Bahnhofsvorplatz<br />

gemacht haben, den zu Recht wutentbrannt herbeigeeilten Bauern<br />

auch noch einen dummen Menschen genannt haben. So geht es nicht! Wir<br />

Modellflieger verursachen so wenig wie möglich Schaden und stehen dann<br />

auch in finanzieller Hinsicht dazu, eine Entschuldigung und ein paar erklärende<br />

Worte sind dabei obligatorisch und sehr hilfreich.<br />

Hier noch eine kleine Anekdote: Der Verfasser bekam einmal nach<br />

einem viertelstündigen, ruhig und mit äußerster Körperbeherrschung<br />

geführten Gespräch mit einem Doppelzentner Dynamit in Gestalt eines<br />

rotgesichtigen, gabelschwingenden Bauern überraschenderweise eine<br />

lebenslängliche Außenlandegenehmigung auf einer bestimmten Wiese angetragen.<br />

Sicher nicht die Regel, aber beweisbar und bis auf den heutigen<br />

Tag gültig.<br />

Und es geht doch!<br />

Ganz am Ende zu einer besonderen Art von Thermik auf den Bergen, ich<br />

sage nur: Leethermik, und der „Fachmann“ wendet sich mit Grausen ab!<br />

Leethermik kann sich, geschützt an der windabgewandten Seite des Bergs,<br />

prächtig entwickeln, sie ist steigstark und nicht selten turbulent. Wenn sie<br />

beim Aufsteigen im Lee in den Wirbelbereich des Bergs selbst kommt,<br />

können wir oft erleben, dass sogar große Fluggeräte in einige Verlegenheit<br />

kommen und ordentlich durchgeschüttelt werden. Mit Modellflugzeugen<br />

sollte man sich dieser Thermik nur nähern, wenn die Werkstatt wegen zu<br />

vieler Modelle nicht mehr begehbar ist. Die Leethermik kann hier schnell für<br />

Abhilfe sorgen. Wie fliegt man nun in dieser Thermik? Stellen Sie sich vor,<br />

Thermik 2012<br />

Sie stehen am späten Vormittag an einem voll<br />

eingestrahlten, steilen, stark thermikverdächtigen<br />

Osthang, und der Wind bläst von hinten, dass<br />

Ihnen die Hosenbeine flattern (hierbei werden<br />

sich Angst und Wind gegenseitig unterstützen).<br />

Jetzt das Modell abzuwerfen, erfordert einen<br />

armstarken Zehnkämpfer oder ein dickes Gummiseil<br />

und Bodenstart, auf jeden Fall eisenharte<br />

Nerven oder eine abgeklärte Einstellung zum<br />

Leben schlechthin! Das Modell wird rasant und<br />

doch recht „pflaumig“ ins Tal hinuntersinken,<br />

zu dem starken Sinken müssen wir auch noch<br />

Fahrt halten. Jetzt auf Thermiksuche gehen und<br />

blitzschnell einen Leebart anzapfen ist schon<br />

etwas für Leute, die Bungee-Jumping für einen<br />

Frühstückssport halten.<br />

Hat man einen Bart erwischt – im anderen<br />

Falle ist der Tag so oder so gelaufen –, wird das<br />

Modell mit atemberaubenden Steigwerten aus<br />

dem Tal wieder herausspiralen und nach oben<br />

düsen. Dabei verlagert sich der Bart jedoch nicht<br />

wie sonst üblich zu uns hin, sondern von uns<br />

weg! Wir müssen also, um wieder nach Hause<br />

zu kommen, auf jeden Fall eine satte Startüberhöhung<br />

herauskurbeln, nur auf Augenhöhe<br />

haben wir keine Chance für den Rückweg. Dann<br />

den Nerv zu haben, wieder hinaus und dabei<br />

unweigerlich hinunterzufliegen, um einen neuen<br />

Bart zu suchen, grenzt schon an Schwach-,<br />

Wahn- oder sonst einen -sinn! Dieses Spiel zusammen<br />

mit Freunden zu spielen, wird bei allen<br />

Teilnehmern einen unvergesslichen Eindruck, erhöhte<br />

Adrenalinwerte und vermutlich auf keinen<br />

Fall den Wunsch nach einer baldigen Wiederholung<br />

hinterlassen.<br />

Dem Autor jedenfalls ist es an einem strahlenden<br />

Sommertag am Osthang des Petit Ballon<br />

in den Vogesen so ergangen. Modell und Pilot<br />

waren wider Erwarten wohlauf! Dazu noch einen<br />

Tipp: Es gibt Dinge im Leben, die muss man<br />

nicht ausprobieren – Leethermik gehört dazu!<br />

Wenn Sie es trotzdem nicht lassen können, wünsche<br />

ich Ihnen gute Nerven und am Ende des<br />

Tages ein heiles Modell. Vielleicht konnte dieser<br />

Artikel etwas dazu beitragen ...<br />

Allen Thermikfliegern viel Freude und allzeit<br />

Erfolg beim interessanten Spiel mit Auslösepunkt,<br />

Temperaturgradient, anabatischem Hangwind,<br />

Albedo, Einstrahlwinkel und den vielen<br />

anderen schönen Dingen, von denen hier die<br />

Rede war – von der Thermik!<br />

37


Nachrichten vom Himmel!<br />

Telemetrie im Segelflugmodell<br />

Ralph Müller<br />

38 Thermik 2012


Ein lange gehegter Wunsch der Modellflieger wird endlich wahr. Daten jeglicher Art aus dem<br />

Modellflugzeug in Echtzeit zum Piloten zu übertragen. Endlich zu wissen, wie hoch, wie tief,<br />

wie schnell, wie steig, wie fall, wie strömungsabreiß, wie Strom, wie Akku, wie dreh, wie Sprit,<br />

wie Position, wie Gleitwinkel, wo Einschlag und noch vieles mehr.<br />

Durch die Möglichkeiten der 2,4-GHz-Technologie wird die Telemetrie<br />

in großem Stil möglich und für jedermann erschwinglich. Der<br />

Jetpilot wird endlich wissen, wie schnell sein Jet tatsächlich war, als<br />

er am Horizont entschwand, der Motorpilot weiß, ob im Tank noch genug<br />

Schnaps schwappt, der Hubschrauberpilot wird den Ladezustand seiner<br />

Antriebsbatterie kennen, der Seglerpilot wird erschrecken, wie tief sein Modell<br />

schon ins Tal abgesoffen ist.<br />

Weiterhin erfahren wir so nützliche Dinge wie den Luftdruck im linken<br />

Vorderrad des Fahrwerks, die Drehzahl des Elektromotors nach Verlust des<br />

Propellers und die Temperatur des Antriebsakkus nach Kurzschluss. Habe<br />

ich etwas vergessen? Bestimmt, denn der übertragbaren Messtechnik der<br />

Zukunft sind keine Grenzen gesetzt. Wir wünschen uns, die Industrie bringt<br />

das schnellstens auf die Reihe. Fangen wir alle gemeinsam schon mal an<br />

zu sparen, denn das könnte teuer kosten, denn wir wollen ja alles haben<br />

(man gönnt sich ja sonst auch alles).<br />

Dabei haben die Anbieter sehr schnell lernen müssen, dass die notwendigen<br />

Sensoren entwicklungs- und knoff-hoff-intensiv sind. Mit ein paar<br />

lustigen Anzeigen, egal was und wie genau, ist es ganz bestimmt nicht<br />

getan. Wer meinte, alles nur auf dem Senderdisplay anzeigen zu können,<br />

wurde schnell eines Besseren belehrt. Der modellfliegende Pilot kann viel<br />

während des Fluges: Er kann singen, lachen, heulen, wenn ihm danach ist,<br />

schreien, hüpfen, Witze erzählen. Er kann auch stumm und entsetzt dreinschauen,<br />

wenn gerade der dringend benötigte Platz im Flugzeuglager frei<br />

wurde. Aufs Display schauen kann er während des Flugs nicht. Nun ja, ein<br />

Mal geht immer. Der mitteleuropäische Absturz am Sonntagnachmittag um<br />

drei dauert genau fünf Sekunden. Ich hab’s mehrmals ausprobiert, leider!<br />

Die Hersteller haben jedoch schnell gezeigt, dass sie lernfähig und flexibel<br />

sind. Es gibt bei den Sensoren inzwischen sehr interessante Angebote,<br />

teilweise sogar kombiniert. Sinnvoll, schnell, informativ und hinreichend genau.<br />

Anzeigemäßig hat sich auch schon viel getan, die Marschrichtung ist<br />

klar und richtig. Jeder Hersteller, der im Schaugeschäft ist, hat seine eigene<br />

Vorstellung, wie eine Datenübertragung an den Mann zu bringen sei. Die<br />

Zeit wird zeigen, was sich durchsetzen kann und was wieder verschwindet.<br />

Gerne mittels Kopfhörer in allen möglichen Ausführungen am Ohr<br />

des Piloten, Piepsgeräuschen aus dem Sender, ja, selbst ein vibrierender<br />

Steuerknüppel wurde schon vorgestellt. Eine pfiffige Idee, wohl am Vibrationsalarm<br />

des Handys abgeschaut. Es wird auch schon ein „Souffleur“<br />

in Form einer kleinen Blackbox dem Piloten um den Hals gehängt – auch<br />

nicht schlecht.<br />

Ein Hersteller verwendet ein<br />

Smartphone mit einer eigenen<br />

App, das heute so gut wie jeder<br />

in der Tasche hat. Es gibt ein<br />

2,4-GHz-System, das eigenständig<br />

funktioniert, also nicht auf die<br />

Fernsteuerung angewiesen ist. Natürlich<br />

ist gegen eine zusätzliche<br />

oder ergänzende Darstellung auf<br />

dem Display nichts einzuwenden.<br />

Die Motordrehzahl im Stand ist<br />

dort gut aufgehoben. Auch die<br />

Restenergie des Senderakkus und<br />

noch einige Dinge mehr können<br />

dort angezeigt werden.<br />

Eine große Chance auch<br />

für kleinere Firmen, die sich mit<br />

intelligent gemachten Nischenprodukten<br />

schon erstaunlich gut<br />

behaupten können. Dem Piloten<br />

Externe Gerätschaft. Das Rentschler-Vario im Rumpf einer »ASH 26«<br />

mit 4 m Spannweite. Leicht zu erkennen ist die Größe des Geräts<br />

anhand der beiden eingebauten Servos in Standardgröße<br />

sei eine eingehende Information des sich schnell<br />

entwickelnden Markts ausdrücklich empfohlen.<br />

Dass solche Dinge nicht für einen Appel und ein<br />

Ei zu haben sind, sollte klar sein. Also entsprechende<br />

Testberichte der einzelnen Angebote in<br />

den Printmedien beachten.<br />

Nun, was haben die freundlichen Zauberer<br />

der Industrie für die Erleichterung der Modellbaukasse,<br />

speziell der Segelflieger, aus dem<br />

Hut gezogen? Freunde der Hammerthermik<br />

glaubt es mir: tolle Dinge, von denen wir älteren<br />

Semester schon Jahrzehnte vergeblich geträumt<br />

haben. Variometer, Höhenmesser (auch als<br />

Tiefenmesser beim Absaufen ins Tal sehr gut zu<br />

gebrauchen), Fahrtmesser, ein klitzekleines GPS<br />

darf ja inzwischen nirgends mehr fehlen. Spannungsanzeige<br />

und, man höre und staune, sogar<br />

schon eine Rest-Kapazitätsanzeige der Empfängerbatterie<br />

sind zu haben. Sehr sinnvoll, ist doch<br />

der Empfängerakku nach wie vor Absturzursache<br />

„Numero uno“.<br />

Eine gewisse Skepsis wird jedoch empfohlen,<br />

die Anzeige der Restlaufzeit geht immer von<br />

einem intakten Akku aus. Zwei Akkus mit Akkuweiche<br />

sind immer noch höchster Sicherheitsstandard<br />

nach meinem Dafürhalten, egal, ob<br />

NiCd, NiMH, LiPo, LiIo, LiFe oder was es sonst<br />

noch alles gibt. Zwei können immer mehr als<br />

einer, auch wenn einer alleine noch so gut ist ...<br />

Das alles klein, handlich und teilweise<br />

unendlich programmierbar mit den verschiedensten<br />

Übertragungswegen. Übrigens: Klassischer<br />

Vorläufer der Telemetrie ist und bleibt<br />

der Antriebsakku im Elektrosegler, der sich bei<br />

Überlastung schon immer durch Rauchzeichen<br />

bemerkbar machte.<br />

Das geht heute eleganter, wir erkennen<br />

aktuell schon viel früher durch die entsprechenden<br />

Horrormeldungen der Telemetrie, dass ein<br />

Auch recht große Gerätschaft<br />

am Mann. Heutzutage<br />

spricht der Sender<br />

Thermik 2012<br />

39


Heutzutage ist so etwas kaum größer als ein 20-Cent-<br />

Stück …<br />

… oder wie hier im Fall des Vspeak von Volker Weigt<br />

so eine Art Quadratur eines 1-Euro-Stücks<br />

solches bei den Flugkollegen auf dem Platz immer<br />

wieder gern gesehenes Himmelsspektakel<br />

droht.<br />

Stopp! Jetzt kommt der übliche Hinweis vom<br />

Arzt des Apothekers. Alle diese Dinge kann man<br />

benutzen, man kann es aber auch ohne jegliche<br />

Vorwarnung schlicht und ergreifend bleiben<br />

lassen. Jedermann kann auch weiterhin wie<br />

gewohnt mit seinem Segelmotorflieghubi zum<br />

Fliegen gehen. Kein Variogepiepse, keine Spannungsnachrichten,<br />

keine Standortdurchsage,<br />

keine Höhenansage muss die nachmittägliche<br />

Hobbystunde auf dem Modellflugplatz stören.<br />

Eigentlich ist auch keine Fernsteuerung nötig,<br />

wenn man es mal genau besieht, und der Verfasser<br />

erinnert sich gerne an die Zeit, als die ganze<br />

Meute nach erfolgtem Hochstart dem Modell mit<br />

dem damals noch gangschaltungslosen und<br />

selbst schwarz angepinselten Fahrrad zumeist<br />

querfeldein gefolgt ist. Da war Modellsport noch<br />

Sport, und wir hatten immer eine Menge Spaß<br />

dabei.<br />

Der interessierte, allem Neuen aufgeschlossene,<br />

fortschrittliche Pilot, egal welchen Baujahrs,<br />

wird sich sicher mit dem umfangreichen<br />

Angebot befassen und dann herauspicken, was<br />

ihm gefällt. Die unaufgeforderten Aussagen der<br />

Modellflugkollegen auf dem Platz „so etwas nicht zu brauchen“ oder sogar<br />

speziell bei Varios „wer so was braucht, der kann nicht fliegen!“ dürfen dabei<br />

nicht stören. Tun sie auch nicht.<br />

Nun zu dem ganz speziellen Instrument, das die bemannte Fliegerei<br />

schon lange im Gebrauch hat und das uns Modellfliegern so lange<br />

verwehrt war: dem Variometer. Vor der Einführung dieser Glanzstücke<br />

der Elektronik waren beim Modellsegelflug ein gutes Auge, ein gutes<br />

Raumgefühl, jede Menge Erfahrung und eine gehörige Portion Glück die<br />

Voraussetzung für längere Flüge, falls man keinen Hang mit konstantem<br />

Hangaufwind hatte. Die ersten Luftikusse, die überhaupt ein solches Gerät<br />

benutzt haben, waren die Ballonfahrer des 19. Jahrhunderts. Rauf oder<br />

runter war bei denen auch schon wichtig, wenn sie auch sonst bis auf den<br />

heutigen Tag nicht viel mehr tun konnten als abzuwarten, wie lange der<br />

Heimweg werden würde. Ja, ich weiß, die heutigen Heißluftballöner können<br />

mit Gashahn auf und zu ihren Ballon recht gut durch die verschiedenen<br />

Höhenströmungen zu einem in Reichweite liegenden Landeplatz steuern.<br />

Erstaunlich, wie lange die Herren Segelflieger gebraucht haben, bis ein<br />

solches Ding in einer Sperrholzkiste Mitte der Dreißigerjahre des vorigen<br />

Jahrhunderts Platz nahm. Dazu noch voll getarnt, damit ja kein anderer<br />

spitzbekam, was es mit dem Ding auf sich hatte. Ein solch mechanisches<br />

Gerät hatte eine Thermosflasche für den Referenzdruck nötig, auf der dann<br />

folgerichtig auch „Kaffee“ draufstand. Bevor ich es vergesse: Ein Vario zeigt<br />

steigen oder fallen durch Messung der Veränderung des Luftdrucks pro<br />

Zeiteinheit an. Gebräuchlich bei uns in Metern pro Sekunde, in der Großfliegerei<br />

in Füßen pro Minute (das Umrechnen im Kopf soll geübten Kopfrechnern<br />

möglich sein, ich halte dies jedoch für ein Gerücht). Heute besorgen<br />

das – wie soll es auch anders sein – hochgenaue elektronische Sensoren,<br />

die winzig klein sind und früher mit Gold bezahlt werden mussten. Heute<br />

sind diese erschwinglich, sodass auch wir Modellflieger ein solches Gerätchen<br />

in unser heißgeliebtes „Fliegerchen“ (… also gut: nicht minder heiß<br />

geliebte Superorchidee, die wir fliegen, dass die Heide wackelt) einbauen<br />

können. Dabei haben wir uns entschieden, ob wir ein Gerät mit eigener<br />

Sendefrequenz und eigenem Empfänger benutzen oder ob wir das in unsere<br />

soeben neu erworbene Telemetrie integrieren wollen.<br />

Ist ja alles ganz einfach: „Wo piept, geht rauf. Wo brummt, geht runter!“<br />

Dabei sei das Ganze dann eher langweilig. So hat es zumindest mal ein<br />

Modellflugkollege beschrieben, der ein solches Gerät noch nie benutzt hatte.<br />

So einfach macht es uns der Herr Entwicklungsinschenör (dem ist bekanntlich<br />

nichts zu schwör) dann doch nicht. Programmieren ist zunächst<br />

angesagt, und wir werden Dinge gefragt, von denen wir zuvor noch nie<br />

gehört haben und eigentlich nie hören wollten. Dagegen ist die Bestellung<br />

eines einfachen Kaffees bei der amerikanischen Kaffeefirma, die es mit<br />

den Sternen hat, ein Kinderspiel. Schon die anderswo gehörte Frage, ob<br />

der Cappuccino mit Milchschaum oder Sahne sein soll, zeigt von wenig<br />

Sachkenntnis. Ein Cappuccino mit Sahne ist ein Kaffee mit Sahne und kein<br />

Cappuccino – weitersagen.<br />

Was bleibt, ist das gewissenhafte Studium der zumeist umfangreichen<br />

Bedienungsanleitung. Dabei hat sich längst eine Standardeinstellung herumgesprochen,<br />

und clevere Anbieter liefern ihr Gerät auch mit derselben<br />

aus und weisen darauf ganz am Anfang der Anleitung mit allen voreingestellten<br />

Werten hin. So kann der Pilot zunächst mal damit fliegen, ohne viel<br />

falsch zu machen. Nach einer gewissen Lernphase können die Einstellungen<br />

dann, falls gewünscht, angepasst werden.<br />

Wann die Lernphase vorbei ist? Wenn der Pilot beginnt, anderen Piloten<br />

Ratschläge zu geben.<br />

Es wird sich allerdings rasch zeigen, ob Sie Ihre Kaufentscheidung<br />

gut vorbereitet haben. Sie müssen sich zunächst für Fabrikat und Übertragungsweg<br />

entscheiden. Telemetrie per 2,4 GHz – so man hat – ist zu<br />

empfehlen, da diese eine bessere Übertragungsqualität hat und niemanden<br />

stört. Bei Übertragung auf eigenem Sendekanal (z. B. 433 MHz) müssen<br />

Sie auf andere Benutzer Rücksicht nehmen und die Kanäle absprechen,<br />

wie bisher bei den MHz-Fernsteuerungen. Diese können auch Ihre Signale<br />

abhören, nicht uninteressant bei Wettbewerben.<br />

Ach ja, Wettbewerbe. Es soll tatsächlich noch Wettbewerbe geben,<br />

bei denen Varios verboten sind. Warum eigentlich? Lasst doch jedem sein<br />

Vario, einen Sieger gibt es am Abend garantiert. Dass dann möglicherweise<br />

andere gewinnen als bisher (aha!), macht die Sache doch umso interes-<br />

40 Thermik 2012


Wie schnell ist sie jetzt? Moderne Telemetrie wird es uns in Bälde übermitteln<br />

santer. Man kann ja die Aufgaben dafür schwieriger machen, nur so mal als<br />

kleinen Tipp. Ich selbst fliege keine Wettbewerbe mit Vario-Verbot mehr mit,<br />

in meinem Auto ist ABS, CMT, BSE, SPD, CDU, Aspirin und Einparkhilfe mit<br />

Rollator drin. Warum sich das Leben unnötig schwer machen, es ist laut<br />

Erich Kästner ohnehin eines der Schwersten. Die Dinge sind da, um uns<br />

das Leben zu erleichtern, nicht um uns Probleme zu bereiten.<br />

Das Erfreulichste kommt wie immer zum Schluss: Die Fahrtkompensation<br />

beim Vario. Braucht man das? Nein, überhaupt nicht. Wenn Sie gerne<br />

mit dem Traktor zur Arbeit fahren, dann brauchen Sie das nicht. Falls Sie jedoch<br />

gerne mit Porsche-Daimler-Bie-Emm-Dabbeljuh unterwegs sind, dann<br />

ist ein fahrtkompensiertes Vario genau das Richtige für Sie. Zur Erklärung:<br />

Ein unkompensiertes Vario einfacher Bauart, das heute noch verbreitet<br />

angeboten wird und sehr oft auch noch in Gebrauch ist, zeigt steigen, null<br />

und fallen an. Das soll es ja auch tun, aber es kann nicht zwischen den<br />

Steueraktionen des Herrn Piloten und den aktuellen Auf- oder Abwinden<br />

unterscheiden. So wird alles ungeprüft zum Besten gegeben, was sich gerade<br />

so tut. Zieht man durch Fahrtüberschuss steil hoch, so zeigt uns das<br />

Vario freudig den Bart des Tages an. Beim Anstechen bestraft uns das Vario<br />

durch eisiges Schweigen oder tiefes Brummen, selbst wenn wir gerade<br />

im Hammerbart herumturnen. Ansonsten gibt das Vario ein nervtötendes<br />

Gedudel von sich, der Herr des Senders möge sich das Passende heraussuchen.<br />

Zugegeben: Solange es nichts Besseres gab, war dieses Gezwitscher<br />

der Himmelsgesang, der den Segler des geübten Piloten nach oben katapultierte.<br />

Die Betonung liegt auf „geübt“, denn das muss(te) man richtig<br />

und auch recht mühsam lernen. So ist auch zu erklären, dass viele Piloten<br />

– so auch ich – zunächst gefühlt schlechter mit Vario flogen als ohne. Die<br />

Kommentare der Kollegen, dass man noch schlechter gar nicht fliegen könne,<br />

muss man einfach ignorieren.<br />

Ein erheblicher Anteil der Versuchspiloten gab sogar ganz auf, das sind<br />

zum großen Teil heute die eingefleischten Variogegner. Wenn dann mal<br />

der Groschen gefallen war und man das Gehörte richtig interpretieren und<br />

umsetzen konnte, war das Vario das absolute Spaßgerät. Nicht, dass man<br />

vorher nicht Thermik fliegen konnte, man flog ja jahrzehntelang erfolgreich<br />

ohne dieses Ding. Die verstaubten Pokale in der Werkstatt gab es ja in der<br />

Regel nicht für die großen Sprüche, die man auf den Wettbewerben machte<br />

(gehörten aber auch dazu). Es macht einfach erheblich mehr Spaß, das,<br />

was man am Himmel sieht, auch noch als Signalton bestätigt zu bekommen<br />

– oder umgekehrt.<br />

Dabei kam es in der Anfangszeit der Varios, als diese noch relativ langsam<br />

waren, schon mal vor, dass ein guter Pilot den Bart früher als das Vario<br />

erkannt hat. Die heutigen Varios sind erheblich schneller, ohne übermäßig<br />

nervös zu sein – und das ist gut so. Nur mit einem superschnell ansprechenden<br />

Vario können wir schnell reagieren und das müssen wir auch, der<br />

Bart wartet nicht – und auf uns schon gar nicht.<br />

Thermik 2012<br />

Alle Klappen auf null. Grundgeschwindigkeit um die<br />

60 km/h. Hätte ich so nicht erwartet<br />

Zurück zur Fahrtkompensation, sie ist ja<br />

derzeit das Tagesgespräch auf den Plätzen und<br />

an den Hängen. In dürren Worten ausgedrückt,<br />

bekommt dabei das Vario zusätzlich die Information<br />

der augenblicklichen Geschwindigkeit bzw.<br />

deren Änderung. Bei den alten mechanischen<br />

Varios der Bemannten durch ein (grob gesagt)<br />

Loch im Schlauch. Haarfein und genau auf das<br />

Flugzeug abgestimmt, sorgte dieses durch<br />

„falsche Luft“ aus der Venturidüse oder dem<br />

Staurohr, je nach Bauart, bei Veränderung der<br />

Geschwindigkeit für die Kompensation. Heute<br />

misst man mit einem Fahrtsensor die Fahrt und<br />

rechnet dann im Vario die Werte um. Das Vario<br />

weiß damit, dass das soeben erfolgte Steigen<br />

nicht ein rosafarbener Bart mit Schleife war, sondern<br />

das Hochziehen des Modells (Fahrt nimmt<br />

ab) durch den Piloten. Umgekehrt ist dann das<br />

wüste Saufen nicht das berühmte „Luftloch“ (immer<br />

wieder gerne bei Urlaubsfliegern unter Lebensgefahr<br />

erlebt), sondern es ist das mutwillige<br />

Speedfliegen (mindestens ein Mal am Tag muss<br />

das sein, gell?!) des Piloten. Das Vario schweigt<br />

und der Pilot genießt, so ist das richtig. Damit<br />

wird das Fliegen mit dem fahrtkompensierten<br />

Vario kinderleicht, und das ab dem ersten Flug,<br />

versprochen! Einbauen und fliegen, da wo’s<br />

piept, geht’s wirklich rauf, und da wo’s brummt,<br />

geht’s wirklich runter.<br />

Nicht vergessen: Es muss ein Fahrtsensor<br />

ans Modell gebaut werden. Das ist wie bei den<br />

Großen ein kleines Venturi- oder Staurohr, das<br />

mit dem im Cockpit gelagerten Vario durch einen<br />

dünnen (Vorsicht, nicht quetschen) Kunststoffschlauch<br />

verbunden ist. Im Normalfall, wie bei<br />

den Großen, an die Vorderkante des Seitenleitwerks<br />

oberes Drittel in Flugrichtung angebracht.<br />

Bei im Bau befindlichen Modellen kein großes<br />

Problem, bei fertigen Modellen zumeist ein etwas<br />

Geschick und Überlegung erforderndes Gefummel.<br />

41


Draußen im Tal toben die Bärte. Oder auch nicht? Ein<br />

Vario hilft da viel<br />

Für V-Leitwerke gibt es spezielle Düsen. Sieht<br />

gut aus und taugt auch sehr gut als „Gesprächsverstärker“<br />

auf dem Platz („Wassndassdenn?“<br />

„Bringtdasswass?“ „Alter Angeber!“). Wer als<br />

langgedienter Variopilot das erste Mal in turbulenter<br />

Luft mit der Kompensation geflogen ist,<br />

klopft sein altes, treues Vario noch auf dem Platz<br />

in die Tonne (wenn schon nicht richtig, dann<br />

doch im Geiste). Ja, so herzlos können Modellflieger<br />

sein.<br />

Jetzt für die ganz Genauen noch ein Hinweis:<br />

Richtig, das mit der Kompensation kann<br />

ja bei einem Modell gar nicht hundertprozentig<br />

funktionieren, da man dazu die genaue Polare<br />

(die Flugwerte des Modells über die Geschwindigkeit)<br />

kennen müsste. Die kennt bis jetzt noch<br />

kein Mensch ganz genau, da die entsprechenden<br />

hochgenauen Messeinrichtungen bisher<br />

fehl(t)en. Kommt aber alles noch, da bin ich mir<br />

sicher. Ausdrückliches Lob an die Entwickler, die<br />

einen Mittelweg gefunden haben, mit dem man<br />

gut leben kann.<br />

Eigentlich sollte man mit einem fahrtkompensierten<br />

Vario Loopings fliegen können, ohne<br />

dass das Vario eine Änderung der Steig- oder<br />

Sinkgeschwindigkeit anzeigt. Die besten Varios<br />

schaffen es beinahe ganz rum, bis es sich fälschlicherweise<br />

meldet, weil die Abweichung vom<br />

Idealwert dann doch durchkommt. Ein Wert, mit<br />

dem wir Modellflieger jedoch sehr gut leben kön-<br />

Probier mal, ob’s da draußen schon geht. Schließlich hast du dein Vario drin!<br />

nen. Ja, es kann durchaus sein, dass beim gekonnten Abturnen aus großer<br />

Höhe (der Kaffeedurst oder ein anderer Durst kann uns dazu zwingen) unvermittelt<br />

ein tatsächlich vorhandener Bart angezeigt wird, auch wenn das<br />

Modell flott nach unten geht. Dann steht man vor Entscheidungen, die man<br />

früher gar nicht kannte: „Gurbeln oder Gaffee“, das ist hier die Frage! Bei<br />

der Fahrtkompensation ist technisch sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen,<br />

und man kann gespannt sein, was den Entwicklern noch so alles<br />

einfällt. Vielleicht ein spezielles Lernprogramm mit Modellspeicher, das die<br />

Werte für das einzelne Modell im Lauf der Zeit verfeinert, nach dem Motto:<br />

Je länger flieg umso genauer zeig? Keine Ahnung, ob so etwas technisch<br />

machbar ist, warten wir’s einfach mal ab.<br />

42 Thermik 2012


Die Firma Flight Gadgets aus der Schweiz bietet dem Piloten mit dem Digi-V-II-<br />

GPS ein autonomes Variometer mit Telemetrie-System im 2,4-GHz-Bereich. Die<br />

Sensoren sind modular aufgebaut, oben im Bild das Variometer mit der 2,4-GHz-<br />

Übertragung, daran angeschlossen das optionale GPS-Modul<br />

Die Vorteile des Varios liegen auf der Hand. Man kann den Bart, so einer<br />

vorhanden ist, leichter finden, schneller zentrieren, das Zentrum besser halten<br />

und den Bart höher auskurbeln. Erfahrungsgemäß wird es ab ca. 300<br />

Metern Höhe durch Sichtprobleme immer schwieriger, das Modell im Zentrum<br />

zu halten. Auf die entsprechenden Platzregeln, die Höhe betreffend,<br />

wird hingewiesen. Dabei können wir uns das mittlere Steigen und die Höhe<br />

über Startpunkt in wählbaren Intervallen ansagen lassen. Das Modell bei<br />

entsprechender Wetterlage bis an die Sichtgrenze zu kurbeln, ist dann kein<br />

großes Problem mehr, eher, das Modell nicht aus den Augen zu verlieren<br />

und auch wieder heil an den Boden zu bringen. Daher der dringende Rat<br />

aus Erfahrung: Rechtzeitig abbrechen und sicher wieder runterkommen!<br />

Normalerweise reicht das Setzen der Klappen aus, aber es kann auch mal<br />

schneller gehen müssen.<br />

Der schnelle und sichere Abstieg durch Trudeln sollte daher trainiert<br />

werden. Sehr einfach, wenn der Notfall eintritt. Darauf achten, dass das<br />

Modell nicht in die Steilspirale geht, sieht beinahe genauso aus, ist aber erheblich<br />

schneller und für das Modell sehr gefährlich. Trudeln ist ein sicherer<br />

Flugzustand, der das Modell nicht überlastet, die Strömung ist dabei abgerissen.<br />

Das wollen wir ja normalerweise nicht, aber hier ist es der Fall und<br />

auch richtig, weil keine starken Luftkräfte wie bei anliegender Strömung am<br />

Modell ansetzen können. Das Modell bleibt dabei auch ortsfest und fliegt<br />

nicht weg, das ist der eigentliche Trick dabei. Rechtzeitig beenden nicht<br />

vergessen! Nicht lachen, im höchsten Stress stehende Piloten bringen<br />

noch ganz andere Dinge fertig. Ich empfehle sogar dringend zu üben,<br />

das Trudeln blind einzuleiten. Das wird notwendig, falls das Modell (aus<br />

welchem Grund auch immer) mal nicht mehr zu sehen sein sollte. Ein Mal<br />

wegschauen und nicht mehr finden ist fast der Normalfall. Ein Freund behält<br />

bei der Übung für alle Fälle das Modell im Auge. Ruhig auf den Sender<br />

schauen (ein ulkiges Gefühl, sag ich schon mal im Voraus) und langsam<br />

mit dem Ziehen beginnen. Nach ca. 2 bis 3 Sekunden, je nach Modell,<br />

Knüppel voll an den Bauch und Quer- und Seitenruder in die gleiche Ecke,<br />

in dieser Stellung halten. Hochschauen, das Modell sollte sauber trudeln.<br />

Trudeln beenden: Alle Ruder neutral oder kurz gegensteuern, Modell<br />

beendet die Drehbewegung und holt Fahrt auf. Sicherheitshalber Klappen<br />

ziehen und sanft abfangen.<br />

Warum das Ganze? Unter dem Modell kann bei bestimmten Wetterlagen<br />

Luftfeuchtigkeit zur Wolke kondensieren, oder wir fliegen aus Versehen<br />

in eine Wolke ein, wir sehen es nicht mehr. Wir wissen natürlich, dass wir<br />

wie jedes Luftfahrzeug einen Mindestabstand von 200 Metern zur Wolke<br />

halten müssen, das nützt aber im Augenblick gar nichts mehr. Passiert ist<br />

passiert, und jetzt kommt es auf Schnelligkeit an. Ein Modell kann innerhalb<br />

von 20 Sekunden aus dem Sichtbereich fliegen, dann ist es verloren. Beim<br />

Trudeln bleibt es schön bei Fuß, Nerven behalten, Umstehende informieren<br />

Thermik 2012<br />

Die Auswertung der Daten erfolgt in der Empfangseinheit<br />

am Boden. Das ermöglicht preisgünstige<br />

Sensoren, die im Modell verbleiben können. Auch<br />

die Sprachausgabe wird hier generiert, so wird das<br />

„Funkrauschen“ konventioneller Varios unterbunden.<br />

Die sogenannte Basisstation bietet Ansagen für Höhe,<br />

Empfängerspannung, Geschwindigkeit (GPS), Höhenwarnung<br />

und Distanz zum Modell. Zusätzlich werden<br />

die Daten aufgezeichnet, um so später den Flug in<br />

GoogleEarth nachzuverfolgen. Da die Station die letzte<br />

empfangene GPS-Position speichert, hilft das Digi-<br />

V II auch beim Wiederfinden des Modells. Das Gerät<br />

kann bei Bedarf am PC konfiguriert werden. Bezug<br />

unter www.flightgadges.ch<br />

und abwarten, bis es aus der Wolke fällt oder<br />

wieder zu sehen ist. Fliegerlatein? Leider nein.<br />

Erst letztes Jahr an der Banne d’Ordanche in<br />

Frankreich, wunderschönes Fluggebiet übrigens.<br />

Die französische Wasserkuppe, 60 Kilometer<br />

südwestlich Clermont-Ferrand. 5-Meter-Voll-GfK-<br />

Segler in ca. 500 Meter Höhe schlagartig durch<br />

blitzschnell entstandene dicke, bis fast auf den<br />

Boden reichende Wolke verdeckt. Sofort blind<br />

Trudeln eingeleitet. Alles blickt nach oben und<br />

ich zähle bange, lange nicht enden wollende 18<br />

Sekunden. Das Modell trudelt am genau vorhergesagten<br />

Ort relativ niedrig über dem Boden aus<br />

der Wolke und kann sauber abgefangen werden.<br />

Die französischen Modellflieger waren beeindruckt,<br />

ich auch. Die Pause bis zum nächsten<br />

Flug war entsprechend lange, und mein Flugstil<br />

war für den Rest des Tages als lammfromm zu<br />

bezeichnen. Den Schrecken will ich so schnell<br />

nicht mehr erleben.<br />

Der andere Fall ist, wenn wir mit dem Modell<br />

zu hoch gestiegen sind oder weggeschaut haben<br />

und es nicht mehr finden. Vor allen Dingen<br />

bei blauem Himmel sehr leicht möglich, da das<br />

Auge durch den monotonen Hintergrund nicht<br />

mehr fokussieren kann. Wird oft unterschätzt.<br />

43


Wie gut oder schlecht sind im Kreisflug die Polaren<br />

eines speziellen Modells? Zukunftsmusik? Vielleicht<br />

werden wir auch das bald ganz genau wissen<br />

Trudeln einleiten, das lustige Aufblitzen des<br />

Modells (rot-weiß-rot-weiß-rot-weiß) macht es uns<br />

leicht, es rasch wiederzufinden. Selbstverständlich<br />

in allen Fällen alle Kollegen und Zuschauer<br />

sofort bitten, bei der Suche am Himmel zu helfen.<br />

Sofort meint sofort, allzu viel Zeit bleibt nicht.<br />

Im Trudeln hat so ein Modell schon mal 15 bis 20<br />

m/s sinken, bei 500 Metern Ausgangshöhe sind<br />

das gerade mal brauchbar 20 Sekunden. Ohne<br />

Trudeln kracht’s auch mal gerne laut und endgültig<br />

nach 5 Sekunden, wie schon zuvor bemerkt.<br />

Nun noch ein kleiner Vario-Knigge. Herr Knigge<br />

war der Mann, der vor sehr langer Zeit mal<br />

Benimm-Regeln aufgestellt hat. Sehr praktisch<br />

und heutzutage total uncool.<br />

Regel 1: Bei Übertragung auf eigener Frequenz<br />

als Gast auf fremdem Gelände zuerst fragen,<br />

was geflogen wird. Als Gast programmiert<br />

man um, falls der Kanal belegt ist, oder bietet es<br />

zumindest an. Da zeigt die 2,4-GHz-Übertragung<br />

natürlich entscheidende Vorteile.<br />

Regel 2: Falls man nicht alleine fliegt, hört<br />

man den Ton nur im Kopfhörer. Nichts nervt mehr<br />

als das Vario des Kollegen. Es gibt einen Hersteller,<br />

der es gewagt hat, ein Vario ohne Kopfhöreranschluss<br />

anzubieten. Gehen diese Leute<br />

eigentlich auch mal auf einen Modellflugplatz?<br />

Regel 3: Beim Ausrufen der Höhe, falls<br />

mehrere Segler auf annähernd gleicher Höhe<br />

sind, immer die Wahrheit sagen. Beim Einsatz<br />

von unterschiedlichen Varios im Vereinseinsatz<br />

empfehle ich, einen Höhenvergleich anzustellen.<br />

Dabei eignet sich gut die Vereinsschleppmaschine<br />

oder ein geräumiger Segler, genügend Anschlussmöglichkeiten<br />

vorausgesetzt. Alle Varios<br />

einbauen, in Schaum verpackt reinlegen genügt.<br />

Man wird sich wundern, wie unterschiedlich vor<br />

allen Dingen bei älteren Varios die Höhen angesagt<br />

werden. Wir hatten schon über 100 Meter<br />

Differenz bei 500 Höhenmetern.<br />

Ein neueres Vario habe ich mal auf einer<br />

Urlaubs-Alpenfahrt an der nördlichen Auffahrt<br />

der Großglockner-Hochalpenstraße auf die Probe gestellt. Da sich Modell<br />

und Sender ganz zufällig (… ja, so ein Zufall!) im Auto befanden, konnte ich<br />

meine liebe Beifahrerin überreden, bei jeder Höhenangabe am Straßenrand<br />

mittels Schalter am Sender die Höhe abzufragen, was mit Hingabe und<br />

Können getätigt wurde. Lob nicht vergessen. Erstaunlicherweise haben die<br />

Angaben konstant auf wenige Meter und über die gesamten 1000 Höhenmeter<br />

gestimmt. Das freut einen als Modellflieger schon, dass man von der<br />

Industrie ernst genommen wird und einen guten Gegenwert für sein Geld<br />

erhält.<br />

Was gibt es denn derzeit noch Schönes für den Modellsegler ohne oder<br />

mit Elektroantrieb? Dass die Varios größtenteils auch mit Höhenmesser und<br />

Akkuüberwachung ausgerüstet sind, ist sehr hilfreich. Mich hat immer die<br />

Fahrt interessiert, habe aber eine Messung per GPS immer abgelehnt, da<br />

dies ja nur die Geschwindigkeit über Grund ist, und die interessiert mich<br />

eigentlich nicht. Da hat mich aber wie so oft ein Versuch eines Besseren<br />

belehrt. An schwach windigen Tagen ist die Fahrtanzeige per GPS durchaus<br />

brauchbar. Man kann sich nach einiger Zeit einen Mittelwert errechnen,<br />

der schon beim ersten Flugtag für Überraschung gesorgt hat. Die Modelle<br />

fliegen zum Teil erheblich schneller als bisher angenommen. Diese Erfahrung<br />

haben auch Kollegen gemacht. So fliegt meine »Alpina 4001« mit<br />

Klappen unten immer noch 45 km/h. Im Normalflug gut und gerne 60 km/h,<br />

die hatte ich bisher bei deutlich weniger gesehen. Klar ist, dass vom GPS<br />

Höchstgeschwindigkeiten im Bahnneigungsflug nicht zuverlässig angezeigt<br />

werden können. Bei senkrechtem Sturzflug würde das GPS annähernd null<br />

km/h anzeigen. Gleitwinkel per GPS ist eine nicht allzu ernst zu nehmende<br />

Möglichkeit für einen thermiklosen Nachmittag. Auch ein schwacher Wind<br />

verzerrt die Angaben doch sehr. Aber auch da können mit vielen Flügen<br />

Mittelwerte gebildet werden. So zeigte meine »Alpina« einen Gleitwinkel von<br />

24, für ein Modell ein respektabler Wert.<br />

Interessant ist natürlich bei einer Außenlandung oder einem Absturz die<br />

Übermittlung der Lagekoordinaten, sofern das GPS dazu noch in der Lage<br />

ist. Erspart in der Theorie viel Sucherei, falls man mit Navi ausgerüstet ist.<br />

Praktisch musste ich das zum Glück jedoch noch nicht anwenden – und ich<br />

bin auch nicht besonders scharf drauf.<br />

Genauer wird die Fahrtanzeige mit einem speziellen Staurohr. Das wird<br />

als Nächstes wohl ein schwarzes Loch in meiner Modellbaukasse erzeu-<br />

Wie tief??<br />

44 Thermik 2012


Bart auskurbeln im Gebirge. Ein toller Spaß, mit Vario umso mehr<br />

gen. Dieser Sensor ist in der Lage, die genaue Strömungsgeschwindigkeit<br />

in allen Fluglagen anzuzeigen. Dann können mit etwas Aufwand genauere<br />

Polaren der einzelnen Modelle erflogen werden. Ich würde mir wünschen,<br />

dass ein interessierter Modellflieger sich das Thema „Polare“ auf die Fahne<br />

schreibt und mit einer entsprechend genauen und sicher auch aufwendigen<br />

Ausrüstung beginnt, Modelle mit bestmöglicher Genauigkeit und ohne<br />

industriefreundliches Tuning zu vermessen. Das wird bei den Großen schon<br />

seit Jahrzehnten so gemacht. Dann könnte man wirklich mal sehen, was<br />

Sache ist.<br />

Dass es dadurch für die Anbieter von Modellen erheblich schwerer wird,<br />

da alle Werkangaben nachprüfbar werden, ist ganz im Sinne des Modellfliegers.<br />

Hier muss ich jedoch vorsorglich etwas die Erwartungen dämpfen.<br />

Unsere Modelle haben weit schlechtere Leistungen als die Großen. Dort ist<br />

man inzwischen bei erheblichem finanziellen Aufwand bei Gleitzahlen um<br />

die 60, wahrscheinlich sogar schon darüber, angekommen. Unsere Modelle<br />

fliegen in einem flugtechnisch erheblich schlechteren Bereich. Die sogenannten<br />

Re-Zahlen lassen grüßen. So sind bei Thermikmodellen der 3-Meter-Klasse<br />

Gleitzahlen von um die 20 zu erwarten. Die 4-Meter-Klasse wartet<br />

mit Gleitzahlen um die 25 auf, und die gut gemachten 5-Meter-Boliden kommen<br />

schon dicht an die 30 heran. Die 6-Meter-Orchideen kommen bei guter<br />

Oberfläche schon mal über die 30 hinaus. Mehr ist nur von speziell gebauten<br />

Großmodellen bis 25 Kilogramm zu erwarten. Diese bewegen sich<br />

dann schon im Bereich der Großflugzeuge. Was dort dann vorzufinden ist,<br />

gehört mal bis zu genaueren Messungen in die weite Welt der Spekulation.<br />

Es ist klar, dass verwendete Profile, Baugenauigkeit, Oberflächengüte und<br />

Thermik 2012<br />

Flächenbelastung eine sehr große Rolle spielen.<br />

Die reine Gleitzahl für sich alleine sagt aber noch<br />

nicht alles über die Leistungsfähigkeit eines<br />

Flugmodells aus, hier wären dann die angesprochenen<br />

Polaren, dazu noch – wenn wir schon<br />

mal in höheren Regionen schweben – auch die<br />

Kreisflugpolaren wünschenswert und hilfreich.<br />

Nun gut, hat man einen 6-Meter-Bart im Zentrum<br />

unter den Flügeln, geht es unaufhaltsam nach<br />

oben, schlechte Kreisflugpolare hin oder her.<br />

Weiterhin werden für die Elektroflieger<br />

Messeinrichtungen angeboten, die (fast) keine<br />

Frage mehr offen lassen. Bei einem Hersteller<br />

sind diese vollständig ins Vario integriert. Schon<br />

interessant, wie man den Antrieb auf das Modell<br />

abstimmen kann, wenn man die genauen Werte<br />

kennt. Die Propellerwahl ist dann nicht mehr<br />

dem Gefühl (sprich Zufall) überlassen. Ein weites<br />

und sehr interessantes Betätigungsfeld tut sich<br />

da auf. Der Wettbewerbsflieger wird ohne diese<br />

Messeinrichtungen keinen Blumentopf mehr<br />

gewinnen können.<br />

Was bringt die Zukunft? Hier sind die Hersteller<br />

gefordert. Diese müssen aufpassen, dass<br />

die Telemetrie nicht zur Eintagsfliege wird. Die<br />

Gefahr ist groß, dass viele Modellflieger diese im<br />

Einzelnen zwar ausprobieren, aber auf Dauer keinen<br />

allzu großen Nutzen daraus ziehen können<br />

– von einigen Anwendungen, wie z.B. dem Vario,<br />

mal abgesehen.<br />

Ein Beispiel, das schon angesprochen wurde,<br />

soll das verdeutlichen. Wir haben ein genaues<br />

Vario, wir haben einen genauen Fahrtmesser<br />

und einen genauen Höhenmesser. Schön und<br />

gut, aber das ist erst die Hälfte der Wahrheit. Wir<br />

benötigen eine Einrichtung, die diese Werte verarbeitet.<br />

Daraus resultierend Polare, Kreisflugpolare,<br />

Steigraten der Thermik über den Tagesverlauf,<br />

Häufigkeit der gefundenen Bärte, Verhältnis<br />

Bart zu Strecke, Höhenschrieb, Streckenschrieb,<br />

Darstellung der GPS-Aufzeichnung über Grund<br />

und was es sonst noch Wissenswertes aus<br />

diesen Daten gibt. Das muss nicht in Echtzeit<br />

am Platz sein, das kann auch zu Hause am PC<br />

geschehen, solange der Aufwand minimal bleibt.<br />

Mehr als einen Stecker ins Modell gesteckt und<br />

aufs berühmte Knöpfchen gedrückt, nach entsprechenden<br />

Voreinstellungen, sollte das nicht<br />

sein. Teilweise gibt es das alles schon, aber die<br />

eine Blackbox, die alles und noch mehr kann,<br />

gibt es noch nicht. Da sind Programmierkünstler<br />

gefragt. Ich hoffe, ich renne offene Türen ein.<br />

Weitere Beispiele gibt es in Hülle und Fülle.<br />

Die Sensoren sollten auch Aktionen auslösen<br />

können. Anzeigen der Abreißgeschwindigkeit<br />

durch Knüppelvibration, Ausfahren der Störklappen<br />

bei Überschreiten der vorgeschriebenen<br />

Höchstgeschwindigkeit bei Seglern, Drosseln<br />

des Motors bei Motormodellen. Abfrage der<br />

einzelnen Servos nach tatsächlicher Stellgeschwindigkeit<br />

und Stromaufnahme. Tatsächliche<br />

Ruderdrücke, Gierwinkel, vor allen Dingen bei<br />

Seglern, und so weiter, und so fort ...<br />

Natürlich bin ich weit übers Ziel hinausgeschossen,<br />

aber Träumen darf man ja weiterhin –<br />

siehe den Anfang dieses Artikels. Wenn wir keine<br />

Träume mehr haben, wird’s langweilig.<br />

45


Absolut selten zu sehen: ein erwärmtes, aufsteigendes<br />

Luftpaket – zum Beweis im Foto festgehalten!<br />

Torsten Falk<br />

Temperaturdifferenzen<br />

und Thermik<br />

Der kleine Unterschied!<br />

46<br />

Thermik 2012


Fangen wir bei Adam und Eva an: Differenz bedeutet Unterschied. Heißt übersetzt: keine<br />

Differenz, alles gleich! Wollen Sie so aussehen wie Ihr Nachbar? Sicher nicht, es sei denn,<br />

Sie wohnen auf den weiten Hügeln über Los Angeles neben Brad Pitt oder George Clooney!<br />

Und was hat George Clooney in diesem Zusammenhang mit unserer Thermik zu tun? Alles,<br />

denn der kleine Unterschied macht’s. Ohne Temperaturunterschiede in der Luft gäbe es das<br />

Phänomen Thermik nicht. Und wir würden alle rund um die Uhr vor der Glotze sitzen. Und<br />

gleich sein.<br />

Keine Angst, das wird nicht passieren! Nicht, solange ich Sie mit meinen<br />

Artikeln noch ein wenig aus dem Haus locken kann ...<br />

Natürlich gibt es, nicht nur theoretisch, selbst im eigenen Reihenhaus<br />

so etwas wie Thermik, denn Thermik ist ja nichts anderes als ein<br />

erwärmtes Luftpaket, das in der kühleren Luft nach oben steigt – da fallen<br />

mir in meinem Badezimmer spontan einige „Hausbärte“ ein. Aber glauben<br />

Sie mir, jenseits der eigenen vier Wände trägt es deutlich stärker und konstanter.<br />

Also nichts wie raus mit uns und dem Lieblingssegler auf die nächste<br />

Wiese: Hier scheint an einem schönen Frühlingsmorgen so gegen 7.30 Uhr<br />

die Sonne schon einige Minuten vom blauen Himmel. Die Lufttemperatur<br />

liegt nach einer frischen Nacht so bei etwa acht Grad, der Boden ist trocken,<br />

die Sicht ist weder durch Nebel noch durch eine in der Ferne liegende<br />

Dunstschicht eingeschränkt. Das ist unser Tag, warten Sie’s nur ab!<br />

Keine zehn Meter vor uns passiert es in diesen Minuten, während<br />

wir noch achtlos die Fläche unseres Seglers aus dem Kofferraum zerren<br />

und uns dabei die Macken in die Fläche hauen, die niemals beim Fliegen<br />

passieren, da erwärmt sich ein Luftpaket. Wie, das sehen Sie nicht, jetzt<br />

übertreiben Sie bitte nicht! Was haben Sie gemacht, während Sie die vergangenen<br />

Kapitel in diesem <strong>Sonderheft</strong> gelesen haben? Also, ein Luftpaket<br />

erwärmt sich durch Sonneneinstrahlung, sagen wir direkt vor uns auf dem<br />

mittelgrauen Asphalt. Es dehnt sich aus und steigt langsam nach oben,<br />

weil die Luft in der direkten Umgebung kälter ist. Das erwärmte Luftpaket<br />

steigt nicht sofort senkrecht nach oben auf, es kriecht, wabert erst über<br />

den Boden, wird langsam stärker, stößt dann vielleicht gegen eine Bodenunebenheit,<br />

wie zum Beispiel eine Stufe im Gelände, eine Hecke oder eine<br />

Baumreihe (die sogenannten Auslösepunkte) – das stört dann das Luftpaket<br />

und es löst sich nach oben ab. Stellen Sie sich einen Tropfen am Wasserhahn<br />

vor, der langsam dicker wird und dicker wird und dann fällt. Damit<br />

das bei der Thermik Sinn macht, müssen Sie das Bild bitte umdrehen!<br />

Augen auf! Sehen Sie das erwärmte, aufsteigende<br />

Luftpaket? Wie bitte, nein? Natürlich, Sie sehen unseren<br />

gefiederten Freund, und der kreist in Bodennähe<br />

in diesem Luftpaket. Warten Sie nicht zu lange<br />

– hinterher!<br />

Jede Menge Ecken und Kanten in der Natur: Das ist ideal für uns, denn an diesen<br />

Stellen wie Bodenstufen im Gelände, kleinen Hecken, Baumreihen und Häusern<br />

lösen sich unsere erwärmten Luftpakete ab. Fachleute sprechen von einem thermisch<br />

differenzierten Gelände, und das ist immer gut für stundenlangen Genuss<br />

in der Thermik<br />

Thermik 2012<br />

Manche Piloten schwören darauf, dass ein in<br />

die Hände Klatschen zur richtigen Zeit reicht (vorausgesetzt,<br />

Sie stehen an der richtigen Stelle!).<br />

Ideal, wenn Sie in dem Moment mit Ihrem Segler<br />

über diesem erwärmten Paket kreisen. Wir reden<br />

hier natürlich nicht von Unterschieden wie Tag<br />

und Nacht – etwa 90 Grad oder einem ähnlich<br />

irrwitzigen Wert, das würde unsere mit viel Liebe<br />

aufgebrachte Bügelfolie von den Rippen pellen.<br />

Wir reden von wenigen Grad Celsius. In der modellfliegerischen<br />

Praxis sind das Temperaturunterschiede<br />

von zwei bis vielleicht fünf oder sechs<br />

Grad, mehr nicht! Schon bei einem um nur zwei<br />

Grad erwärmten Luftpaket haben wir ein Steigen<br />

von etwa einem Meter pro Sekunde. Das ist nicht<br />

wirklich der viel zu oft zitierte Hammerbart – aber,<br />

ehrlich gesagt, ich bin schon deutlich mühsamer<br />

gestiegen. Ein sehr gutes Luftpaket (mit einer<br />

47


Temperaturdifferenz von Pi mal Daumen fünf bis sechs Grad Celsius<br />

zur kühleren Umgebungsluft) steigt mit Werten jenseits der vier Meter<br />

pro Sekunde, das ist bereits sehr ordentlich und wird Sie in kürzester<br />

Zeit mit Ihrem Segler an die Sichtgrenze und zur Nackenstarre bringen.<br />

Vier Meter pro Sekunde klingt Ihnen nicht spektakulär genug?<br />

Ihr Kumpel hat einen Elektrosegler, der steigt mit über 20 Metern pro<br />

Sekunde? Legen Sie bitte sofort dieses Heft weg, Thermik ist etwas<br />

für Genießer! Ich bitte Sie, vier Meter Steigen, nur mithilfe der Natur,<br />

das sind gigantische 240 Meter in einer einzigen Minute! Wenn das<br />

kein Hammerbart ist, dann weiß ich nicht ... Dieses erwärmte Luftpaket<br />

dehnt sich aus und steigt und steigt und steigt ...<br />

Und jetzt kommt der große Dämpfer für alle, die an grenzenlose<br />

Thermik an schönen Sommertagen (von mir aus auch gern im Winter)<br />

denken – dieses aufsteigende Luftpaket wird mit jeden hundert<br />

Metern, die es weiter nach oben klettert, um ziemlich genau ein Grad<br />

kälter, das ist Physik. Um die Sache für uns Thermik-Schatzsucher<br />

noch schlimmer zu machen, die „normale“ Umgebungsluft, also unsere<br />

Atmosphäre, wird nach oben hin natürlich auch kälter, etwa um<br />

0,9 Grad pro hundert Meter. Sie müssen jetzt kein Einstein sein, um<br />

zu erkennen: Unser aufsteigendes Luftpaket wird schneller kalt als<br />

die Luft, die es umgibt. Es kann nicht unbegrenzt steigen, das wäre<br />

ja Unsinn, was sollte ein Luftpaket im Weltall?<br />

Was ist passiert? Je höher unser erwärmtes Luftpaket aufsteigt,<br />

umso weiter dehnt es sich aus, da der Luftdruck nach oben abnimmt.<br />

So kühlt das Paket ab. Um das bereits erwähnte eine Grad Celsius<br />

pro hundert Höhenmeter. Nun wird aber auch die Umgebungsluft<br />

nach oben kälter, das ist gut für unser erwärmtes Luftpaket, denn<br />

nun ist es in Relation zur Umwelt ja wieder etwas wärmer. Trotz allem,<br />

das Steigen ist limitiert – obwohl ein Luftpaket mit einer positiven<br />

Differenz von etwa zwei Grad rein theoretisch bis zu zwei Kilometer<br />

hochsteigen kann (in diesem Beispiel 0,1 Grad Differenz pro hundert<br />

Meter Steigen), dann ist die sogenannte Isothermie erreicht, unser<br />

geliebtes Luftpaket löst sich auf und vermischt sich mit der gleich<br />

warmen Umgebungsluft. So hoch kommen wir aber nur rein theoretisch:<br />

Schon leicht wärmere Schichtungen in der Luft bremsen<br />

den Anstieg des erwärmten Luftpakets im Flugalltag sehr schnell.<br />

Das bedeutet auch, dass ein Bart unterschiedlich schnell während<br />

seines Aufstiegs steigt. Abhängig davon, wie die Temperatur der<br />

Umgebungsluft in diesem Augenblick ist. Natürlich können wir das<br />

alles von unten weder sehen noch beeinflussen. Da hilft nur die<br />

Überlebens-Philosophie des Rheinländers: Et kütt, wie et kütt!<br />

Erschwerend hinzu kommen weitere Besonderheiten wie eine<br />

Inversionswetterlage (die Luft wird nach oben hin wärmer, das ist für<br />

die Thermik „tödlich“) oder andere warme Luftschichtungen. Unser<br />

„Express“-Paket Heißluft kommt auf einmal beim Steigen an eine<br />

Luftschicht, die seine Temperatur hat. Ende, und Punkt! Warum sollte<br />

die Luft weiter aufsteigen? Keine Temperaturdifferenz, kein nach<br />

oben Klettern. Luft ist faul! Der erfahrene Pilot nennt das eine stabile<br />

Luftschichtung. Und die ist höchstens für unsere Freunde mit den<br />

Parkflyern gut, mit der Thermik nach oben schrauben können Sie an<br />

dem Tag vergessen. Viel besser ist eine sogenannte labile Luftschichtung,<br />

als Extremfall sehr schön bei einem Herbstgewitter zu beobachten.<br />

Die Luft wird nach oben deutlich kälter, also sollten wir besser<br />

steigen. (Wussten Sie, dass Hagelkörner deswegen existieren, weil<br />

sie als Regentropfen in der Thermik steigen? Weit nach oben, da<br />

frieren sie sich größer, stürzen ab, steigen wieder und wieder mit der<br />

Thermik, werden weit oben frostiger und größer – und knallen dann<br />

so groß wie ein Golfball auf unser nagelneues Auto.) Praktisch ist das<br />

Steigen jetzt gigantisch, wenn auch vor einer nahenden Gewitterfront<br />

nicht wirklich zu empfehlen. Die auftretenden Kräfte der gewaltigen<br />

Thermik in der Größenordnung von vielleicht 30 Metern Steigen pro<br />

Sekunde und mehr macht kein Modell mit, und kein Bemannter, die<br />

umfliegen solche Gebiete.<br />

Wie man noch eine labile Luftschichtung und damit gute Thermik<br />

erkennt? Achten Sie auf die Rauchwolken von Kühltürmen oder<br />

anderen Industrieanlagen. (Mensch, waren das noch romantische<br />

Zeiten, als im Frühjahr von jedem einzelnen Haus dichter, schwarzer<br />

Endstation: Hier ist die Fahrt unseres Luftpakets zu Ende, in<br />

der wilden Cumulus-Wolke. Sehen Sie, wie der „Blumenkohl“<br />

scheinbar lebt, wie es brodelt und wächst. Angefangen hat<br />

das alles mit unserem kleinen Luftpaket am Boden<br />

Rauch aus dem Ziegelschornstein stieg: „Edelbert,<br />

hast du meine Mutter gesehen?!“) Eine labile Schichtung<br />

der Luft erkennen Sie eindeutig daran, wenn der<br />

Rauch wie in kleinen Wölkchen aus den Schornsteinen<br />

pufft, stellen Sie sich Winnetou vor, der seinem Bruder<br />

Old Shatterhand ein Rauchzeichen gibt (sechs kleine<br />

Wölkchen bedeuten „Bruder, bringst du uns ein Sixpack<br />

Dosenbier von Aldi mit?“) Bei wenig Wind steigen<br />

diese kleinen, einzelnen Wölkchen gerade auf, bei<br />

etwas mehr Wind krümmt sich die Bahn, sie bleiben<br />

aber immer noch einzeln erkennbar. Das ist unser Wetter,<br />

eine labile Luftschichtung, sprich Thermik.<br />

Hängt der aus den Schloten aufsteigende Rauch<br />

zusammen wie ein dicker Bindfaden, knickt im<br />

schlimmsten Fall sogar bei einer bestimmten Höhe ab<br />

und bewegt sich seitlich weiter oder breitet sich wie<br />

unter einer Decke in Pilzform aus – das weist deutlich<br />

auf eine stabile Luftschichtung und beim Abknicken<br />

der Rauchsäule auf eine darüberliegende Inversionsschicht<br />

hin. Noch ein Hinweis ist, dass an solchen<br />

Tagen die Luft nicht klar, sondern irgendwie klebrig<br />

und dunstig ist. Da geht für uns nichts! Wenn Sie an so<br />

einem Tag Thermik suchen, werden Sie höchstwahrscheinlich<br />

nach unzähligen ergebnislosen Versuchen<br />

mit langem Gesicht nach Hause kommen, ersparen<br />

Sie sich das, schauen Sie einfach vor der Fahrt auf den<br />

Platz aus dem Fenster! Okay, eine gute Wetter-App<br />

tut’s heutzutage auch ...<br />

48 Thermik 2012


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Thermik 2012<br />

49


Lechts- oder ringsrum?<br />

Richtig einkreisen und zentrieren<br />

Im Klartext: links- oder rechtsherum?<br />

Ja, das ist beim Kreisen in der<br />

geliebten Thermik die große Frage!<br />

Meist in Bruchteilen von Sekunden<br />

entschieden – unterbewusst kreist<br />

nämlich jeder Modellpilot in seine<br />

über Jahre antrainierte Lieblingsrichtung,<br />

achten Sie mal kritisch darauf.<br />

Und dann zwingen Sie sich bitte<br />

ab morgen mit brachialer Gewalt<br />

(„Ich darf heute nur rechtsrum, ich<br />

darf heute nur rechtsrum ... – aber<br />

wo ist rechts?“), die nächsten Wochen<br />

bewusst andersherum zu kreisen.<br />

Kommt gut, oder? Solange der<br />

Segler oben bleibt!<br />

Torsten Falk<br />

Die nächste Trainingsstufe ist, Sie fliegen<br />

einen Sender mit anderem Stickmode<br />

– dann sind Sie wirklich gut! Oder Sie<br />

haben endlich einen guten Grund, ein neues Modell<br />

zu kaufen („Schatz, der Falk ist schuld! Der<br />

hat gesagt, ich soll andersherum fliegen ...“). Ja,<br />

aber nicht mit dem Rücken zum Modell!<br />

Es gibt tatsächlich Thermik-Gurus, die Stein<br />

und Bein schwören, dass beim Fliegen in der<br />

Thermik in die eine Richtung besseres Steigen<br />

ist als in der anderen Richtung. Der eine sagt,<br />

entgegen der Drehrichtung des Barts. Andere<br />

wollen genau andersherum schneller steigen.<br />

Wieder andere fliegen seit Jahrzehnten in den<br />

schönsten Bärten quer durch Europa – und<br />

wollen so etwas wie eine definierte Drehrichtung<br />

nicht einmal im Ansatz entdeckt haben. Unglaublich!<br />

Machen wir uns ein wenig Arbeit, wühlen wir<br />

uns munter durch ein paar Fachbücher oder die<br />

unendlichen Weiten des globalen Netzes, dann<br />

sehen wir so viele Meinungen zu dem Thema,<br />

dass uns hinterher der Schädel brummt: Ja,<br />

sagen sie alle, sie dreht sich, die Thermik, aber<br />

mehr oder weniger willkürlich nach links oder<br />

rechts. Quasi nicht vorhersagbar, wie das Wetter<br />

also. Statistisch gesehen angeblich gleich oft<br />

in beide Richtungen, so heißt es. Nun, dieses<br />

geballte (theoretische) Wissen nutzt uns auf<br />

dem Flugplatz nichts – aber ich habe selbst<br />

schon des Öfteren gesehen, dass sich an einem<br />

schönen Frühlings- oder Sommertag zahllose<br />

Insekten von der Thermik nach oben reißen lassen. Wie ja bereits gesagt,<br />

erkennen wir so den Bart, und falls wir nicht die kleinen Insekten sehen (ab<br />

zum Optiker!), dann auf jeden Fall die kreisenden Schwalben, die sich in<br />

dem Bart den Bauch vollhauen – und siehe da, wenn man sehr genau hinsieht,<br />

fällt einem auf, dass sich die kleinen Brummer alle in einer Richtung<br />

korkenzieherartig nach oben schrauben (lassen). Da Insekten wohl nicht<br />

die Kraft besitzen, gegen die thermische Strömung zu schwimmen, muss<br />

das wohl in dem Fall die Drehrichtung des Barts sein!<br />

So, und das Kurbeln mit oder gegen die Drehrichtung, was kann das<br />

bringen, wirklich ein schnelleres Steigen? Theoretisch ist bei einem Flug<br />

gegen die Drehrichtung die Geschwindigkeit über Grund um die Drehgeschwindigkeit<br />

des Barts reduziert. Ganz praktisch können Sie so enger<br />

(da langsamer) kurbeln. Bei jungen Bärten, also in Bodennähe, bringt das<br />

sicherlich was, vorausgesetzt, Sie kurbeln im Zentrum des Barts.<br />

Noch ein praktisches Beispiel: Laufen Sie bei Gelegenheit an einem<br />

stark thermischen Frühjahrsmorgen mit offenen Augen über eine Wiese –<br />

nicht unwahrscheinlich, dass Sie über das „Kinderzimmer“ eines starken<br />

50 Thermik 2012


Suchen und flachhalten: Bevor Sie das Zentrum des<br />

Barts gefunden haben (und bei schwachen Bedingungen<br />

sowieso), halten Sie den Segler sehr flach und<br />

relativ langsam. Alles andere kostet Höhe. Wie Sie<br />

gut sehen, hebt der Bart hier die rechte Flächenhälfte<br />

an. Sie merken das natürlich sofort – und kreisen<br />

rechtsrum ein: Richtung größtes Steigen<br />

So geht die Suche nach dem Zentrum los: Das Modell immer erst gerade, ohne<br />

unnötige Ruderbewegungen, in der Luft halten. Erst wenn Sie durch einen Abwindring<br />

(es geht kurz abwärts und dann erst aufwärts) oder durch eine sich anhebende<br />

Flächenhälfte auf einen Bart stoßen (natürlich nicht zufällig, denn Sie haben<br />

sich die typischen Ablösepunkte auf Ihrem Flugplatz längst genau angesehen),<br />

kreisen Sie schnell ein. Der Bart drückt Sie wieder raus? Kein Drama – fliegen Sie<br />

weiter einige flache Kreise und tasten Sie sich langsam zum Zentrum vor. Legen<br />

Sie sich dabei ein dreidimensionales Bild des Barts im Hinterkopf an, dann fliegen<br />

Sie immer zielgenauer. Und denken Sie daran: Der Bart lebt, er bewegt sich.<br />

Thermikschlauchs stolpern, der sich in dem<br />

Moment wie eine Miniatur-Windhose am Boden<br />

bildet und Staub, Insekten, ja sogar Blätter und<br />

kleine Äste in einer Art Strudel mit sich nach<br />

oben reißt. Wenn Sie mit dem Staunen fertig<br />

sind, sehen Sie, dass dieser Bart tatsächlich eine<br />

definierte Drehrichtung hat. Als leidenschaftlicher<br />

HLGler und DLGler hat es mich bereits mehrmals<br />

in den Fingern gejuckt, diese kleinen „Baby-Twister“<br />

gut zwei Meter über dem Boden mit einem<br />

winzigen, unter 70 Gramm leichten »Funny Fast<br />

Birdie« mit 600 Millimetern Spannweite auszukreisen.<br />

Mein ehrlicher Rat an Sie: Lassen Sie<br />

das! Die Energien in diesem kleinen Schlauch<br />

mit vielleicht 50 Zentimetern Durchmesser sind<br />

oft so brutal, dass es den Segler ruckartig durch<br />

die Luft reißt und (sollte so ein Wirbel da tanzen,<br />

wo Sie in dem Moment zur Landung hereinkommen)<br />

den kleinen Segler ohne Vorwarnung auf den Rücken legt, und das<br />

alles einen knappen Meter über dem Boden – „Drama, Baby!“, das bringt<br />

Ihrem viel geliebten Leichtsegler wenigstens eine zerknitterte Folie auf der<br />

Fläche und Ihnen ein nicht weniger zerknittertes Grinsen – natürlich stehen<br />

in so einem Fall immer 20 tröstende Vereinskollegen um einen rum: „Du,<br />

Torsten – ich hab‘ noch einen »Kleinen Uhu« im Keller, falls du die nächsten<br />

Monate fliegen üben willst ...“<br />

Zurück zum Kern, dem Zentrieren, denn uns geht es ja in diesem Kapitel<br />

darum, überhaupt im Bart zu bleiben – nachdem wir ihn (Hand aufs<br />

Herz: mehr oder weniger versehentlich!?) getroffen haben!<br />

Treffer, gefunden! In diesem Moment haben Sie nur 30 Meter über dem Boden das Zentrum des stärksten Steigens erwischt – Gratulation!<br />

Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren und wild mit den Rudern in der Luft herumrühren: Steil einkreisen, ziehen und den Segler aufmerksam<br />

beobachten: Steigt unser Modell weiter gut und gleichmäßig, dann können Sie die Kreise nach oben hin etwas weiter machen. Haben Sie<br />

das beste Steigen noch nicht gefunden, kreisen Sie wieder etwas flacher und korrigieren Ihre Kreisbahn, das beste Steigen kann nicht weit<br />

weg sein. Je weiter Richtung Boden, umso enger sind die Bärte. Haben Sie also keine Hemmungen, den Segler sehr steil in das Steigen<br />

zu stellen. Wenn es sein muss, voll auf die Flächenspitzen. Sie werden erstaunt sein, wie schnell Sie nach oben kommen<br />

Thermik 2012<br />

51


Blick in die Thermik: Hier sehr schön zu sehen, der Segler hat das Zentrum des<br />

größten Steigens erwischt. Jetzt stellt der Pilot den Segler steil in den Bart hinein.<br />

Einkreisen, steigen – herrlich!<br />

Die Thermik liebt jeden Segler: Es spielt absolut keine Rolle, ob Sie einen Vollkohle-<br />

Segler oder diese »Jolly« reloaded fliegen. Thermik suchen macht mit jedem Modell<br />

Spaß. Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass man dazu immer einen Dreiachser<br />

mit x-Klappen am Flügel braucht. Der warmen Luft ist das egal, die nimmt, wenn<br />

sie denn nimmt, alles mit nach oben<br />

Das Zentrieren ist gleichzeitig die Pflicht und die Kür des <strong>Thermikfliegen</strong>s.<br />

Wenn Sie nur zufällig in Bärten „herumeiern“ – und nach einem<br />

zweiminütigen Flug breit grinsen –, dann sollten Sie diesen Absatz besonders<br />

aufmerksam lesen. Wenn Sie nämlich genau im Kern des Thermikschlauchs<br />

fliegen, wird Ihre Steigleistung (besser gesagt, die des Seglers)<br />

deutlich zulegen. Immer wieder aus dem Zentrum des Barts herauszusteuern<br />

(und eben nicht korrekt zu zentrieren), das bringt einen krassen Verlust<br />

an Steigleistung, denn Sie streifen bei jeder einzelnen Runde den herunterziehenden<br />

Abwindring, der unseren Bart umgibt. Und das zieht uns am<br />

Boden fraglos genauso runter wie das Modell.<br />

Generell fliegen wir ja so in der Thermik: Es steigt gut – wir kreisen steil<br />

und eng. Es steigt weniger gut, vielleicht ist sogar nur ein Nullschieber drin<br />

– wir kreisen flach und weit. In diesem Fall sogar mit minimalstem Einsatz<br />

der Ruder, um unser drohendes Sinken nicht noch weiter zu vergrößern.<br />

Es ist schon was dran an dem alten Spruch:<br />

„Das Steuern des Piloten verschlechtert nur die<br />

Flugleistungen des Modells!“ Lassen Sie aus<br />

Spaß mal die Finger von den Knüppeln (bitte in<br />

ausreichender Höhe jenseits der zehn Meter!),<br />

Sie werden erstaunt sein, wie gut Ihr Segler ohne<br />

störende Einflüsse durch Sie wirklich fliegt. Wer<br />

das nicht glaubt, sollte mal „zwischendurch“ ein<br />

Freiflugmodell ausprobieren – das hat schon so<br />

manchem die Augen geöffnet. Nicht umsonst<br />

fliegen alte Hasen mit ihrem Modell, das sie<br />

in- und auswendig kennen, extremst entspannt<br />

in ruhiger Thermik. Es ist nicht übertrieben: Sitzt<br />

der Segler erst einmal zentriert im (ruhigen) Bart,<br />

trimmen Sie einfach das Seitenruder, um ein<br />

paar Klicks in die Kreisrichtung, ein paar Klicks<br />

Höhe – jetzt dürfen Sie den Sender demonstrativ<br />

auf den Boden legen, cool in die Runde schauen,<br />

Brust raus, Bauch rein, tief und entspannt<br />

einatmen („Ich bin der Platzhirsch, das Alphamännchen,<br />

ihr anderen seid alle nur die fleißigen<br />

Arbeiterbienen!“) – und dann weniger entspannt<br />

mit entgleisten Gesichtszügen beobachten, dass<br />

ein Fliegerkollege beim Transport seiner Orchidee<br />

an die Flightline „versehentlich“ über Ihren<br />

Sender stolpert. Genau diesen Fall habe ich vor<br />

einigen Jahren hautnah im Selbstversuch erlebt:<br />

Ein Wettbewerbskollege träumt und stolpert,<br />

mein Sender rutscht ein wenig über die Wiese,<br />

überschlägt sich wenigstens nicht (Knüppelstellung!),<br />

der Segler kreist unbeeindruckt weiter,<br />

ich greife voller Panik mit zitternden Händen an<br />

das damalige Designerteil (die gute, alte 35 MHz-<br />

MX 16 mit Sythie) – und komme bei der unkontrollierten<br />

Grabsch-Hektik mit dem Daumen an<br />

den Ausschalter! Einfach wieder einschalten und<br />

weiterkreisen? Geht bei dem Sender nicht, Sie<br />

müssen erst ein paar Klicks durch das Menü, Kanal<br />

bestätigen und so kluge Fragen beantworten<br />

wie: „Wollen Sie den Sender wirklich einschalten?“<br />

– So schnell habe ich die Tasten noch nie<br />

bedient.<br />

Nun, wie kommen wir jetzt da hin, ins<br />

himmlisch-thermische Zentrum? Natürlich Schritt<br />

für Schritt: Zuerst zahlen Sie regelmäßig Ihre<br />

Kirchensteuer (okay, das schadet zumindest<br />

nicht), dann stellen wir uns einfach mal vor, dass<br />

wir jetzt einen Bart (den wir durch kreisende<br />

Schwalben sicher ausgemacht haben) von der<br />

linken Seite her anfliegen. In den meisten Fällen<br />

hebt sich plötzlich die rechte Flächenhälfte<br />

an (nebenbei bemerkt: Es könnte ebenso ein<br />

starker Abwind sein, der die linke Flächenhälfte<br />

herunterzieht, aber wir wollen es nicht verkomplizieren<br />

und ignorieren das bitte für dieses Beispiel),<br />

das Modell wird abgedrängt und will von<br />

selbst nach links fliegen. Merke, die Thermik will<br />

uns nicht freiwillig reinlassen. Nicht mit uns! Wir<br />

halten dagegen, alle Ruder nach rechts und rein<br />

in den Bart! Es steigt, unter vollem Einsatz der<br />

Ruder kreisen wir jetzt besonders steil, wir wollen<br />

das beste Steigen im Zentrum erwischen. Erst<br />

klappt das gut, dann fallen wir ohne Vorwarnung<br />

wieder raus, so ein Ärger. Jetzt nicht die Geduld<br />

verlieren: Wir kreisen ab sofort wieder flacher<br />

(verlieren so weniger Höhe) und fliegen einen<br />

weiten, geöffneten Suchkreis. Behalten Sie Ihren<br />

52 Thermik 2012


Segler genau im Blick, wahrscheinlich streifen<br />

oder durchfliegen Sie wieder den Abwindring –<br />

und dann, auf einmal, geht es wieder nach oben.<br />

Was Sie jetzt brauchen, ist eine gehörige Portion<br />

dreidimensionale Vorstellungskraft – haben Sie!<br />

Sie müssen sich den Thermikbart in Ihrem Kopf<br />

räumlich vorstellen, merken, wo Sie soeben<br />

durchgeflogen sind, wo das Steigen war und wo<br />

das Sinken. Beachten Sie dabei bitte die Windrichtung,<br />

der Bart ist ein lebendes Wesen, das<br />

sich bewegt, es hat eine Flugbahn, die Sie sich<br />

Heute links, ab morgen rechts: Das sichere Kreisen ist im Prinzip die Einstiegskarte<br />

für lange Thermikflüge. 99,9 Prozent aller Modellpiloten haben eine Lieblingskreisrichtung.<br />

Das müssen Sie ändern! Zwingen Sie sich mal eine Woche<br />

lang mit Gewalt, und kreisen Sie nur in die andere Richtung. Das macht am ersten<br />

Tag richtig dicke Kopfschmerzen, danach fällt es leichter. Warum das wichtig<br />

ist? Nun, erstens sind Sie ja nicht im Straßenverkehr unterwegs und können nur<br />

Linkskurven fahren! Und zweitens: Sollte schon einer vor Ihnen im Bart kurbeln,<br />

dann kreisen Sie (ungeschriebenes Gesetz!) unbedingt in seine Richtung. Bei<br />

gleichsinniger Drehrichtung zerkratzt man sich bei (immer hoffentlich ungewollten)<br />

„Paarungsversuchen“ schon einmal eine Flächenspitze oder ein Stück vom<br />

Leitwerk. Wenn Sie sich im Bart frontal chrash-testen, zieht das mächtig runter –<br />

erst die beiden Modelle, und dann Ihre gute Laune. Einzige erlaubte Ausnahme:<br />

Sie haben absolut keinen Platz mehr im Keller! Bitte sprechen Sie das vorher mit<br />

dem zweiten Piloten ab<br />

Klein aber fein: <strong>Thermikfliegen</strong> (und damit zentrieren) ist keine Frage von Größe! Selbst mit den kleinsten Modellen, gern 60 Zentimeter<br />

Spannweite oder darunter), lassen sich viele Bärte in Bodennähe perfekt auskurbeln, die Sie mit größeren (und gewichtigeren) Seglern<br />

unter Umständen nicht einmal mitbekommen. Der Vorteil, wenn Sie (mehr oder weniger) auf Augenhöhe kreisen – Sie sehen jede noch so<br />

kleine Bewegung sofort und können entsprechend gut reagieren<br />

Thermik 2012<br />

53


einprägen sollten! Nur dann sind Sie (vom Zufall<br />

mal abgesehen) kontrolliert in der Lage, das<br />

Zentrum zu erwischen. Und zu halten! Sobald<br />

es in Ihrem Bart wieder deutlich nach oben geht,<br />

haben Sie ihn zentriert. Sollte es Sie noch einmal<br />

rausdrücken (Unverschämtheit!), fliegen Sie<br />

durch diesen von Ihnen genau vermessenen und<br />

im Gedächtnis abgespeicherten Raum ein oder<br />

zwei weitere Suchschleifen, bis Sie das Steigen<br />

wieder erwischen. Und, war‘s das dann? Ein Mal<br />

zentriert, immer zentriert – nein, so funktioniert<br />

das (leider!) nicht. Höchstens bei ganz leichten<br />

Bedingungen ohne Wind kann man diesen Eindruck<br />

haben. Sie schauen einfach während des<br />

ganzen Flugs auf Ihren Segler – wo im geflogenen<br />

Kreis steigt er besser? Korrigieren Sie bitte<br />

permanent, lassen Sie sich von dem Bart mitnehmen,<br />

kreisen Sie auf gar keinen Fall (das machen<br />

viele Einsteiger, die das Modell ungern zu<br />

weit wegfliegen lassen) immer relativ zum Boden<br />

an derselben Stelle. Das geht vielleicht zwei Minuten<br />

gut, dann ist der Bart weg, und Sie rühren<br />

munter im Saufen rum. Bis Sie das mitkriegen, ist<br />

es meist zu spät, die Thermik ist weitergezogen.<br />

Wenn Sie schon rausfallen und neben der Thermik<br />

kreisen, dann ist es taktisch immer klüger,<br />

„vor“ dem Bart auf das Steigen zu warten, sprich<br />

zu kreisen. Gemeint ist die Richtung, in der sich<br />

der Bart bewegt, also hier auf Ihren Segler zu.<br />

Stellt man sich dabei nicht zu ungeschickt an,<br />

greift der Bart und nimmt einen mit.<br />

Steil einkreisen, ziehen – und aufwärts geht<br />

es mit dem Fahrstuhl. Lassen Sie sich nicht entmutigen,<br />

selbst ausgebuffte Profis und Thermikexperten<br />

mit einem Keller voller Pokale fallen mit<br />

schöner Regelmäßigkeit aus allen Wolken (sprich<br />

den Bärten) und haben drei oder vier Versuche,<br />

bevor sich einer fragt, ob die ihre blinkenden<br />

Pötte vielleicht auf ebay geschossen haben ...<br />

Das, was jetzt so einfach klingt, kann durch<br />

widrige Umweltbedingungen wie starkem Wind<br />

natürlich deutlich anspruchsvoller werden.<br />

Nehmen wir nur den alltäglichen Fall, spürbaren<br />

Wind um etwa drei Beaufort. Wussten Sie, dass<br />

die Beaufortskala 1949 auf 18 Stufen erweitert<br />

wurde? Offiziell haben wir seitdem „Windstärke<br />

17“, definiert als „größer als 202 km/h“! Nein,<br />

das ist nichts für Ihre Vollkohle-Hangfräse mit<br />

zwei Metern Spannweite und Untergewicht. Gut,<br />

dass es solchen Wind in unseren Breiten (noch)<br />

nicht gibt!<br />

Zurück zu den schmusezarten drei Windstärken<br />

auf der sonntäglichen Lieblingsflugwiese:<br />

Jetzt finden wir die Thermik nicht mehr ganz so<br />

nach Lehrbuch wie an windstillen Tagen. Bei<br />

Wind und Wetter „verstecken“ sich die Bärte oft<br />

im Lee, auf der windabgewandten Seite. Das<br />

an sich ist noch kein Drama. Nur, wenn Sie in<br />

diesen Bart einsteigen, nimmt er Sie noch weiter<br />

vom Flugplatz weg. 500 Meter und mehr sind da<br />

schnell passiert. Kein Problem, sagen Sie sich,<br />

sie steigen ja gut – aber Vorsicht! Sie müssen<br />

Ihren geflügelten Liebling ja wieder nach Hause<br />

auf den Flugplatz bringen, und das gegen frischen<br />

Wind und durch richtig böses Saufen hindurch.<br />

Da können schon 250 Meter Strecke (bei<br />

vielleicht 300 Metern Flughöhe) zu einer richtig<br />

Maximal majestätisch: Leichtsegler unter 500 Gramm, mit einer Spannweite von<br />

zwei Metern und darüber gleiten oft erstaunlich langsam durch gute Luft. Ist Ihr<br />

Modell perfekt eingestellt, also nicht zu kopflastig, merken Sie die winzigste Luftveränderung,<br />

es geht sofort wie im Fahrstuhl nach oben<br />

Alles Kohle, oder was: Nein, der Spaß in der Thermik hat absolut nichts mit dem<br />

Preis des Modells zu tun. Dieser preiswerte »Spinnin‘ Birdy« mit einem Meter<br />

Spannweite kostet gerade 80,– Euro, macht beim engen Kreisen in Augenhöhe<br />

aber Spaß wie ein High-Techler für 800,– Euro. Einfach aus der Hand in die Thermik<br />

schleudern und dann minutenlang steigen<br />

nervenaufreibenden Distanz werden. Sicher, Sie machen den Gleiter so<br />

schnell, wie es eben geht, trimmen noch ein paar Zacken nach vorn. Aber<br />

er muss gegen den Wind und die kalte, nachströmende Luft der Thermik<br />

ankommen. Leichte Modelle haben da keine guten Karten, die hängen auf<br />

einmal wie ein Blatt im Wind und bewegen sich relativ zum Flugplatz so gut<br />

wie nicht mehr von der Stelle. Sinken (und zwar drastisch) tun sie allerdings<br />

trotzdem.<br />

Gibt es für dieses Problem eine Art nicht verschreibungspflichtiges<br />

Allheilmittel? Ja, vorher die Augen aufhalten und das Modell nicht überfordern.<br />

Wer so auf Risiko fliegt, sollte vorher wissen, wie gut und schnell sein<br />

Segler durch die schlechte Luft nach Hause zurückkommt. Ich habe schon<br />

modern profilierte Segler der 2-m-Klasse gesehen, die bei einer Flughöhe<br />

54 Thermik 2012


Voll im Blick: Bei der Thermiksuche ist der direkte Blick zum Modell selbstverständlich.<br />

Wenn Sie gern in relativer Bodennähe kreisen, bekommen Sie so Reaktionen<br />

des Seglers mit, die Sie in 250 Metern Höhe wahrscheinlich übersehen. Mit anderen<br />

Worten: Kreisen Sie bitte öfter in Ameisenkniehöhe, das ist eine unglaublich gute<br />

Übung für Thermikpiloten. Schon nach ein paar Wochen erkennen Sie die kleinsten<br />

Bärte und kurbeln selbstverständlich (fast) wie ein Weltmeister<br />

von über 250 Metern nicht mehr die 200 Meter zum Platz zurückgekommen<br />

sind. Optisch täuscht das total: Jeder denkt, das schafft er locker – und<br />

dann strömt der kalte Wind in die Thermikblase und der Segler fällt im<br />

70-Grad-Winkel. 150 Meter vor dem Platz haben Sie 30 Sekunden später<br />

nur klägliche fünf Meter Flughöhe – fangen Sie vorher an, Ihrem kleinen<br />

Liebling entgegenzulaufen. Aber das wird natürlich nur dann zu einem Problem,<br />

wenn Sie vorher vorbildlich gut zentriert hatten, sonst wären Sie gar<br />

nicht erst so weit gekommen. Merke: Bei riskanter und zerrissener Thermik<br />

im Lee niemals sich und das Modell überschätzen. Tasten Sie sich langsam<br />

an die Grenzen ran. Nach Hause kommen hat immer erste Priorität. Es sei<br />

denn, Sie landen gern auf stark befahrenen Schnellstraßen ...<br />

Wir kommen zum Ende, abschließend zwei griffige Merksätze, damit<br />

Sie in Zukunft noch spielerischer in der Thermik zentrieren: Flach kreisen<br />

und suchen, beim Steigen steil einkreisen – immer zum stärksten Steigen<br />

versetzen lassen, niemals nur an einer Stelle kreisen, mit dem Bart wandern.<br />

Bei viel Wind im Lee nach der zerrissenen Thermik suchen, sehr steil<br />

einkreisen und unbedingt mit dem Bart deutlich weiter ins Lee versetzen<br />

lassen. Die Entfernungen im Auge behalten, nicht euphorisch werden und<br />

den Kopf ausschalten, („Endlich zeig ich‘s dem Müller mal, wir werden ja<br />

sehen, wer länger oben ist ...“) Konzentriert kreisen, im Lee herauszufallen<br />

hat oft dramatische Folgen für die Flughöhe. Bei Lee-Aktionen unbedingt<br />

an den Heimweg denken!!!<br />

Vor allem aber – das alles hier klingt gelesen viel komplizierter, als es in<br />

der fliegerischen Realität ist. Lesen bildet, hilft beim Auskreisen aber wenig.<br />

Die Erfahrung zählt. Also, raus mit Ihnen und ab in den nächsten Bart, nicht<br />

zögern, reinfliegen, steil einkreisen, zentrieren, rausfallen, flach suchen,<br />

wieder steil rein und kurbeln – und dann ab nach oben bis unter die herrlichen<br />

Wolken. Das Motto ist ganz einfach: Niemals aufgeben!<br />

Thermik 2012<br />

55


Torsten Falk<br />

Thermik ist immer!<br />

Was sagen die Profis?<br />

Höchste Zeit, dass wir nach den<br />

prall gefüllten Seiten voller Theorie<br />

und selbsterlebter Einblicke der Autoren<br />

(was ja generell nicht schlecht<br />

ist) mal zwei ausgesprochene Profis<br />

zu Wort kommen lassen: Martin<br />

Herrig und Henrik (Schulte) Vogler<br />

– zwei Piloten mit weit über einem<br />

Jahrzehnt Wettbewerbserfahrung.<br />

Zwei Thermik-Spürnasen, die den<br />

Keller voller Urkunden, Medaillen<br />

und Pokalen haben. Keine Frage,<br />

wenn einer weiß, was es mit dem<br />

„Mysterium“ Thermik auf sich hat,<br />

dann die beiden!<br />

Modell: Martin, du bist Weltmeister F3B 2007 und 2009, Mannschafts-Vizeweltmeister<br />

F3K 2011, Vizeweltmeister F3B 2011<br />

– haben Spitzenpiloten wie du einen sechsten Sinn für Thermik?<br />

Kannst du Thermik quasi „riechen“?<br />

Martin Herrig: Einen sechsten Sinn für Thermik haben Spitzenpiloten<br />

sicher nicht – aber sie nutzen ihre Sinne sehr intensiv, um Thermik zu erahnen<br />

bzw. die thermischen Abläufe in ihrer Umgebung nachzuvollziehen.<br />

Einige Beispiele: Man beobachtet umstehende Bäume oder Gras, um<br />

die Windstärke und -richtung an verschiedenen Punkten zu bestimmen.<br />

Gleichzeitig lässt sich ein Anstieg oder Abfall der Lufttemperatur fühlen.<br />

Manchmal kann man Thermik tatsächlich riechen: indirekt, wenn durch selbige<br />

eine Luftströmung ausgelöst wird, die Gerüche von markanten Orten<br />

(z. B. Bauernhof) zum Piloten trägt. Manch einer hat so etwas schon einmal<br />

erlebt.<br />

Modell: Du fliegst mit Seglern unterschiedlichster Spannweiten quer durch<br />

alle Wettbewerbsklassen: F3K (DLG), F3B, F3F (Hang) – welche Klasse ist<br />

zum Thema Thermik suchen und auskreisen am anspruchsvollsten?<br />

Martin Herrig: Hier hat jede Klasse ihren eigenen, besonderen Anspruch:<br />

Bei F3K ist es wichtig, aus vergleichsweise geringer (Wurf-)Höhe mit hoher<br />

Zielsicherheit überhaupt die vorhandene Thermik zu erreichen, während<br />

das Auskreisen mit einem gut eingestellten Modell relativ einfach zu meis-<br />

56 Thermik 2012


◀ Teamwork: Zwei Spitzenpiloten in einem Bild – Martin<br />

Herrig und Henrik Vogler fliegen seit Jahren zusammen<br />

im F3K-Team Germany. Wer die beiden live<br />

bei einem Wettbewerb erlebt hat, lernt schnell die folgende<br />

Regel: Wenn man selber keine Thermik findet,<br />

einfach die beiden im Auge behalten. Das Problem<br />

dabei ist nur: Da, wo die beiden kreisen und steigen,<br />

kommt Otto Normalflieger nicht einmal in die Nähe ...<br />

tern ist. Es ist aber mit Sicherheit die in Bezug<br />

auf Thermik unmittelbarste Flugaufgabe. <strong>Thermikfliegen</strong><br />

bei F3B heißt großräumiger denken<br />

und die thermischen Abläufe in einem weiträumigeren<br />

Zusammenhang zu verstehen: Mit der hohen<br />

Gleitleistung dieser Segler können innerhalb<br />

der Rahmenzeit von zehn Minuten sehr große<br />

Distanzen zurückgelegt werden. Damit ergeben<br />

sich potenziell sehr viele Möglichkeiten, Thermik<br />

aufzuspüren. Andererseits sind sie wesentlich<br />

schwieriger eng und flach zu kreisen.<br />

Die Klasse F3F erfordert die Fähigkeit des Piloten,<br />

sich während des Wertungsflugs auf thermisch<br />

verändernde Bedingungen einzustellen<br />

und seinen Flugstil entsprechend anzupassen.<br />

Modell: Gib unseren Lesern bitte einen Tipp aus<br />

der Praxis – was sind für dich die deutlichsten<br />

Anzeichen für gute Thermik?<br />

Martin Herrig: Für mich sind die deutlichsten<br />

Anzeichen starke Temperaturschwankungen in<br />

Bodennähe in Verbindung mit deutlichen Sprüngen<br />

in Windrichtung und -stärke.<br />

Modell: Jeder Profi hat eine andere Meinung:<br />

Kreist du im Bart GEGEN die Drehrichtung des<br />

Bartes oder MIT dem Bart – und warum?<br />

Top-Pilot: Martin Herrig gehört international zu den<br />

Spitzenpiloten der F3K-, F3B- und F3F-Szene. Bei allen<br />

diesen Wettbewerbsklassen geht es nicht ohne<br />

Thermik, und Martin weiß, wie man sie aufspürt, zentriert<br />

– und dann optimal nutzt<br />

Thermik 2012<br />

Martin Herrig: Aus meiner Erfahrung gesehen passiert es relativ selten,<br />

dass ein Bart eine deutliche Drehrichtung besitzt. In jedem Fall ist er dann<br />

sehr stark und eng. Das heißt für mich alles daranzusetzen, nicht aus der<br />

Thermik herauszufallen. Kreist man gegen die Drehrichtung, passiert das<br />

häufiger als umgekehrt. Allerdings wechsle ich in derartigen Fällen nur<br />

selten die Kreisrichtung, da sich dadurch das Risiko, aus der Thermik zu<br />

fallen, wesentlich erhöht.<br />

Modell: „Zentrieren“ ist eines der heiß diskutierten Themen an den Flugplätzen.<br />

Wie achtet ein Spitzenpilot wie du darauf, dass er nicht aus dem<br />

Bart fällt?<br />

Martin Herrig: Die Grundregel lautet, immer zum stärksten Steigen zu<br />

versetzen. Das ist bei schwach windigem Wetter ziemlich einfach. Ist es<br />

dagegen eher windig, muss mit der Thermik versetzt werden. Da ist es oft<br />

besser, sich grundsätzlich etwas mehr in Richtung Lee zu orientieren und<br />

im Gegenwindabschnitt eines Kreises den Punkt mit dem besten Steigen<br />

abzupassen. Dies ist dann der beste Zeitpunkt, wieder ins Lee abzubiegen.<br />

Modell: Welchen Vögeln vertraust du am meisten bei der Thermiksuche?<br />

Martin Herrig: Schwalben, sofern es viele sind und sie sich längere Zeit an<br />

einer Stelle aufhalten. Am meisten lernen kann man aber von Bussarden,<br />

wenn man sich nur die Zeit nimmt, ihnen beim Fliegen zuzusehen und dabei<br />

eigene Flugsituationen zu reflektieren.<br />

Modell: Als DLG-Wettbewerbspilot ist es für dich selbstverständlich, dass<br />

du Thermik in Augenhöhe erwischst und oft minutenlang nutzt. Viele Leser<br />

haben so etwas noch nicht gesehen. Erkläre ihnen doch bitte, wie so etwas<br />

funktioniert, wie man in dieser Situation steuert.<br />

Martin Herrig: Ist man erst einmal so tief, dann braucht es einiges Glück,<br />

überhaupt noch Thermik zu finden. Beim Kreisen muss man versuchen,<br />

gleichzeitig flach, langsam und eng zu fliegen. Wer das gut kann, braucht<br />

nicht einmal viel zu steuern. Vielmehr kommt es auf den zeitrichtigen und<br />

präzisen Einsatz der Ruderfunktionen an. Eine Grundregel gilt in jedem<br />

Fall: Machst du auch nur den kleinsten Fehler, ist der Flug quasi zu Ende.<br />

Deshalb muss man hier sehr konzentriert sein.<br />

Modell: Wettbewerbssituation – nach ein paar Minuten trägt dein Bart nicht<br />

mehr. Niemand sonst ist in guter Luft. Wie suchst und findest du in der Eile<br />

einen neuen Bart?<br />

Martin Herrig: Indem ich mir noch während des Kreisens fortwährend ein<br />

Bild von dem mache, was um mich herum passiert und damit mögliche<br />

Szenarien für den weiteren Flug ableite. Trägt der Bart nicht mehr, brauche<br />

ich nur das aktuell beste Szenario weiterzuverfolgen.<br />

Modell: Erfahrene Modellflieger schwärmen oft von gigantischen<br />

Hammerbärten, die mit jeder weiteren Erzählung stärker werden. Bist du<br />

jemals in einem Bart geflogen, der dein Modell gefährdet oder sogar zerlegt<br />

hat?<br />

Martin Herrig: Nein, eigentlich nicht. Höchstens indirekt, weil die „Fallhöhe“<br />

bei begrenzter Geduld und starker Thermik entsprechend hoch ausfällt<br />

(er lacht). In der Regel bin ich jedoch eher materialschonend unterwegs.<br />

Modell: Was war der ungewöhnlichste Thermikbart, den du dir jemals geschnappt<br />

hast? Vielleicht im Regen, bei Dunkelheit oder über Schnee?<br />

Martin Herrig: Eine der schönsten Situationen habe ich hier an der Teck<br />

erlebt, als ich ganz allein mit meinem DLG im strahlenden Sonnenschein<br />

knapp über einer dichten, geschlossenen Nebeldecke im Tal minutenlanges<br />

„Thermik-hopping“ zwischen langsam aufsteigenden Nebelschwaden<br />

genießen durfte. Ein durchaus märchenhafter Moment mit einer schon fast<br />

unwirklich schönen Note.<br />

Modell: Thermik ist immer und überall! Stimmt diese Aussage für dich?<br />

Martin Herrig: Nein, leider nicht! Sonst hätte ich vielleicht noch ein paar<br />

Titel mehr gewinnen können (er lacht laut). Aber in der Tat sind die Zeiten<br />

„ohne“ Thermik eher seltener als umgekehrt. Man kann in vielen Wettersituationen<br />

Flüge erleben, die andere für undenkbar gehalten hätten. Oft ist es<br />

die Summe aus vielen Kleinigkeiten, die an diesen Tagen über den Erfolg<br />

beim <strong>Thermikfliegen</strong> entscheiden.<br />

Modell: Letzte Frage, kannst du dir ein Leben ohne Thermik vorstellen?<br />

Weg mit allen Seglern auf ebay und vom Erlös einen Brushless mit 30 Kilowatt<br />

kaufen?!<br />

Martin Herrig: Ohne Thermik geht es eigentlich nicht! Vielleicht ohne Modellflugzeuge:<br />

Dann würde ich wieder Zeit haben, Thermik hautnah beim<br />

Gleitschirmfliegen zu erleben.<br />

57


Bunter Vogel: Henrik Vogler mit einem seiner »Salpeter«, einem F3K-Wettbewerbsmodell.<br />

Die Lackierung sieht (Vogelkundler bestätigen das gern!) einem Bussard<br />

zum Verwechseln ähnlich – kein Wunder, dass der 260 Gramm leichte DLG in der<br />

Thermik so gut steigt<br />

Modell: Henrik, du bist ein sehr erfolgreicher<br />

Wettbewerbspilot, unter anderem Deutscher<br />

Meister F3K 2011. Kannst du Thermik quasi<br />

„riechen“?<br />

Henrik Vogler: Schön wär’s!<br />

Es gibt aber einige „Techniken“, die es einem<br />

ermöglichen, seinen Erfolg beim Finden von<br />

Thermik zu verbessern. Man muss sich eigentlich<br />

nur vergegenwärtigen, dass es sich bei Thermik<br />

um „bewegte“ Luft mit verschiedenen Temperaturen<br />

handelt. Diese Bewegung kann man sehen<br />

oder spüren, ebenso wie die Temperatur der Luft<br />

oder des „Windes“, in dem man gerade steht.<br />

Das richtige Deuten dieser Anzeichen beruht<br />

natürlich auf Erfahrung, das heißt, man kann in<br />

der Praxis auch mal daneben liegen. Wichtig ist<br />

es, sich nach dem Flug, egal ob erfolgreich oder<br />

nicht, die Frage zu stellen, warum hat das jetzt<br />

geklappt – oder halt auch nicht …<br />

Eigentlich kennt jeder das Phänomen, dass<br />

warme Luft nach oben steigt. Diese warme<br />

aufsteigende Luft zieht „kalte“ Luft nach sich. Es<br />

entsteht „Wind“. Die Thermik muss also in Richtung<br />

des „Windes“ sein. Bei mehr oder weniger<br />

Windstille ist dieses sehr gut wahrzunehmen und<br />

kann mit einem HLG/DLG sehr gut ausprobiert<br />

werden.<br />

Weht ein deutlicher Wind, wird das Erkennen<br />

von Thermik natürlich etwas anspruchsvoller, das<br />

Prinzip ist aber immer noch gleich. Daher kommt<br />

es vor, dass man sich beim aktiven <strong>Thermikfliegen</strong><br />

sehr oft im Lee bewegt.<br />

Modell: Gib unseren Lesern bitte einen Tipp aus<br />

der Praxis – was sind für dich die deutlichsten<br />

Anzeichen für gute Thermik?<br />

Henrik Vogler: Kurz zusammengefasst:<br />

- Gelände auf „Thermikpotenzial“ absuchen, zum<br />

Beispiel helle/dunkle Flächen usw.<br />

- Sonneneinstrahlung/Abschattung<br />

- Änderungen der Windrichtung<br />

- Temperaturänderungen der Luft<br />

- bewegte Bäume, Sträucher, Gräser<br />

- Schwalben und andere Vögel<br />

- das Verhalten des Modells in der Luft, durch die<br />

man gerade fliegt<br />

- besonders wichtig: andere Wettbewerbsteilnehmer!<br />

(er lacht).<br />

Das alles muss dann nur noch mit den Erfahrungswerten<br />

abgeglichen werden, und der Pilot<br />

muss seine Entscheidung treffen, in welche Richtung<br />

er denn nun fliegen will.<br />

Einen konkreten Lösungsweg oder gar eine<br />

Formel gibt es nicht. Hier zählt die Erfahrung,<br />

und die bekommt man nur durch aktives Fliegen<br />

und kritisches Analysieren der Ergebnisse.<br />

Modell: Jeder Profi hat eine andere Meinung:<br />

Kreist du im Bart gegen die Drehrichtung des<br />

Barts oder mit dem Bart – und warum?<br />

Henrik Vogler: Erkennt man diese? Haben<br />

Bärte immer eine Drehrichtung? Ich bin mir nicht<br />

sicher!<br />

Wichtig ist es, erst mal einen Bart zu finden<br />

und diesen nicht mehr zu verlieren, egal wie gut<br />

das Steigen ist. Ein „Nuller“ (Nullschieber) ist<br />

auch schon mal was. Wenn man der Meinung ist,<br />

die Drehrichtung wäre daran schuld, dass man<br />

nicht genug steigt, kann man es ja mal andersherum<br />

versuchen … Wichtig ist, auf keinen Fall den Bart zu verlieren!<br />

Modell: „Zentrieren“ ist eines der heiß diskutierten Themen an den Flugplätzen.<br />

Wie achtet ein Spitzenpilot wie du darauf, dass er nicht aus dem<br />

Bart fällt?<br />

Henrik Vogler: Das Zentrieren einer Thermik ist ein fortwährender Prozess,<br />

der eigentlich nicht endet. Einen Bart einmal zu zentrieren, und dann geht’s<br />

dauernd aufwärts, so etwas gibt es nicht!<br />

Bei jedem Kreis muss das Verhalten des Modells analysiert und entsprechend<br />

reagiert werden. Das Prinzip dahinter ist einfach: Steigt es rechts<br />

besser als links, muss der Kreis nach rechts aufgemacht werden. Solange<br />

man das im „Steigen“ macht (selbst eine „Null“ ist Steigen), ist alles gut.<br />

Fällt man doch aus der Thermik heraus, heißt es, schnell zu handeln:<br />

Klappen auf Speed und hinterher! Meist fallen Piloten „vorne“, also auf der<br />

Luv-Seite, aus der Thermik, da zu wenig versetzt wird. Dieses ist eigentlich<br />

der schlechteste Fall, da man der Thermik durch „schlechte“, kalte Luft<br />

hinterherfliegen muss. Wenn hier nicht schnell geschaltet wird, verliert man<br />

wichtige Höhe! Etwas besser ist es, „hinten“ herauszufallen, da die Thermik<br />

einem dann ja entgegenkommt.<br />

Modell: Es ist folgendes Szenario – du fliegst an einem thermisch aktiven<br />

Tag auf einer freien Wiese, keine Büsche oder Bäume in der Nähe, der<br />

Wind ist schwach. Einzelne Bärte entwickeln sich, halten aber nicht lange.<br />

Du musst Bart-hoppen, zwischen den Bärten springen. Wie macht das ein<br />

Profi?<br />

Henrik Vogler: In diesem Szenario sind die Voraussetzungen doch optimal!<br />

„Reading the Air“ ist jetzt gefragt. Da es nicht allzu windig ist, sollte<br />

58 Thermik 2012


man leichte Änderungen der Windrichtung und<br />

der Windgeschwindigkeit gut wahrnehmen können.<br />

Ist es auf einmal windstill und warm, steht<br />

man mittendrin in der Thermik. Dreht der Wind<br />

um einige Grad zu einer Richtung, muss sich in<br />

dieser Richtung etwas tun.<br />

Wichtig ist: Was machen zum Beispiel die<br />

Schwalben in diesem Szenario? Fliegen diese<br />

hoch und tummeln sich an einem Ort, dann ist<br />

es einen Versuch wert, diesen Punkt auf Thermik<br />

zu checken. Hebt es vielleicht beim Fliegen eine<br />

Seite des Flügels an? Hier sollte man einen Kreis<br />

in die entgegengesetzte Richtung riskieren.<br />

Ändert sich die Geschwindigkeit des Seglers<br />

abrupt (hebt sich das Leitwerk oder bremst sich<br />

aus – je nach Einstellung), heißt es: Volltreffer!<br />

Es gibt genug Anzeichen, die man durch<br />

genaues Beobachten erkennen kann. Wichtig<br />

ist es, diese konsequent umzusetzen und nicht<br />

zögerlich zu sein. Jeder geflogene Meter in<br />

kalter Luft kostet Höhe. Hat man sich einmal für<br />

eine Option entschieden, heißt es nicht trödeln,<br />

„Flaps up“ und auf dem direkten Weg da hin.<br />

Auf keinen Fall kneifen und auf halber Strecke<br />

umdrehen!<br />

Modell: Was war der ungewöhnlichste Thermikbart,<br />

den du jemals erwischt hast?<br />

Henrik Vogler: Am schönsten sind eigentlich die<br />

Bärte, für die man richtig hart arbeiten muss!<br />

Thermik 2012<br />

Völlig verdreht: Henrik Vogler startet während eines europäischen Wettbewerbs<br />

seinen »Salpeter«. Neben der Freiflugszene finden sich in der DLG-Szene mit<br />

Sicherheit die Piloten, die von Thermik richtig Ahnung haben. Speziell, was das<br />

Auskreisen in bodennahen Bereichen angeht<br />

Man hat beim Pokern 9:59 angesagt und findet sich nach knappen zwei<br />

Minuten im Landeanflug auf zwei Metern „Höhe“ wieder! (Anm. der Red.:<br />

„Pokern“ ist eine Wettbewerbsaufgabe aus der DLG-Szene: Der Pilot muss<br />

VOR dem Start ansagen, wie lange sein nächster Flug sein wird. Bleibt er<br />

unter der angesagten Zeit, zählt der Flug nicht. Das alles innerhalb eines<br />

Zeitfensters von zehn Minuten.) Und dann das, ein leichter Nullschieber.<br />

Also ganz vorsichtig mit Minimalfahrt einkreisen – bloß keinen Abriss. Noch<br />

einen Kreis, keine Höhe verloren, gut – also weiter! Bis sich das Ding irgendwann<br />

entwickelt und ablöst (oder auch nicht).<br />

Und sollte es leider doch nur für sieben Minuten und irgendwas gereicht<br />

haben, waren das wenigstens fünf Minuten Spaß!<br />

Modell: Letzte Frage, kannst du dir ein Leben ohne Thermik vorstellen?<br />

Henrik Vogler: Ein klares Nein! Sicher hat Motorfliegen seine Reize, schon<br />

mal versucht, mit einem Segler zu torquen?<br />

Gerade mit einem HLG/DLG liegt der Reiz für mich darin, sich mit wenig<br />

Aufwand in und vor allem mit der Natur zu bewegen. Bei kaum einer<br />

anderen Art des Fliegens ist man so auf die Vorgänge in der Natur und das<br />

Verständnis für diese Phänomene angewiesen wie beim aktiven <strong>Thermikfliegen</strong>,<br />

egal ob mit dem HLG, dem Großsegler oder dem Gleitschirm.<br />

Ich bin immer wieder fasziniert, welche Energie in der Natur freigesetzt wird<br />

und wie spielerisch diese genutzt werden kann.<br />

Modell: Lieber Martin, lieber Henrik, Redaktion und Leser bedanken sich<br />

für das Gespräch und wünschen euch beiden weiterhin viele große Wettbewerbserfolge!<br />

59


Modellseglers<br />

Torsten Falk<br />

Albtraum<br />

Nicht zu übersehen hoch zwei: erstens – die zähe, dunstige Inversionsschicht<br />

unter dem Segler und über der schönen Landschaft der Baar. Zweitens: Falk<br />

schummelt und fliegt mit Brushless? Niemals! Aber der Elektrosegler bringt wenigstens<br />

etwas Bewegung ins Bild. Wenn schon mit der Thermik nichts geht ...<br />

Freitag, der 13., oder: die Invasion der Inversion!<br />

Inversion, Inversion? Mensch, was war das noch mal ... schon reißen die alten Lateiner<br />

im virtuellen Klassenzimmer die zappelnden Hände weit nach oben: „Herr Oberstudienrat,<br />

Inversion kommt vom lateinischen „inversio“, die Umkehrung!“<br />

Aha, fragt da nicht nur der in mehr oder<br />

weniger Ehren ergraute Oberstudienrat –<br />

und wer oder was wird hier umgekehrt?<br />

Nun, wer diese spezielle Wetterlage schon einmal<br />

mit einem reinen Segler auf dem Flugplatz<br />

erlebt hat, kann das sofort beantworten: die gute<br />

Laune!<br />

Kein Scherz! Wenn Sie zwar einen verlockend<br />

blauen Himmel über Ihrem Fluggelände<br />

haben, fast keinen Wind, aber weit in der Ferne<br />

eine Art Schleier, ein Dunst über dem Horizont<br />

liegt; das ist nicht gut. Steigen dazu die Rauchsäulen<br />

von Fabrikschloten, Kühltürmen oder dem<br />

vereinseigenen Grill erst einige Meter gerade<br />

auf und knicken dann plötzlich saft- und kraftlos<br />

zu einer Seite ab – drehen Sie sich bitte einfach um, steigen Sie ins Auto<br />

und haben Sie einen schönen Tag. Aber heute ganz sicher nicht mit Ihrem<br />

Segler in der Thermik.<br />

Wie kann das sein, die Sonne erwärmt doch den Boden, also hat es<br />

(theoretisch und praktisch) Thermik. Ja, probieren Sie das ruhig einmal mit<br />

Ihrem Dreimeter-Sechsklappen-Segler aus, wenn Sie starke Nerven haben<br />

und überdurchschnittlich geduldig sind – erst steigt es leicht (ahhh, siehste,<br />

du alter Miesepeter, es geht ja doch!), und dann fliegen Sie jedes Mal aufs<br />

Neue (verdammt, das muss doch ...) wie gegen eine Zimmerdecke, höher<br />

geht’s bei diesen verflixten Inversionswetterlagen partout nicht. Das wirklich<br />

Schlimme ist, die sind nicht einmal besonders selten!<br />

Und jetzt kommt die Erklärung – die Luft oben ist an Tagen mit dieser<br />

Wetterlage wärmer als die Luft unten. Heißt, die Temperatur der Luft steigt<br />

mit der Höhe an. Genau das ist das Umgedrehte, denn an vielversprechenden<br />

thermischen Tagen ist die Luft nach oben hin immer kälter. Sie erinnern<br />

sich an die Theorie: Bei guter Thermik steigt die erwärmte Luft von unten<br />

60 Thermik 2012


nach oben auf, bis sie sich mit der kühleren Luft weiter oben ausgleicht.<br />

Und das kann, je nach Wetterlage, erst deutlich jenseits der 800 Meter sein<br />

– höher fliegen Sie wohl kaum.<br />

Jetzt aber diese unfreundliche Inversion: Unser erwärmtes Luftpaket<br />

steigt los, klettert einige Dutzend Meter und kommt plötzlich an die Inversionsschicht,<br />

die wärmer ist – nun kann die warme Luft in gleich warmer<br />

Umgebungsluft logischerweise nicht mehr höher steigen. Das ist die<br />

Decke, gegen die Sie mit Ihrem Segler an solchen höhenreduzierten, aber<br />

frustreichen Tagen kreisen.<br />

Das Fazit dieses hochdramatischen Einakters: Ohne künstliche Hilfe<br />

kommen Sie durch diese Schicht nicht hindurch! Hilfe welcher Art? Ich<br />

kann das böse Wort kaum aussprechen: b-r-u-s-h-l-e-s-s. Nein, wir schummeln<br />

nicht, wir nicht ...<br />

Und wie lange dauert so eine Inversion, ist die nach ein paar Stunden<br />

auf Nimmerwiedersehen verschwunden? Leider nicht! Abgase und die<br />

Staubverunreinigungen in der Luft bleiben oft tagelang als Teil dieser Inversionsschicht<br />

über der Landschaft liegen. Und da in Ballungsräumen über<br />

Großstädten immer mehr an Schadstoffen nachgefüttert wird, aber (durch<br />

den schwachen Wind) nichts davon wegkann, wird die Suppe Tag für Tag<br />

immer dicker – und schon nennt man das Smog. Das ist dieser unübersehbare<br />

Schleier, den Sie deutlich an solchen Tagen sehen. Und als ob das<br />

nicht schon schlimm genug wäre, so eine Inversionsschicht kann durchaus<br />

einige hundert Meter dick sein. Augen zu und durch – und dahinter munter<br />

weiterfliegen – geht also auch nicht. Es gibt aber eine Ausnahme von der<br />

Regel. Sie fliegen in den Alpen. Dann haben Sie exklusiv die Möglichkeit,<br />

mit Ihrem Segler an einem Hang über der im Tal liegenden Inversionsschicht<br />

zu kreisen. Was natürlich von den örtlichen Gegebenheiten (Sie<br />

probieren das bitte nicht in der Matterhorn-Nordwand!) und der realen<br />

Dicke der dunstigen Schicht abhängt. Gut ist: Von oben und der Seite können<br />

Sie die Grenze der Inversion bestens erkennen. Falls Sie neu vor Ort<br />

oder im Urlaub sind: Ortsansässige „alte Hasen“, die wissen immer ganz<br />

genau, wann es wo geht.<br />

Gerade in den Herbst- und Wintermonaten sind diese Inversionswetterlagen<br />

sehr oft zu beobachten, meist in Verbindung mit einer stabilen<br />

Hochdrucklage. Und das bleibt dann gleich über Tage oder Wochen so. Im<br />

späten Frühjahr und Sommer ist das alles kein Thema: Schon früh besitzt<br />

die Sonne viel Kraft und löst die leichten Inversionsschichten, die sich über<br />

die Nacht angesammelt haben, sehr schnell in Wohlgefallen auf.<br />

Was heißt das für uns? Im Herbst und Winter ganz auf ausgedehnte<br />

Thermikflüge verzichten und rund um die Uhr am Simulator im Keller bei<br />

flackerndem Neonlicht „Thermik spielen“? Ein<br />

klares Nein! Gemischtes Wetter mit Sonne, Wolken,<br />

mal ein paar Millimeter Regen oder Schnee,<br />

das alles stört Ihre Kreise in der Thermik selbst in<br />

der kühleren Jahreszeit nicht. Denken Sie daran,<br />

beim Spiel mit der Thermik geht es um Temperaturunterschiede!<br />

Ein Hochsommertag mit vorhergehender<br />

tropischer Nacht ist nicht weniger<br />

frustrierend als eine Inversionslage.<br />

Und wenn Sie an einem Tag mit eindeutiger<br />

Inversion (bei der Sonne und dem blauen<br />

Himmel kann ich einfach nicht stillsitzen!) halt<br />

doch nicht vor dem Fernseher hocken mögen –<br />

greifen Sie zu einem kleinen Segler oder einem<br />

handlichen HLG oder DLG mit einem Meter<br />

Spannweite oder darunter. Kreisen Sie halt nur<br />

die vielleicht 50 Meter bis zum Beginn der blockierenden<br />

Schicht aus, enge, bodennahe Thermik<br />

suchen und finden kann richtig viel Spaß<br />

machen – Übung macht den Meister! Und im<br />

kommenden Frühjahr zeigen Sie Ihren Fliegerkollegen,<br />

wie sich ein ausgebuffter Profi wie Sie<br />

von nur Nasenhöhe bis in den tiefblauen Himmel<br />

schraubt. So hat selbst die lästige Inversion ihre<br />

schönen Seiten ...<br />

Tiefenblick: So sieht das aus, wenn uns im Herbst<br />

oder Winter eine stabile Hochdrucklage die gute Laune<br />

verhagelt. Aufgenommen an einem kühlen Novembernachmittag<br />

2011 auf einer bergigen Anhöhe, etwa<br />

120 Meter über dem Tal. Aber nicht hoch genug, denn<br />

wir sehen noch nicht von oben auf die bräunliche Inversionsschicht<br />

hinab. Lassen Sie das Modell im Auto<br />

und gönnen Sie sich eine leckere Pizza!<br />

Thermik 2012 61


Torsten Falk<br />

Die Ausnahmen<br />

von der Regel<br />

Gibt’s doch nicht! Nebel, Schneefall, Regen,<br />

Sturm – und trotzdem ist Thermik?<br />

Autoren der Modell haben viel Fantasie? Unsinn! Wir besitzen eine geradezu göttliche Kraft,<br />

uns Dinge vorzustellen, die absolut realitätsfern sind. Beispiel: Während ich diese Zeilen<br />

schreibe, hat es am 20. August 2012 den heißesten Tag des Jahres in NRW – entspannte<br />

38,8 Grad Celsius. Mein Arbeitszimmer geht nach Süden und hat 14 Stunden Sonne. Der Text<br />

muss heute noch fertig werden. Und ich soll jetzt schreiben, wie Sie über Schnee und im dichten<br />

Nebel Thermik finden? Das hat nichts mit Fantasie zu tun – das ist der blanke Wahnsinn!<br />

Es gibt Tage, da hält es einen Modellflieger<br />

einfach nicht im Haus, ganz egal, ob es<br />

junge Hunde regnet, das Quecksilber<br />

irgendwo bei zehn Grad unter null bibbert,<br />

die Sicht nicht einmal bis an die nächste Straßenecke<br />

reicht oder der Lieblingsnachbar mit<br />

seinem neuen SL vor lauter Schneeflöckchen,<br />

Weißröckchen nicht einmal die eigene Ausfahrt<br />

hochkommt.<br />

Ja, diese spontanen Anfälle von „produktiver<br />

Hysterie“ sind dann die Flüge, von denen<br />

wir später am (elektrischen aber brushless?)<br />

Kaminfeuer unseren Urenkeln erzählen werden.<br />

Die hingegen tippen sich ohne zu zögern an die<br />

Stirn: Uropa hat sie doch nicht mehr alle beisammen!<br />

Vor die Tür? In die Natur? Raus aus dem<br />

klimatisierten Haus mit eigener Persönlichkeit<br />

und programmierbarer Stimme, verschiedenen<br />

Wetterzonen in den Zimmern mit authentischen<br />

Hologrammen des längst abgeholzten Regenwalds vor den Fenstern,<br />

androidem-kaltfusionsbetriebenem Diener und einem automatisch immer<br />

vollen Kühlschrank (der dann globalsprachlich „Free-Zar“ heißen wird) – so<br />

richtig nach draußen in die reale Welt? Nein, danke!<br />

Uropa aber stört das alles nicht, er erzählt einfach los: wie er vor 55 Jahren<br />

jeden einzelnen Tag auf seiner Lieblingsflugwiese stand. Wie ihn weder<br />

Wind noch Wetter (die Urenkel wenden sich mit Grausen ab und werfen<br />

einen hilfesuchenden Blick in Richtung Mama, aber die ist seit einer Stunde<br />

mit dem Androiden beschäftigt) von der täglichen Dosis Modellfliegen abhalten<br />

konnte – ja, nicht einmal ein Tag, der alles andere als nach Thermik<br />

aussah.<br />

Und diese Tage, erinnert sich Uropa mit krächzender Stimme, waren die<br />

schönsten: zum Beispiel dieses Wochenende, an dem es nicht wirklich hell<br />

werden wollte; die Wolken so tief, dass man fast nach ihnen greifen konnte,<br />

keine Sicht, alles grau in grau. Dazu etwa 11 Grad Außentemperatur und<br />

gelegentlich ein ganz leichter Nieselregen.<br />

Kein Mensch geht bei so einem Mistwetter auf den Flugplatz, glauben<br />

Sie! Schon der erste Start seines leichten Handlaunchers zaubert unserem<br />

Opa ein Lächeln auf die dicht zusammengekniffenen Lippen. Die<br />

Suppe trägt, das widerspricht jedem theoretischen Aufsatz über Thermik.<br />

62 Thermik 2012


Spannend ist, dass man den Segler nach dem Start einige Sekunden<br />

nicht mehr sieht. Das dauert, bis er aus der Suppe sinkt. Aha, errechnet<br />

da der Fachmann, so ein DLG hat etwa 60 Meter Starthöhe, dann liegt die<br />

Sicht bei etwa 50 Metern. Unglaublich, es steigt sogar ganz leicht, lange<br />

Nullschieber sind machbar (auch das ist Steigen, denn unser Modell sinkt<br />

immer!), mal abgesehen von der 100prozentig abwesenden Sonne „riecht“<br />

das geradezu nach Thermik.<br />

Konfrontiert man langjährige Thermik- und Schönwetterspezialisten mit<br />

dieser Situation, kratzen die sich kurz am Kopf und murmeln was von „labilen<br />

Luftschichtungen“, geschichtet wie der Keks in der Torte zwischen „stabilen<br />

Luftschichtungen“ – so richtig erklären kann das keiner. Offensichtlich<br />

gleitet man mit etwas Glück in der dicken Nebelsuppe in einem Luftpaket,<br />

das in dem feuchten Dunst ganz langsam nach oben hindurchsickert.<br />

Diese Art Thermik ist schwach, aber erstaunlich konstant, je nach<br />

Wetterlage hält sie über Stunden. Das Steigen liegt in diesen Fällen bei wenigen<br />

Zentimetern pro Sekunde – das ist nichts für Piloten, die es eilig und<br />

keine Geduld haben – wer jetzt hektisch und mit großen Ruderausschlägen<br />

steuert, der verliert!<br />

Und nun doch zwei Sätze Theorie, die das Fliegen in der Erbsensuppe<br />

etwas verständlicher machen: Erinnern Sie sich bitte an unser erwärmtes<br />

Luftpaket – es ist wärmer als die umgebende Luft, also steigt es. Es dehnt<br />

sich aus, dann kühlt es ab, um ein Grad Celsius pro hundert Meter Steigen.<br />

Allerdings hält sich die das Luftpaket umgebende Atmosphäre nicht an<br />

diese Gesetzmäßigkeiten: Sie ist je nach Wetterlage unterschiedlich geschichtet.<br />

Es ist durchaus möglich, dass bei einer stabilen Wetterlage (wie<br />

an diesem nebligen, wolkenverhangenen Tag), die typischerweise keine<br />

Thermik verspricht, labile Schichtungen inmitten dieser Suppe stecken.<br />

Dazu braucht es nicht einmal die Sonne, da reicht schon eine Schichtung<br />

mit etwas kälterer Luft – und schon steigt unser erwärmtes Luftpaket mit<br />

uns an Bord weiter nach oben. Allerdings nur, bis es wieder an eine wärmere<br />

Luftschicht stößt, dann ist die Fahrt zu Ende, ähnlich wie bei einer Inversionsschicht.<br />

Erwarten Sie an diesen Tagen also bitte keine Höhenrekorde.<br />

Wozu auch, wenn die Sicht bei unter 100 Metern liegt, werden Sie sicher<br />

nicht darüber fliegen wollen.<br />

Aber vergessen Sie diese spröden Theorien, die Praxis zählt: Und da<br />

macht so ein Flug im Nebel oder bei maximaler Bewölkung richtig Spaß.<br />

Passen Sie bitte nur Ihre Modellgröße an! Bei unter 50 Metern Sicht sind<br />

Spannweiten zwischen 60 Zentimetern und zwei Metern dringend empfohlen.<br />

Sie wollen nicht wirklich einen 4-m-Segler am Gummiseil auf über 200<br />

Meter aus dem Seil knallen lassen – und dann ganz ruhig zwei oder drei<br />

Minuten unten warten (und dabei schön nach Gefühl und „blind“ kreisen),<br />

bis er die lange Nase wieder aus der Dunstglocke hervorstreckt. So cool<br />

ist keiner! Lesen Sie zu dem Thema bitte auch das Interview von Martin<br />

Herrig in diesem Heft. Fliegen in und zwischen Nebelfeldern kann einem<br />

unvergessliche Erlebnisse bringen. Immer nur blauer Himmel mit Hammerthermik<br />

– das wird schnell langweilig ...<br />

Thermik 2012<br />

Nase hoch: Markus Schilling zeigt, wie man selbst bei<br />

einem Regenschauer noch Spaß an der Thermiksuche<br />

hat. Irgendwas geht immer!<br />

Schnee und Thermik: Die beiden mögen sich. Wenn<br />

die Sonne rauskommt, geht es sogar erstaunlich gut<br />

über dem gezuckerten Boden<br />

Alle Wetter also? Weiter geht’s mit der Thermiksuche<br />

bei leichtem Schneefall. Sehen Sie<br />

es mal von der Seite: Hat es Sie nicht schon<br />

immer genervt, wenn im Hochsommer die Vereinskollegen<br />

mit Ihnen Schulter an Schulter an<br />

der Flightline stehen? Jeder darf zehn Minuten<br />

herumtoben, und dann wollen die Nächsten in<br />

die Luft, das stresst! Bei diesem Wetter haben<br />

Sie das Problem nicht, da sind Sie allein. Für<br />

mich das ideale Wetter (bei ruhigem Wind über<br />

einer leichten, flockigen, nicht festgefrorenen<br />

Schneedecke), um gewagte Prototypen und andere<br />

schräge Konstruktionen einzufliegen. Muss<br />

ja nicht gleich jeder sehen, wenn das Verhältnis<br />

von EWD zu Schwerpunkt an dem Tag alles<br />

andere als harmonisch ist – und die Nase des<br />

Modells Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der<br />

Erde“ nachspielen will ...<br />

Wenn der Tag grau in grau ist, dann gilt das<br />

oben Gesagte – mit etwas Glück finden Sie labile<br />

Luftschichtungen, die sich durch das Gedünst<br />

langsam nach oben schleichen. Bei null Sonne<br />

spielt der Boden sowieso keine Rolle, dann<br />

63


Herr Wachtmeister, ich schwöre, ich habe nichts gesehen!<br />

Fliegen im Nebel ist etwas für Genießer und<br />

entspannte Naturen. In der abwechselnd stabil und labil<br />

geschichteten Luft steigt es sich, wenn überhaupt,<br />

nur recht langsam. Spaß macht es trotzdem. Und kein<br />

Mensch ist am Flugplatz, herrlich ...<br />

Der Anfang vom Untergang: Wer glaubt, gute Luft findet sich nur bei voller Sonneneinstrahlung,<br />

der irrt. Am Abend geben die dunklen Bereiche am Boden (Bäume,<br />

Teerdächer) die gespeicherte Wärme ab. Dann geht es nach oben, selbst wenn<br />

die Sonne so gut wie verschwunden ist!<br />

Donnerwetter: Wie man an diesem uralten, aber dokumentarisch<br />

wertvollen Bild sieht, steigt es selbst während<br />

eines nicht gerade kleinen Gewitters. Mensch,<br />

waren wir „damals“ tollkühn – die Sender mit den langen<br />

Angelruten, und der Blitz schlägt 300 Meter weiter<br />

ein. Bitte nicht nachmachen!<br />

Gedämpfte Landung: Wer bei Schnee, wie ich, hin und<br />

wieder Thermik sucht, der freut sich über den weichen<br />

Boden. Neue Modelle und Eigenbau-Experimente landen<br />

so einfach bruchfreier. Und gelegentlich erwischt<br />

man doch einen Bart. Und die Kollegen, die zu Hause<br />

vor der Flimmerkiste sitzen, die ärgern sich<br />

stört der Schnee nicht. Anders ist es, wenn wir<br />

einen herrlichen Wintertag haben und die Sonne<br />

ungestört vom Himmel brennt. Schauen Sie mal<br />

genau hin, genau, der Winkel – es ist ja Winter,<br />

also klettert die Sonne weniger hoch. (Zugegeben,<br />

das ist nicht ganz korrekt formuliert. Und ja,<br />

es hat sich selbst bis zu mir herumgesprochen,<br />

dass sich die Erde um die Sonne dreht. Also<br />

ist Mutter Erde eindeutig für den geringen Sonnenstand und den falschen<br />

Winkel verantwortlich. Schade, dass die Erde offensichtlich keine Scheibe<br />

ist, vielleicht könnten wir so mit den Seglern an der Kante surfen?)<br />

Flacher Einstrahlwinkel, das bedeutet deutlich weniger Einstrahlkraft.<br />

Weniger heißt aber nicht gleich null – also gibt es selbstverständlich im<br />

Winter Thermik. Wenn auch nicht so explosionsartig und stark wie im Frühjahr<br />

oder Herbst. Böen, wie Sie es von thermisch starken Tagen kennen,<br />

die finden Sie an Wintertagen nicht. Eher die zarte Thermik, die sich in größeren<br />

Zeitabständen von den typischen Auslösepunkten wie Bodenwellen,<br />

Gebäuden, Büschen und Baumreihen löst. Direkt über einer geschlossenen<br />

Schneefläche ist die Thermikausbeute relativ gering. Der helle Schnee<br />

reflektiert den größten Teil der Sonneneinstrahlung. Mittelgraue Feldwege<br />

und Straßen bieten sich dann an, vorausgesetzt, sie sind geräumt. Der Asphalt<br />

erwärmt sich, unser Luftpaket steigt auf – und schon geht es los. Der<br />

limitierende Faktor sind sicherlich die Finger (und die Nase!), Ganzjahres-<br />

Hangpiloten (die Männer mit den wettergegerbten Gesichtern) wissen da<br />

ein Lied von zu singen. Stecken Sie Ihren Sender also in so eine stylische<br />

„Eigentumswohnung“ mit Dach, aber bitte konzentrieren Sie sich auf den<br />

Flug und kraulen Sie nicht mit Ihren Fingern die ganze Zeit das kuschelige<br />

Bärenfell in der Haube.<br />

Sturm? Ja, wenn der Himmel teilweise frei ist und die Sonne noch<br />

Kraft unter den Armen hat, dann gibt es Thermik – allerdings bei jenseits<br />

der sechs Windstärken mehr als deutlich vom Wind versetzt und stark<br />

turbulent. Das sind Stunden, an denen Sie Ihre Reaktionsfähigkeit an den<br />

Knüppeln auf die Probe stellen dürfen – enges Kreisen ist hier angesagt.<br />

Ein einziger Kreis, dabei je nach Wind das Modell in dem Bart gleich um 30<br />

oder mehr Meter mit versetzen, das ist nichts für extrem entspannte Persönlichkeiten<br />

an den Rudern. Aber auch hier gilt: Es ist mal was anderes und<br />

macht, das passende Modell vorausgesetzt, einen enormen Spaß! Einen<br />

Haken gibt es – denken Sie rechtzeitig an den zähen Heimweg aus dem<br />

Lee zurück gegen den Wind. Hier sollte man die Streckenleistungen seines<br />

Modells sehr genau kennen, sonst gibt es einen peinlich langen Fußweg ...<br />

Schneefall, Nieselregen und andere Kapriolen? Für Sie kein hinreichender<br />

Grund, den Tag vor der Flimmerkiste zu verbringen. Etwas geht immer!<br />

Ja, dieser Spruch ist aus der Werbung geklaut, aber er passt wie kein<br />

zweiter an den Schluss dieses Kapitels – wenn Sie es nicht ausprobieren,<br />

werden Sie nicht wissen, was Sie unter Umständen verpassen. Thermik<br />

gibt es selbst bei schlechtem Wetter, nur eben nicht so gewaltig wie an<br />

einem typischen Frühlingsmorgen. Aber glauben Sie es mir, es sind diese<br />

„verrückten“, extremen Flugstunden, die einem über Jahre in Erinnerung<br />

bleiben. Die verblassen niemals in der Erinnerung: Der Nebel wird nur<br />

immer dichter, der Schneesturm immer kälter, die Flüge immer länger – und<br />

das mit jeder einzelnen Erzählung ...<br />

64 Thermik 2012


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Thermik 2012<br />

65


Torsten Falk<br />

Nichts hält<br />

ewig!<br />

Leben und Sterben einer Wolke<br />

Ja, schreien die studierten Geisteswissenschaftler unter<br />

unseren Lesern laut und mit Recht entsetzt auf:<br />

Jetzt kommt uns der Falk auch noch mit einem Vanitas-<br />

Motiv an, sprich Vergänglichkeit. Will der zum Priester<br />

konvertieren? Eine Sekte gründen? Uns die Laune<br />

verhageln? Alles unter der Sonne muss sterben und<br />

so, wissen wir! Als ob der Blick in den Spiegel jeden<br />

Morgen nicht schon schlimm genug wäre.<br />

Aber, aber – liebe Leser: nicht gleich so negativ! Sehen wir es einfach<br />

wie die alten Ägypter als einen immerwährenden Zyklus: Der<br />

Sonnengott stirbt abends im Westen und kann in der Früh im Osten<br />

wieder auferstehen. Frisch rasiert, versteht sich. In der Zeit dazwischen<br />

landen die Außerirdischen auf den Pyramiden, würde Erich von Däniken<br />

jetzt eifernd dazwischenwerfen – aber der wäre medial längst von uns gegangen,<br />

wenn er sich nicht regelmäßig von Außerirdischen entführen ließe.<br />

Liebe mitlesende Aliens, ich nehme das jetzt ernsthaft persönlich, ihr nehmt<br />

den und lasst mich hier unten sitzen?<br />

Apropos sitzen, das bringt uns mitten in unser Thema. Ja, wir sind Modellsportler,<br />

wir laufen kilometerweit über den Platz und im Extremfall auf<br />

66 Thermik 2012


einen Berg, den 10-kg-Segler geschultert, nur um ihn eine halbe Stunde<br />

später von oben runterzuwerfen. Ein Verhalten, das unsere Mitmenschen<br />

wenigstens als „seltsam“ bezeichnen. Aber um dieses Kapitel zu verstehen,<br />

müssen Sie sich einfach mal ruhig und entspannt ins warme Gras setzen<br />

(vorher bitte gucken, ob das nicht die Gassi-Wiese für die naheliegende<br />

Großstadt ist!) – und dann genüsslich in den Himmel schauen, ins endlose<br />

Blau. Konzentration, suchen Sie sich eine schöne Cumulus-Wolke und<br />

lassen Sie diese nicht mehr aus den Augen. Okay, gelegentlich ein Griff an<br />

das kühle Pils, das ist erlaubt.<br />

Und, sehen Sie da, die Wolke verändert sich, sie durchläuft einen Zyklus.<br />

Vor ein paar Minuten war an der Stelle nur blauer Himmel, wie aus dem<br />

Nichts sammeln sich die ersten weißen Dunstschleier und verbinden sich<br />

zu einer kleinen, noch sehr zarten Wolke. Das Knäuel wird langsam während<br />

der nächsten Minuten größer, an den Seiten entdecken wir Wolkenfetzen<br />

in Spiralform – es sieht manchmal aus wie eine Galaxie im Miniaturformat.<br />

Diese Kringel sind Bereiche von starken Aufwinden, der Kenner weiß<br />

das und fliegt mit seinem großen und stabilen Modell in diese Richtung der<br />

vielversprechenden Thermik. Erinnern Sie sich bitte daran: Unser Thermikschlauch<br />

reicht vom Schatten der Wolke am Boden bis nach oben unter die<br />

Wolke. Natürlich nicht pfeilgerade, und in der Praxis sind es mehrere Bärte,<br />

die sich unter der Wolke vereinigen.<br />

Während wir weiter genüsslich an einem Grashalm kauend auf die<br />

wachsende Wolke starren, fliegen die ersten Kollegen bereits seit einigen<br />

Minuten in dem Bart unter der jungen Wolke. Wenige Minuten später hat<br />

die Wolke ihr „Erwachsenenalter“ erreicht, das erkennen wir an ihrer grauen<br />

Unterseite. Mittlerweile wird die Cumulus zum gigantischen Blumenkohl.<br />

Fachleute sagen dazu, die Wolke pilzt auf. Schneeweiß und dick schwebt<br />

sie jetzt über uns. Wenn Sie jetzt nicht endlich losfliegen, dann lohnt es<br />

sich nicht mehr – aber nein, Sie haben Geduld und beobachten weiter.<br />

Nebenbei bemerkt, bis jetzt sind erst wenige Minuten vergangen. Schauen<br />

Sie genau hin, unter der Wolke fliegen nicht nur Ihre erfahrenen Kollegen,<br />

darunter tummeln sich Bussarde, Schwalben. Nahezu alles, was Flügel<br />

hat, freut sich an dieser Cumulus: Im Innern der Wolke kocht es regelrecht,<br />

alles ist in Bewegung. Wolkenteile türmen sich gigantisch auf, die Wolke<br />

Thermik 2012<br />

Bunt gemischt. Ein typischer Himmel über unserem<br />

Flugplatz. Links eine große Cumulus mit grauer Unterseite,<br />

die noch gute Thermik verspricht, sie steht<br />

„voll im Saft“. Davor und dazwischen tummeln sich<br />

einige „Wolkenleichen“<br />

verändert ständig ihre Form, sie dreht sich – fast<br />

scheint es, als hätte sie ein Eigenleben.<br />

So prächtig, wie die Cumulus nun ist, bleibt<br />

sie relativ lange am Himmel, in dieser Form wird<br />

sie kilometerweit schweben, manche Wolken<br />

halten Stunden, sie wächst – und dann geht es<br />

auf einmal zu Ende, die Wolke verliert ihre klaren<br />

Strukturen, der gleißende, helle Ton verblasst,<br />

sie vergraut, die Ränder fransen wieder aus –<br />

eigentlich sieht es auf den ersten Blick aus wie<br />

zu Beginn. Physikalisch gesehen entsteht durch<br />

diesen Verdunstungsvorgang eine Abkühlung,<br />

unser geliebtes Luftpaket sinkt ab, ab sofort ist<br />

böses Saufen im Bereich unter und neben der<br />

Wolke angesagt.<br />

Innerhalb der nächsten Minuten zerfetzt sich<br />

die prächtige Cumulus zu vielen kleinen Wolkenschnipseln,<br />

die schließlich verblassen und sich in<br />

Nichts auflösen. Dieser Ablauf dauert wieder nur<br />

ein paar Minuten, so schnell geht das!<br />

Und wie unterscheiden Sie den Wolkenanfang<br />

vom Wolkenende? Rein optisch sind sich<br />

beide Zustände nämlich extrem ähnlich. Nur<br />

durch ständiges Beobachten des Himmels über<br />

Ihnen! Und natürlich rund um Ihr Fluggebiet.<br />

Alte, erfahrene Thermikschnüffler kriegen quasi<br />

aus den Augenwinkeln mit, wenn sich aus<br />

Dunstschleiern eine neue Wolke bildet. Das wird<br />

instinktiv auf der großen Karte im Kopf markiert<br />

67


Kleine Kringel: Hier sehen Sie beim Aufbau<br />

der Cumulus die kleinen Wolkenkringel<br />

an den Rändern der Wolke. Das sind<br />

deutlich stärkere Aufwinde, die erfahrene<br />

Piloten lieber anfliegen als die relativ<br />

dazu schwächere Wolkenbasis<br />

– und dann nach ein paar Minuten direkt angeflogen.<br />

Vor allem an Nachmittagen ist der Himmel voller unübersichtlicher<br />

„Wolkenleichen“, das merken Sie selbst ohne<br />

ständige Beobachtung sehr schnell, denn darunter geht<br />

an dem Tag nichts mehr. Und am anderen Morgen? Tja,<br />

wie bei den alten Ägyptern – neue Wolken (nicht immer<br />

wie Amun Re aus Osten) und neues Glück.<br />

Fazit dieses Kapitels: Sie wollen länger oben bleiben? Dann<br />

lassen Sie den Himmel und die entstehenden Wolkenstrukturen<br />

niemals aus dem Blick. Das hört sich komplizierter an, als es ist.<br />

Schon nach wenigen Wochen Übung sehen Sie genau, welche<br />

Wolke sich frisch entwickelt und welche bereits am Verschwinden<br />

ist. Augen auf! Dann fliegen Sie bald so perfekt und ausdauernd<br />

wie der Bussard unter der Wolke ...<br />

Ein Herz für Wolken: Ist das nicht romantisch?!<br />

Obwohl wir auf diesem Bild nur<br />

ausgezehrte und kurz vor der Auflösung<br />

stehende „Wolkenkadaver“ sehen, gruppieren<br />

sie sich für wenige Sekunden zu<br />

diesem kleinen Abschiedsfoto. Weinen<br />

Sie nicht, sie kommen wieder ...<br />

68 Thermik 2012


Bauplan Alpenschreck<br />

Der etwas andere Elektrosegler<br />

Christian Fischer setzt auf Selbstständigkeit:<br />

Ein Mann allein mit seinem Modellfl<br />

ugzeug, kein Werkzeugkoffer, kein Hochstartseil,<br />

kein Schnickschnack. Klar, dass<br />

auch das Modellfl ugzeug dazu passen<br />

muss und so hat Christian Fischer den Alpenschreck<br />

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Segelflugmodell und<br />

Fernsteuerung<br />

ISBN 978-3-7883-1152-0<br />

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Franz Perseke<br />

Trilogie Das Segelflugmodell<br />

Teil I – III<br />

ISBN 978-3-7883-0638-0<br />

Best.-Nr. 638<br />

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Thomas Langhans<br />

Fredi Flieger<br />

Der Modellflieger-Cartoon<br />

ISBN 978-3-7883-0679-3<br />

Umfang 56 Seiten, DIN A4<br />

Best.-Nr. 679<br />

Preis 13,50 [D]<br />

Rüdiger Götz<br />

ARF-Modelle richtig bauen<br />

ISBN 978-3-7883-1610-5<br />

Umfang 136 Seiten<br />

Best.-Nr. 610<br />

Preis 19,50 [D]<br />

Neckar-Verlag GmbH • D-78045 Villingen-Schwenningen<br />

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Torsten Falk<br />

Starttechniken<br />

So kommen Sie nach oben in die Thermik!<br />

Schieben Sie mit Daumen und Zeigefinger und einem betont lässigen Gesichtsausdruck den<br />

edel eloxierten Aluminiumknüppel an Ihrem Sender langsam nach vorn, der Außenläufer<br />

brummt leise vor sich hin, ein Carbon-Klapp-Prop entfaltet sich, Sie gehen zwei Schritte, lassen<br />

Ihren Segler los, stürmisch steigt er in den Himmel, der grenzenlosen Thermik entgegen ...<br />

Wie denn, wo denn, was denn? Was ist passiert? Wo bin ich?<br />

Nein, das darf doch nicht wahr sein – ich erzähle Ihnen tatsächlich,<br />

wie Sie mit einem Brushless im Segler Richtung Thermik<br />

starten: Ich glaube, ich träume – ich albträume!<br />

Liebe Thermik-Freunde, das geht gar nicht. Das ist unsportlich, so wie<br />

schummeln, mogeln, fünfe gerade sein lassen. Wir Thermiksuchenden sind<br />

Puristen, wir kommen ohne Lärm und massiven Einsatz von Mega-Ampere<br />

in die Thermik, wäre ja gelacht. Lesen Sie also hier alles über die verschiedenen<br />

Wege, Ihren Segler antriebsfrei unter die Wolke zu heben.<br />

Der antike Klassiker<br />

Sicher die älteste Starttechnik, weil die einfachste: der Start aus dem<br />

Handgelenk, die sogenannte Speerwurftechnik. Haben schon unsere Urgroßväter<br />

mit ihren Kiefernholzmodellen so gemacht. In der Ebene ideal für<br />

alle Modelle bis etwa zwei Meter Spannweite, darüber geht auch, aber Ihr<br />

Arm wird es nicht mögen. Mit einem typischen<br />

Handlauncher (bis zu 1,5 Meter Spannweite und<br />

maximal 350 Gramm Gewicht) erreichen Sie mit<br />

ein wenig Übung und einem gesunden Schultergelenk<br />

15 bis 18 Meter Starthöhe. Lachen<br />

Sie nicht, ich habe schon aus weniger Höhe<br />

Anschluss an die Thermik bekommen! Wenn Sie<br />

nicht wild an den Rudern rühren, gleitet so ein<br />

HLG mit der Höhe etwa 45 Sekunden durch die<br />

Luft. An guten Tagen (gemeint ist die Thermik<br />

und nicht Ihre Allgemeinverfassung!) gelingt Ihnen<br />

etwa bei jedem vierten Wurf der Start in den<br />

Bart. Vorausgesetzt, Sie wissen, wo Sie suchen<br />

müssen – zum planlosen Herumfliegen reichen<br />

15 Meter Höhe sicher nicht.<br />

Diese Startmethode wird auch am Hang<br />

gern mit Seglern bis zu sechs Meter Spannweite<br />

72 Thermik 2012


Sicher ist sicher: Ein stabiler Hering<br />

für den Seilstart gehört tief<br />

in den Boden geschraubt! Denken<br />

Sie daran, dass ein gewaltiger<br />

Zug auf diesem Haken liegt, und<br />

bitte bis zum Anschlag einschrauben,<br />

siehe Hebelgesetze!<br />

eingesetzt. Hier dürfen Sie ruhig einen dicken Brummer mit 15 Kilo schmeißen,<br />

schließlich geht es ja nach dem Start erst einmal munter abwärts. In<br />

der Ebene würde ich das lassen. Obwohl, es gibt immer wieder Piloten, die<br />

werfen drei Meter plus mit drei Kilo selbst auf der platten Wiese. Ich kenne<br />

einen aktiven F3J-Piloten, der startet so lässig aus dem Handgelenk und<br />

schraubt sich dann nach oben. Insider ahnen schon, der weiß 100-prozentig,<br />

wo der bodennahe Bart steht, sonst würde der nicht betont cool so<br />

einen Unsinn machen.<br />

Der moderne Dreh<br />

Deutlich höher in die Luft kommen Sie mit dieser Methode: Discus-Launcher<br />

starten seit etwa elf Jahren mit einer Drehbewegung des Piloten. Hier<br />

wirkt der schleudernde Pilot wie eine gespannte Feder, das leichte Modell<br />

schnellt mit über 150 km/h aus den Fingern des Werfers (Drehers? Diskuswerfers?).<br />

Mittlerweile sind hier Starthöhen von 70 Metern und mehr bei<br />

den Profis und entsprechenden Wettbewerbsmodellen an der Tagesordnung.<br />

Bei Wind sogar ein paar Meter mehr, ein stabiles Modell vorausgesetzt.<br />

Aus dieser Höhe gleiten Sie mit einem guten und leichten (etwa 250<br />

Gramm schweren) Modell zwei bis drei Minuten nur ab. Bei toter Luft, ohne<br />

jeglichen Einfluss von Thermik. Das reicht selbst bei nicht so einfachen<br />

Wetterlagen, um weiträumig am Himmel nach einem Bart zu suchen. Trotzdem,<br />

waschechte Profis gucken vor dem Start nach möglichen Bärten oder<br />

Auslösepunkten – das schont die Nerven und das Material. Prinzipiell ist<br />

das Fliegen von DLGs die unaufwendigste Methode, mal eben schnell nach<br />

Thermik zu suchen – Modell montiert ins Auto legen, auf der Wiese raus<br />

aus dem Auto, Sender und Empfänger einschalten, und ab geht’s unter die<br />

Wolken. Entspannter und mit weniger „Drumrum“ kann man nicht gleiten.<br />

Generation »Amigo« und mehr<br />

Thermik 2012<br />

Kleine Quadrologie: Modell-Autor Stephan zu Hohenlohe<br />

zeigt in vier Teilen den Seilstart seines »Sharon<br />

Pro 3,7«. Wie man schon am nicht ganz so entspannten<br />

Gesichtsausdruck Stephans sieht – das ist<br />

hochkonzentrierte Arbeit. Jeder kleinste Fehler kostet<br />

einen hier das Modell<br />

Wer heute einen Klassiker fliegt, wie zum Beispiel den »Amigo«, der hat Stil.<br />

Versteht sich, dass man den „alten“ Vogel genauso klassisch in die Luft<br />

bringt, oder? Da wäre zuerst die Methode: „Opa, nun komm doch – wir lassen<br />

einen Drachen steigen!“ Ohne Scherz, das haben Sie noch nicht probiert?<br />

Nehmen Sie ein etwa 50 Meter langes Seil mit einer großen Schlaufe<br />

in die Hand, die andere kleine Schlaufe befestigen Sie am Hochstarthaken<br />

des »Amigo«. Seil straff auf die Wiese legen, nicht zu abrupt anlaufen (oder<br />

ein Kollege hält den Amigo am ausgestreckten Arm und läuft ein paar Meter<br />

mit), schon steigt der Segler entspannt auf die maximale Seillänge plus/<br />

minus (abhängig von Ihrer Dynamik) ein paar Meter. Die Schlaufe fällt aus<br />

dem Hochstarthaken, und Sie (nein, der »Amigo«, Sie verheddern sich bitte<br />

nicht in dem Seil) gleiten gemütlich in etwas über Seillänge durch die Luft.<br />

Das ist allemal besser als der einfache Speerwurf, denn einen kiloschweren<br />

»Amigo« werfen Sie höchstens auf drei Meter fünfundfünfzig. Wenn’s hoch<br />

kommt!<br />

Sie wollen mehr? Kann ich gut verstehen! Dann kommt nun die klassische<br />

Gummi-Seil-Methode zum Zug: 100 Meter Seil kombiniert mit 30 Metern<br />

Gummi, das bringt Ihren »Amigo« (und<br />

natürlich jeden anderen Segler dieser Gewichtsklasse)<br />

auf gute 100 Meter Starthöhe. Mehr als<br />

ausreichend, um ganz in Ruhe nach Thermik zu<br />

suchen.<br />

Verschiedene Gummis, sprich Dicken und<br />

Längen und Qualitäten, gibt es wie Sand am<br />

73


Not macht erfinderisch: Hier im Bild eine nicht wirklich ideale Sicherungsmethode der Hochstarteinrichtung. Genau genommen war der<br />

Boden so steinig, dass sich der Hering selbst mit Gewalt und Hebel nicht einschrauben ließ. Ja, das Gitterrost sitzt fest. Zumindest beim<br />

ersten Rütteln. Aber unterschätzen Sie bei solchen Notlösungen die Kraft eines ausgezogenen Gummis nicht! Und wundern Sie sich nicht,<br />

falls das komplette Gitter rechts an Ihrem Ohr vorbeisaust<br />

Meer. Sparen Sie hier nicht am falschen Ende – Qualität zahlt sich auf<br />

Dauer aus. Klassische Segler bitte nicht mit einem daumendicken Gummi<br />

(ohne Seil) flitschen. Das bringt Sie schnell zu einem neuen Bausatz. Diesmal<br />

nicht gefräst, sondern geschreddert ...<br />

Mit dieser althergebrachten Seilkombi starten alle Modelle (zum Beispiel<br />

klassische Rippensegler) bis etwa zwei Kilo gut. In der ersten Startphase<br />

geht es etwas schneller, aber flacher, sobald Ihr Modell richtig Druck auf<br />

den Rudern hat (etwa nach geschätzten 0,687 Sekunden) setzen Sie<br />

den starken Zug des Gummis durch leichtes (!) Ziehen in einen steileren<br />

Anstellwinkel um – alles bis etwa 50 Grad Steigwinkel sieht in der Praxis<br />

gut aus. In diesem bangen Moment merken Sie sehr schnell, wie gut Sie<br />

gebaut haben. Sollte dieses eine Modell mal ausnahmsweise nicht so sorgfältig<br />

gelungen und geklebt sein, quittiert es das in dieser Sekunde mit heftigem<br />

Applaus, die beiden Flächenhälften klatschen aneinander! Was jetzt<br />

tun? Nun, Einsteiger erkennt man an dem entsetzten Gesichtsausdruck<br />

und der einen oder anderen Träne in den Augenwinkeln. Der Profi wendet<br />

Der absolute Klassiker: Ein »Amigo« (ja, von Graupner, gibt es Menschen, die das<br />

nach über 30 Jahren nicht wissen?) beim Handstart. Das hilft allenfalls bei den<br />

ersten Trimmwürfen, zum groben Bestimmen des Schwerpunkts und der EWD. Am<br />

Hang dürfen Sie den »Amigo« gern so an der Kante starten, in der Ebene lassen<br />

Sie das besser, drei Meter Wurfhöhe reichen nicht wirklich zur ausgedehnten<br />

Thermiksuche<br />

sich betont lässig mit einem Pokerface ab und<br />

murmelt etwas von: „Ah, das passt – endlich<br />

wieder Platz im Keller!“<br />

Genauso unschön sind Detail-Lösungen à<br />

la 70er-Jahre mit außen am Rumpf liegendem<br />

Empfängerschalter. Sie glauben nicht, wie<br />

viele Segler ich bereits gesehen habe, die mit<br />

ausgeschaltetem Empfänger in den Himmel<br />

jagten. Meist kommt der Pilot unbemerkt an den<br />

Schalter, oder ein Kollege, der einem den Segler<br />

vom Boden reicht, schaltet (versehentlich?) auf<br />

den „Stromsparmodus“. Ein Vorteil: Dieser Flug<br />

wird kurzweilig und dauert sicher nicht lange<br />

– endlich Zeit für Kaffee und Kuchen. Schon<br />

mal am Platz das Modell gewechselt, aber den<br />

Senderspeicherplatz in der Eile nicht? „Schatzi,<br />

Überraschung – ich komme heute etwas früher<br />

nach Hause ...“<br />

Natürlich übersteht Ihr Modell in der Regel<br />

diese nervlich etwas angespannte Startphase<br />

gut, am oberen Ende der Steigbahn lässt der<br />

Gummizug deutlich nach, bei Ausklinken (eigentlich<br />

ist es ja ein Herausflutschen) ist die Fluglage<br />

bereits wieder nahezu horizontal und damit sehr<br />

entspannt.<br />

Es gibt ein paar Tricks, wie Sie Ihre Ausgangshöhe<br />

steigern können, sollte das schwere<br />

Seil den Gleiter dauernd zu weit nach unten<br />

ziehen – eine Seil-Gummi-Kombi von 130 Metern<br />

Länge bedeutet nicht automatisch, dass Sie 130<br />

Meter hoch kommen! Sollte allerdings etwas<br />

mehr Wind sein (Sie wissen das natürlich längst<br />

– gestartet wird bitte immer gegen den Wind!<br />

Und ja, bevor die ersten Leser wieder „aber!“<br />

rufen: Sicher kann man mit dem Wind starten,<br />

es macht nur keinen Sinn, denn Sie haben gut<br />

30 Meter weniger Starthöhe. Und wenn es richtig<br />

schlecht läuft, erwischt Sie genau in der kritischen<br />

Startphase eine starke seitliche Böe!), fliegen<br />

Könner beim Start im leichten Zickzack oder<br />

in sinusartigen Kurven nach oben. Aber Vorsicht:<br />

Diese Aktion belastet die Struktur des Modells<br />

deutlich stärker. Und wer sich jetzt ver- beziehungsweise<br />

übersteuert, riskiert einen maximal<br />

möglichen Einschlag. Bei der Seilspannung und<br />

der Geschwindigkeit lohnt das Aufheben der in<br />

74 Thermik 2012


Ideale Kombi: Besser und mit weniger Aufwand kann<br />

man einen Tag kaum in der Thermik verbringen. »Amigo«<br />

mit kleinem Handsender und einem Hochstartseil<br />

aus 30 Meter Gummi und 100 Meter Seil. Das geht<br />

auch auf kleineren Plätzen sehr gut<br />

alle Himmelsrichtungen zerstreuten Teile meist<br />

nicht mehr.<br />

Experimentieren Sie ruhig ein wenig mit dem<br />

Verhältnis Seil zu Gummi, jeder Segler reagiert<br />

da anders. Wundern Sie sich aber nicht, wird<br />

die Kombination aus Seil und Gummi zu schwer,<br />

steigt er durch dieses Gewicht nicht mehr auf<br />

die maximale Länge der Kombi, das Gewicht<br />

zieht ihn runter. Apropos ziehen – achten Sie unbedingt<br />

auf einen festen Sitz Ihrer Verankerung<br />

im Boden. Mir ist vor Jahren schrill pfeifend ein<br />

sorglos von mir in den Boden gesteckter Hering<br />

nur eine Handbreit am Ohr vorbeigeflogen. Bitte<br />

unterschätzen Sie die auftretenden Kräfte nicht.<br />

Bei einem ausgewachsenen 3-m-Segler und<br />

dem entsprechend dicken Gummi dürfen Sie sich<br />

auf den letzten Metern des Auszugs mit dem vollen<br />

Körpergewicht gegen die Spannung stellen. Gutes Sichern des Modells<br />

ist hier allererste Pflicht. Undenkbar, wenn der Segler unkontrolliert aus den<br />

Händen flitscht, das ist extrem riskant – nicht nur für das Modell. Mir ist mal<br />

beim Fotografieren eines Starts am Seil auf nasser Wiese fast ein Segler an<br />

die Birne geknallt! Ist dem Kollegen kurz vor dem geplanten Start aus den<br />

Fingern geflutscht. Okay, ich stand direkt zwei Meter davor. Wie sagte Robert<br />

Capa, Mitgründer der Bildagentur Magnum: „If your photographs aren’t<br />

good enough, you’re not close enough.“ Versteht sich eigentlich auch, dass<br />

ein schwerer 4-m-Scale-Segler ein anderes Gummi braucht als unser kleiner<br />

»Amigo« oder ein HLG. Der braucht erheblich mehr Zugkraft.<br />

Und Modelle dieser Größe, drei Meter aufwärts, oder kleinere Scale-Modelle<br />

mit dickem Rumpf starten wir nicht mehr aus der Hand – die starten<br />

vom Boden aus. Ein Vereinskollege hält bitte vorsichtig die Flächenspitze<br />

in der Waagerechten. Beim Bodenstart unbedingt vorher die ersten Meter<br />

besonders gut unter die Lupe nehmen. Maulwurfshügel und faustgroße<br />

Steine im Gras haben so manchem GfK-Rumpf schon spontanes „Kopfzerbrechen“<br />

bereitet!<br />

Auf keinen Fall vergessen sollten Sie den altmodisch erscheinenden<br />

Fallschirm am oberen Ende Ihrer Gummi/Seil-Kombination. Bitte beim<br />

Einhängen in den Hochstarthaken am Rumpf erst denken, dann einklinken<br />

– ich habe schon Piloten gesehen, die den Schirm so befestigen, dass er<br />

sich beim Hochstart entfaltet. Das bremst brutal. Diesen möglichst auffälligen<br />

Schirm brauchen Sie nur aus einem Grund – Sie müssen den Anfang<br />

Ihres Hochstartseils ja irgendwie im Gras oder in den Büschen wiederfinden.<br />

Besser ist es, ein Kollege hat zusätzlich einen Blick auf den niedergehenden<br />

Schirm. Manch einer hat sich im hohen Gras schon schier um den<br />

Verstand gesucht. Oft mutet es nach einer globalen Verschwörung an, dass<br />

der Schirm immer im höchsten Baum landen muss, um möglichst alle Äste<br />

geschlungen. Da hilft kein Jammern, wir sind ModellSPORTLER, oder?! Ein<br />

Tipp an die nicht mitlesenden Frauen (liebe Leser, setzen Sie Ihre Kreativität<br />

ein, und lassen Sie diese Seite „versehentlich“ aufgeschlagen in der Küche<br />

liegen): Sie suchen ein wirklich kreatives Geschenk für Ihren Gatten? Jenseits<br />

von: „Oh, Schatz, das ist die 33ste braun-gestreifte Krawatte – was für<br />

eine Überraschung. Ich weiß ehrlich nicht, was ich sagen soll ...“ Nähen Sie<br />

ihm einen möglichst bunten Fallschirm! So motiviert, denkt er jeden Tag an<br />

Sie (wenn er mutterseelenallein und traurig auf dem Flugplatz steht)!<br />

Ein letzter Gedanke zu diesem Thema: Gummi altert! Je nach Qualität<br />

und Lagerung unterschiedlich schnell. Wenn Sie die Rolle mit dem Gummi<br />

wochenlang in der Sonne (UV-Strahlung) rösten lassen, müssen Sie sich<br />

nicht wundern, wenn es genau an dem Tag reißt, an dem es die beste Thermik<br />

hat und kein Ersatz in der Nähe ist. Ein Gefühl, das jeder kennt, der ein<br />

wenig länger fliegt – und auf das man immer wieder dankend verzichten<br />

kann. Ein Einreiben mit Talkum und Glycerin, und die Lagerung in dunklen,<br />

thermisch konstanten Räumen lässt so ein Gummi durchaus mal 20<br />

Jahre alt werden. Ach ja, und bitte spannen Sie Ihr Hochstartseil nicht über<br />

Feldwege, selten befahrene Nebenstraßen (Radfahrer!) oder eine belebte<br />

Voller Auszug: der »Amigo« am Hochstartseil. Diese Modellklasse<br />

dürfen Sie bedenkenlos noch am breiten Rumpf kurz hinter dem<br />

Schwerpunkt packen (Vorsicht bei nasser Wiese!). Größere Modelle<br />

(mit Zahnstocher-Zweckrümpfen) packen Profis kurzerhand weit<br />

hinten an der Rumpfkeule<br />

Thermik 2012<br />

Alles im Griff, oder was? Flache Rümpfe lassen sich beim Start am<br />

besten am langen „Hinterteil“ packen. Meist machen die Piloten vor<br />

dem Start mit dem Modell eine wippende Handbewegung, damit die<br />

Nase des Modells beim Loslassen leicht nach oben zeigt<br />

75


Aus der Hand (hoch!) in die Thermik. DLG-Piloten lieben ihre Modelle vor allem<br />

deswegen, weil man ohne großen Aufwand in die Thermik kommt – eine Körperdrehung,<br />

und schon geht es bis zu 70 Meter hoch unter die Wolken. Aus dieser Höhe<br />

ist das Bärtesuchen und -finden fast ein Kinderspiel. Die Betonung liegt auf „fast“ ...<br />

Nach Altvätersitte: Böse Zungen würden zu diesem<br />

Bild sagen, dass Pilot und Modell zusammen der<br />

„100“ bedrohlich nahekommen. Dabei ist es einfach<br />

nur wunderschön, gelegentlich am Hang einen Klassiker<br />

zu starten. Hier, wie Markus Schilling zeigt, ganz<br />

unproblematisch aus dem Handgelenk. Wie beliebt<br />

diese Modelle sind, zeigt ein gelegentlicher Blick auf<br />

ebay – da liegen die Preise der unverbastelten Bausätze<br />

aus den 60ern, 70ern und 80ern meist weit jenseits<br />

der Neupreise<br />

Wiese in einem Park. Lachen Sie nicht, das gibt<br />

es. Kein Spaziergänger mit Hund achtet auf das<br />

nahezu unsichtbare Seil im Gras. Was dabei<br />

alles passieren kann, will ich mir gar nicht erst<br />

vorstellen. Also, wie immer beim Modellfliegen –<br />

safety first!<br />

Ab an die Winde<br />

Hochstartwinden, da denken wir natürlich sofort<br />

an komplizierte Anlagen, kaum zu transportieren,<br />

wahnsinnig teuer und nur vom Fachmann an der<br />

sündhaft teuren Drehbank herzustellen. Wirklich?<br />

Nein! Mittlerweile hat sich dank globalen<br />

Internets eine irrsinnig kreative Tüftler-Gemeinde<br />

gebildet, die nichts lieber macht, als (vor allem<br />

im Winter) neue Winden zu bauen und damit zu<br />

experimentieren. Zentrales Teil dieser Do-it-yourself-Winden<br />

ist meist ein ausrangierter Autoanlasser,<br />

der auf dem nächstgelegenen Schrottplatz<br />

organisiert wird. Vor der (CAD-)Konstruktion sollte<br />

man sich allerdings Gedanken machen, welche<br />

Modelle das Teil nach oben ziehen soll. Ein<br />

300 Gramm leichter HLG stellt deutlich weniger<br />

Ansprüche an die Haltbarkeit der Winde als ein<br />

10-kg-Scale-Segler. Surfen Sie sich einfach mal<br />

durchs Netz, in den entsprechenden RC-Foren<br />

hat es hierzu Abertausende Beiträge und Seiten.<br />

Sie kaufen lieber mit Garantie und allem Drum und Dran? Kann ich gut<br />

verstehen, zumal Drehbänke und Co. noch nie mein Ding waren, von der<br />

kniffeligen Steuerungselektronik in aktuellen Winden mal ganz abgesehen<br />

– ich bekomme ja beim Verlöten zweier Kabel an den Akku schon eine mittelschwere<br />

Krise.<br />

Aber auch hier lässt Sie der Markt nicht allein: Winden gibt es von zahlreichen<br />

Herstellern in allen nur denkbaren Ausführungen. Ein seit Jahrzehnten<br />

bekannter Hersteller, der in Fliegerkreisen schon fast synonym zum Begriff<br />

„Winde“ genannt wird, ist ohne Zweifel Ulrich Flühs, der erst im vergangenen<br />

Jahr in den verdienten Ruhestand gegangen ist, sein Unternehmen<br />

existiert unter neuer Regie natürlich weiter. Ulrich Flühs hat die Fachwelt<br />

bereits 1979 mit seiner ersten Elektrowinde begeistert (die sogenannten<br />

„Marktführer“ kamen erst Anfang der 90er mit der ersten Elektrowinde im<br />

Katalog), seitdem folgte bei Flühs jedes Jahr eine weitere Neuerscheinung:<br />

Darunter sind Winden mit Elektroantrieb, die um die 1000,– Euro liegen,<br />

Winden mit Zweitaktmotor für um die 900,– Euro (eine gute Idee, das<br />

spart den schweren Akku, ist aber wegen der Geräuschentwicklung nicht<br />

überall erlaubt und sinnvoll), eine Winde, die auf den treffenden Namen<br />

„Vereinswinde“ hört und die so gut wie alles schleppt, bis hin zu Seglern<br />

mit zehn Kilo Abfluggewicht. Dazu braucht es 2,4 Kilowatt, einen perfekten<br />

mechanischen Aufbau mit modernster Elektronik – so etwas hat dann ganz<br />

klar seinen Preis, nämlich circa 1700,– Euro. Besonders angetan hat es mir<br />

jedoch die praktische „Kofferwinde“ mit ihren 1,1 kW, ich hab’ gern alles<br />

im Griff.<br />

Eigentlich unterscheidet sich ein Start an der Winde nicht wirklich von<br />

einem Gummi-Hochstart. Anders als beim Gummi lässt sich bei der Winde<br />

mit dem Fußschalter die Geschwindigkeit (abhängig von Wind oder eingehängtem<br />

Modell) relativ fein dosieren. Das kann speziell bei empfindlichen<br />

Modellen ein Vorteil sein, denn das erbarmungslose Gummiseil kennt nur<br />

eine Einstellung – Vollgas!<br />

Dickes Plus der Winde: die möglichen Längen des verwendbaren Seils<br />

und die damit erzielbaren, maximalen Ausgangshöhen. An der typischen<br />

Winde werden immerhin Seillängen von 400 bis zu 1000 Meter eingesetzt,<br />

auf Sonderwunsch sind bei Flühs sogar Seile mit drei Kilometer Länge zu<br />

bekommen! Nein, mit diesen Seilen starten Sie nicht auf der kleinen Wiese,<br />

dazu braucht es schon einen richtig erwachsenen Modell- oder sogar<br />

manntragenden Flugplatz.<br />

Noch ein Vorteil der Winde: Das Seilrückholen ist deutlich weniger<br />

nervig als bei der klassischen Gummi-Seil-Kombi (hier ist von Hand kurbeln<br />

angesagt!). Wie immer im Universum ist alles auf Ausgleich eingestellt – für<br />

die potente Winde brauchen Sie eine nicht weniger potente Stromquelle.<br />

Und das bedeutet: erst laden, dann schleppen – im doppelten Sinn!<br />

76 Thermik 2012


Weltweit extrem populär ist die Segelflugklasse<br />

F3B, in der die Modelle mit Elektrowinden<br />

äußerst dynamisch in die Luft befördert werden.<br />

Damit diese Wettbewerbe fair ablaufen, sind hier<br />

übrigens alle Winden gleich stark. Die starken<br />

und hochfesten Seile sind aus Polyamid und zwischen<br />

1,0 und 1,4 Millimeter dick – so eine F3B-<br />

Wettbewerbsmaschine sprintet beim Start an der<br />

Winde auf etwa 300 bis 350 Meter Höhe, und das<br />

mit einer irrwitzigen Beschleunigung, die falsch<br />

gebaute oder wenig stabile Modelle sofort zerlegt.<br />

Techniker wollen hier Belastungen von der<br />

30-fachen Erdbeschleunigung gemessen haben.<br />

Nur gut, dass da keiner im Cockpit sitzt ...<br />

Der F-Schlepp<br />

Bevor jetzt die ersten Nörgler loslegen und rufen:<br />

Davon hat der Falk doch keine Ahnung! Der mit<br />

seinen Miniseglern! Stimmt, zugegeben – aber<br />

doch nur teilweise ...<br />

Wenn Sie meine Tests in den letzten Jahren<br />

aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, ich<br />

teste eigentlich nichts über drei Meter Spannweite.<br />

Also muss ich mich nicht schleppen lassen<br />

– aber halt, nicht so voreilig! Vor ewigen Jahren<br />

habe ich den Segelflugschein gemacht (mein<br />

75-jähriger Fluglehrer in der ersten Stunde zu<br />

mir: „Junge, das darfst du nicht machen, hier voll<br />

ziehen und da voll reintreten!“ TRUDEL...), und<br />

aus dieser Zeit weiß ich noch ein paar Dinge, die<br />

den F-Schlepp betreffen, da spielt es kaum eine<br />

Rolle, ob manntragender oder Modellschlepp:<br />

Erstens, versuche nicht, die Schleppmaschine zu<br />

überholen. Und zweitens, unterdrücke jegliche<br />

schrägen Kunstflugambitionen, bis das Seil am<br />

Ende des Schlepps sicher ausgeklinkt ist!<br />

Im Prinzip lassen sich diese Weisheiten auf<br />

den Modellflug hinunterdividieren: Bleiben Sie<br />

in ständigem Kontakt mit dem Schlepp-Piloten,<br />

reden Sie miteinander (ein Briefing vorher sollte<br />

selbstverständlich sein, schließlich bewegen wir<br />

gemeinsam ein paar Euro durch die Luft!), stehen<br />

Sie nebeneinander, sprechen Sie Kommandos<br />

vorher ab (sprechen Sie dieselbe Sprache?!)<br />

und vor allem – achten Sie auf die Ästhetik! Wie<br />

bitte? Nun, das bedeutet, schleppen Sie bitte<br />

im ähnlichen Maßstab. Wie sieht das denn aus,<br />

wenn eine große »Piper« im Maßstab 1:2,5 ein<br />

2-m-»Grunau-Baby« zieht. Genau, seltsam von<br />

den Proportionen und in diesem Fall besonders<br />

seltsam von den Designs her. Werfen Sie das<br />

»Baby« bitte artgerecht von der nächsten Hangkante,<br />

das will nicht geschleppt werden!<br />

Und dann noch der Start dieses Schleppverbands<br />

an sich. Ja, es gibt heutzutage sehr leistungsstarke<br />

Verbrenner und Brushless-Antriebe<br />

mit richtig vielen kW unter den Achseln. Aber<br />

das ist noch lange keine Grund, den Segler im<br />

45-Grad-Winkel oder sogar noch steiler in den<br />

Himmel zu reißen. Das ist unangenehm realitätsfern!<br />

Sie haben einen Scale-Piloten mit Ihren<br />

Gesichtszügen im Cockpit? Dann fragen Sie sich<br />

mal, wie der nach so einer Aktion grünlich aus<br />

der Wäsche guckt ...<br />

Typische Schlepper in den Vereinen, die für<br />

die meisten Einsätze bis hin zu etwas größeren<br />

Thermik 2012<br />

Und raus damit: Einen HLG können Sie bedenkenlos in der Ebene auf etwa 15 Meter<br />

Höhe werfen. Mit etwas Glück (oder besser: mit viel Erfahrung) zapfen Sie sogar<br />

einen Bart an. Das klappt selbst mit Zweimeter-Seglern um die 400 Gramm. Alles<br />

was schwerer oder größer ist, sollten Sie nur noch am Hang von Hand rauswerfen!<br />

Scale-Seglern geeignet sind, haben etwa 2,5 Meter Spannweite und einen<br />

Verbrenner mit 40 Kubik aufwärts in der Nase. Das reicht, um Segler mit<br />

einem Gewicht von etwa acht Kilo vorbildgetreu nach oben zu ziehen. Wir<br />

alle kennen die zahllosen »Piper«, »Jodel« oder »Wilga«, die speziell an<br />

Vereinsflugtagen unermüdlich zum Einsatz kommen. Und was wird so geschleppt?<br />

Eigentlich alles von 3,5 Meter Spannweite aufwärts, zum Beispiel<br />

Oldies wie die »K6«, »ASK 18« und die »K8«. Der Vorteil dieser Modelle ist,<br />

dass sie allesamt durch das Profil eine niedrige Grundgeschwindigkeit<br />

haben und Hochdecker sind, sodass sie bei Start und Landung nicht gefährlich<br />

im Gras hängen bleiben.<br />

Sehr stark im Trend sind elegante, moderne Konstruktionen wie<br />

»Arcus«, »ASH 25-31«, »Duo Discus«, »Nimbus« oder »Ventus«. In den<br />

letzten Jahren ist der Anstieg der Spannweiten kaum zu übersehen. Mit vier<br />

Meter Spannweite gehört man zu den eher kleinen Seglerpiloten, sechs<br />

Meter ist bereits alltäglich, und einige Modelle haben die Zehn-Meter-Marke<br />

überschritten. Allerdings reden wir in diesem Bereich von einer ernsthaften<br />

Investition, die durchaus in der Größe eines neuen Kleinwagens oder darüber<br />

liegt. Und so gleichzeitig von Abfluggewichten, die nur sehr knapp<br />

unter der 25-Kilo-Grenze liegen. Klar, dass dies der typische Vereinsschlepper<br />

mit seinen 40 Kubik nicht mehr nach oben bekommt, hier braucht es<br />

beispielsweise Schlepper wie die neue, knapp drei Meter spannende »Viper<br />

SD-4« von Florian Schambeck, die mit ihrem etwa sieben Kilowatt starken<br />

Brushless an viermal 6s-LiPos bei 15 Kilo Eigengewicht zusätzlich einen<br />

20 Kilo schweren Segler in 30 Sekunden auf 200 Meter Höhe bringt. So viel<br />

Leistung kannte man bisher nur von einem großen 150-Kubik-Verbrenner.<br />

Unschlagbarer Vorteil der modernen Elektroantriebe: Sie sind wesentlich<br />

leiser und damit anwohnerfreundlicher! Von der einfachen Wartung und<br />

Lagerung mal ganz abgesehen.<br />

Ein paar simple aber wichtige Einsteiger-Tipps für die ersten Starts<br />

eines Gespanns: Die Zugmaschine darf idealerweise so lange auf dem<br />

Boden rollen, bis der Segler abhebt. Der Segler sollte die Motormaschine<br />

leicht „übersteigen“, so wird wirkungsvoll verhindert, dass das Höhenleitwerk<br />

der Schleppmaschine durch das Schleppseil heruntergedrückt wird.<br />

Nicht in einem zu steilen Winkel schleppen, das Gespann könnte so unerwartet<br />

„abschmieren“. Und – Profis empfehlen, dass nicht vom ersten Tag<br />

an ganze (vorbildgetreue) Runden geflogen werden. Besser alternativ<br />

durch Hin- und Herschieben gegen den Wind auf Höhe kommen! Erst<br />

wenn diese Technik sitzt, sollte man sich an den „echten“ Schlepp in<br />

Kreisen wagen.<br />

Sie sehen, gerade das Schleppen von großen Seglern geht niemals<br />

ohne Teamwork! Gemeinsam starten, gemeinsam fliegen. Und vor allem:<br />

gemeinsam Spaß in der Thermik haben.<br />

77


Viel Flugspaß mit geringen Mitteln<br />

DLG-Fliegen ist sportlich, dynamisch, aktiv – und es ist ein<br />

sicherer Einstieg in den faszinierenden Flugmodellsport.<br />

Das Heft ist durchaus für Fortgeschrittene und Profi s geeignet,<br />

aber vor allem wendet sich das <strong>Sonderheft</strong> DLG an Einsteiger.<br />

Denn für eine überschaubare Summe (ab ca. 200<br />

Euro) lässt sich hier viel Flugspaß erleben.<br />

Umfang 84 Seiten<br />

DIN A4<br />

Best.-Nr. 41-2011-02<br />

Preis 9,60 [D]<br />

Ein <strong>Sonderheft</strong>, das kein Thema auslässt<br />

Angefangen vom richtigen Einstieg mit einem Fertigmodell über<br />

das Verfeinern serienmäßiger Einziehfahrwerke, die Unterlagenbeschaffung,<br />

das Supern von Sternmotorattrappen bis hin zu<br />

vielen Tipps über das Finish und die Detaillierung deckt dieses<br />

<strong>Sonderheft</strong> die volle Bandbreite des Themas „Ferngesteuerte<br />

Warbirds“ ab.<br />

Ein <strong>Sonderheft</strong>, das kein technisches Thema auslässt und praktisch<br />

alle Fragen beantwortet, die sich um das Thema Warbird<br />

drehen.<br />

Eine Pfl ichtlektüre für alle, die sich im weitesten Sinne für Warbirds<br />

interessieren und Informationen aus erster Hand suchen.<br />

Umfang 128 Seiten<br />

DIN A4<br />

Best.-Nr. 41-2011-01<br />

Preis 9,60 [D]


- <strong>Sonderheft</strong>e<br />

Umfang 128 Seiten<br />

DIN A4<br />

Best.-Nr. 41-2009-01<br />

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Umfang 66 Seiten<br />

DIN A4<br />

Best.-Nr. 41-2008-01<br />

Preis 9,80 [D]<br />

Umfang 104 Seiten<br />

DIN A4<br />

Best.-Nr. 41-2007-01<br />

Preis 9,60 [D]<br />

Neckar-Verlag GmbH • D-78045 Villingen-Schwenningen<br />

Telefon +49 (0)77 21 / 89 87-38 /-48 (Fax -50)<br />

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Ein Fazit<br />

Torsten Falk<br />

Suche ich weiter nach Thermik,<br />

oder kaufe ich mir einen fetten Brushless?<br />

Mit der täglichen Thermiksuche ist<br />

es wie mit zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen – sie hat ihre Höhen<br />

und Tiefen. Und das wortwörtlich!<br />

Wahnsinn kennt keine Grenzen: Völlig Wahnsinnige (hallo, ich!) klettern auf<br />

steile Felskanten, schmeißen den Segler runter und fangen an zu suchen<br />

– erst die Thermik. Und wenn‘s nicht geht – die Einzelteile. Machen Sie das<br />

bitte nicht nach, ich war zehn Jahre lang Extremkletterer auf Matterhorn<br />

und Co.<br />

Es gibt leider Tage, da geht es nicht wirklich<br />

gut, da finden wir einfach keinen gescheiten<br />

Anschluss, da trägt nichts, die Luft ist<br />

feucht und schwer, alles sinkt – sogar die gute<br />

Laune. Aber geben wir deswegen gleich auf?<br />

Verkaufen wir unsere mit viel Blut, Schweiß und<br />

Tränen zusammengebauten Segler? Blättern<br />

wir heimlich in Hochglanzprospekten mit unbeschreiblich<br />

leistungsstarken Hochleistungstriebwerken<br />

– werden wir schwach?<br />

Nein – wir doch nicht! Niemals – nichts gegen<br />

unsere Freunde und Kollegen, die nur mit einem<br />

Motor und jeder Menge LiPo-Strom die Luft auf<br />

dem steilen Weg nach oben durcheinanderquirlen.<br />

Alles hat seine Daseinsberechtigung.<br />

Schließlich lieben wir ja nicht alle den gleichen<br />

Typ Frau, Schokolade oder Auto (für diese Aufzählung<br />

ein dickes Pardon an Alice Schwarzer<br />

– ich kann nicht anders!). Klar, variatio delectat,<br />

wie schon mein alter Lateinlehrer sagte, Vielfalt<br />

erfreut (gemeint sind die Facetten unseres Hobbys)!<br />

Aber in den letzten zehn Jahren habe ich so<br />

viele Top-Piloten kennengelernt, die sich nichts<br />

anderes als ein täglich neues Suchen nach Thermik<br />

vorstellen können. Kein Leben ohne. Es ist dieses immer wieder neue<br />

Ringen mit der Natur, dieses Trotzen der Schwerkraft, unsere Segler fallen<br />

halt von Natur aus immer, lassen Sie sich von den Marketingabteilungen<br />

der Hersteller nichts anderes erzählen. Ein „steigendes Hochleistungsprofil“<br />

gibt es nicht. Wird es nie geben! Ganz allein Mutter Natur hält Ihren<br />

„brushless-lessen“ Segler oben. Und ja, zugegeben – dieser Sport hat ein<br />

80 Thermik 2012


extrem hohes Suchtpotenzial. Fragen Sie mich<br />

mal, ich habe in den vergangenen zehn Jahren<br />

etwa 90 Segler ohne Antrieb in der Nase oder<br />

auf dem Rücken gebaut und geflogen. Gut,<br />

nicht jeder Einzelne davon hat meine unstillbare<br />

Thermiksucht überlebt, einige kleben seit ein<br />

paar Wintern weit oben in den Bäumen, andere<br />

wollten partout auf direktem Weg (zurück?) nach<br />

China, und einer war so hammermäßig in der<br />

Thermik zentriert, den habe ich nie wieder gesehen!<br />

Warum das? Ja, man sollte die Akkus vor<br />

dem Flug laden. Ich kenne mindestens ein Dutzend<br />

(Wettbewerbs-)Piloten, die bei dem Thema<br />

ganz leise werden ...<br />

Was sind das für schräge Typen, die bei jedem<br />

Wetter auf dem Platz stehen und mit ihrem<br />

Segler den Luftraum nach jedem Hauch Thermik<br />

absuchen? Sicher nicht Leute, die sich den fetten<br />

Brushless mit 15 kW oder mehr nicht leisten<br />

können. Nach so vielen Jahren in der Luft, Interviews<br />

mit Weltklasse-Piloten, zahllosen Abenden<br />

am Lagerfeuer eines Wettbewerbs kann ich eins<br />

ganz sicher sagen – es sind sicher nicht Piloten,<br />

die es sich leichtmachen. Viele erkennt man an<br />

ihren wettergegerbten Gesichtern. Denn wer<br />

stundenlang in der Thermik kreist, der steht (oft,<br />

aber nicht immer) in der Sonne. Ich glaube, es<br />

ist der Sportsgeist, der diese Männer (ja, und ein<br />

paar, natürlich viel zu wenige, Frauen) antreibt<br />

– wir wissen, wenn es heute nicht so gut geht,<br />

dann waren wir nicht gut genug. Dann klappt es<br />

vielleicht morgen. Oder an dem Tag danach. Das<br />

Wetter kann nichts dafür!<br />

Und – glauben Sie es mir bitte: Ausgiebiges<br />

<strong>Thermikfliegen</strong> ist etwas, was man sich für kein<br />

Geld der Welt kaufen kann, dazu braucht es<br />

nicht einmal ein besonders hochwertiges Modell.<br />

Aber jede Menge Erfahrung!<br />

Wenn Sie schon länger Flüge in der Thermik<br />

lieben, dann wissen Sie: Das gute Gefühl während<br />

eines und nach einem langen und erfolgreichen<br />

Flug in der frühsommerlichen Thermik ist<br />

hochgradig ansteckend und, Schockschwerenot,<br />

es legt sich nicht, es wird immer schlimmer! Weil<br />

wir uns diese Leistung in der Luft selber erarbeiten<br />

und nicht einfach einen Knüppel schnell<br />

nach vorn schieben. Da steckt viel Arbeit drin,<br />

Rückschläge, nicht zu wenig Frust vor allem in<br />

der ersten Zeit – umso herrlicher schmeckt der<br />

Erfolg, wenn es dann endlich klappt und man die<br />

Bärte vor allen anderen Piloten am Platz erkennt,<br />

die Wolkenbilder richtig liest und deutet, Auslösepunkte<br />

erkennt, Bärte besser auskreist und<br />

viel länger oben bleibt, eben weil man den Dreh<br />

(endlich!) raus hat.<br />

Wenn Sie durch dieses Heft neugierig auf so<br />

viel Natur und „pures“ Segelfliegen geworden<br />

sind, den Brushless mal ein paar Wochen im<br />

Keller vor sich hin rosten lassen und einfach mit<br />

einem günstigen Segler und einem kleinen Gummiseil<br />

auf den Platz ziehen, Thermik suchen und<br />

den ganzen Tag lang nur Spaß haben – dann<br />

haben sich für mich die neun Monate Arbeit<br />

gelohnt. So, höchste Zeit für ein Schlusswort:<br />

Legen Sie endlich dieses Heft auf die Seite,<br />

schnappen Sie sich Ihren Segler und gehen Sie<br />

raus – die Thermik wartet!<br />

Thermik 2012<br />

Hab‘ ihn! Wer viel Thermik sucht, der (f)liegt auch mal daneben. Hier ging<br />

dem kleinen »Birdie« die Luft aus, und er landete mit letzter Kraft in einem<br />

halshohen Dornengestrüpp. Tesa über die kleinen Löcher (beim Modell) –<br />

und schon geht’s wieder raus in den nächsten Bart<br />

Gefiederte Kämpfernatur: Dieser HLG-große Rotmilan hat uns im August<br />

2012 bei über 30 Grad und fast toter Luft eine Viertelstunde lang in Staunen<br />

versetzt: Er kreiste, der Bart trug nicht, und er fiel immer weiter – Bussarde<br />

hätten längst abgebrochen. Nicht dieser Milan, er kämpfte um jeden<br />

Zentimeter Höhe, sank bis unter Baumhöhe und kam schließlich (breit<br />

grinsend?) nach etlichen Minuten und zahllosen Kreisen wieder aus dem<br />

Tal herausgekurbelt. Bei über einem Kilo Gewicht und einer Spannweite<br />

von etwa 1,6 m. Was sagt uns das? Geben Sie nie zu früh auf, immer weiter<br />

kreisen, denn etwas geht immer!<br />

81


Impressum<br />

Dieses Heft ist eine Sonderpublikation<br />

der Monatszeitschrift<br />

Die Nummer 1 mit<br />

Verlag<br />

Neckar-Verlag GmbH<br />

Klosterring 1<br />

78050 Villingen-Schwenningen<br />

Postfach 1820, 78008 Villingen-Schwenningen<br />

Telefon 07721/8987-0<br />

Telefax 07721/8987-50<br />

www.neckar-verlag.de<br />

Verlagsleitung<br />

Ruth Holtzhauer, Beate Holtzhauer<br />

Redaktion:<br />

Ralph Müller, Torsten Falk<br />

Grafik und Layout<br />

Robert Scheit<br />

Marketing<br />

Rita Riedmüller<br />

Tel. 07721/8987-44<br />

Anzeigenverwaltung<br />

Uwe Stockburger<br />

Tel. 07721/8987-71<br />

Aline Denkinger<br />

Tel. 07721/8987-73<br />

Anzeigen<br />

Für Texte und Inhalte von Anzeigen und<br />

Beilagen übernimmt der Verlag keine<br />

Verantwortung.<br />

Vertrieb<br />

Monika Fritschi, Baupläne, Bücher und<br />

Zeitschriften, Abonnementsverwaltung.<br />

Tel. 0 77 21/89 87-37/-38 und -48<br />

Einzelpreis des <strong>Sonderheft</strong>s<br />

Euro 9,60 [D],<br />

Euro 9,90 [EU]; sfr 15,90<br />

Bankverbindungen<br />

Postgirokonto-Nr. 9389-701, Stuttgart,<br />

BLZ 60010070<br />

Volksbank eG Villingen, Konto-Nr. 8915,<br />

BLZ 69490000<br />

Druck<br />

Stürtz GmbH<br />

97017 Würzburg<br />

Vertriebsbetreuung für das Grosso<br />

und den Babu<br />

Wolfgang Sieling, Am spitzen Hey 19,<br />

38126 Braunschweig, Tel. 05 31/69 11 07<br />

Ernst Leidecker, Mömlingtalring 91,<br />

63785 Obernburg, Tel. 0 60 22/77 33<br />

Auslieferung für die Schweiz<br />

Wieser Modellbau-Artikel, Postfach,<br />

Wieslergasse 10, CH 8049 Zürich-Höngg,<br />

Tel. 01/3 40 04 30, Fax 01/3 40 04 31<br />

Copyright und Nachdruck<br />

Honorierte Arbeiten gehen in das Verfügungsrecht<br />

des Verlages über. Nachdruck<br />

nur mit Genehmigung des Verlags. Nachdruck:<br />

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil<br />

dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche<br />

Genehmigung des Verlags vervielfältigt<br />

oder verbreitet werden. Das gilt auch für<br />

die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie,<br />

die Aufnahme in elektronische Datenbanken<br />

und Mailboxen sowie Vervielfältigungen<br />

auf CD-ROM.<br />

Mit Übergabe der Manuskripte und Bilder<br />

an die Redaktion erteilt der Verfasser dem<br />

Verlag das Exklusivrecht.<br />

Zeitschriften aus dem Neckar-Verlag sind<br />

auf umweltfreundlichem Papier gedruckt.<br />

82<br />

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(Nicht enthalten)<br />

4-Klappen-Flügel mit Profil-Verwölbung<br />

Nase für den reinen Segelflug<br />

enthalten.<br />

HÄNDLER<br />

horizonhobby.de/haendler<br />

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SERIOUS FUN.<br />

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